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Wissenschaftliche Theorien auf dem Prüfstand
- Was hat es wirklich mit BSE, Spinat, Cholesterin, Kontinentalverschiebung oder Waldsterben auf sich?
- Das kleine Buch über gängige wissenschaftliche Theorien
- Fortführung der etablierten Reihe kleiner Lexika
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Seitenzahl: 146
Reiner Ruffing, geboren 1955, ist promovierter Philosoph. Als Referent im Informationszentrum Berlin hält er Vorträge zur politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lage Berlins. Er ist Lehrbeauftragter im Fachgebiet politische Theorie, Dozent in der Erwachsenen – und Lehrerweiterbildung in Berlin und Rheinland-Pfalz und Studienrat in den Fächern Deutsch, Sozialkunde, Ethik und Philosophie. Reiner Ruffing ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Elmstein, Rheinland-Pfalz; zahlreiche Veröffentlichungen.
Es ist noch gar nicht mal so lange her, dass in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts Kinderärzte empfahlen, Neugeborene in der Bauchlage schlafen zu lassen, weil dann weniger Speisebrei aus dem Magen in die Speiseröhre zurückfließt. Die Eltern befolgten gerne diesen Hinweis, schliefen die Kinder doch in dieser Lage ruhiger und weinten weniger. Doch nachdem die Babys auf dem Bauch schliefen, starben mehr Kinder an dem rätselhaften frühen Kindstod, Sudden Infant Death Syndrome SIDS, zwischen dem zweiten und vierten Lebensmonat. Schließlich erschien im Jahre 1985 eine Studie, wonach in Hongkong SIDS deutlich weniger vorkommt als in den westlichen Ländern. Als Ursache wurde vermutet, dass in Hongkong die Babys so gut wie nie auf dem Bauch, sondern auf dem Rücken liegen. Diese Annahme wurde in der Folge durch mehrere Untersuchungen bestätigt. Eine entsprechende Aufklärungskampagne führte in Holland dazu, dass die Zahl der SIDS-Fälle um etwa die Hälfte zurückging. Heute gilt die These, dass es einen Zusammenhang zwischen der Bauchlage und dem frühen Kindstod gibt, als bestätigt. Die Bauchlage ist zwar nicht die einzige Ursache, aber im Zusammenhang mit den anderen Risikofaktoren – niedriges Geburtsgewicht, Luftwegsinfekte... – wird die Bauchlage als eine große Gefahr für das Leben der Neugeborenen eingeschätzt. In Deutschland stirbt jedes tausendste Kind an SIDS, eine im Verhältnis zu anderen Ländern erhöhte Relation.
Die meisten Leserinnen und Leser werden sich daran erinnern, dass vor einigen Jahren aus Angst vor dem Rinderwahn in einer Art Massenhysterie kein Rindfleisch mehr gekauft wurde. Man glaubte, dass die Rinderkrankheit BSE (Bovine spongiforme Enzephalopathie), zu Deutsch schwammartige Gehirnkrankheit, auch Rinderwahn genannt, auf Menschen übertragen die Creutzfeld-Jakob-Erkrankung (benannt nach dem Neurologen Hans-Gerhard Creutzfeld) hervorrufen kann. Es wurde vermutet, dass die Creutzfeld-Jakob-Erkrankung zu 90 Prozent durch den Verzehr von verseuchtem Rindfleisch übertragen wird. Als Ursache der Rinderseuche BSE wiederum wurde Tiermehl ausgemacht, wobei aber unklar blieb, weshalb nur Rinder an BSE erkrankten und nicht auch die anderen Säugetiere, die mit Tiermehl gefüttert werden. Außerdem gab es in England erkrankte Tierherden, die kein Tiermehl bekamen. Im Jahre 2000 vertraten die britischen Mediziner Alan und Nancy Cochester die unglaubliche These, dass britische Kühe Futter bekamen, das mit menschlichen Überresten aus Indien verunreinigt war. Da es sich viele Inder nicht leisten können, die Leichen ihrer Angehörigen zu verbrennen, werden sie einfach in die Flüsse geworfen. Die am Flussufer und auf dem Land befindlichen Knochen werden von indischen Bauern eingesammelt. In den 60er – und 70er-Jahren sind offenbar Hunderttausende Tierknochen und andere Kadaverteile ohne größere Kontrollen von Indien nach Großbritannien transportiert worden. Ursprünglich dachte man, dass in den nächsten 10 Jahren die Zahl der Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen sprunghaft ansteigen würde, doch im Jahre 2005 konnten britische Forscher Entwarnung geben. In Großbritannien ging die Zahl der Todesfälle von 50 im Jahre 2000 auf neun im Jahre 2004 zurück. Die Annahme liegt nahe, dass damals in der Öffentlichkeit vorschnelle Schlüsse auf mögliche Risiken gezogen wurden.
Unter Burnout versteht man im Allgemeinen den Zustand einer arbeitsbedingten Erschöpfung, Selbstentfremdung und verminderter Leistungsfähigkeit. Heute wird der Begriff allerdings doch sehr inflationär verwendet, sodass der Eindruck entsteht, dass eine ganze Arbeitsgesellschaft psychisch erkrankt ist. Von neun Millionen betroffenen Menschen gehen die Krankenkassen aus. Jeder vierte Arbeitnehmer sei an Burnout erkrankt. Demnach wäre Burnout so etwas wie eine Epidemie, und das, obwohl es noch keine international gültige Beschreibung der Krankheit gibt. Allein der Arzt diagnostiziert das Burnout-Syndrom. Es fehlt den Psychologen an eindeutigen Kriterien, um Burnout von Krankheiten wie Depression und anderen Angsterkrankungen abzugrenzen. Nur sehr schwer lässt sich ein echtes Burnout von einem bloßen Gefühl des Ausgebranntseins unterscheiden. Weil die Krankheit von den Kassen nicht anerkannt ist, diagnostizieren Ärzte Burnout als Form der Depression oder anders klassifizierter psychischer Erkrankungen. Die Ursachen von Burnout sind noch weitgehend unklar. Sind es bestimmte in der eigenen Persönlichkeit liegende Faktoren, die das Symptom auslösen, wie übertriebene Opferbereitschaft, falsch verstandener Idealismus, krankhafter Perfektionismus, oder doch eher gesellschaftliche Faktoren wie veränderte Arbeitsbedingungen, zunehmender Leistungsdruck, wachsende Anonymität und soziale Vereinsamung? Offenbar gibt es eine gesellschaftliche Grundstimmung, die zur Ausbreitung von Burnout führt. Unbestritten ist, dass viele Menschen unter den wachsenden Anforderungen der Arbeitswelt leiden. Doch ob sie dadurch gleich zu Burnout-Patienten werden, ist fraglich.
Ein Arzt sagt zu seinem Patienten nach der Untersuchung: Machen Sie Schluss mit dem Rauchen! – Ich rauche gar nicht. – Dann Schluss mit dem Alkohol! – Ich trinke doch nur Wasser. – Mmmh ... dann Schluss mit dem Wasser! Dieser Witz soll zeigen, was es mit vielen gutgemeinten Ratschlägen, mit denen Ärzte ihre Patienten von angeblich krank machendem Verhalten abbringen möchten, auf sich hat. Aus heutigem Blickwinkel muss es erstaunen, dass Tabak einst für die Mediziner als gesundheitsförderlich galt, bis man seine tatsächliche Schädlichkeit entdeckte. Zu erinnern wäre an die berühmte Werbung des HB-Männchens, das vor lauter Ärger in die Luft ging, und es im Spot hieß: Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Greife lieber zur HB, weil das angeblich die Nerven beruhigt! Auf Raucher mag eine Zigarette entspannend wirken, weil sie bei Nikotinabhängigen die Entzugserscheinung dämpft. Doch die Raucher bekämpfen mit einer Zigarette lediglich einen Stress, den der Nichtraucher gar nicht erst kennt.
Gesundheitliche Ratschläge, die zu einer gewissen Zeit
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Satz: Katja Rediske, Landesbergen
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