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Erfüllter Sex in Langzeitbeziehungen – der einfühlsame Ratgeber von Dr. Emily Nagoski, Bestseller-Autorin von »Komm wie du willst« Jahre befriedigend aufrechtzuerhalten. Ratschläge zum Thema Sex sind oft nicht hilfreich und von Annahmen und Erwartungen geprägt, die uns am Ende nur schaden. In »Kommt zusammen!« wirft die führende Sexualtherapeutin und Bestsellerautorin Emily Nagoski deshalb einen Blick auf den Sex in langen Beziehungen. Sie lässt uns erkennen: Das meiste, was uns über Sex beigebracht wurde, ist falsch. Es geht nicht darum, wie sehr wir Sex wollen oder wie oft wir ihn haben. Entscheidend ist, ob wir den Sex, den wir haben, auch mögen. Denn Sex muss nicht auf eine bestimmte Art und Weise oder in einer bestimmten Häufigkeit stattfinden, um befriedigend zu sein! Verständnisvoll und mit Humor zeigt Emily Nagoski, wie großartiger Sex aussehen kann. Dabei lernen wir: - Wie wir Konflikte in der Beziehung überwinden können - Wie wir mit geschlechtsspezifischen Vorstellungen umgehen, wie Sex »sein sollte« - Wie wir aufhören, uns Sorgen um unser Körperbild zu machenSo wird unsere Einstellung zu Sex und Begehren radikal verändert, und wir können endlich langfristige und erfüllende sexuelle Beziehungen aufbauen. Der Ratgeber spricht Menschen aller Identitäten und Orientierungen an, sowie Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Beziehungen. Emily Nagoski hat das Ziel, ihre Leser*innen von Erwartungen, Verpflichtungen oder Druck zu befreien, die oft mit Sex verbunden sind. »›Kommt zusammen!‹ ist eine Offenbarung! Es gibt uns die Erlaubnis, Intimität zu unseren Bedingungen neu zu definieren, und zwar durch eine fesselnde Erzählung und wissenschaftliche Erkenntnisse. Es ist an der Zeit, dass wir Scham und Verpflichtung durch Ausprobieren und Vergnügen ersetzen. Ein Muss!« Eve Rodsky, New York Times-Bestsellerautorin von »Fair Play«
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Seitenzahl: 557
Emily Nagoski
Die Kunst (und Wissenschaft!) sexuell erfüllter Beziehungen
Aus dem amerikanischen Englisch von Sylvia Bieker und Henriette Zeltner Shane
Knaur eBooks
Erfüllter Sex in Langzeitbeziehungen – der einfühlsame Ratgeber von Dr. Emily Nagoski, Bestseller-Autorin von »Komm wie du willst«
Die meisten Paare haben irgendwann Mühe, ihre sexuelle Beziehung befriedigend aufrechtzuerhalten. Ratschläge zum Thema Sex sind oft nicht hilfreich und von Annahmen und Erwartungen geprägt, die uns am Ende nur schaden.
In »Kommt zusammen!« wirft die führende Sexualtherapeutin und Bestsellerautorin Emily Nagoski deshalb einen Blick auf den Sex in langen Beziehungen. Sie lässt uns erkennen: Das meiste, was uns über Sex beigebracht wurde, ist falsch. Es geht nicht darum, wie sehr wir Sex wollen oder wie oft wir ihn haben. Entscheidend ist, ob wir den Sex, den wir haben, auch mögen. Denn Sex muss nicht auf eine bestimmte Art und Weise oder in einer bestimmten Häufigkeit stattfinden, um befriedigend zu sein!
Verständnisvoll und mit Humor zeigt Emily Nagoski, wie großartiger Sex aussehen kann. Dabei lernen wir:
• Wie wir Konflikte in der Beziehung überwinden können
• Wie wir mit geschlechtsspezifischen Vorstellungen umgehen, wie Sex »sein sollte«
• Wie wir aufhören, uns Sorgen um unser Körperbild zu machen
So wird unsere Einstellung zu Sex und Begehren radikal verändert, und wir können endlich langfristige und erfüllende sexuelle Beziehungen aufbauen.
Der Ratgeber spricht Menschen aller Identitäten und Orientierungen an, sowie Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Beziehungen. Emily Nagoski hat das Ziel, ihre Leser*innen von Erwartungen, Verpflichtungen oder Druck zu befreien, die oft mit Sex verbunden sind.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de
Widmung
Einleitung: »Wie kriege ich das wieder hin?«
Wie Sie mit diesem Buch am besten umgehen
Wie dieses Buch aufgebaut ist
Ich warne vor zu viel Theorie und Wissenschaft
Teil 1
Kapitel 1
Warum überhaupt Sex?
»Ich will nicht«
Margot und Henry
Gaspedal und Bremse
Kapitel 1 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 2
Spontanes Begehren vs. reaktives Begehren
Vergnügen ist eine Empfindung in einem bestimmten Kontext
Vergnügen ist kein Begehren (obwohl Begehren vergnüglich sein kann)
Wie sich sexuelles Begehren anfühlt
Machen Sie sich immer noch Gedanken über spontanes Begehren?
Mike und Kendra
Der Kontext ist »etwas Drittes«
Einschätzung des Kontextes
Was halten Sie von Vergnügen?
Kapitel 2 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 3
Die vergnügungsfreundlichen Bereiche
Ama und Di
Die vergnügungsfeindlichen Bereiche
ZWEI BONUS-BEREICHE
Kapitel 3 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 4
Versuchen Sie, in den »Raum nebenan« von der LUST zu gelangen
Was ich gemacht habe
Ihre Grundrisse sind etwas Drittes
Kapitel 4 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 5
Vertrauen und Freude
»Normal«
Kapitel 5 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 6
Bewunderung
Vertrauen
Kapitel 6 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Teil 2
Kapitel 7
Gelassene, liebevolle Neugier
Körper variieren und verändern sich
Wenn Scham dunkle Orte entstehen lässt
Trauma, Vernachlässigung und Missbrauch
Kapitel 7 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 8
»Wie kann ich meine Partnerperson dafür gewinnen?«
Alte Wunden heilen
Kapitel 8 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 9
Die Sex-Imperative
Die Hübsch-Imperative
Ein Freibrief als Gegengift für Imperative
Freibrief für (ziemlich) neue Eltern
Noch ein Gegengift für Sex-Imperative: Beginnen Sie ein neues Spiel
Kapitel 9 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 10
Was Sie brauchen: einander verbundene Authentizität
Niemand ist gegen die Fata Morgana immun
Noch nicht einmal binär
Frei von Fata Morgana heute, besserer Sex für Jahrzehnte
Kapitel 10 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 11
Wenn Sie ständig den gleichen Streit führen, liegt’s vielleicht an der Fata Morgana
Für Männer
Für Frauen
Die größte Lüge
Kapitel 11 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Kapitel 12
Es geht um Lebendigkeit, schon immer
Fangen Sie an zu genießen
Erotische Weisheit
Der Zaubertrick: Was ist das genau?
Der Zaubertrick: Wie funktioniert’s?
Den Zaubertrick üben, solo
Der Zaubertrick: Aber warum?
Kapitel 12 – kurz & knackig
Gute Fragen:
Fazit
Kommt zusammen! kurz & knackig
Anhang 1:Zehn »Aber, Emily!«-Fragen
Anhang 2:»Alles reine Biologie«
Dank
Quellen
Für rstevens, den Eheeuphemisten
Vor einer gefühlten Ewigkeit (um 2014) schrieb ich Komm, wie du willst, ein Buch über das sexuelle Wohlbefinden von Frauen aus wissenschaftlicher Perspektive. Jeden Tag über Sex nachzudenken, zu recherchieren und zu schreiben, führte ironischerweise dazu, so gestresst zu sein, dass ich tatsächlich null Interesse an irgendeiner Form von Sex mehr hatte.
Monatelang nicht.
Mein Partner war unfassbar geduldig und verständnisvoll, doch ich hatte ein schlechtes Gewissen.
Dann kam das Buch heraus! Ich machte eine Lesereise! Ich fuhr überall hin und sprach mit allen, die etwas darüber hören wollten, über das sexuelle Wohlbefinden von Frauen! Und kaum zurück von den Reisen, wollte ich an das Sexleben mit meinem Partner wieder anknüpfen, aber meistens, wenn ich ins Bett kam … schlief ich einfach nur ein.
Weitere Monate! Schlicht nichts!
Das Ganze ging so lange weiter, bis ich mich schließlich von meinem Partner und von meinem erotischen Ich entfernte, umgehauen und mitgerissen von allgemeinen Ermüdungserscheinungen, einem Zuviel von allem, gesundheitlichen Problemen und Existenzkrisen, die scheinbar wie eine Welle auf die nächste folgend meinen anti-erotischen Alltag begleiteten.
Mir fehlte der Sex. Mir fehlte die Verbindung zu meinem Partner, und mir fehlte der Teil meiner selbst, der spielerisch mit Erotik umging.
Ich gehöre zu den Menschen, die mit ihrem oder ihrer Auserwählten gerne bis ins hohe Alter eine sexuelle Verbindung weiterentwickeln möchten. Wenn wir das Glück haben, so lange zu leben, möchte ich mit fünfundneunzig immer noch kichern und lecken und kuscheln.
Und mit diesem Wunsch bin ich bei Weitem nicht allein. Deshalb gibt es ja so viele Bücher, Zeitschriftenartikel und allgemeine Ratschläge für Paare, die wissen möchten, wie ein glückliches Sexualleben in einer Langzeitbeziehung funktioniert. Aber irgendwann haben die meisten von uns damit zu kämpfen, die sexuelle Verbindung aufrechtzuerhalten, und suchen nach Hilfe.
Als praktizierende Sexualwissenschaftlerin verfolgte ich einen eher nerdigen Ansatz, um meine eigenen sexuellen Probleme zu lösen: Ich vertiefte mich in die von Fachleuten erstellten Forschungsergebnisse. Was ich dort fand, widersprach all den weitverbreiteten (aber falschen!) Narrativen, wie man »den Funken der Leidenschaft am Leben erhält«. Vielleicht haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, wie eine langfristig großartige sexuelle Beziehung aussieht – welche Art von Sex man dann hat, wie oft, wo und wann und wie sich dieser Sex anfühlt.
Tja, vermutlich sind all diese Vorstellungen falsch.
Was, glauben Sie, ist der Schlüssel zu großartigem Sex in einer langen Beziehung?
Manche finden, die Häufigkeit ist wichtig. Nein, ist sie nicht.1 Und auch nicht Orgasmen, Stellungen, Abwechslung der Sexualpraktiken oder irgendetwas in der Art. Ehrlich? Sollte es eine »Sexualpraktik« geben, die Sex und Zufriedenheit in der Beziehung garantiert, dann ist es Kuscheln nach dem Sex.2 Wilder, erfindungsreicher Sex mag unterhaltsam sein (oder auch nicht), aber das ist nicht entscheidend für ein befriedigendes, langes Sexualleben.
Manche Leute meinen, der Schlüssel zu einem befriedigenden, langen Sexualleben ist Monogamie beziehungsweise Nichtmonogamie, also Polyamorie. Pornos zu schauen oder keine Pornos zu schauen. Sich sexy zu geben oder ganz konventionell, kinky oder vanilla.3 Stimmt nicht. Das sind bloß äußere Formen, in denen Menschen sich sexuell und emotional darstellen, und ob irgendetwas davon funktioniert oder nicht, ist eine Frage der persönlichen Erfahrung. Man kann so oder so ein fantastisches (oder fürchterliches) Sexleben haben.
Einige Leute glauben, Attraktivität ist entscheidend, konventionell gut auszusehen oder die perfekte Beziehung zu haben oder einen perfekten Körper oder »Kompetenzen« wie das Wissen um großartigen Oralsex. Nichts davon garantiert dauerhaft guten Sex. Die Vorstellung eines »kompetenten« Liebhabers, einer »kompetenten« Liebhaberin ist ein Mythos; wenn man nicht gerade technisch anspruchsvolle BDSM-Praktiken ausprobiert, wie zum Beispiel Atemkontrolle, ist die einzige »Kompetenz«, die man braucht, die Fähigkeit, gleichzeitig auf die Partnerperson sowie auf das eigene innere Erleben zu achten.4
Vielleicht meinen die Leute, dass es sich vor allem um ein überraschend aufkommendes Verlangen nach Sex handeln muss, um ein heißes und schweres Gefühl der Geilheit, das einen dazu bringt, sich ständig gegenseitig die Zunge in den Hals zu schieben. Das ist auf alle Fälle, was allgemein unter »dem Funken der Leidenschaft« verstanden wird, den wir alle nicht verlöschen lassen wollen.
Die Wissenschaft stellte bei Paaren, die sich über einen langen Zeitraum eine sexuelle Verbindung erhalten, drei wesentliche Merkmale fest, und es waren nicht die, die Sie vielleicht als Erstes vermutet hätten.
Ich freue mich, Ihnen gleich zu Anfang das Ergebnis zu verraten. Hier die drei Merkmale von Partnerschaften, bei denen eine starke sexuelle Verbindung erhalten bleibt:
Freundschaft – oder etwas präziser: Partnerpersonen, die sich gegenseitig vertrauen und bewundern.
Sex steht an erster Stelle – das heißt, die Partnerpersonen entscheiden, dass Sex wichtig für ihre Beziehung ist.
Statt die Meinung anderer zu übernehmen, wie der Sex in ihrer Beziehung zu sein hat, steht an erster Stelle, was sie als wahrhaftig passend für sich empfinden und was in ihrer einzigartigen Beziehung gut funktioniert.
Was machen die also, diese Freund*innen, die Sex und sich selbst als Paar priorisieren – anstatt vorgefertigter Ideen, wie Sex sein sollte?
Sie erschaffen gemeinsam einen Kontext, der es ihnen erleichtert, zum lustvollen Vergnügen zu gelangen.
Das ist auch schon alles.
Als ich dieses Muster erkannte, empfand ich das als dermaßen befreiend, so versöhnlich, so verdammt machbar, dass ich die Erkenntnis mit allen teilen wollte.
Also schrieb ich dieses Buch, um die erstaunlich simple Wahrheit über Sex in einer langen Beziehung zu erklären und um ganz konkrete, gezielte Methoden aufzuzeigen, die das erotische Potenzial jeder glücklichen Langzeitverbindung steigern.
Dieses Buch umfasst meine jahrzehntelange Erfahrung als Sexualpädagogin und -wissenschaftlerin, zehn Jahre Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Studienlage und zehn Jahre Ehe, in der meine eigene sexuelle Verbindung zu meinem Partner Höhen und Tiefen erlebt hat.
Möglicherweise befinden Sie sich in einer monogamen Partnerschaft oder vielleicht auch in einer offenen Beziehung oder in einer festen Dreierbeziehung, einer Mehrbeziehung, also einem »multuple« (ich glaube, den Begriff habe ich erfunden, aber er klingt stimmig, nicht wahr?), oder einem »polycule« mit vielen. Vielleicht sind Sie in einer Langzeitbeziehung, in der die sexuelle Verbindung verloren gegangen ist, und Sie möchten verstehen, warum das so ist und wie Sie dies künftig verhindern können. Vielleicht hatten Sie bislang noch keine Langzeitbeziehung, möchten das aber irgendwann, und darum wollen Sie wissen, wie man von Tag 1 an eine sexuelle Verbindung aufbaut, die anhält. Sollten Sie ein menschliches Wesen sein, das einen Körper bewohnt und mehr über guten Sex in einer langen Beziehung wissen möchte, echt guten Sex, spektakulären Sex, sodass sich Zeit und Raum, das gesamte Universum auflösen, dann ist dieses Buch genau richtig für Sie.
Kommt zusammen! verspricht: Sie werden lernen, was im wahren Leben großartiger Sex mit einer Langzeitpartnerperson bedeutet, wie Sie in Ihrem Leben für großartigen Sex sorgen und was Sie tun können, wenn es anstrengend wird – was definitiv passieren wird.
Die vergangenen fünfundzwanzig Jahre als Sexualpädagogin und -wissenschaftlerin haben mir gezeigt, die Leute mögen simple Schritt-für-Schritt-Anleitungen, um von dort, wo sie gerade stehen, dahin zu gelangen, wo sie hin möchten, und das Ganze in einer Abfolge von genau umrissenen, erreichbaren Etappen. Manchmal greifen Leute zu einem Buch wie diesem und sind gleich ungeduldig, was die Antwort auf ihre individuelle Situation anbelangt. Sie wollen, dass ich ihnen einfach nur erkläre, was sie zu tun haben!!!
»Nun mach schon!«, brüllen sie das Buch an.
Ich weiß, wie das ist. Ich habe das auch gebrüllt.
Aber.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wie Sie das mit Ihrer Sexualität »wieder hinkriegen« können … denn sie ist schließlich nicht gestört.
Statt über Ihre Sexualität wie über ein Problem nachzudenken, das gelöst werden muss, stellen Sie sich Ihre Sexualität lieber im Sinne von Metaphern aus dem Garten vor, wie ich sie in Komm, wie du willst (KWDW) verwendet habe:
Mit dem Tag Ihrer Geburt wurde Ihnen ein vollkommen unbenutztes Areal mit reichem und fruchtbarem Boden geschenkt – der Garten Ihrer Sexualität. Und umgehend begann Ihre Familie, dort Vorstellungen von Körperlichkeit, Gender (sozialem Geschlecht bzw. Geschlechtlichkeit), Sex und Vergnügen, Vorsicht und Liebe zu pflanzen. Ihr jeweiliges kulturelles Umfeld sät unterschiedliche Arten von Gewächsen und siedelt Fremdes an – vom Winde herübergetragene Mythen vom »perfekten sexuellen Wesen« und Schlingpflanzen, die sich um Schönheitsideale winden und sich wie Giftefeu unter dem Zaun hindurch und über die schützende Gartenmauer hinweg ausbreiten.
Einige von uns haben Glück. Bei ihnen merzte die Familie Eindringlinge frühzeitig aus und pflanzte stattdessen ausschließlich gesunde, luststeigernde Vorstellungen, und alles, was wir tun müssen, ist hegen, pflegen und ernten.
Die meisten allerdings sind mit ziemlich toxischem Müll belastet. Wir sollten unsere Gärten Beet für Beet durchschreiten und sorgsam schauen, was wir dort finden, um zu entscheiden, was wir behalten und weiter anbauen … und was wir ausreißen und auf den Kompost werfen möchten.
Warum müssen wir diese Arbeit machen? Ist das fair? Schließlich haben wir nicht mitentschieden, welche Gewächse unsere Familien und Soziokulturen in unserem Garten angelegt haben. Niemand hat abgewartet, bis wir unsere Zustimmung geben konnten, und auch nur gefragt: »Wäre es in Ordnung, wenn ich diese riesige, wuchernde Schlingpflanze der Scham genau hier pflanze?« Nein, man ließ sie einfach wachsen – manchmal haben wir sie sogar mit unserer eigenen Scham gedüngt.
Es ist unfair, dass wir in unseren Gärten diese toxischen Gewächse haben; wir haben uns das nicht ausgesucht. Doch es handelt sich auch um eine günstige Gelegenheit. Unsere Chance für eine sexuelle Denkweise, die wir uns selbst aussuchen. Anstatt uns an das von Familie und Kultur Übernommene anzupassen, das wenig Möglichkeiten bietet, eine individuelle Einschätzung zu finden, was im eigenen, stetig wachsenden Garten am besten gedeiht.
Ihre Sexualität ist kein Problem, das Sie zu lösen haben, oder eine Störung, die zu behandeln wäre. Ihre Sexualität ist ein Garten, den Sie kultivieren können.
Was ich in KWDW nicht erwähnt habe, ist, was passiert, wenn Sie sich entscheiden, gemeinsam mit einem anderen Menschen einen Garten zu gestalten, und sich vorstellen, diesen Garten viele gemeinsame Jahre zu hegen und zu pflegen.
Jede*r bringt Pflanzen aus dem eigenen Garten mit und hilft darüber hinaus, die Pflanzen des anderen zu mehren, sie in bestimmter Form anzupflanzen, sodass jedes einzelne Gewächs bekommt, was es braucht. Weil man Jahre miteinander verbringen möchte, hat man viel Zeit. Da kann man experimentieren, und falls es nicht läuft wie geplant, ist es möglich, jeden versehentlich angerichteten Flurschaden wieder zu reparieren.
Ein gemeinsamer Garten mag enthusiastisch angelegt werden, aber an irgendeinem Punkt kann sich das Missverhältnis der gegenseitig bepflanzten Gärten unüberwindbar anfühlen, sodass man aufgibt. Oder Veränderungen in der Beziehung bieten dem Garten kein ausreichend gutes Umfeld, um zu gedeihen. Oder andere Prioritäten geraten in den Vordergrund und der Garten wird vernachlässigt. Kann passieren. Mir ist das passiert.
Mit der Zeit kann es gelingen, den Garten besser zu pflegen, seine Schönheit und seinen Reichtum zu maximieren und vom Garten selbst zu lernen, wie man ihn am besten pflegt. Im Laufe der Jahre wird man mit seinen Zyklen vertraut, von den unfruchtbaren kurzen, kalten Tagen bis zum Überschwang der langen, warmen Tage.
Wenn Sie Ihren eigenen Garten kultivieren und dazu noch Ihren gemeinsamen Garten pflegen, tun Sie nicht nur sich selbst und Ihrer erotischen Beziehung etwas Gutes, sondern der ganzen Welt. Jedes Mal, wenn Sie das Unkraut der Selbstkritik oder sexuellen Scham ausreißen, schwächen Sie die sozialen Schlingpflanzen und machen es Ihrer Schwester viel leichter, Ihrer Tochter oder Ihrer Nichte, Ihren Kundinnen und Patientinnen, Ihren Liebes- und Sexualpartnerinnen, in ihren jeweiligen Gärten das unerwünschte Unkraut ebenfalls zu entfernen. Kultivieren Sie einen Garten, der allein Ihnen gehört und alles bietet, was Ihnen Vergnügen bereitet, machen Sie es damit auch allen anderen ein wenig leichter, Ihrem Beispiel zu folgen.
Kommt zusammen! hat zwei Teile:
Im ersten Teil – »Was zählt, ist das Vergnügen« – beschreibe ich, wie Paare sich langzeitlich eine starke sexuelle Verbindung erhalten, was es bedeutet, Sex eine hohe Priorität zu geben, was in unseren Köpfen passiert, um sexuelles Interesse zu vermitteln oder zu verhindern, und was jeweils zu tun ist. Außerdem beschreibe ich die grundlegenden Methoden, um die passenden Umstände zu schaffen, leichter zum Vergnügen zu gelangen.
Im zweiten Teil – »Gutes wird kommen« – wende ich diese Methoden auf Probleme an, die häufig in langen sexuellen Beziehungen auftreten, sowohl hinsichtlich Beziehungsproblemen als auch in Bezug auf soziokulturelle Hindernisse. In Teil 2 möchte ich Ihnen eine praktische Anleitung zum Aufbau und zur Pflege einer dauerhaften sexuellen Beziehung geben. Was mir nie jemand gesagt hat und was ich Ihnen und allen unbedingt sagen möchte: Druck ist der absolute Feind von lustvollem Vergnügen. Auch wenn wir nicht wissen, was uns die Zukunft bringt, können wir Veränderungen in unseren sexuellen Beziehungen nur so angehen, als hätten wir alle Zeit der Welt.
Wie in Komm, wie du willst und Burnout berichte ich von verschiedenen Personen. Es handelt sich um wahre Geschichten, die ich allerdings zusammengefügt habe, um Beispiele zu liefern, wie ganz unterschiedliche Partnerpersonen die Informationen dieses Buches auf ihre aktuellen Beziehungen anwenden können. Mike und Kendra, Ama und Di sowie Margot und Henry sind keine konkreten Personen, die ich kenne, aber ihre Storys bestehen aus den Geschichten von Menschen, die ich kenne. Ich möchte damit nicht nur einzelne Momente im Leben eines Paares zeigen, sondern einen ganzen Bogen spannen, damit sichtbar wird, wie Partnerschaften sich im Laufe der Zeit entwickeln, verändern und die Beteiligten aneinander wachsen können.
Im Anhang 1 finden Sie, was ich die »Aber, Emily!«-Fragen nenne – Fragen, die ich von Menschen geschickt bekomme, die zwar die Theorie gelernt, aber noch keinen Weg gefunden haben, sie in ihr Leben zu integrieren. Fragen wie »Aber, Emily, was, wenn das eigentliche Problem nur mein Partner ist?« oder »Aber, Emily, ich will doch nur, dass meine Partnerin mich so sehr will, dass sie nicht anders kann! Wie erreiche ich das?« Meine Antworten werden auf die entsprechenden Stellen in diesem Buch (oder in anderen Büchern) verweisen, damit Sie Ihre eigenen Antworten finden.
Am Ende besitzen Sie sowohl das theoretische Wissen als auch die praktischen Fähigkeiten, um das erotische Potenzial zwischen Ihnen und Ihrer Langzeitpartnerperson zu erhöhen. Und vielleicht das Wichtigste: Sie werden das riesige Potenzial erkennen, die enormen Möglichkeiten, die uns allen zur Verfügung stehen, wenn wir uns entscheiden, zusammen mit einem anderen Menschen viele Jahreszeiten und Jahre lang einen gemeinsamen Garten zu hegen.
Ich liebe Wissenschaft. Sie ist ein starkes Gegengift für falsche moralische Botschaften über Sex, mit denen so viele von uns aufwachsen. Deshalb verlasse ich mich in diesem wie in allen meinen Büchern grundlegend auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Aber das ist nicht der einzige Weg, um etwas über die Welt zu erfahren, und wie alle Formen von Erkenntnis hat auch die Theorie ihre Grenzen. In meinen Büchern äußere ich deshalb immer einen wissenschaftlichen Vorbehalt, aber in diesem Buch hier ist er noch wichtiger als sonst:
Wissenschaft wird von Menschen gemacht, und Menschen sind das Ergebnis ihrer jeweiligen Zeit. Auf meiner Suche nach Forschungsergebnissen, die eine breite Palette von Menschen einbeziehen, habe ich mehr Zeit damit zugebracht, voreingenommene, nicht inklusive Arbeiten zu sichten, als gute Studien zu lesen. Nicht nur, dass sich die Forschung zur »weiblichen Sexualität« fast ausschließlich auf cis-geschlechtliche Frauen bezieht, sondern auch, dass beispielsweise eine Studie, an der mindestens 90 Prozent weiße Frauen teilnehmen, als Studie über die Sexualität aller Frauen und nicht über die Sexualität weißer Frauen bezeichnet wird. Eine Studie über die Sexualität von Autisten vergleicht Menschen auf einem Spektrum mit »gesunden Kontrollpersonen«, und das wurde noch in den späten 2010er-Jahren veröffentlicht, als ob das nicht grotesk problematisch wäre (Autisten sind nicht »krank«, bitte und danke). Polyamore und monogame Beziehungen werden sehr oft getrennt voneinander untersucht, als ob die Verbindung zwischen Menschen je nach Beziehungsstruktur irgendwie grundlegend anders wäre. Trans* Personen werden zwar von der Sexualforschung untersucht, aber die Forschenden schreiben über die Ergebnisse in einer Sprache, von der sich die trans* Studienteilnehmer*innen bestimmt äußerst beleidigt fühlen. Für diese Beispiele mache ich keine Fußnoten, weil ich nicht glaube, dass sie von irgendjemandem gelesen werden müssen. Solange die wissenschaftliche Forschungslage nicht besser ist, kann ich kein inklusives Buch schreiben, das eng und transparent mit der Forschung verbunden ist. Da sich Kommt zusammen! an alle richtet, die an Sex in einer Langzeitbeziehung interessiert sind, stützt sich dieses Buch sowohl auf Gespräche mit Menschen, die die wahren Expert*innen eigener Erfahrungen sind, als auch auf wissenschaftliche Forschung.
Und noch eine Einschränkung, mit der sich eigentlich mehr Wissenschaftler*innen befassen sollten: Ich schreibe von einem bestimmten sozialen Status aus, der eine ganze Reihe von Privilegien mit sich bringt. Ich bin eine weiße, cisgender Frau aus dem Nordosten der USA mit drei akademischen Abschlüssen. Ich bin nicht hetero, aber ich profitiere vom Privileg der Heterosexualität. Meine körperlichen Beeinträchtigungen sind weitgehend unsichtbar, also profitiere ich vom Privileg der Nichteingeschränkten. Mein Alter und meine Körperform ändern sich ständig, wie bei jedem anderen auch, aber derzeit befinde ich mich genau in der Mitte – Gen X und »small fat«.5
Trotz der Einschränkungen, die sich aus meinem sozialen Status ergeben, möchte ich, dass sich jede Leserin, jeder Leser in diesem Buch wiederfindet. Darum habe ich Geschichten und Recherchen von Personen aufgenommen, die ganz anders sind als ich, darunter Menschen unterschiedlicher Nationalitäten und Zugehörigkeiten, Religionen, Ethnien, Gender, sexueller Orientierungen sowie sexueller oder romantischer Beziehungsstrukturen; Leute mit unterschiedlichen Erfahrungen aus Kindheit und Elternschaft, unterschiedlichen Erfahrungen mit Schulbildung und Neurodivergenz sowie Menschen mit unterschiedlichen Körpern, unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher körperlicher Fähigkeiten und unterschiedlicher Erfahrungen mit mentaler Gesundheit. Ich hoffe, ich bin ihren Lebensgeschichten gerecht geworden.
So. Tief einatmen und ausatmen. Machen Sie sich bereit, ein wenig Zeit zu investieren, um Ihren Garten zu erkunden und herauszufinden, was darin zu tun ist.
Beginnen Sie mit Seite 1 von Kapitel 1, indem Sie sich sagen: Ich bin nicht gestört. Niemand ist gestört. Wir alle geben unser Bestes mit den unvollkommenen Mitteln, die uns in dieser unvollkommenen Welt zur Verfügung stehen.
Genauso wie ein lang vernachlässigter Garten gepflegt werden kann und zu neuem Leben und neuer Pracht erblüht, kann auch ein erotischer Garten wieder frisch erblühen. Dieses Buch hat das für mich bereits erreicht. Für Sie kann es das auch.
Was zählt, ist das Vergnügen
Ist Sex so wichtig?
In diesem ersten Teil möchte ich eine andere Art, über Sex nachzudenken, vorstellen: Was, wenn wir das ganze Konzept von Begehren zurückstellen und stattdessen Vergnügen priorisieren und wie wir das in unserem Alltag erzeugen können? Falls Sie den Sex genießen, den Sie haben, ist das großartig. Egal, wie sehr Sie sich danach sehnen (oder auch nicht), und egal, wie oft Sie welchen haben (oder auch nicht).
Bei tollem Sex in einer Langzeitbeziehung geht es nicht um das Ausmaß Ihres Begehrens oder um die Häufigkeit. Es geht nicht darum, was Sie machen, in welcher Stellung, mit wem oder wo oder in welchen Klamotten, nicht einmal darum, wie viele Orgasmen Sie haben. Es geht einfach darum, ob Sie den Sex mögen, den Sie haben.
Ihre Aufgabe als Paar besteht darin, Wege zu erkunden, um einen gemeinsamen Kontext zu erschaffen – ein gemeinsames Leben, eine Verbindung, einen Seelenzustand, eine Form des Zusammenseins –, der Vergnügen leicht zugänglich macht. Das fängt an mit dem Verständnis, warum Sex in Ihrer Beziehung eine Rolle spielt – falls er eine Rolle spielt, was nicht immer der Fall ist. Und es setzt sich fort mit Überlegungen dazu, wann und warum und inwiefern Sex sich gut anfühlt – falls er sich gut anfühlt, was nicht immer der Fall ist.
Also, wie wichtig ist Sex?
Sex ist für manche Leute in manchen Beziehungen oder in manchen Kontexten sehr wichtig. Aber für die Bewältigung unseres Alltags spielt Sex im Allgemeinen keine große Rolle. Niemand wird sterben oder auch nur erkranken, wenn er oder sie keinen Sex hat.6 Niemand ist krank oder dysfunktional, wenn Sex mehr Last als Lust zu sein scheint, genauso wie niemand krank oder dysfunktional ist, wenn er oder sie Sex tagein, tagaus als absolut wichtig empfindet.
Egal ob Sex wichtig erscheint oder nicht – ein Tag hat nur vierundzwanzig Stunden und eine Woche lediglich sieben Tage. Keiner bekommt mehr. Und in dieser Zeit haben wir eine Menge zu erledigen. Vielleicht ist da eine Familie, um die wir uns kümmern müssen, vielleicht müssen wir Geld verdienen, einen akademischen Abschluss machen, Hausarbeit erledigen, einen Welpen stubenrein kriegen, mit einer chronischen Krankheit zurechtkommen. Wir müssen schlafen, essen, uns waschen, vielleicht mit befreundeten Menschen sprechen, die nicht unsere Sexpartnerpersonen sind, vielleicht, Gott bewahre, wollen wir einfach auch mal ein bisschen fernsehen oder einen Mittagsschlaf halten.
Als mein eigenes Sexleben sich in nichts auflöste, genoss ich einen Vorteil, den die meisten Leute nicht haben: Ich wusste, dass die Paare mit einer befriedigenden sexuellen Verbindung beschließen, Sex ist für ihre Beziehung so wichtig, dass sie Raum, Zeit und Energie speziell dafür reservieren. Sie lassen all die anderen Dinge bleiben, die sie stattdessen tun könnten, sie machen die Tür zu und sperren alle anderen Verantwortlichkeiten und Genüsse aus, um sich gegenseitig ganz dem erotischen Selbst zu widmen.
Aber warum entscheiden wir uns für Sex, wenn wir doch so viele andere Sachen machen könnten?
Seien wir ehrlich, Sex ist doch irgendwie albern. Wir ehrwürdigen Menschen stecken einander die Zunge in den Hals, pressen unsere Münder auf die Genitalien des anderen, reiben unsere Haut aneinander und toben wie Hundewelpen miteinander. Wir lassen unseren Körper von einem Orgasmus durchschütteln, obwohl ein anderer Mensch das mitansieht. Wir hüpfen und grunzen und zucken und schwitzen. Was um alles in der Welt passiert während dieser ganzen Albernheit, sodass es sich lohnt, mit allem anderen aufzuhören, um einfach nur das zu machen?
Für manche von Ihnen ist das ein Kinderspiel. Sie verstehen die Frage nicht. Sollten Sie zu den Menschen gehören, denen Sex sehr, sehr wichtig ist – und wenn vielleicht schon die Aussage »Sex ist nur manchmal und für manche Leute wichtig« Sie ein wenig in Panik versetzt – keine Angst. Sie sind normal! Aber selbst Sie werden nicht sterben, verletzt oder krank werden, wenn Sie diese alberne, oft genüssliche, manchmal überhaupt nicht gute, gelegentlich extrem wichtige Sache, zu der wir Menschen in der Lage sind, bleiben lassen.
Einige von Ihnen stellen sich die Frage »Warum Sex?« insgeheim schon seit Jahren. Vielleicht sind Sie erleichtert oder fühlen sich sogar bestätigt, wenn Sie lesen, dass Sex nicht sehr wichtig sein muss. Und auch Sie sind normal!
Egal, wie Sie dazu stehen, dass Sex keine große Sache sein muss, hier kommt eine Frage, mit der Sie sich bitte sehr ernsthaft auseinandersetzen möchten:
Was wollen Sie, wenn Sie Sex mit einer Partnerperson wollen?
Tipp: Die Antwort lautet grundsätzlich nicht »einen Orgasmus«. Wenn Sie einen Orgasmus wollen, dann gönnen Sie sich einen.7 Das kriegen Sie allein hin. Aber was wollen Sie, wenn Sie Sex mit der Partnerperson haben wollen, mit der Sie auf absehbare Zeit eine sexuelle Verbindung aufrechterhalten möchten?
Nehmen Sie sich Zeit und überlegen Sie gründlich. Was am Sex mit dieser anderen Person motiviert und inspiriert Sie? Was gibt Ihre Partnerperson Ihnen, wenn sie Ihnen erotische Aufmerksamkeit schenkt? Was bekommen Sie, wenn Sie berührt werden? Und wenn ein Teil von Ihnen denkt, ich will einfach Sex, und das ist die einzige Person, mit der ich ihn haben sollte, dann … überlegen Sie, was am Sex mit einer anderen Person wichtig ist. Was verändert sich, wenn da ein anderer Mensch ist, den Sie berühren können und von dem Sie berührt werden?
Im Laufe der letzten paar Jahre habe ich einigen Hundert Leuten diese Frage gestellt. Bei Workshops, Online-Events und in Internet-Umfragen habe ich sie gebeten, mir ihre Antworten auf diese Frage zu nennen. Damit ich eine bessere Vorstellung davon bekam, welche Bilder und Prioritäten ihnen in den Sinn kamen.8
Bei meinen informellen Umfragen liefen die Ergebnisse auf die Frage »Was wollen Sie, wenn Sie Sex mit einer Partnerperson wollen?« meist auf die von mir »The Big Four« genannten Punkte hinaus: Verbindung, gemeinsames Vergnügen, begehrt werden und Freiheit.
1. VERBINDUNG: Was sich die Leute mit überwältigender Mehrheit am häufigsten wünschen, ist die Verbindung zu ihrer Partnerperson. Was genau meinen sie damit? Das zu definieren, überlasse ich Ihnen. Aber manche Antworten, die ich bekam, zeigen, dass »Verbindung« körperlich, emotional und mehr als beides zusammen bedeuten kann. Beispielsweise
»Ich möchte den anderen halten und gehalten werden und rummachen und gegenseitig unsere Körper erforschen.«
»Ich wünsche mir das Gefühl, dass jemand mir zuhört und mich umsorgt.«
Wenn »Verbindung« auch in Ihrer eigenen Antwort vorkommt, dann können Sie sich folgende weitergehende Fragen stellen: Wie fühlt sich Verbindung an? Wo im Körper, Geist und/oder der Seele erlebe ich Verbundenheit? Welche Worte oder welches Verhalten steigern das Gefühl von Verbundenheit?
2. GEMEINSAMES VERGNÜGEN: Wie ein Orgasmus ist Vergnügen etwas, das wir allein erfahren können, doch das ist nicht, was Leute sich wünschen, wenn sie Sex mit einer Partnerperson wollen. Am häufigsten besteht das Vergnügen darin, die Lust des Gegenübers zu beobachten, dessen Freude an unserem eigenen Vergnügen oder an gemeinsamem Vergnügen zu erfahren. Die Leute wollen nicht bloß das Gefühl genießen, Körperteile an einem anderen Menschen zu reiben, wir wollen Vergnügen für alle Beteiligten. Dazu sagen Leute Dinge wie:
»Ich möchte, dass jemand sich um mein Vergnügen kümmert.«
»Ich will mich auf den Körper meiner Partnerin konzentrieren – auf ihre Bewegungen, darauf, wie sie schmeckt, klingt und riecht.«
Das Vergnügen unserer Partnerpersonen ist uns wichtig, und wir möchten, dass unser eigenes Vergnügen ihnen wichtig ist.
3. BEGEHRT WERDEN: Dieser Punkt wurde ungefähr genauso häufig genannt wie Vergnügen. Was Leute wollen, wenn sie Sex wollen, ist, von ihrer Partnerperson begehrt werden, gewollt werden. Nicht nur als Reaktion auf das Vergnügen, das wir gemeinsam erzeugen, sondern in Vorfreude auf das Vergnügen, das wir teilen können:
»Ich möchte spüren, dass mein Partner mich liebt und jeden Aspekt meines Körpers und meiner Seele schätzt, selbst die Schwächen.«
»Ich will Zustimmung und Akzeptanz.«
Andere formulierten den Wunsch, sich »begehrenswert« oder sich »sexy« zu fühlen. Als ich mit Leuten sprach, die sich begehrenswert fühlen wollten, stellte sich heraus, dass sie sich im Grunde genommen nach Wertschätzung sehnten. Viele tragen Verletzungen mit sich herum und sind zu einem gewissen Grad davon überzeugt, unerwünscht oder sogar nicht liebenswert zu sein. Fühlen wir uns begehrt, lindert das diese Befürchtungen.
Eine queere Frau in der Menopause beschrieb unverbindlichen Sex in ihren Zwanzigern: »Es gibt Teile von mir, die grundsätzlich davon überzeugt sind, mit mir könne man keinen Sex haben, und diese Teile wollten begehrt werden. Da war ein körperliches Verlangen, und es war aufregend, aber [Sex] erfüllte die Bedürfnisse der Teile meiner Persönlichkeit, die begehrt werden müssen.«
Falls Sie sich sexy/begehrenswert fühlen möchten, wenn Sie Sex mit einer Partnerperson wollen, dann stellen Sie sich folgende weitere Fragen: Was will ich, wenn ich mich sexy oder begehrenswert fühlen will? Gibt es einen Unterschied zwischen »sexueller Attraktivität« und dem Gefühl oder der Tatsache, begehrt zu sein?
4. FREIHEIT: Hier geht es um das Gefühl, sich einer erotischen Erfahrung gänzlich hinzugeben. Die Leute wünschen sich eine Auszeit vom Alltag und das Gefühl, an nichts anderes mehr denken zu müssen und einen Moment voller Lust zu erleben. Sie wollen in der Lust aufgehen – zum Beispiel:
»Ich will den Kopf freikriegen und aufhören zu denken. Mich so auf meinen Partner einlassen, dass die Welt verschwindet.«
»Ich will entspannen und die Kontrolle aufgeben und ganz in der Gegenwart sein.«
Auch das Gegenteil wurde geäußert, als Befragte beschrieben, was sie nicht wollten oder mochten. Die Leute wollen oder mögen keinen Sex, wenn sie sich abgelenkt fühlen und den Eindruck haben, ihr Verstand werde in eine Million Richtungen gelenkt. Sie wollen oder mögen keinen Druck zu »performen«. Sie wollen oder mögen es nicht, sich zum Sex verpflichtet zu fühlen.
Kurz gesagt, wenn Menschen Sex wollen, wünschen sie sich oft, nichts anderes zu wollen. Sie wollen frei sein von Stressoren, Leid, Unzufriedenheit und Kummer. Sie wollen in einen Bereich gelangen, der so voller lustvollem Vergnügen ist, dass darin kein Platz für irgendetwas anderes bleibt.
Es ist wichtig festzuhalten, dass manche Leute einfach keinen Sex wollen, selbst wenn sie andere Dinge wollen, die damit einhergehen können. Dann sagen sie so etwas wie:
»Ich kann mich nicht mal daran erinnern, wann ich das letzte Mal Sex wirklich wollte.«
»Ich will ihn ganz grundsätzlich nicht. Ich glaube, wenn ich Sex – in der Vergangenheit – wollte, dann wollte ich in Wirklichkeit Akzeptanz und keinen Sex.«
Falls das auf Sie zutrifft, hallo! Sie brauchen keinen Sex zu wollen! Sie dürfen Ihre Bedürfnisse und Wünsche auch durch nicht-sexuelle Erfahrungen erfüllen.
Es gibt viele Wege, die dahin führen, keinen Sex zu wollen. Vielleicht weil die Person asexuell (im Englischen auch ace genannt, im Deutschen spricht man von Ace-Spektrum) ist – das bedeutet, sich zu niemandem sexuell hingezogen fühlen, selbst wenn eine romantische oder ästhetische Anziehung vorhanden ist. Oder vielleicht hat jemand viel enttäuschenden, schmerzhaften oder unerwünschten Sex erlebt, und jetzt haben Körper und Seele gelernt, dass Sex es nicht wert ist, gewollt zu werden. Vielleicht erfährt eine Person aber auch sexuelle Anziehung und hatte in der Vergangenheit tollen Sex, ist allerdings im Moment überwältigend gestresst, deprimiert, besorgt, frustriert oder erschöpft. Denn es ist total plausibel, keinen Sex zu wollen, wenn der Rest des eigenen Lebens keinen Bereich für Ruhe, Lust und Vergnügen lässt.
In jedem Fall ist es ein wichtiger nächster Schritt, sich selbst oder der Partnerperson zu erlauben, nicht versuchen zu müssen, Sex zu wollen. Für Ace-Menschen ist die Erlaubnis, es nicht versuchen zu müssen, eine Befreiung von gesellschaftlichen Narrativen »obligatorischer Sexualität«. Denn diese vermitteln das Gefühl, ein*e Versager*in zu sein, wenn sie Sex nicht wollen, mögen oder nur selten haben. Was, wenn Sie nie wieder versuchen müssten, ihn zu wollen?9 Frei! Für immer!
Für Menschen, die eine Menge schlechte Erfahrungen gemacht haben: Sie können es genießen, nicht versuchen zu müssen, Sex zu wollen, während Sie für einen Kontext sorgen, in dem Sie Heilung von schlechtem oder ungewolltem Sex erfahren (in Kapitel 5 spreche ich über den Verlauf von einer Verwundung bis zur Heilung, und in Kapitel 7 wird explizit von Trauma, Vernachlässigung und Missbrauch die Rede sein). Versuchen Sie es mit Vergnügungen aller Arten, angefangen bei den nicht-sexuellen – Lust am Wind, den Sie auf Ihrem Gesicht spüren, an Ihrem Lieblingsduft, köstlichem Essen oder daran, wenn Sie Ihren besten Freund oder Ihre beste Freundin lachen sehen.
Bei einem Menschen, der sich überfordert und erschöpft fühlt, bewirkt die Chance, nicht versuchen zu müssen, Sex zu wollen, dass sich die Aufmerksamkeit verlagert. Und zwar von der Frage »Wie kann ich/meine Partnerperson Sex mehr wollen?« hin zu »Wie können wir mir/meiner Partnerperson helfen, mehr Ruhe und Unterstützung zu finden?«.
Hinter den Antworten von Menschen, die »ich will keinen Sex« sagten, steckten viele schmerzhafte Geschichten. Geschichten von schlimmen Pilzinfektionen, körperlichen und seelischen Veränderungen während der Menopause und diverse Traumata. Sie alle und viele weitere wurden damit assoziiert, keinen Sex zu wollen oder zu mögen. Das galt vor allem, wenn die Partnerperson das Bedürfnis nach mehr Raum und Behutsamkeit übersah. Am häufigsten tauchte alles rund um Verpflichtung auf, wenn die Leute antworteten, warum sie nicht wollen oder mögen. Da hieß es: »sich verpflichtet fühlen oder so, als würde ich performen« oder »man fühlt sich unwohl, aber verpflichtet« oder »es kommt mir vor, als interessiere sich mein Partner nur für seinen eigenen Orgasmus, sobald es sich nach Verpflichtung anfühlt«.
Wenn ich mich also in diesem Buch viel damit beschäftige, Menschen zu erlauben, dass sie aufhören können, versuchen zu müssen, Sex zu wollen oder zu mögen, dann will ich damit Lesende von jeglicher Verpflichtung befreien. Und ich möchte ihren Partnerpersonen helfen zu erkennen, dass es nötig ist, einen Bereich zu schaffen, wo es keinen Druck, keine Erwartung oder Verpflichtung gibt und alle ein bisschen freier sind, sexuelles Vergnügen in einem Kontext der Sicherheit und Autonomie zu erkunden.
Es kann schön sein, im Stillen die eigenen Antworten auf eine oder alle diese Fragen zu überlegen. Aber ich möchte Sie auch ermutigen, mit einer Partnerperson (falls vorhanden), einer*m Freund*in oder einer*m Therapeuten*in darüber zu sprechen. Die Bandbreite dessen, was Leute wollen, wenn sie Sex mit einer Partnerperson wollen, ist praktisch grenzenlos. Ich kann nicht wissen, was Sie wollen, wenn Sie Sex mit jemandem wollen, aber ich lade Sie ein, sich mit dieser Frage zu beschäftigen.
Wahrscheinlich verändern sich Ihre Antworten im Laufe der Zeit, weil sich auch Ihr Kontext ändert. Schreiben Sie Ihre Antworten jetzt auf und kommen Sie in einem, fünf oder zwanzig Jahren darauf zurück und schauen Sie, was das Notierte dann bei Ihnen auslöst.
Henry ist der Ted Lasso der polyamoren Erotik, immer optimistisch und davon überzeugt, dass Glaube Berge versetzt und die Hoffnung zuletzt stirbt. Seit den Achtzigern ist er mit derselben Frau verheiratet. Ihre Ehe war immer offen für andere Partnerpersonen – in sexueller, emotionaler und sonstiger Hinsicht. Und zwar auf Basis liebevollen und enthusiastischen Einverständnisses.
Doch ich will Ihnen nicht von Henrys Beziehung zu seiner Ehefrau erzählen (ein großartiger Mensch mit vielen eigenen Geschichten), sondern von seiner Beziehung zu einer langjährigen, nicht im selben Haushalt lebenden Partnerin namens Margot. Langjährig heißt in diesem Fall zwanzig Jahre. Er und Margot lieben sich also schon länger, als ich meinen Mann kenne.
Henry und Margot lernten sich kennen, nachdem Margot gerade eine schmerzhafte Scheidung hinter sich hatte. Anfangs mochte sie es, die »zweite Geige« zu spielen, Partnerin von jemandem zu sein, der schon jemand anderen für all die pragmatischen Bedürfnisse besaß, jemand, der die Kinder großzog und die Hausarbeit erledigte, sodass sie selbst einfach nur die Zeit mit ihm genießen konnte.
Je länger sie zusammen waren, desto stärker verflochten sich ihrer beider Leben … mit der Zeit war Margot immer weniger eine zweite, sondern eher eine zusätzliche Partnerin. Sie half ihm, sich um seine Kinder und Enkelkinder zu kümmern, er half ihr, für ihre Kinder und Enkelkinder da zu sein. (Nur einige der Kinder wussten von ihrer sexuellen Verbindung, keines der Enkelkinder. Unterschiedliche Menschen treffen unterschiedliche Entscheidungen, wenn es darum geht, den eigenen Nachwuchs über nicht monogame Beziehungen in Kenntnis zu setzen.)
Weil sie nicht in einem Haushalt lebten, fand ihre erotische Beziehung hauptsächlich an seltenen, besonderen Wochenenden statt, abgeschottet von anderen Aufgaben. Oft fuhren sie ein paar Stunden zu einem herrlichen Hotel, um im wahrsten Sinne des Wortes von allem wegzukommen und ein Wochenende erholsames, heilendes, köstliches, freudvolles Vergnügen zu genießen. Man würde sich vielleicht vorstellen, dass das automatisch für einen Kontext sorgte, in dem es leichtfiel, Sex zu wollen und zu mögen.
Falsch gedacht.
An dem Punkt, wo diese Geschichte beginnt, war Margots Leben gerade wirklich kompliziert, da eines ihrer erwachsenen Kinder in einer Scheidung steckte und Vater eines behinderten Kindes war. Margot sprang bei der Kinderbetreuung ein, bot emotionale Unterstützung und machte sich darauf gefasst, dass ihr Sohn samt Enkelkind vielleicht bei ihr einziehen würde. Das war viel.
Sogar unter einfacheren Umständen ist in offenen Beziehungen die Liebe, Großzügigkeit, Zeit und Unterstützung vieler Menschen nötig, um einen Kontext zu schaffen, in dem sich ein Paar für zwei Nächte ausklinken kann. Margot war Henrys erster Partnerin dankbar, genauso wie ihrem eigenen Primärpartner, der eine Menge Verantwortung in der Familie übernommen hatte. Außerdem war sie allen anderen dankbar, die mithalfen, dieses friedliche Wochenende zu ermöglichen … Erstaunlich, was für eine Bürde Dankbarkeit werden kann, wenn so viele Menschen so hilfreich sind und man trotzdem nicht zu der Ruhe und zu dem Vergnügen findet, die sie zu ermöglichen versuchen.
Margot brachte nicht nur all ihren Stress und ihre Sorgen mit in das herrliche Hotel, dazu kamen noch Schuldgefühle und Kummer, weil sie es nicht schaffte, alles hinter sich zu lassen und sich ganz auf Henry zu konzentrieren. Sie hatte den Eindruck, das nicht nur ihm und sich selbst, sondern auch all den Leuten zu schulden, die in ihrer Abwesenheit die Stellung hielten. Und weil sie nur zwei Nächte hatten, fühlte sie sich unter Druck, so schnell wie nur menschenmöglich »in Stimmung« zu kommen. Was es offensichtlich unmöglich machte, irgendetwas anderes als Stress zu empfinden.
Henry – der unerschütterliche Optimist – schlug vor, dass sie stattdessen einfach darüber reden sollten, was sie beide wollten, wenn sie Sex wollten.
Henry fiel das leicht. »Tja, natürlich will ich das Vergnügen, wenn unsere warmen Körper sich erhitzt und feucht und pochend herumwälzen. Aber ich liebe es auch, wenn Lust uns gemeinsam überflutet. Ich liebe es zu sehen, wie du angeturnt bist. Ich liebe es, wenn du alles andere beiseitelassen kannst und wie eine dekadente Hedonistin einfach genießt, wie John Stuart Mills zufriedenes Schwein, pure Lust, intensiv genug, um lebenslange Disziplin auszugleichen. Und ich liebe es, dass ich das mit dir erleben kann. Das ist wie der beste vorstellbare Urlaub, und es kostet nichts, ist göttlich, heiß und das sind wir. Deshalb ist mir Sex wichtig. Wie sieht’s bei dir aus?«
»Über das zufriedene Schwein will ich mal hinwegsehen«, antwortete Margot. »Weshalb Sex für mich wichtig ist? Warum ich Zeit mit dir beim Sex verbringe, anstatt irgendwas anderes zu tun? Es geht mir ganz viel darum, mit dir zusammen zu sein. Du beschreitest diesen Weg so leicht und ich will ihn mit dir gehen. Du hast gesagt, geh mit mir dorthin, aber tatsächlich zeigst du mir den Weg. Doch das wirft nur die Frage auf, nicht wahr? Warum dorthin gehen, wo auch immer ›dort‹ ist?«
»›Dort‹ gibt es ungebundenes Vergnügen«, warf Henry ein.
»Warum will man zu ungebundenem Vergnügen?«, fragte sich Margot. »Ganz ehrlich, weil ich einfach weiß, dass es mir guttut. Der Schmerz in meinen Händen und Gelenken verschwindet dann minutenlang. Ich fühle mich geerdet in diesem Körper, der mir immer noch nicht vertraut ist. Ich habe das Gefühl, von einer menschlichen Bindung gehalten zu werden, die nichts ersetzen kann. Als wären wir nackt in einem Heißluftballon und ich wäre wieder dreiundzwanzig. Mit all den guten Sachen, die das bedeutet, aber keiner der schlechten. Und wenn wir dann auf die Erde zurückkommen, trage ich noch tagelang etwas von diesem Gefühl in mir.«
»Das ist wichtig«, meinte Henry.
»Ja, ist es«, stimmte Margot ihm zu. »Und es motiviert mich, Pläne für uns zu machen, für uns da zu sein. Aber ich kann nicht sagen, dass es dadurch leichter für mich wäre, mich von meinem Alltag abzukoppeln oder mich nicht mehr dir oder allen anderen gegenüber verpflichtet zu fühlen, dass ich auf eine gewisse Weise empfinde.«
Keine Sorge, das werden die beiden hingekriegt haben, wenn wir ihnen das nächste Mal begegnen, im vierten Kapitel.
Anmerkung: Es gibt erstaunlich viele Henrys in Pop- und Folksongs aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. »Roll with Me, Henry«, das manchmal auch als »Dance with Me, Henry« gesungen wird, oder »I’m Henry VIII, I Am«, alle Balladen über John Henry – und Margots Lieblingssong »Oh, Henry«, ein Ska-Style Bob, gesungen von Millie Small über einen streunenden Welpen, der der Sängerin nach Hause folgt. Meiner Beschreibung dieser exemplarischen Konversation würde etwas Entscheidendes fehlen, würde ich nicht erwähnen, dass die beiden etwa in der Mitte eine Pause einlegten, um diesen Song zu spielen und durch ihr Hotelzimmer zu tanzen. Dabei wechselten sie zwischen den Tanzstilen Pony, Hitchhiker und Swim der Sixties.
Wenn ich die Weisheit älterer Menschen erlebe, bin ich voller Ehrfurcht und Dankbarkeit.
Wenn Sie eine Frage wie »Was will ich, wenn ich Sex will?« beantworten, kriegen Sie ein Gefühl dafür, inwiefern Sex es wert ist, dafür aufs Fernsehen zu verzichten. Wenn wir wissen, warum Sex mit unserer Partnerperson wichtig ist, wenn er wichtig ist, dann können wir uns als Nächstes darauf konzentrieren, einen Kontext zu erzeugen, in dem er tatsächlich stattfindet.
Ihr Verstand hat seine Ansichten dazu, wann Sex wichtig ist (und wann nicht). Das liegt an Denkmechanismen, die der Leserschaft von Komm, wie du willst schon bekannt sind. Wenn Sie das erste Mal davon hören, fühlt es sich wie die absolute Offenbarung an. Aber sobald Sie Bescheid wissen, wird es Ihnen vorkommen, als hätten Sie es schon immer gewusst. Und zwar:
Der Mechanismus in Ihrem Verstand, der die sexuelle Reaktion steuert, besteht aus zwei Elementen, »Gaspedal« und »Bremse«. Das Gaspedal nimmt alle sexbezogenen Reize der Umgebung auf – alles, was Sie sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken, denken, glauben oder sich vorstellen, plus all die Empfindungen im Körperinneren, die als relevant für Sex wahrgenommen werden. Dann sendet das Gaspedal das Signal »Anturnen!«, das vielen von uns vertraut ist. Das funktioniert immer, aber unterbewusst. Alle möglichen Dinge können das Gaspedal aktivieren, vom Geräusch der Stimme Ihrer Partnerperson bis zum Anblick eines sexy Körperteils oder wenn Sie Ihre Partnerperson etwas tun sehen, was völlig unsexy ist, und Sie sie dafür bewundern und sich glücklich schätzen, ihre Partnerperson zu sein. Viele Ihrer Antworten zu »Was will ich, wenn ich Sex will?« dürften Vorstellungen sein, die Ihr Gaspedal aktivieren.
Die Bremse registriert all die guten Gründe dafür, gerade nicht angeturnt zu sein. Alles, was Sie sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken, denken, glauben oder sich vorstellen, plus Ihre Empfindungen im Körper, die Ihr Gehirn als potenzielle Bedrohung abgespeichert hat. Dann wird das Signal »Abtörnen!« ausgesandt. Auch das passiert ständig und unterbewusst. Alles Mögliche kann die Bremse aktivieren, von Beziehungsstress über Erschöpfung, Traumata, Probleme mit dem Körperbild oder negative gesellschaftliche Botschaften bis hin zu der Sorge, dass die Kinder stören könnten oder es Flecken auf der Bettwäsche gibt.
Ihr Niveau sexueller Erregung in jeglichem Augenblick wird davon bestimmt, wie stark Ihr Gaspedal aktiviert oder Ihre Bremse gedrückt wird.
Wenn Leute Probleme mit irgendeiner Form von sexueller Funktionsfähigkeit haben, ob beim Orgasmus, bei Begehren, Erregung oder Lust, dann liegt es manchmal daran, dass das Gaspedal nicht ausreichend Stimulation bekommt. Eine langjährige Freundin von mir, verheiratet, zwei Kinder und mit außerordentlich guter Kommunikation mit ihrem Partner, stellte sich die Frage »Was will ich, wenn ich Sex mit meinem Partner will?« in anderer Form. Sie fragte: »Welche Art von Sex lohnt, nicht irgendetwas anderes zu tun?« Darüber dachte sie nach und sagte dann zu ihrem Partner: »Was ich wirklich liebe, ist, wie du manchmal an meinen Haaren ziehst, vor allem wenn du mich von hinten nimmst, weißt du?«
Die Reaktion Ihres Partners? »Oh! Klar! Ich meine, das kann ich natürlich machen!« Störte ihn ihre direkte Art? Fühlte er sich kritisiert oder verurteilt? Nein, verdammt, denn er bekam ja nur Lob für etwas zu hören, was er sowieso schon gut machte.
Manchmal ist es so einfach.
Aber oft auch nicht. Dann gibt es Probleme nicht wegen zu wenig Stimulation fürs Gaspedal, sondern wegen zu viel Stimulation der Bremse. Zumindest aus Sicht Ihres Gehirns ist die Bremse aktiviert, weil Sex in diesem Moment keine Priorität hat.
Das bedeutet, es ist normal, weniger Erregung, weniger Begehren und weniger Lust zu empfinden, wenn Sie sich wegen Geld oder der Kinder Sorgen machen, wenn die Arbeit gerade wirklich stressig ist, wenn Sie sich mitten in einer Auseinandersetzung mit Ihrer Partnerperson befinden, wenn Sie sich zum Sex verpflichtet fühlen, aber eigentlich lieber die Wäsche fertig zusammenlegen und dabei einen Podcast hören möchten. Oder wenn Sex schmerzhaft, langweilig oder auf andere Weise unangenehm ist. Normal! Keine Dysfunktionalität! An Ihrer sexuellen Reaktion ist nichts falsch, denn ein anderer Kontext kann alles verändern.
Ein paar wirklich hilfreiche Fragen, die Sie sich stellen sollten, lauten:
Was aktiviert Ihr Gaspedal? Gemeint ist alles, was Erregung, Vergnügen und Interesse am Sex steigert.
Was drückt auf die Bremse? Gemeint ist alles, was Erregung, Vergnügen und Interesse am Sex schwächt.
Wie können Sie einen Kontext schaffen, der das Gaspedal aktiviert und, was noch besser wäre, weniger oft bremst?
Schreiben Sie vielleicht einfach eine Liste mit den Punkten, die Ihnen dazu spontan einfallen.
Seit über zehn Jahren fordere ich Menschen in Workshops und Seminaren auf, solche Listen zu verfassen. Hier ein paar Beispiele der Antworten als Anregung für Ihr eigenes Brainstorming.
Kann das Gaspedal aktivieren:
Kann auf die Bremse drücken:
• Nicht sexuell gemeinte Berührung
• Intimität unterschiedlichster Art
• Vertrauen (sowohl das eigene Vertrauen ins Gegenüber als auch das einem entgegengebrachte)
• Stress – Adrenalin, Kampf-oder-Flucht-Impuls, Einsamkeit
• Flirten und liebevolles Necken
• Intellektuell oder emotional vertrauliches Gespräch
• Wissen, dass wir alle Zeit der Welt haben
• Entspannte Zeit mit meiner Partnerperson genießen
• Sex-Talk
• Begeisterung der Partnerperson/Wissen, dass sie es will
• Erregung, weil wir »erwischt« werden könnten
• Sexy Kleidung (bei mir oder meiner Partnerperson)
• Aufregung, weil uns jemand hören könnte
• Schmerz
• Angst oder Depression (oder beides)
• Druck/Erwartung/ein Gefühl von Verpflichtung
• Stress – Überforderung, Erschöpfung, Frust über alles Mögliche, auch über Sex
• Müdigkeit/Erschöpfung/Fatigue
• Fehlende emotionale Bindung
• Hektik/wenn meine Partnerperson ungeduldig wirkt
• Sich zum Sex manipuliert oder gedrängt fühlen
• Sex-Talk
• Das Gefühl, meine Partnerperson will es nicht
• Ablenkung/wenn Gedanken stören
• Sorge, möglicherweise unterbrochen zu werden
• Sorge wegen des eigenen Körperbilds
• Sorge, von jemand gehört zu werden
Wie Sie sehen, können die gleichen Dinge bei einigen Leuten das Gaspedal und bei anderen die Bremse aktivieren. Bei manchen drückt das echte Risiko, ertappt zu werden, auf die Bremse, doch wenn sie allein masturbieren, kann die Fantasie über dieses Risiko das Gaspedal betätigen.
Hier eine weitere Frage für Sie und Ihre Partnerperson: Wenn Sie sich an eine Zeit erinnern, als Ihnen Vergnügen leichtfiel, wie standen Sie dann damals zu Ihrem Job, Finanzen, Familie oder dem Zustand der Welt?
Viele Menschen, insbesondere jene, die beim Thema Sex Schwierigkeiten haben, können oft zahlreiche Punkte nennen, die ihre Bremse aktivieren (Die Kinder! Arbeit! Die Schwiegereltern! Geld! Die Nachrichten! Ich bin so müde!). Aber sie sind aufgeschmissen, wenn sie sich vorstellen sollen, was ihr Gaspedal aktivieren könnte. Sollten Sie den Eindruck haben, irgendwie nicht weiterzukommen, hilft es oft, sich an eine positive sexuelle Erfahrung oder Fantasie zu erinnern und zu überlegen, was an dieser Erfahrung oder Fantasie bei Ihnen funktioniert.
Manchmal lassen sich hypothetische Vorstellungen davon, was einen großartigen sexy Kontext erzeugen würde, nicht so in die Realität umsetzen, wie Sie das erwarten. Ein älteres homosexuelles Ehepaar, das ich kenne, fasste den Neujahrsvorsatz, täglich zumindest ein bisschen Sex zu haben. Die beiden dachten, das würde den »Funken« am Leben erhalten, wenn sie alle vierundzwanzig Stunden eine sexuelle Verbindung zueinander hätten. Zuerst klappte das auch. Sie probierten Neues aus, forschten und experimentierten gemeinsam. Doch nach ein paar Wochen waren sie überwältigt von dem Eindruck, Sex wäre eine Art Hausarbeit, die sie hinter sich brachten, anstatt den Sex zu genießen. Und das nur, weil sie ihn zu diesem »Projekt« gemacht hatten. Unabsichtlich hatten sie dadurch einen Kontext geschaffen, in dem sie sich gezwungen fühlten, Sex zu haben. Und so ein Gefühl der Verpflichtung gehört zu den häufigsten Kontexten, die auf die Bremse drücken.
Sie ersetzten »zumindest ein bisschen Sex täglich« durch »nur leichte Sachen täglich, bis auf einen Tag in der Woche, an dem wir alles machen können«. »Leichte Sachen« waren für sie hauptsächlich nicht-genitale Berührungen. Sie konnten sich küssen, streicheln, aneinander reiben, erlaubten sich aber keinen oralen oder manuellen Sex und keine Berührung von Genitalien zu Genitalien. Das machte viel mehr Spaß, weil die »leichten« Tage zu einer Art einwöchigem Vorspiel für den einen Tag wurden, an dem sie alles machten, was ihnen gefiel.
Solche Experimente erklären, warum die besten Sex-Tipps nicht aus einem Buch kommen. Sie entstehen, wenn Sie Ihr Wissen über Gaspedal und Bremse nutzen. Wenn Sie anwenden, was Sie über die gegenseitigen Vorlieben beim Sex wissen. Und wenn Sie miteinander über all das kommunizieren.
Hier mein Lieblingsbeispiel: Eine Frau, ihr Ehemann und die drei Kinder machten jedes Jahr Ferien im selben uralten, aber wunderschönen Haus in einer kleinen Stadt am Mittelmeer. Sie und ihr Mann hatten dort immer fantastischen Urlaubssex. Als in einem Jahr das übliche Haus nicht verfügbar war, machten sie sich keine Sorgen, sondern mieteten ein anderes schönes. Doch in jenem Jahr … mittelmäßiger Urlaubssex. Was war geschehen?
Als sie wieder zu Hause waren, gingen sie ihr inneres Erleben, ihre Erfahrungen in den verschiedenen Unterkünften durch und kamen zu einem einfachen Ergebnis: Das übliche Ferienhaus war so alt, dass man das Bett in eine Nische eingebaut hatte! Das bedeutete, kein Quietschen oder Rumpeln, keine Sorge, die Kinder zu wecken, die sie dann stören könnten! Weil diese Ablenkung wegfiel, stand es ihnen frei zu genießen, ohne dass ein Teil ihres Verstands ständig auf möglichen Lärm achtete. Das geräuschlose Bett stellte sich als Schlüssel zu ihrem fantastischen Sex heraus.
In manchen alten Häusern im Mittelmeerraum sind Betten direkt über das Mauerwerk an der Wand befestigt.
Anstatt sich Sorgen zu machen oder über die Schwierigkeit beschämt zu sein, war dieses Paar einfach gemeinsam neugierig, was dahintersteckte. Das ist eine entscheidende Methode, wenn man versucht, ein Sexproblem zu lösen. Statt zu fragen: »Wo liegt der Fehler?«, überlegten sie: »Was drückt auf die Bremse?«
Die Geschichte hat noch ein besonderes Happy End! Als das Paar sich ein Haus, nicht für die Ferien, sondern für den Alltag bauen ließ, sorgten sie dafür, dass ihr Bett direkt an der Wand befestigt wurde.
Ich würde nie darauf kommen, jemandem zu raten, das Bett wie in einem alten Haus am Mittelmeer einzubauen. Auf so eine Lösung kommen Sie nur, wenn Sie verstehen, warum Sie Sex haben und warum manchmal nicht.
Was Leute wollen, wenn sie Sex wollen, ist nicht bloß ein Orgasmus, sondern Verbindung zueinander, Vergnügen, begehrt werden und eine gewisse Freiheit vom Alltag.
Manche möchten, aus allen möglichen Gründen, vielleicht keinen Sex. Eine großartige Frage, die man sich in so einem Fall stellen kann, lautet: »Was will ich tatsächlich nicht, wenn ich keinen Sex will?«
Ihr Gehirn verfügt über beides, ein sexuelles Gaspedal, das das Signal »angeturnt« als Reaktion auf jegliche sexbezogene Stimulation aussendet, und über eine sexuelle Bremse, die auf jegliche wahrgenommene Bedrohung das Signal »abgeturnt« aussendet. Wenn Leute sexuelle Probleme haben, liegt es manchmal daran, dass ihr Gaspedal nicht genug Stimulation erfährt, aber häufiger ist: zu viel Stimulation für die Bremse.
Was will ich, wenn ich Sex will?
Was gefällt mir, wenn mir Sex gefällt?
Was aktiviert mein Gaspedal?
Was bremst mich?
In welchem Kontext löst sich meine Bremse?
Das Vergnügen in den Mittelpunkt stellen
Als ich in meiner Collegezeit anfing, so etwas wie längere sexuelle Beziehungen einzugehen, war ich von einem altmodischen Narrativ überzeugt, das, wie ich glaube, vielen von uns beigebracht wurde, nämlich wie Begehren funktioniert. Es hieß, am Anfang einer Beziehung sei da nichts als Leidenschaft und »Funkensprühen« und dass das ein paar Jahre anhält. Dann kommen die Kinder oder man kauft ein renovierungsbedürftiges Haus beziehungsweise ist im Großen und Ganzen mit der Arbeit und dem Leben beschäftigt, und die »Funken« verglühen. Vor allem nach dem fünfzigsten Geburtstag, wenn scheinbar alle Hormone, die wir je hatten, auf dem Meer des Alterns davongetragen werden und wir übrig bleiben, sexlos und geschlechtslos, um im Sonnenuntergang Händchen zu halten. Wir haben die Wahl, so hieß es, entweder das schwindende Verlangen nach Sex zu akzeptieren oder dagegen anzukämpfen, Zeit, Aufmerksamkeit und sogar Geld zu investieren, um »den Funken zu erhalten«.
Tja, es stellt sich heraus, dass komplett alles an diesem Narrativ nicht nur falsch ist, sondern auch nicht zu Ende gedacht. Viele Bücher über Sex in Langzeitbeziehungen handeln davon, »den Funken der Leidenschaft zu erhalten«, und auch das ist falsch gedacht. Das alles ist so letztes Jahrhundert, mit starren Gender-Skripten und erschreckend vereinfachten Vorstellungen von Sex und Evolution.
Ich nenne diesen Wirrwarr an Irrtümern – und was man alles soll – den Begehren-Imperativ.10
Er besagt:
Zu Beginn einer sexuellen und/oder romantischen Beziehung sollten wir einen »Funken« spüren, ein spontanes, schwindelerregendes Begehren nach sexueller Intimität mit der (potenziellen) Partnerperson; dieses Begehren kann sich sogar obsessiv anfühlen.
Die »funkensprühende« Lust, die wir am Anfang einer Beziehung empfinden sollten, ist die einzig richtige, beste, gesunde, normale Art von Begierde, und wenn wir es nicht empfinden, hat das alles keinen Wert.
Falls wir unser Sexleben in irgendeiner Weise vorbereiten oder planen müssen, dann wollen wir es bloß nicht »richtig«.
Wenn die Partnerperson uns nicht spontan, aus heiterem Himmel, ohne Anstrengung oder Vorbereitung regelmäßig will, will sie oder will er uns eigentlich nicht »richtig«.
Der Begehren-Imperativ stellt das Sollen in den Mittelpunkt der Definition sexuellen Wohlbefindens. Er besagt, dass es nur einen korrekten Weg gibt, Lust zu erleben, und alles andere zählt nicht. Und darum sorgen sich Menschen um sexuelles Verlangen. Wenn sich die Lust verändert oder zu fehlen scheint, macht man sich Sorgen, dass etwas absolut nicht stimmt. Das ist der häufigste Grund, warum Paare eine Sexualtherapie aufsuchen.
Das Ironische am Begehren-Imperativ: Aktiviert all die Sorge um den »sprühenden Funken« das Gaspedal und führt schneller dazu, Sex zu wollen und zu mögen? Im Gegenteil, die Sorge tritt vor allem auf die Bremse und macht Sex noch aussichtsloser.
Doch es gibt eine Alternative: das Vergnügen in den Mittelpunkt stellen.
Es ist nicht die Lust, die zählt. Nicht »Leidenschaft«, nicht »den Funken der Leidenschaft erhalten«.
Das Wichtigste ist Vergnügen.
Das Vergnügen soll in den Mittelpunkt gestellt werden, denn bei großartigem Sex auf lange Sicht geht es nicht darum, wie sehr Sie Sex wollen, sondern darum, wie sehr Sie den Sex mögen, den Sie haben.
Ich werde dies noch oft wiederholen, denn wir alle haben so viele Jahre damit verbracht, dem Begehren-Imperativ zu entsprechen, dass selbst Menschen, die es besser wissen (mich eingeschlossen!), wieder in die Sorge um das Begehren abrutschen können.
Hier eine hilfreiche Analogie von Vergnügen und Begehren, die ich von der Sexualtherapeutin Christine Hyde gelernt habe:
Stellen Sie sich vor, Ihr*e beste*r Freund*in lädt Sie zu einer Party ein. Sie sagen zu, schließlich ist es der oder die beste Freund*in! Und eine Party!
Und je näher der Termin rückt, desto mehr denken Sie: Ach, wir müssen einen Babysitter organisieren … Puh, wird bestimmt Stau auf den Straßen sein … Will ich mich am Ende einer langen Arbeitswoche wirklich in mein Party-Outfit schmeißen?
Aber Sie haben ja zugesagt, also organisieren Sie den Babysitter, stellen sich auf den Stau ein und ziehen sich für die Party an – vielleicht tanzen Sie sogar zu lustiger Musik herum, während Sie Ohren- und Nasenhaare stutzen und die Glitzer- und Plateauheels anziehen.
Sie kommen bei der Party an.
Und dann?
Normalerweise genießen Sie einfach die Party!
Haben dann alle auf der Party Spaß, machen Sie alles richtig.
Die Party-Metapher ist eine behutsame, simple Art zu erklären, dass es bei sexueller Befriedigung nicht um »Funkensprühen« geht, sondern um eine Verbindung, die sich für Sie und Ihre Partnerperson lohnt. Noch einfacher ausgedrückt:
Was zählt, ist das Vergnügen.
Vergnügen ist das Maß für sexuelles Wohlbefinden. Bei dauerhaft großartigem Sex geht es eben nicht darum, wie oft oder wo man Sex hat oder mit wem oder in welcher Stellung oder wie viele Orgasmen man hat oder auch wie enthusiastisch man sich hineindenkt, sondern wie sehr man den Sex mag, den man hat.
Aber zunächst einmal ist zu klären, was mit »Vergnügen« und was mit »Begehren« gemeint ist. Danach beschreibe ich, warum Vergnügen in den Mittelpunkt unserer Definition von sexuellem Wohlbefinden gehört und das Begehren eher als Randerscheinung betrachtet werden darf. Am Ende dieses Kapitels, so hoffe ich, merken Sie es künftig, sobald Sie sich über das Verlangen sorgen – Ihr eigenes oder das Ihrer Partnerperson – und stattdessen denken: »Ah! Da ist er ja wieder, der Begehren-Imperativ. Mein Stichwort, das Vergnügen in den Mittelpunkt zu stellen.«
Ein schlichter Ansatz, wie wir unsere Haltung zum Thema Begehren und Vergnügen allmählich ändern können, ist, zu verstehen, was Sexualforscher*innen und Therapeut*innen zu diesem Thema zu sagen haben. Sie nennen den »Funken« des Begehren-Imperativs »spontanes Begehren« und eine der normalen Arten, sexuelles Verlangen zu erleben, aber das hat nichts mit großartigem Sex in einer langen Beziehung zu tun.
Darüber hinaus wird das »reaktive Begehren« beschrieben, das kein »funkensprühendes« Gefühl ist, sondern eher die Offenheit, Lust zu erkunden und zu sehen, wohin das führt. Häufig ist das »geplanter« Sex, auf den man sich vorbereitet, sich zurechtmacht, einen Babysitter engagiert und sich schließlich einfindet. Sie legen Ihren Körper ins Bett, lassen sich berühren und berühren, und Ihr Körper erwacht! Er sagt: »Oh, ja! Das gefällt mir echt! Ich mag diese Person wirklich!«