Können Konflikte enden? - Jiddu Krishnamurti - E-Book

Können Konflikte enden? E-Book

Jiddu Krishnamurti

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Beschreibung

In der Menschheitsgeschichte gab es kaum eine Zeit ohne Krieg. Weltfrieden scheint ein unerreichbares Ideal zu sein. Selbst in unseren alltäglichen Beziehungen gelingt uns ein konfliktfreier Umgang kaum. Und doch sehnen wir uns alle genau danach: einem Leben in Sicherheit und Harmonie. In visionären Vorträgen betrachtet der weltbekannte Denker Jiddu Krishnamurti, inwiefern die Spaltungen in unserer Welt auf Dogmen und Machtgefällen fußen und unsere Beziehungen durch persönliche Überzeugungen und Ängste zerrüttet werden. Dabei widmet sich Krishnamurti ganz elementaren Fragen: Warum verfallen wir Ideologien? Warum ist unser Denken niemals objektiv? Warum suchen wir nach Sicherheit und wann wird diese Suche zum Verhängnis? Wie können wir gesunde Beziehungen führen? Und schließlich: Können Konflikte enden? Krishnamurti zeigt, warum wir in Konflikten leben, wie wir unser eigenes Denken und Verhalten ändern können und was es braucht für ein friedliches Miteinander.

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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2025

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EIN ZEITGEMÄSSES PLÄDOYER FÜR FRIEDEN AUF DER WELT

Zeitlebens war es Jiddu Krishnamurti ein Anliegen, den Ursprung von Konflikten zu erforschen, um mehr Frieden in die Welt zu bringen. Dabei widmete er sich ganz elementaren Fragen: Warum ist der Mensch des Menschen Feind? Weshalb verfallen wir Ideologien? Wie können wir gesunde Beziehungen führen? Und schließlich: Können Konflikte enden?

In dieser Sammlung visionärer Vorträge zeigt einer der bedeutendsten Denker des letzten Jahrhunderts, dass die Spaltungen in unserer Welt auf Dogmen und Machtgefällen fußen und unsere Beziehungen durch persönliche Überzeugungen und Ängste zerrüttet werden.

Jiddu Krishnamurti bietet in ›Können Konflikte enden?‹ eine Inspiration zur Lösung des drängendsten Problems unserer Zeit: Wie wir in Frieden leben können.

Jiddu Krishnamurti

wurde 1895 in Südindien geboren. Er absolvierte seine Ausbildung in England und lebte lange Zeit in den Vereinigten Staaten, wo er 1986 verstarb. Mit vielen bekannten Wissenschaftlern, Philosophen und Intellektuellen stand er in regelmäßigem Austausch. Krishnamurti nahm für sich in Anspruch, keiner Kaste, Nationalität oder Religion anzugehören. Seine Lehren wurden in über 75 Büchern veröffentlicht und in 30 Sprachen übersetzt.

Elisabeth Liebl übersetzt aus dem Englischen, Französischen und Italienischen, u.a. übertrug sie die Bücher von Malala Yousafzai, Tiziano Terzani, Papst Franziskus und Deepak Chopra ins Deutsche.

JIDDU KRISHNAMURTI

KÖNNEN KONFLIKTE ENDEN?

Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl

Herausgegeben von David Skitt und Duncan Toms

Von Jiddu Krishnamurti ist bei DuMont außerdem erschienen:

Was ist Meditation?

Die englische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel ›Can Conflict End?‹ bei Rider, einem Imprint von Penguin Random House, London.

Copyright ©2023 Krishnamurti Foundation Trust Ltd.

E-Book 2025

© 2025 DuMont Buchverlag GmbH & Co.KG, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, [email protected]

Alle Rechte vorbehalten.

Die Nutzung dieses Werks für Text- und Data-Mining im Sinne von §44b UrhG behalten wir uns explizit vor.

Übersetzung: Elisabeth Liebl

Umschlaggestaltung: Lübbeke Naumann Thoben, Köln

Umschlagabbildung: Designed by Mylène Mozas-Sauvignon/[email protected]

Foto des Autors : Brockwood Park, UK, 1981. Photograph by Vibeke Hovgaard, Courtesy Krishnamurti Foundation Trust

Satz: Angelika Kudella, Köln

E-Book Konvertierung: CPI books GmbH, Leck

ISBN E-Book 978-3-7558-1090-2

www.dumont-buchverlag.de

EINFÜHRUNG

Sein Leben lang hielt Jiddu Krishnamurti an der Aussage fest, das Ausmaß menschlicher Konflikte würde zeigen, dass uns etwas »radikal fehlt«. Aber seine Erklärung der Ursachen geht weit über ein simples Moralurteil hinaus. Für ihn lag es auf der Hand, dass rivalisierende religiöse Überzeugungen und politische Ideologien, die nicht selten vom Nationalismus angeheizt werden, spaltend wirken und durch territoriale Ansprüche und rücksichtslosen wirtschaftlichen Wettbewerb verschärft werden. Wie wir das in unserer Zeit wieder und wieder beobachten konnten, obsiegen selbst bei globalen Katastrophen wie einer Pandemie nationalistische Bestrebungen über die offensichtliche Einsicht zur Notwendigkeit der Zusammenarbeit. Und jetzt auch noch der Krieg in der Ukraine.

Die tiefere und andauernde Quelle von Konflikten liegt letztlich, wie Krishnamurti gleichfalls erkannte, in unserer Unfähigkeit einzusehen, dass alles Tun auf dem Denken beruht. Unser Denken basiert auf vergangenen Erfahrungen, auf selektiven Erinnerungen und auf den Projektionen dieser Erfahrungen und Erinnerungen, was unweigerlich für Konfliktstoff in menschlichen Beziehungen sorgen wird, ob diese nun zwischen zwei Individuen bestehen oder zwischen jenen Gruppen, die wir »Nationen« nennen. Erfahrung ist immer begrenzt und fußt auf der Vergangenheit, daher können wir durch sie nie umfassend auf das Neue und Unvorhergesehene reagieren, mit dem das Leben uns ständig konfrontiert. Und doch versuchen wir genau das Mal für Mal. Ein weiterer wesentlicher Faktor von Konflikten ist, so Krishnamurti, die Tatsache, dass sich das Denken Bilder von anderen und uns selbst macht. Bilder, die aufgrund der begrenzten Natur der Erfahrung, auf der sie beruhen, nichts anderes als widersprüchliche Vorurteile sein können.

Die entscheidende und resultierende Frage, die Krishnamurti dann stellt und uns allen stellen möchte, ist: Wenn Denken und Erfahrung in menschlichen Beziehungen versagen, was bleibt uns dann noch? Die Konsequenzen seiner Frage werden in diesem Buch in einer Reihe von sechs Vorträgen in aller Genauigkeit diskutiert.

Krishnamurtis Vorträge, Dialoge und Schriften wurden in mehr als siebzig Büchern veröffentlicht und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Was also soll ein »erfahrener« Leser seiner Werke in diesem Buch Neues finden? Natürlich werden bekannte Themen vertieft und in ein neues Wortgewand gekleidet. Aber da sind auch frische Blickwinkel und spannende tiefer gehende Diskussionen. Und was wird ein Mensch entdecken, für den Krishnamurtis Worte vollkommen neu sind? Die hier zusammengestellten Gespräche kreisen um viele seiner großen Themen: die Konzentration auf Fakten, auf das, was ist, statt auf das, was sein sollte; Zeit und Denken; die dem menschlichen Wissen eigene Begrenztheit; körperliche und psychische Sicherheit; die isolierende Wirkung des Selbst; Leid; Angst; Intelligenz; Liebe und Weisheit.

Können Konflikte enden? besteht aus zwei Teilen: den öffentlichen Vorträgen in Teil I und den Fragen und Antworten in Teil II. Beide Teile stehen stilistisch in offenkundigem Kontrast zueinander. Auf der einen Seite die nötige Förmlichkeit des öffentlichen Vortrags, auf der anderen die lockere, informelle Art, die Krishnamurti augenscheinlich genoss, wenn er auf sehr schwierige Fragen eine Antwort gab. Lesen Sie selbst.

David Skitt

KÖNNEN KONFLIKTE ENDEN?

TEIL I

ÖFFENTLICHE VORTRÄGE

1

BEFASSEN SIESICHMIT TATSACHEN. MEINUNGENVERURSACHEN KONFLIKTE.

Wir werden miteinander viele essenzielle Themen behandeln. Diese Zusammenkünfte dienen weder der intellektuellen noch der emotionalen Unterhaltung. Sie sind grundlegend ernsthaft, denn wir werden gemeinsam Nachforschungen anstellen und bestimmte Dinge untersuchen und überprüfen. Ich werde Ihnen keine Ideen präsentieren, sondern wir werden Tatsachen beobachten. Das Wort »Tatsache« bezieht sich auf etwas, das in der Vergangenheit passiert ist oder jetzt geschieht. Die Zukunft ist eine Nichttatsache. Sie ist eine Hoffnung, eine Idee, eine Vorstellung. »Tatsache« ist das, was jetzt geschieht beziehungsweise schon geschehen ist. Wir werden uns also ausschließlich mit Tatsachen beschäftigen, nicht mit Ideen, Vorstellungen, Spekulationen, wie philosophisch oder spannend sie auch sein mögen. Wir werden zusammen die Tatsache untersuchen, was wir sind, die Tatsache, was um uns herum in der Welt passiert, und die Tatsache, dass die meisten von uns sich nur für sich selbst interessieren.

Wir leben in einer Welt ohne Frieden. Es herrscht so viel Chaos, Unordnung, so große Gefahr, da sind Terrorismus und die Bedrohung des Krieges – all das sind Tatsachen. Ist es möglich, unser tägliches Leben friedlich in dieser Welt zu führen, mit all ihrem Chaos und dem Leid und all den Problemen, die wir haben? Politiker, christliche Oberhäupter, Hindus, Buddhisten und Muslime reden ständig vom Frieden, aber tatsächlich ist da kein Friede. Und Friede ist nötig, damit wir wachsen und gedeihen können, damit wir verstehen können und Zeit haben, um uns umzusehen, uns selbst zu erforschen und das, was wir dabei finden können. Wir brauchen Frieden, aber nicht in dem Sinne, dass wir von etwas frei sind. Die Zeitspanne zwischen zwei Kriegen, zwischen zwei Konflikten, zwei Problemen oder das Gefühl körperlicher Entspannung, all das ist kein Frieden. Frieden ist etwas viel Grundlegenderes, viel tiefgründiger als der oberflächliche Frieden, den Sie haben oder zu haben glauben.

Wir werden uns wie zwei Freunde darüber unterhalten, ob es möglich ist, sowohl innerlich, das heißt psychisch, wie äußerlich in Frieden zu leben. Wir mögen uns Frieden wünschen und sogar sehen, dass wir ihn brauchen, aber wir führen trotzdem kein friedvolles Leben. Und die Welt stimmt sich auf Krieg ein, mit all ihren widerstreitenden Ideologien. Politikern und Regierungen geht es nicht um die Menschheit, sondern um die Ausdehnung ihrer Macht. Von Politikern und Regierungen können wir keinen Frieden erwarten. Aber auch nicht von den Religionen, so viel sie auch darüber reden mögen.

Wo finden Sie dann Frieden? Denn eines müssen Sie unbedingt verstehen: Ohne Frieden sind wir wie Tiere, die einander töten – und wir töten dabei auch die Erde, den Ozean, die Luft. Politisch wie religiös haben wir uns auf unsere Anführer verlassen, damit sie uns Frieden bringen, aber auch sie waren damit erfolglos. Regierungen, Politiker, religiöse Oberhäupter, Friedensbewegungen – niemand hat den Menschen Frieden gebracht, Frieden für Sie und für mich. Wo also können wir Frieden finden? Ohne das nötige Fundament des Friedens können wir die größeren Fragen des Lebens nicht verstehen. Also werden wir uns das Ganze gemeinsam ansehen, nicht auf der Wortebene, nicht intellektuell. Wir werden für uns selbst herausfinden – ohne Anleitung, ohne Führung, ohne Priester, selbst ohne Psychologen, denn sie alle sind an diesem Vorhaben bisher gescheitert –, ob wir Frieden in der Welt und in uns selbst haben können.

Stellen wir uns zunächst die Frage, ob wir Frieden in uns selbst haben können. Frieden ist ein recht komplizierter Begriff. Wir füllen ihn mit den unterschiedlichsten Inhalten, die mit unserer Stimmung, unseren intellektuellen Vorstellungen oder unseren romantischen und emotionalen Interpretationen zu tun haben. Aber wir wollen diesen Begriff hier nicht mit unseren Inhalten füllen, sondern seine Bedeutung und Tiefe ergründen. Friede im Geist ist wie körperlicher Friede nicht nur die Freiheit von etwas, sondern bedeutet das Ende aller Konflikte. Das ist wahrer Friede, nicht nur in uns selbst, sondern auch mit anderen Menschen und mit dem, was uns umgibt, mit der Natur, den Ökosystemen – Friede mit der Welt. Es ist kein oberflächlicher, sondern ein tief verwurzelter, unerschütterlicher Friede. Kein vorübergehender Zustand, sondern ein Friede von zeitloser Fülle.

Frieden wird in der Meditation gesucht, und das war tatsächlich weltweit eine ihrer Zielsetzungen. Aber Meditation ist nicht das Streben nach Frieden. Sie ist etwas vollkommen anderes, aber das werden wir bald untersuchen.

Was also ist Frieden, und wie können wir dafür die Fundamente legen, sodass wir – psychologisch gesprochen – darauf aufbauen können? Vergessen Sie nicht, wir sprechen gemeinsam über diese Fragen. Ich will hier nicht meinen Standpunkt vortragen. Ich bin keine Autorität. Wenn wir gemeinsam darüber sprechen, werden die Dinge sehr klar. Wenn wir gemeinsam darüber reden, ohne voreingenommen zu sein, ohne mit fertigen Schlussfolgerungen oder Konzepten an die Sache heranzugehen, dann können wir dieses Thema zusammen erkunden. Aber wenn Sie eine feste Meinung zum Frieden haben, darüber, was Friede sein sollte, dann hört damit das Erkunden auf.

Meinungen haben keinen Wert, obwohl alles, was in der Welt geschieht, darauf basiert. Meinungen sind begrenzt. Ihre Meinung oder meine Meinung, die Meinungen von totalitären oder sogenannten demokratischen Regierungen, die Meinungen der Geistlichen, sie alle sind begrenzt. Das gilt auch für Ihre Meinungen über Werte. Ich hoffe, wir verstehen die Bedeutung des Wortes »begrenzt«. Wenn Sie von morgens bis abends über sich selbst nachdenken, wie das die meisten Menschen tun, dann ist das sehr begrenzt. Wenn Sie sagen, dass Sie Amerikaner sind oder Britin, dann ist das extrem begrenzt. Demnach sind auch Meinungen begrenzt. Wenn Sie das klar erkennen können, dann halten Sie nicht an ihnen fest oder an den Wertvorstellungen, die sich aus den Meinungen ergeben. Ihre Meinung, die gegen eine andere steht – das führt nicht zum Frieden.

Denn das ist es, was gerade in der Welt geschieht: eine Ideologie gegen eine andere, Kommunisten, Sozialisten, Demokraten und so weiter. Bitte verstehen Sie, wenn ich das sagen darf, dass wir hier in einem Dialog miteinander stehen. Aber wenn Sie auf Ihrer Meinung beharren und ich auf der meinen, dann werden wir nie zusammenkommen. Daher muss es zu einem Freisein von Meinungen und den damit verbundenen Werten kommen.

Können wir davon ausgehend weitermachen? Dass man nicht an seinen Meinungen festhalten und sie als Knüppel benutzen soll, um aufeinander einzuschlagen oder sich gegenseitig umzubringen. Dass wir vielmehr verstehen, dass all unsere Meinungen begrenzt sind und daher unweigerlich Konflikte mit sich bringen. Wenn wir nämlich auf unseren begrenzten Schlussfolgerungen und Erfahrungen beharren und andere Menschen dasselbe tun, dann kommt es nicht nur zu Konflikten, sondern zu Krieg und Zerstörung. Wenn wir das ganz klar erkennen, dann sehen wir die Oberflächlichkeit unserer Meinungen. Sie sind bedeutungslos. Daher meine Bitte: Wenn Sie untersuchen, was Frieden ist und ob Sie in Frieden leben können, dann lassen Sie Ihre Meinungen fallen. Seien Sie so frei, Erkundungen anzustellen und in der Erkundung aktiv zu sein. Die Erkundung an sich ist Aktivität. Es ist nicht so, dass Sie erst Erkundungen anstellen müssen und dann handeln können. Im Prozess des Erkundens, des Erforschens, handeln Sie ja schon. Ich hoffe, es ist vollkommen klar geworden, dass es die Freiheit geben muss, zu erkunden. Dass es die Möglichkeit braucht, Dinge frei zu erforschen, damit wir uns gemeinsam tatsächlich, nicht theoretisch, sondern faktisch, sicher sein können, dass Sie und ich keine Meinungen haben. Das ist die eigentliche Grundlage des Friedens.

Frei von Meinungen zu sein, ist eine unglaubliche Forderung, denn wir leben von Meinungen. Medien, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher – sie alle beruhen auf Meinungen: Jemand sagt etwas, und Sie stimmen zu, dann wird das auch zu Ihrer Meinung. Jemand liest ein Buch und bildet sich eine andere Meinung. Wenn wir also die wahre Bedeutung des Friedens finden wollen, seine Tiefe, Schönheit und Eigenheit, dann dürfen wir nicht voreingenommen sein. Ganz offensichtlich ist dies die erste Anforderung: nicht an den Frieden zu glauben, ihn sich zum Ziel zu setzen oder die Bedeutung des Friedens aus Büchern oder den Worten anderer Menschen erschließen zu wollen, sondern sehr gründlich zu erforschen, ob Ihr ganzes Sein in Frieden leben kann.

Das Handeln ist nicht getrennt von der Wahrnehmung. Wenn Sie sehen, dass etwas wahr ist, dann ist schon diese Erkenntnis Handeln. Es ist nicht so, dass Sie zuerst verstehen und dann entsprechend handeln, denn in diesem Fall haben Sie es mit einer intellektuellen Vorstellung zu tun, die Sie als Richtschnur für Ihr Handeln nehmen. Aber schon das Erkennen an sich ist Handlung – zu sehen, dass die Welt durch Stammesdenken aufgeteilt ist: die Briten, die Deutschen, die Franzosen, die Amerikaner, die Russen – lauter Stämme. Sehen Sie die Tatsache, dass es sich dabei um Stämme handelt, die man zur Nation emporstilisiert, und dass dieses Stammesdenken Zerstörung und Kriege in die Welt bringt. Jeder Stamm glaubt, dass seine Kultur sich von der des anderen unterscheidet, aber tatsächlich ist das Stammesdenken die eigentliche Wurzel der Unterscheidung, nicht die Kultur. Wenn Sie diese Tatsache sehen können, dann ist dies der Akt, der das Gehirn von der Konditionierung des Stammesdenkens befreit. Sind wir uns da einig? Erkennen Sie – nicht theoretisch oder ideell, sondern faktisch –, dass das Stammesdenken, das auch bestimmte Vorteile hatte und heute die Form der verherrlichten Nation annimmt, einer der Gründe für Kriege ist? Das ist eine Tatsache. Es gibt noch andere Gründe für Kriege, wirtschaftliche zum Beispiel, aber das Stammesdenken ist einer davon. Wenn Sie sehen, dass dieses niemals zu Frieden führen kann, dann befreit die bloße Wahrnehmung das Gehirn von der Konditionierung des Stammesdenkens.

Sind wir da immer noch beisammen? Ich will Sie hier nicht von irgendetwas überzeugen oder Ihnen etwas einreden. Das ist keine Propaganda, sondern wir sehen den Tatsachen ins Auge.

Gibt es Konflikte in der Welt, so ist einer der Hauptfaktoren die Religion. Ob Christentum, Islam oder andere Religionen. Auf der Grundlage von Ideologien wurden wir durch diese Propaganda 2000Jahre lang – im Falle von Hindus und Buddhisten sogar 3000 bis 5000Jahre lang – programmiert, als wären wir Computer. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Programmierungen auch Großartiges hervorgebracht haben, beeindruckende Architektur, Kunstwerke, Gesänge und Musik. Aber Frieden haben sie der Menschheit nicht gebracht. Wenn Sie diese Tatsache erkennen, dann gehören Sie keiner Religion an – Sie sind weder Hindu noch Buddhist noch Christ, einfach nichts. Spirituelle Führer und Gurus bringen nur Konflikte, Widersprüche und Elend. »Mein Guru ist besser als deiner. Meine Sekte ist heiliger als deine. Ich wurde geweiht, du nicht.« Sie kennen ja diesen ganzen Unsinn, der sich überall ausbreitet. Wenn Sie das alles, das, was um Sie herum gelebt wird, und die Folgen, als Tatsache erkennen, dann hängen Sie keiner Religion mehr an, keiner Ideologie, keiner Bewegung, keinem Guru.

Bitte, das ist eine äußerst ernsthafte Angelegenheit. Wenn Sie wirklich in Frieden leben wollen, dann ist es notwendig, dass Sie von alldem frei sind, denn dies sind die eigentlichen Gründe für Missverständnisse und Spaltungen.

Sie oder ich – wir sind nicht im Besitz der Wahrheit –, das ist ein Trugschluss. Die Wahrheit gehört nicht einer Kirche, einer Gruppe, einer Religion. Und Frieden kann es nur geben, wenn wir diesen Trugschluss losgeworden sind. Das Gehirn muss frei sein, die Wahrheit zu entdecken. Sind wir hier immer noch beisammen, und sei es auch nur intellektuell? Wissen Sie, für die meisten von uns ist ein so drastischer Schritt schwierig, denn wir haben unsere Sicherheit auf Illusionen gegründet, auf Dinge, die keine Tatsachen sind. Und daher fällt es schwer, sie loszulassen. Das ist auch keine Willenssache. Sie können nicht einfach beschließen oder sagen: »Ich hänge nichts und niemandem an.« Das ist nur ein weiterer Trugschluss. Wir schließen uns etwas an, einer Gruppe, einer Idee, einem religiösen Hirngespinst, weil wir glauben, dass wir darin Sicherheit finden. Aber diese Dinge geben uns keine Sicherheit und folglich auch keinen Frieden. Das Gehirn braucht Sicherheit, aber es sucht diese im Denken, in Dingen, die illusorisch sind. Sie müssen sich davon frei machen. Können Sie das? Ist es Ihnen ernst, ein Leben im Frieden zu wollen, zu ersehnen, zu fordern? Oder sagen Sie jetzt, weil Sie sich von mir überredet fühlen: »Ja, ich verstehe all das, aber …« Aber, aber, aber!

Was wir hier tun, ist ein Austausch zwischen zwei Freunden. Wir sind Freunde, Sie und ich. Wir sind zwei Freunde, die einander nichts weismachen oder sich gegenseitig überzeugen wollen. Wir verlangen vom anderen nicht, sich auf dies oder jenes einzulassen – dann wären wir ja keine Freunde. Wir sind aber zwei Freunde, die einander fragen, ob es möglich ist, ein ganzes Leben lang in Frieden zu existieren. Nicht hin und wieder, nicht, wenn Sie nichts anderes zu tun haben. Sondern zu leben ohne jeden Konflikt, ohne auch nur ein einziges Problem.

Lassen Sie uns über das Gehirn sprechen. Ich bin kein Spezialist, doch habe ich mich mit vielen Wissenschaftlern über das Gehirn unterhalten. Aber Sie sollten auch nicht einfach akzeptieren, was Wissenschaftler sagen. Es ist viel wichtiger, dass Sie für sich selbst herausfinden, wie Ihr Gehirn arbeitet, statt sich das von Wissenschaftlern sagen zu lassen. Denn auch das Gehirn, das wie ein Werkzeug zum Denken befähigt, hat weder in der Welt noch in uns selbst Frieden geschaffen. Auch das ist eine Tatsache. Denn das Denken ist an seine Grenzen gestoßen.