Korallenkuss - Beatrix Mannel - E-Book

Korallenkuss E-Book

Beatrix Mannel

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Beschreibung

Hilfe! Herz über Bord! „Korallenkuss“ von Erfolgsautorin Beatrix Mannel jetzt als eBook bei dotbooks. „Sie klammerte sich fest an die Reling, um nicht vor lauter Glück davonzuschweben, so wie eines dieser watteweichen Wölkchen, die hinter den Hochhäusern von Sydney am Horizont verschwanden.“ Endlich hat Luzie es geschafft! Sie ist an Bord der Pacific Blue, dem Kreuzfahrtschiff, auf dem Mark arbeitet – ihre große Liebe. Doch das lang ersehnte Wiedersehen verläuft nicht so romantisch, wie sie sich das ausgemalt hat, denn Mark sieht das mit der ganz großen Liebe etwas anders. Luzie fällt aus allen Wolken … und als dann auch noch der süße Henry auftaucht, ist das Gefühlschaos komplett! Jetzt als eBook kaufen und genießen: der Jugendliebesroman „Korallenkuss“ von Beatrix Mannel. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 191

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Über dieses Buch:

„Sie klammerte sich fest an die Reling, um nicht vor lauter Glück davonzuschweben, so wie eines dieser watteweichen Wölkchen, die hinter den Hochhäusern von Sydney am Horizont verschwanden.“

Endlich hat Luzie es geschafft! Sie ist an Bord der Pacific Blue, dem Kreuzfahrtschiff, auf dem Mark arbeitet – ihre große Liebe. Doch das lang ersehnte Wiedersehen verläuft nicht so romantisch, wie sie sich das ausgemalt hat, denn Mark sieht das mit der ganz großen Liebe etwas anders. Luzie fällt aus allen Wolken … und als dann auch noch der süße Henry auftaucht, ist das Gefühlschaos komplett!

Über die Autorin:

Beatrix Mannel studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Erlangen, Perugia und München und arbeitete dann zehn Jahre als Redakteurin beim Fernsehen. Danach begann sie – auch unter ihrem Pseudonym Beatrix Gurian – Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu schreiben, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Für ihre aufwändigen Recherchen reist sie um die ganze Welt. Außerdem gründete sie gemeinsam mit einer Kollegin 2016 die Münchner Schreibakademie.

Bei dotbooks erschien von ihr bereits die Serie S.O.S. – Schwestern für alle Fälle mit den Einzelbänden:

Willkommen in der Chaos-KlinikEin Oberarzt macht ZickenFlunkern, Flirts und LiebesfieberRettender Engel hilflos verliebtPrinzen, Popstars, Wohnheimpartys,

Die Jugendbuchserie Jule mit den Einzelbänden Jule – filmreif, Jule – kussecht, Jule – schwindelfrei, Jule – zartbitter

und der historische Jugendroman Die Tochter des Henkers.

Mehr Informationen auch auf der Website der Autorin: www.beatrix-mannel.de

www.münchner-schreibakademie.de/

***

eBook-Neuausgabe Juli 2017

Copyright © der Originalausgabe 2005 Loewe Verlag GmbH, Bindlach

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung eines Bildmotives von shutterstock/Rohappy

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ml)

ISBN 978-3-96148-162-0

***

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Beatrix Mannel

Korallenkuss

Roman

dotbooks.

Für meine Mutter, die das Meer so liebt

1.Sydney, Australien

Auszug aus der Bordzeitung der Pacific Blue Princess, den Blue NewsSamstag, den 2. AprilSonnenaufgang: 6:34 Sonnenuntergang: 17:28Cocktail des Tages: Wekomefre, (Sekt,Orangensaft, Blue Curaçao)Bekleidungsempfehlung: legerSpruch des Tages: »Wohin du auch gehst,geh mit deinem Herzen.« Konfuzius

Luzie klammerte sich fest an die Reling, um nicht vor lauter Glück davonzuschweben, so wie eines dieser watteweichen Wölkchen, die hinter den Hochhäusern von Sydney am Horizont verschwanden. Endlich war sie am Ziel.

Hier auf diesem Schiff würden sie sich wieder treffen und nie mehr trennen.

Sie konnte es gar nicht fassen, dass sie ganze 92 Tage ohne ein Lebenszeichen von ihm überlebt hatte.

Der Gedanke daran, dass es jeden Augenblick so weit sein konnte, ließ ihre Füße unruhig hin- und herwippen und verwandelte ihren Herzschlag in einen nervösen Trommelwirbel, der ihr den Atem nahm.

Dabei mochte sie diese Luft aus salziger Hitze, Öl und Fisch. Schließlich war es die gleiche Luft, die er auch atmete. Wer weiß, überlegte sie, vielleicht begegnet sich irgendwo dort oben am Himmel unser Atem und küsst sich schon längst, während wir uns noch suchen.

Sie schloss für einen Moment ihre aufgeregt flatternden Augenlider, um sich bei ihrem Wiedersehen sein überraschtes Gesicht und den anschließenden Kuss auszumalen. Doch das Rattern und Krachen der Containerkräne wirkte mit geschlossenen Augen unromantisch laut. Es vermischte sich mit dem Kreischen der Möwen, den kurzen Kommandos der Hafenarbeiter und dem sanften Schwappen des Wassers zu einer schrillen Hintergrundmusik für ihre Vision vom ersten Kuss an Bord.

Und da plötzlich hörte sie mittendrin in all dem Lärm sein schmetterndes Lachen! Oder bildete sie sich das nur ein? Sie riss ihre Augen wieder auf und suchte den Kai nach seiner großen, breiten Gestalt ab. Leider war er nicht da.

Enttäuscht bemerkte sie, dass das Lachen nur von den Insassen eines gerade herangefahrenen grün schimmernden Jaguars ausgegangen war. Der Fahrer sprang heraus und half einer grauhaarigen Dame beim Aussteigen, während ein sehr viel älterer Mann im weißen Anzug einen Rollstuhl aus dem Kofferraum zerrte und sich bemühte, ihn schnell aufzuklappen. Sein Strohhut fiel dabei auf die Erde und gab den Blick auf seinen kahlen Schädel frei. Ein zweiter, jüngerer Mann hob ihn auf und gab ihn mit einer Bemerkung zurück, die den älteren Mann zum Lachen brachte.

Doch dieses tiefe Ho-ho-ho hatte nichts mit dem freien und wilden Lachen von Mark zu tun, nach dem sie sich 92 Tage lang so gesehnt hatte. Wenn sie damals in Hamburg nur daran gedacht hätte, seine Stimme und sein Lachen mit ihrem Handy aufzunehmen. Dann wäre es ihr bestimmt leichter gefallen, die Zeit ohne ihn zu überstehen. Oder wenn sie ihm doch nur heimlich eine seiner schwarzen Locken abgeschnitten hätte ... Aber sie hatte nicht mal eine Socke von ihm behalten!

Die drei Menschen unten am Kai wurden von einem Steward mit vielen goldenen Streifen am Ärmel begrüßt und über die Gangway aufs Schiff begleitet.

Durch die Lautsprecher ertönte die Aufforderung an alle Gäste, jetzt von Bord zu gehen, da das Einchecken beendet sei und die Pacific Blue Princess in einer Viertelstunde ablegen würde.

Mark musste also schon an Bord sein.

Wenn sie nur wüsste, wo sich seine Kabine befand! Bei 500 Passagieren und 300 Mann Besatzung war das viel schwerer herauszufinden, als sie es sich vorgestellt hatte.

Nachdem sie allein fast verzweifelt war, hatte sie sich ein Herz gefasst und den einzigen Menschen an Bord, den sie schon kannte, den Hotelmanager Robert Fenwick, nach Mark gefragt. Ob sie denn verheiratet oder verlobt seien, hatte er wissen wollen. Luzie hatte kurz überlegt, ob sie eine Lüge riskieren sollte, schließlich hatte sie ja ohnehin schon so viel aufs Spiel gesetzt, um auf die Pacific Blue Princess zu gelangen. Doch sie ahnte, dass Mark es nicht mögen würde, wenn sie so ein Gerücht in die Welt setzte. Deshalb hatte sie sich entschlossen, ehrlich mit Nein zu antworten. Daraufhin hatte Fenwick sie bedauernd angesehen und ihr dann nur verraten, dass Mark jeden Abend ab 19 Uhr in der Tahiti Bar arbeiten würde.

Irgendwie unglaublich, dass es einfacher gewesen war, einen Job an Bord zu bekommen, als Mark auf dem Schiff zu finden.

Na ja, ganz so leicht war das mit dem Job auch wieder nicht gewesen. Bei der Erinnerung daran verzog Luzie ihre Lippen zu einer Grimasse.

Zuerst hatten ihre Eltern sie für komplett verrückt erklärt. Sie sei schließlich erst siebzehn und hätte gerade erst ihre Ausbildung zur Kinderpflegerin abgeschlossen. Da sollte sie lieber über eine Weiterbildung nachdenken, anstatt auf irgendeinem Schiff am Ende der Welt Berufserfahrungen zu sammeln.

Aber Luzie hatte nicht nachgegeben und immer wieder beteuert, dieses Schiff wäre im Gegenteil ihre große Chance. Wann würde sie je wieder so in der Welt herumkommen und dabei noch dazu ihr Englisch aufpolieren? Damit hatte sie ihre Eltern natürlich dann doch eingewickelt. Denn Luzie wusste genau, dass ihr Vater schon lange von einer Weltreise träumte und ihre Mutter es bitter bereute, nie Englisch gelernt zu haben.

Wenn sie ihnen die ganze Wahrheit gesagt hätte, dann würde sie natürlich immer noch brav zu Hause in Hamburg sitzen und Bewerbungen für Kindergärten schreiben.

Deshalb kannte auch nur Luzies beste Freundin Katja die ganze Wahrheit.

Das laute Knacken der Lautsprecher riss Luzie aus ihren Gedanken, und als dann eine Blaskapelle mit »Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus« ertönte, musste Luzie grinsen. Es kam ihr merkwürdig vor, dass am anderen Ende der Welt ein deutsches Volkslied gespielt wurde. Vielleicht lag es daran, dass das Schiff unter deutscher Crewleitung stand und deshalb hauptsächlich Passagiere aus Deutschland an Bord waren?

Am Kai brach hektische Betriebsamkeit aus. Die baumdicken Taue wurden von einem ganzen Trupp Matrosen losgelöst. Viele Passagiere waren jetzt an Deck gekommen, um das Ablegen des Kreuzfahrtriesen zu beobachten.

Und obwohl Luzie das Schiff am liebsten sofort nach Mark abgesucht hätte, blieb auch sie fasziniert stehen und staunte über den Anblick, der sich ihr bot.

Langsam schob sich die strahlend weiße Pacific Blue Princess an der kleinen, vorgelagerten Halbinsel mit dem berühmten Opernhaus vorbei. Für Luzie sahen diese merkwürdigen Dreiecke so aus, als wären sie die Kapuzen von riesigen Wächtern, die dicht hintereinander stehend den Hafen von Sydney bewachten.

Langsam, aber stetig entfernte sich das Schiff von Sydneys Hochhäusern. In den Fassaden spiegelten sich das Meer und der Himmel wider und verwandelten die Türme dadurch in gigantische, dunkelblau glänzende Edelsteinquader.

Merkwürdig, dachte Luzie, wie sehr sich die Dinge verändern, wenn man nur die Perspektive wechselt. Die funkelnden Wolkenkratzer wurden ständig kleiner, und irgendwann, wenn sie das offene Meer erreicht hätten, würden sie ganz verschwunden sein. So wie ihre Vergangenheit.

Jetzt zählte nur noch, dass Luzie am Ziel war.

Durch die Lautsprecher schallten verschiedene Durchsagen in Deutsch, Englisch und Französisch, wann und wo welche Snacks und Drinks serviert würden.

Der Gedanke an leckere Sandwiches ließ das Wasser in Luzies Mund zusammenlaufen. Sie konnte sich gar nicht erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gegessen hatte. Doch jetzt musste sie erst mal ihre Kabine suchen und den Koffer auspacken. Dann sollte sie sich bei ihrer Chefin melden. Einer Holländerin, Rosalie van Veen. Was für ein hübscher Name. Luzie stellte sich ein feengleiches Wesen vor, das von allen Kindern vergöttert wurde.

Erst nach ihrem Gespräch mit Rosalie konnte sie essen und danach Mark suchen. Mark! Luzie lächelte, wenn sie sich seine Überraschung vorstellte. Gemeinsam mit Katja hatte sie ihr erstes Zusammentreffen auf dem Schiff tausendmal in Gedanken durchgespielt. Katja hatte natürlich auch behauptet, dass es völliger Irrsinn wäre, ihm einfach hinterherzufahren, wo sie doch seit diesen unglaublichen zehn Tagen in Hamburg keinen Kontakt mehr gehabt hatten. Aber Luzie wusste es besser.

Als sie Mark in der Woanders Bar kennen gelernt hatte, war der Funke zwischen ihnen sofort übergesprungen ...

Luzie hatte gerade allein an der Bar gesessen, weil Katjas Lieblingslied gespielt wurde und Katja deshalb zur Tanzfläche abgedüst war.

Aus dem Nichts war er aufgetaucht und stand vor ihr wie eine Fata Morgana: ein schwarzhaariger Riese mit einem breiten Lachen im Gesicht. »Hi, du hast die schönsten Haare, die ich je gesehen hab. Darf ich die mal anfassen?« Bevor Luzie überhaupt etwas antworten konnte, hatte dieser unbekannte Gigant mit der orangefarbenen Brille seine Hand in ihren blonden Korkenzieherlocken versenkt.

Und Luzie waren die Knie weich geworden, weil seine Hand in ihrem Haar ein Gefühl auslöste, als ob sie sich in einen Riesenhaufen elektrisch aufgeladener Ameisen gelegt hätte. Es kribbelte überall gleichzeitig. Und als er dann die Brille mit den orangefarbenen Gläsern herunter auf seine Nasenspitze schob, sie mit seinen grauen Augen silbrig anstrahlte und mit leichtem Wiener Akzent sagte: »Sorry, Löckchen, i bin der Mark, und wer bist du?«, da hatte ihr Herz das Blut plötzlich hundertmal schneller durch ihren Körper gepumpt, ihre Lungenflügel waren wie zusammengepappt, sodass sie nach Luft schnappen musste, um zu antworten. Sekundenlang hatte sie nicht mal mehr ihren Namen gewusst. »Lu ...« war alles, was sie geschafft hatte.

Aber Mark störte das nicht die Bohne. Er fragte, ob er ihr einen Drink ausgeben dürfte, und bestellte ihr, die gerade mal genug Geld für ein zweites Wasser dabei hatte, lässig einen Mai Tai.

Mit dem Barmann ging er so vertraut um, als wäre er sein bester Freund. Die beiden lachten schallend, Mark warf dabei seine schwarzen Locken in den Nacken, und Luzie sah seine Zähne in der dunklen Bar hell aufblitzen.

Sie hatte an diesem Abend bis dahin noch keinen Alkohol getrunken, aber es kam ihr so vor, als hätte sie Drogen genommen: Ringsherum verrauschte alles zu einem verschwommenen Brei aus Klängen und Lichtern, aus dem nur Mark klar und deutlich herausragte.

Er stieß mit ihr an und erzählte ihr von seinem Job auf der Pacific Blue Princess. Er sei dort Barkeeper und würde so um die ganze Welt gondeln, bevor er sich auf einen Beruf festlegen würde. Er schwärmte von der Atmosphäre und den netten Kollegen.

Leider war am Schiff ein kleineres Leck entdeckt worden, sodass es kurzfristig in die Werft musste und sich die Abreise um zehn Tage verzögerte. Ob sie ihm vielleicht Hamburg zeigen könnte?

Luzie hatte das Gefühl, sie würde träumen. Zum ersten Mal hatte sie ein wirklich interessanter Typ in einer Bar angequatscht, und jetzt wollte er auch noch, dass sie ihm die Stadt zeigte.

Luzie war so durcheinander, dass ihr nichts anderes einfiel, als auf dem Damenklo zu verschwinden.

Auf dem Weg dorthin suchte sie die Tanzfläche nach Katja ab, weil sie dringend mit jemandem reden musste. Das war doch alles nicht normal, oder? In der Toilette blieb sie fassungslos vor den Waschbecken stehen, hielt sich ihre Handgelenke unters kalte Wasser und überlegte, was sie tun sollte.

Während sie langsam wieder ruhiger wurde, kam Katja aus einer der Kabinen. »Was ist denn mit dir los?«, fragte sie.

»Mich hat's erwischt«, hatte Luzie verwundert festgestellt. »Ich glaube, ich habe mich Hals über Kopf verliebt.«

Katja kommentierte das mit einem Aufstöhnen. »Immer, wenn ich dich mal drei Minuten allein lasse, machst du gleich solchen Unsinn!«

Trotzdem war Katja neugierig geworden und sofort mit Luzie zurück zu Mark gegangen. Der hatte lässig auch für Katja einen Drink bestellt und war zu beiden so charmant, dass Katja auf dem Weg nach Hause gestand, wie sehr sie Luzie beneidete.

Das war der Anfang der schönsten zehn Tage in Luzies Leben gewesen.

Sie hatten sich jeden Tag gesehen, Hamburg angeschaut, Ausflüge nach Helgoland und Sylt gemacht, aber noch viel öfter waren sie in seinem Hotelzimmer. Das mochte Luzie auch am liebsten, denn hier waren sie allein. Und am allerliebsten mochte sie es, wenn er nach ihren leidenschaftlichen Umarmungen tief seufzte und dann murmelte: »Löckchen, i glaub, i liab di.« Und wenn ihr Kopf dabei auch noch auf seiner Brust lag, kamen ihr diese Worte wie Musik vor, zu denen sein Herzschlag den Takt spielte.

Wie rasend waren diese zehn Tage vergangen. Wie grauenhaft schnell ...

An seinem Abreisetag wollte Mark wissen, warum sie denn so traurig wäre, sie hätten doch nicht gestritten, alles sei in Ordnung. Und wenn sein Schiff wieder zurück wäre, also in zehn Monaten, dann würde er sich ganz bestimmt wieder bei ihr melden. Vielleicht auch schon mal vorher, aber er müsste ja die ganze Zeit arbeiten, das wäre nicht so einfach. Doch bestimmt hätte sie dann schon längst wieder einen neuen Freund!

Als sie das unter Tränen abstritt, hatte er liebevoll gelacht, was in Luzies Bauch immer noch jedes Mal dieses glückliche Schaukelhochfluggefühl auslöste.

Doch dann war sein Lachen weg. Und sie fiel im hohen Bogen von der Schaukel. Eine schmerzhafte Bauchlandung.

Er war weg!

Und zwar weit weg.

Luzie war nicht klar gewesen, wie sie ohne ihn weiterleben sollte.

Katja hatte immer wieder versucht, sie zu trösten und auf andere Gedanken zu bringen, aber das hatte gar nichts genutzt.

Nach vielen durchweinten Nächten und mühsam beherrschten Tagen hatte Luzie dann eine geniale Erkenntnis: Wenn er nicht zu ihr kommen konnte, dann konnte sie doch zu ihm kommen, oder nicht? Irgendeinen Job als Küchenmädchen oder Putzfrau würde es an Bord bestimmt für sie geben!

Und sie hatte Recht gehabt. Man war sogar froh über die Bewerbung einer ausgebildeten Kinderpflegerin. Denn die Reederei hatte beschlossen, mehr Familien anzulocken, und deshalb an Bord einen Miniclub für Kinder eingerichtet.

Allerdings hatte Luzie beim Bewerbungsgespräch ein bisschen geschummelt. Verlangt war nämlich fließendes Englisch, und Luzies Englisch war bestenfalls unterdurchschnittlich. Aber sie hätte auch eiskalt behauptet, dass sie fließend Samoa und Tahitanisch spräche, nur um einen Job auf dem Schiff zu ergattern.

Etwas enttäuscht war Luzie dann allerdings schon. Denn sie musste noch zwei Monate warten, bis sie an Bord gehen durfte, weil der Miniclub erst ab April, also ab Sydney ins Programm aufgenommen wurde.

Aber mit dieser Aussicht hatte sie wenigstens einen Grund, die nächsten zwei Monate zu überleben!

Die Hochhäuser von Sydney waren mittlerweile zu kleinen schwarzen Punkten am Horizont geschrumpft. Ringsum dehnte sich das grünblaue Meer, bis es irgendwo mit dem blauen Himmel zur Unendlichkeit verschmolz. Der Wind war hier draußen frischer, und Luzies Haare verhedderten sich. Sie zog ein Haargummi aus ihren Shorts und band sich einen dicken Pferdeschwanz.

Jetzt musste sie nur noch die Zeit bis heute Abend überbrücken. Oder war es keine gute Idee, Mark bei der Arbeit zu überraschen? Vielleicht sah es die Reederei ja nicht gern, wenn Angestellte in die Bar gingen?

Aber das war Luzie jetzt egal. Heute Abend würde sie Mark treffen, keine Macht der Welt würde sie daran hindern. Sie musste nur noch bis dahin durchhalten.

Luzie suchte nach dem nächsten Fahrstuhl, denn sie war hier ganz oben auf Deck Nr. 7, dem Sunstardeck. Ihre Kabine lag aber auf dem Brazil Deck, dem Deck Nr. 2.

Sie packte ihren übergroßen Trolley und zerrte ihn zum Lift. Jetzt war das Gedränge am Lift weniger groß als vorhin beim offiziellen Einchecken, und Luzie konnte sofort mitfahren. Ihr Zimmer hatte die Nummer 518 und lag, wie ihr der Hotelmanager und Personalchef Robert Fenwick erklärt hatte, neben dem Bügelzimmer.

Der Aufzug glitt langsam nach unten. Als sich die Tür öffnete, sah Luzie sich neugierig um. Alle Gänge waren mit Teppichboden ausgelegt. Dieser hier war dunkelgrün und sollte wohl Regenwaldmotive darstellen. Deshalb vielleicht Brazil Deck, überlegte Luzie und zog ihr Gepäck den endlos schmalen Gang entlang. Alles sah gleich aus. Kabinentür an Kabinentür. Der untere Teil der Wände war mit rötlichem Holz und Messing verkleidet, über dem Holz waren die Wände hellblau gestrichen. Alle vier Schritte hingen Bilder an der Wand. Regenwaldbilder. Sie waren festgeschraubt, was Luzie kurz wunderte. Dann fiel ihr jedoch ein, dass es sich dabei bestimmt um eine Sicherheitsmaßnahme handelte, die verhindern sollte, dass die Bilder bei Sturm von der Wand stürzten.

Da, endlich hatte sie die Nummer 518 erreicht.

Gespannt schob sie ihre Schlüsselkarte ins Schloss.

So sah also ihr Zuhause für die nächsten vier Wochen aus: ein schmales Zimmer ohne Fenster mit zwei Kojen. Eine war hochgeklappt, die andere schon mit Bettzeug für die Nacht vorbereitet. Der Teppichboden in der Kabine schimmerte grau, ebenso die oberen Teile der Wand. Der untere Teil war wie die Wände im Flur mit rötlichem Holz verkleidet. Luzie setzte sich auf den einzigen Stuhl, der mit einem rosa Blumenüberzug gepolstert war, und legte ihre Handtasche auf das winzige Tischchen. Dann zog sie die Sandalen aus und wackelte mit ihren schrecklich blassen Zehen. Der Teppichboden kratzte unter ihren Füßen. Ihr Blick wanderte über die Wände mit den angeschraubten, kleinen runden Lämpchen bis zu Tür. An der Innenseite der Tür hing ein Rettungsplan mit Hinweisen, wie sie zur nächsten Sammelstation kommen würde, und der eindringlichen Mahnung, an mindestens einer Sicherheitsübung teilzunehmen.

Luzie bekam eine Gänsehaut, aber nicht von dem Gedanken an ein Schiffsunglück, sondern weil die Klimaanlage auf vollen Touren lief. Sie stand auf, regelte die Temperatur etwas nach oben und inspizierte das Bad. Wenn sie vor dem Waschbecken stand, musste sie den Bauch einziehen, um nicht mit dem Hintern an die Türklinke zu stoßen. Und dabei war Luzie schlank! Sie fragte sich, wie das beispielsweise dickere oder schwangere Passagiere handhabten. Aber vielleicht buchten die ja auch größere Kabinen. Bestimmt gab es auf dem Schiff auch Luxussuiten, bei denen die Bäder dreimal so groß waren.

In diesem Waschklo konnte man jedenfalls nicht zu zweit duschen. Sehnsüchtig dachte Luzie daran, wie sie in Marks Hotelbadezimmer mit viel glitschigem Schaum und heißem Wasser zusammen geduscht hatten.

Auch ihr Bett war schmal. Wie man sich darin näher kommen sollte, ohne dass einer dabei herausfiel, war ihr ein Rätsel. Oder waren nur die Bäder und Betten des Personals so winzig, damit man nicht auf dumme Gedanken kam?

Sie drehte das Bordradio an und packte dabei ihre Kleider in den Schrank.

Plötzlich fiel aus einem zusammengerollten T-Shirt ein Päckchen.

Wie war denn das in ihren Koffer gekommen? Luzie setzte sich auf ihr Bett und riss ungeduldig das Papier auf. Eine Karte mit dem Foto eines kleinen rosa Schweinchens flatterte ihr entgegen.

»Liebe Luzie, deine Mutter hat mir geholfen, diese Überraschung für dich zu verstecken. Ich drücke dir die Daumen, dass alles so läuft, wie du es dir wünschst. Und damit du auch ja nichts von deiner spannenden Reise vergisst, schenke ich dir ein Reisetagebuch. Dann kannst du mir später alles viel besser erzählen! Alles Liebe, deine Katja«

Katja war wirklich die beste Freundin der Welt! Wie schön es wäre, wenn Katja auch hier sein könnte! Aber Katja ging leider noch zur Schule.

Luzie betrachtete gerührt den rosa glänzenden Einband des Tagebuchs und blätterte durch die vielen leeren Seiten. »Dass alles so läuft, wie du es dir wünschst« ... aber was, wenn irgendetwas schief lief?

Unsinn! Auf diesen Seiten werde ich alles aufschreiben, und dabei wird die schönste Liebesgeschichte der Welt herauskommen, beruhigte sich Luzie und beschloss, unter die Dusche zu gehen und sich für die große Begegnung mit Mark schön zu machen.

2.Melbourne, Australien

Blue NewsSonntag, den 3. AprilSonnenaufgang: 6:36 Sonnenuntergang: 18:11Cocktail des Tages: Wave Breaker (Amaretto, Apfelsaft)Kleidungsempfehlung: Herren Jackett, Damen entsprechend»Menschen irren, aber nur große Menschenerkennen ihren Irrtum. « Kotzebue

Wenn das noch eine Minute länger dauert, werde ich verrückt, dachte Luzie und gab sich alle Mühe, Rosalie trotzdem anzulächeln.

Sie bekam nichts von dem mit, was Rosalie erzählte, weil sie aus dem Miniclub raus wollte, ein Deck tiefer in die Tahiti Bar und endlich zu Mark.

Denn am Abend zuvor hatte sie zu ihrer großen Überraschung von Robert Fenwick erfahren, dass von Rosalie und ihr auch erwartet wurde, abends auf Anfrage zu babysitten. Natürlich mussten die Eltern das extra und cash bezahlen, aber es stand außer Frage, dass man sich zur Verfügung stellte. Und so hatte sie gestern Abend Mark weder gesehen noch geküsst, sondern den unleidlichen kleinen Niklas gehütet. Als seine Eltern endlich zurückgekommen waren, wurde die Tahiti Bar gerade geschlossen.

Sie hatte Mark nirgends entdecken können, nur seinen schwedischen Kollegen Lars. Der hatte aber nur viel sagend gegrinst, als sie nach Marks Zimmernummer gefragt hatte, und ihr stattdessen seine angeboten.

Ungeduld waberte wie Lava durch Luzies Körper. Was war das für eine Ungerechtigkeit, so kurz vor dem Ziel zu scheitern?

»Du findest also auch, dass die Kinder regelmäßig kommen sollten, damit wir ordentliche Gruppenarbeit mit ihnen machen können?«, fragte Rosalie mit ihrer merkwürdig heiseren Stimme.

»Ja, absolut, sind wir jetzt fertig?« Luzie drückte sich selbst die Daumen.

Rosalie warf ihr einen genervten Blick zu. »Fertig? Luzie, wir fangen doch gerade erst an. Interessiert dich das denn gar nicht?«

Luzie versuchte, ihren Zorn herunterzuschlucken, schließlich konnte Rosalie wirklich nichts dafür. Sie musterte ihre Chefin und überlegte, ob sie ihr nicht einfach die Wahrheit sagen sollte. Rosalie war Ende zwanzig und hatte sich sehr darauf gefreut, mit ihr zusammen »was richtig Tolles« aufzuziehen.

»Ich finde deine Ideen wirklich wundervoll, aber ich habe heute Abend etwas Lebenswichtiges zu erledigen. Daran muss ich immer denken, und deshalb kann ich dir nur schlecht zuhören. Wie wäre es, wenn wir morgen Früh weiterreden?«