Klassiker der Erotik 4: Justine und das Unglück der Tugend - Marquis de Sade - E-Book

Klassiker der Erotik 4: Justine und das Unglück der Tugend E-Book

MARQUIS DE SADE

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Beschreibung

Das berühmte Werk de Sades wurde während seiner Haftzeit 1787 geschrieben. Justine und Juliette sind die Töchter eines bankrotten Kaufmanns. Nach dem Tod der nahezu mittellosen Mutter beschließt Juliette, als Prostituierte ins Bordell zu gehen, verübt eine Reihe von Verbrechen, erwirbt Reichtum und wird glücklich. Justine hingegen wählt den Weg der Tugend, erlebt hierbei eine Reihe von Abenteuern und Missgeschicken und wird fortwährend Verfolgungen, Erniedrigungen, Quälereien und Vergewaltigungen ausgesetzt.

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JUSTINE

oder

DAS UNGLÜCK DER TUGEND

Impressum

Hrsg. Passion Publishing Ltd. Postfach 11 28 53621 Königswinter ISBN 978-3-939907-79-4

O mein Freund ! Das Erblühen des Verbrechens ist wie der Blitz, dessen trügerische Strahlen die Atmosphäre nur sekundenlang verschönen, um den Unglücklichen, den sie geblendet haben, alsbald in die Abgründe des Todes zu stürzen.

Es wäre ein Meisterwerk der Philosophie, wenn sie darlegte, welcher Mittel sich die Vorsehung bedient, um die Absichten, die sie mit dem Menschen hat, zu vollenden, und wenn sie Regeln aufstellte, die den unglücklichen Zweibeiner darüber aufklären könnten, wie er sich auf dem dornigen Lebenspfad zu bewegen hat, um den bizarren Launen jener Fatalität zuvorzukommen, die man mit zwanzigerlei Namen belegt hat, ohne dass man sie bislang zu erkennen oder zu definieren vermochte.

Wenn wir aber mit allem Respekt für unsere gesellschaftlichen Konventionen und ohne jede Auflehnung gegen die dadurch errichteten Dämme dennoch nur auf Dornengestrüpp stoßen, während die Bösewichte nichts als Rosen ernten, werden dann nicht diejenigen, denen es so sehr an Tugend mangelt, dass sie sich über derartige Betrachtungen hinwegsetzen, werden sich diese Leute etwa nicht überlegen, dass es besser sei, sich mit dem Strom treiben zu lassen, als dagegen anzuschwimmen? Werden sie nicht sagen, dass die Tugend, so schön sie auch sein mag, die schlechteste Wahl sei, die man treffen könne, wenn sie sich als zu schwach erweist, gegen das Laster zu kämpfen, und wenn es in einem gänzlich verderbten Jahrhundert doch das sicherste ist, wie die anderen zu handeln? Die, wenn man so will, etwas Gebildeteren, werden sie nicht, ihre Aufgeklärtheit missbrauchen, mit dem Engel Jesrad im Zadig zu erklären, dass es nichts Böses gebe, dem nicht etwas Gutes entspringt, und dass sie sich demzufolge dem Schlechten hingeben könnten, da dies tatsächlich nur eine andere Form ist, Gutes zu tun? Werden sie nicht hinzufügen, dass es für den allgemeinen Plan ganz gleichgültig bleibe, ob dieser oder jener es vorziehe, gut oder böse zu sein; und wenn die Tugend vom Unglück verfolgt, das Verbrechen hingegen von Wohlleben begleitet—in den Augen der Natur beides also gleichbedeutend sei —, dass es dann doch tausendmal besser wäre, sich auf die Seite der Schlechten zu schlagen, denen es gut geht, als auf die der Tugendhaften, die geopfert werden? Es ist also wichtig, diesen gefährlichen Sophismen einer falschen Philosophie zuvorzukommen und eindringlich zu zeigen, dass die Beispiele einer unglücklichen Tugend, wenn sie einer verderbten, aber immerhin noch von einigen guten Grundsätzen durchdrungenen Seele vorgestellt werden, diese Seele ebenso sicher wieder dem Guten zuzuführen vermögen, als ob man ihr auf diesem Tugendpfad die glänzendsten Ehrungen und die verlockendsten Belohnungen geboten hätte. Es ist gewiss grausam, das Leid, das über eine sanfte, zartfühlende und die Tugend hoch achtende Frau hereinbricht, in seiner ganzen Fülle ausmalen zu müssen und andererseits das Wohlleben zu schildern, dessen sich die Peiniger und Unterdrücker dieser Frau erfreuen. Wenn aber aus der Darstellung dieser Fatalitäten Gutes entsteht, sollte man sich dann Vorwürfe machen, sie aufgezeigt zu haben? Kann man es dann als ärgerlich empfinden, eine Tatsache vorgetragen zu haben, aus der sich für den einsichtigen und weisen Leser die sinnvolle Lehre von der Schicksalsergebenheit ableitet, und er die fatale Warnung erhält, dass der Himmel unseren Nächsten, der seine Pflichten aufs beste erfüllt zu haben scheint, häufig nur deshalb heimsucht, um uns selbst an unsere Pflichten zu gemahnen?

Solcherart sind die Empfindungen, mit denen wir uns ans Werk begeben, und in Anbetracht dieser Beweggründe bitten wir den Leser um Nachsicht hinsichtlich der irrigen Vorstellungen, die einigen unserer Charakteren in den Mund gelegt sind und hinsichtlich der zuweilen etwas anstößigen Situationen, die wir Ihnen aus Liebe zur Wahrheit vor Augen führen mussten.

Gräfin Lorsange war eine jener Venuspriesterinnen, deren Glück das Werk einer hübschen Figur und einer beträchtlichen Liederlichkeit ist und deren Titel, mögen sie noch so hochtrabend klingen,—erdichtet von der Unverfrorenheit ihrer Trägerin und aufrechterhalten durch die törichte Leichtgläubigkeit ihrer Bewunderer—nur in Kytheras Archiven zu finden sind : Brünett, schön gewachsen, mit selten ausdrucksvollen Augen; von jener modischen Ungläubigkeit, die den Leidenschaften zusätzliche Würze verleiht und bewirkt, dass eine Frau, die dergleichen vermuten lässt, weit heftiger umworben wird; etwas boshaft, bar aller Prinzipien, ohne Skrupel, aber doch nicht so verderbt, dass alle Empfindsamkeit aus ihrem Herzen gelöscht wäre, stolz und ausschweifend: Das war Frau de Lorsange. Gleichwohl hatte diese Frau die vortrefflichste Erziehung genossen: Als Tochter eines sehr bedeutenden Bankiers in Paris war sie mit einer drei Jahre jüngeren Schwester namens Justine in einem der berühmtesten Klöster der Hauptstadt erzogen worden, und bis zu ihrem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr war der einen wie der anderen Schwester kein Ratschlag, kein Lehrmeister, kein gutes Buch und die Förderung nicht einer ihrer Gaben versagt geblieben.

In diesem für die Tugend zweier junger Mädchen so entscheidenden Lebensabschnitt verloren sie das alles von einem auf den anderen Tag: ein fürchterlicher Bankrott stürzte ihren Vater in eine so grausame Lage, dass er vor Kummer starb. Einen Monat später folgte ihm seine Frau ins Grab. Zwei kaltherzige, entfernte Verwandte beratschlagten, was mit den jungen Waisen geschehen sollte. Ihr Anteil an dem durch die Schulden auf gezehrtem Erbe belief sich auf je hundert Taler. Keiner gedachte sich ihrer anzunehmen, man öffnete ihnen die Klosterpforte, händigte ihnen die Mitgift aus und überließ es ihnen zu tun, was ihnen beliebte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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