Komik und Groteske bei Franz Kafka am Beispiel "Der Proceß" - Hans-Georg Wendland - E-Book

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Hans-Georg Wendland

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Beschreibung

Wissenschaftlicher Aufsatz aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: keine, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Philosophische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Wer bei Kafka in erster Linie den düsteren Autor der Moderne und auch die düstere Seite in seinem Wesen zu erkennen meint, wird darauf verweisen können, dass es unter den vielen Fotos, auf denen Kafka zu sehen ist, nur wenige gibt, auf denen er lacht oder lächelt. Und selbst diese wenigen Fotos zeigen vor allen Dingen einen Menschen, dessen Mund ein eher skeptisches, unsicheres Lächeln umspielt, wie es z. B. auf einem Foto aus dem Jahre 1922 der Fall ist, das ihn im grauen Anzug mit dunklem Mantel und Hut und verlegen vor dem Körper zusammengefalteten Händen vor dem Haus der Familie am Altstädter Ring, dem "Oppelthaus", zeigt. (Vgl. die Innenumschlagseite von Klaus Wagenbach: "Franz Kafka - Bilder aus seinem Leben") Auf einem früheren Foto aus dem Jahre 1914 steht er neben seiner Lieblingsschwester Ottla ebenfalls vor dem "Oppelthaus", scheinbar lässig an eine steinerne Säule angelehnt, aber wiederum mit verkrampft gefalteten Händen. Sein Lächeln scheint nicht aus der Tiefe seines Herzens zu kommen, sondern wirkt eher wie ein freundliches Zugeständnis an die Erwartungen des Fotografen bzw. des Betrachters. (ebd., Seite 203) Die weitaus meisten Fotos, einschließlich die aus seiner Kindheit, zeigen ihn "stets ernst, wenn nicht gar traurig", und "da man weiß, wie sehr belastet sein Leben war, ist man geneigt, ihn für einen durchaus schwermütigen Menschen zu halten ... Mit seiner Person wie mit seinem Werk pflegt man Begriffe wie Angst, Ausweglosigkeit, Tragik und Verzweiflung zu verbinden." (Gisbert Kranz, S. 1) Dieses Zitat verdeutlicht sehr nachdrücklich und konkret, warum sich ein klischeehaftes Kafkabild etablieren und bis auf den heutigen Tag erhalten konnte.Natürlich kann es nicht darum gehen, ein vorhandenes Kafkabild durch ein anderes zu ersetzen, das einen nunmehr heiteren, gelösten und humorvollen Kafka zeigt und seine düsteren Seiten in den Hintergrund verbannt. Darauf weist Joachim Pfeiffer in seinem Aufsatz "Kafka lacht", Seite 12, besonders hin. Aber es gibt offenbar verschiedene Möglichkeiten, Kafkas Texte zu lesen, und, je nach der gewählten Lesart, wird man sich auf bestimmte Schwerpunkte und Aspekte konzentrieren und andere dafür beiseite oder außer Acht lassen, sich zumindest nicht eingehender mit ihnen beschäftigen. Heinz Hillmann (Seite 371) spricht diesen Gedanken ganz unverblümt an, wenn er die Frage stellt, was es bedeute, "Kafka tragisch zu lesen" bzw. "Kafka komisch zu lesen".

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Komik und Groteske bei Franz Kafka am Beispiel

Der "düstere" Kafka: ein Klischee?

Der Weg zu einer unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit Kafkas Romanfragment "Der Proceß" ist mit vielen Stolpersteinen gepflastert. Es ist daher verständlich, wenn der nach Orientierung strebende, aufgeschlossene Leser bereit ist, sich der Führung derjenigen anzuvertrauen, die diessen Weg bereits vor ihm gegangen sind und an deren Sachkundigkeit und kritischer Kompetenz er keinen Grund hat zu zweifeln. Dennoch läuft er Gefahr, "einem (allzu) verkrusteten ... Kafka-Bild" (Christine Lubkoll, S. 34) bzw. dem"Klischee vom nurdepressiven Prager Schriftsteller"(Elmar Schenkel im Vorwort zu Gisbert Kranz, S. XII) zu erliegen und es dankbar zu übernehmen in der Hoffnung, dass er damit einen wichtigen Deutungsschlüssel erhalten habe, der ihm den Zugang zu diesem Werk erleichtern und sein Verständnis vertiefen könne. Diese Tendenz scheint durch eine größere Anzahl von Selbstzeugnissen Kafkas in seinen Briefen und Tagebüchern bestätigt zu werden, die auf einen autobiografischen Hintergrund des Romans verweisen, d. h. eine Beziehung herstellen zwischen Kafkas eigener Lebensgeschichte und den in der Gestalt des Josef K. sich verdichtenden Wesenszügen eines jungen Mannes, der zwischen Minderwertigkeit und Überheblichkeit schwankt, der von Sorgen, Angst und Schuldgefühlen geplagt wird, der zur Selbstbeobachtung, Selbstanalyse, Selbstanklage und Selbstrechtfertigung neigt, kurz: eines jungen Mannes, der zu sich selbst im Widerspruch steht und sich gleichzeitig ständig seiner selbst vergewissern muss. Auf eine Formel gebracht, könnte ein solcher Denkansatz in den Worten Kafkas lauten: "Der Roman bin ich, meine Geschichten sind ich ... denn durch mein Schreiben halte ich mich ja am Leben ... begreife nur liebste Felice, daß ich dich und alles verlieren muß, wenn ich einmal das Schreiben verliere." (Brief an Felice Bauer vom 02./03..01.1913, Briefe 2., Seite 15).

Dennoch wäre es kein Gewinn, sich diese Äußerung - oder auch andere in diese Richtung zielenden Aussagen - zueigen zu machen und sie als Grundlage einesautobiografisch orientierten Deutungsmustersanzusehen. Wer den düsteren Autor im "Proceß" zu erkennen glaubt, der seine eigene Lebensgeschichte literarisch verarbeitet hat und von dem immer wieder die Rede ist, wird genügend Anhaltspunkte finden, die diese These zu stützen scheinen. Man könnte beispielsweise Hinweise auf Kafkas "Kontaktschwierigkeiten zu Frauen und ein gespaltenes Verhältnis zu Sexualität, Ehe und Familie" (Thomas Gräff, S. 77) entdecken oder Anspielungen auf den Konflikt zwischen einem angepassten Beamtendasein und dem unterdrückten Wunsch nach freier Selbstentfaltung. Man könnte den Roman sogar als "metaphorische Verschlüsselung eines inneren Selbstgerichts" (ebd., S. 80) ansehen, wenn man Kafkas Äußerung Glauben schenkt, er habe sich nach seiner Verlobung mit Felice Bauer wie ein "Verbrecher" gefühlt (Tagebucheintrag vom 06. Juni 1914)[1], und seinen Kommentar zur Entlobungsszene im Hotel "Askanischer Hof" in Berlin (23. Juli 1914) liest, wo vom "Gerichtshof im Hotel"[2]die Rede ist. Aber die Frage nach einem Erkenntniszuwachs, der nicht im Schematischen und Klischeehaften steckenbleibt, sondern sich auf die Vieldeutigkeit des Romangeschehens einlässt, bliebe weitgehend unbeantwortet.