SOS - Schwestern für alle Fälle - Band 4: Rettender Engel hilflos verliebt - Beatrix Mannel - E-Book

SOS - Schwestern für alle Fälle - Band 4: Rettender Engel hilflos verliebt E-Book

Beatrix Mannel

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Beschreibung

Diagnose: Liebesfieber! Der Jugendroman „Rettender Engel hilflos verliebt“ von Erfolgsautorin Beatrix Mannel jetzt als eBook bei dotbooks. Lillys erste Nachtschicht – aufregend! Und es wird auch gleich richtig turbulent, denn die Schwesternschülerin findet in der dunklen Putzkammer ein kleines verlassenes Mädchen. Für Lilly steht fest: Sie muss helfen und die verlorene Mutter wiederfinden. Kurzerhand startet sie eine Suchaktion. Zum Glück hat sie Hilfe von ihrem großen Schwarm Rufus und auch ihr Mitbewohner Jonas ist erstaunlich hilfsbereit. Der hat doch eigentlich nur Sport im Kopf und interessiert sich überhaupt nicht für Lilly… oder? Jetzt als eBook kaufen und genießen: „S.O.S. – Schwestern für alle Fälle. Rettender Engel hilflos verliebt“, der vierte Band der Jugendbuchserie für Leserinnen ab 12 Jahren von Erfolgsautorin Beatrix Mannel. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 187

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Über dieses Buch:

Lillys erste Nachtschicht – aufregend! Und es wird auch gleich richtig turbulent, denn die Schwesternschülerin findet in der dunklen Putzkammer ein kleines verlassenes Mädchen. Für Lilly steht fest: Sie muss helfen und die verlorene Mutter wiederfinden. Kurzerhand startet sie eine Suchaktion. Zum Glück hat sie Hilfe von ihrem großen Schwarm Rufus und auch ihr Mitbewohner Jonas ist erstaunlich hilfsbereit. Der hat doch eigentlich nur Sport im Kopf und interessiert sich überhaupt nicht für Lilly… oder?

Über die Autorin:

Beatrix Mannel studierte Theater- und Literaturwissenschaften in Erlangen, Perugia und München und arbeitete dann zehn Jahre als Redakteurin beim Fernsehen. Danach begann sie – auch unter ihrem Pseudonym Beatrix Gurian – Romane für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu schreiben, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Für ihre aufwändigen Recherchen reist sie um die ganze Welt. Außerdem gründete sie gemeinsam mit einer Kollegin 2015 die Münchner Schreibakademie.

Zur Reihe S.O.S – Schwestern für alle Fälle gehören die folgenden Bände:

Willkommen in der Chaos-KlinikEin Oberarzt macht ZickenFlunkern, Flirt und LiebesfieberRettender Engel hilflos verliebtPrinzen, Popstars, Wohnheimpartys

Mehr Informationen auch auf der Website der Autorin: www.beatrix-mannel.de

www.münchner-schreibakademie.de/

***

eBook-Neuausgabe Oktober 2016

Dieses Buch erschien bereits 2005 unter dem Titel Help! Die Krankenhausserie. Rettender Engel hilflos verliebt bei Loewe Verlag GmbH, Bindlach

Copyright © der Originalausgabe 2005 Loewe Verlag GmbH, Bindlach

Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Tanja Winkler, Weichs

Titelbildabbildung: ©Minerva Studio - Fotolia.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH

ISBN 978-3-95824-704-8

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Beatrix Mannel

S.O.S. – Schwestern für alle FälleRettender Engel hilflos verliebt

Roman

dotbooks.

Das erste Mal ... nachts

Nachts sind alle Katzen nicht nur grau, sondern sie mutieren zu grabschwarzen Löwenungeheuern. Weil nachts alles Vertraute von dunklen Schattenschleiern ausgelöscht wird. Oder warum sonst kommt mir der Weg von der Garderobe zum Stationszimmer der Traumatologie plötzlich so verändert vor? Erinnert mich an Gruselfilme, in denen blonde Krankenschwestern in weiß gestärkten Uniformen einen schummrigen Gang entlanggehen, um an der nächsten Ecke von ihrem Mörder angefallen zu werden ... Wenigstens bin ich nicht blond! Aber das macht mich leider nicht mutiger. Denn sogar dieser tagsüber so langweilig dunkelbraune Linoleumboden scheint jetzt bei jedem Schritt meiner Gummisohlen gierig schmatzend wie ein hungriger Moorsee nur darauf zu lauern, dass ich stolpere.

Im fahlen Schein der Neonleuchten wirkt das Stationszimmer kalt und abweisend und erinnert fatal an ein Auffanglager der Heilsarmee für Bahnhofspenner.

Nur Stationsschwester Jasmin, die mir ungeduldig zuwinkt, mich zu beeilen, strahlt wie gewohnt so blütenrein, als hätte eine gute Fee sie aus einer Packung Persil-Megapearls erschaffen.

»Lilly, was trödelst du so herum, wir haben hier einige Notfälle!« Schwester Jasmin springt mir elastisch wie ein gigantisch aufgepumpter Gymnastikball entgegen.

Damit hat meine allererste Nachtschicht in der Nordendklinik unwiderruflich angefangen. Und gleich mit mehreren Notfällen! Mein Puls reagiert sofort mit einem schnelleren Takt und versetzt meinen Körper in freudige Alarmbereitschaft. Das klingt ein bisschen herzlos, aber es bedeutet, dass Schwester Jasmin mich heute zur Abwechslung mal nicht mit entsetzlich öden Putzaufträgen auf Trab halten wird. Stattdessen werde ich mich um die Patienten kümmern. Ja, her mit all den Arm- und Beinbrüchen, die hier auf der Traumatologie so herumliegen.

»Hier.« Schwester Jasmin reicht mir einen Schwamm und Desinfektionsspray und schüttelt missbilligend den Kopf.

»Das waren die drei Jungs von dieser Puschel auf Zimmer 141. Eine richtige Saubande! Die sind hier überall herumgerannt und haben ihre Schokofinger an jeder Tür abgewischt. Diese Ferkelei kann man ja nicht so lassen. Sonst trocknet das an, und der Putzdienst kommt morgen wieder zu gar nichts mehr.«

Ah ja! Bravo! Das ist das erste Mal, dass ich je von Schmutz-und-Putz-Notfällen höre. Mein Puls ebbt wieder ab zu langweiligem poch, poch, poch.

Manchmal frage ich mich, wie es bei Schwester Jasmin zu Hause aussieht, ob da überhaupt irgendein lebender Organismus eine Chance hat. Ich vermute mal, ihren letzten Freund – wenn sie denn je einen hatte – hat sie auch einfach weggeputzt. Und jetzt ist sie unsterblich in Meister Proper verliebt ...

Seufzend gehe ich im dämmrigen Halbdunkel den Gang entlang zu Zimmer 141, wo Frau Puschel seit drei Tagen mit einem komplizierten Oberschenkelhalsbruch liegt.

Als ich die Tür vorsichtig öffne, sehe ich, dass Frau Puschels Bettnachbarin schon schläft. Frau Kim hat sich mit einem Küchenbeil beim Hühnerzerteilen in die Hand gehackt und sich dann auch noch eine Blutvergiftung zugezogen. So etwas, hat sie uns traurig erklärt, sei ihr in den 20 Jahren, die sie schon in ihrem vietnamesischen Restaurant arbeite, noch nie passiert. Und es wäre natürlich ein reiner Konzentrationsfehler. Man müsste seine Energie voll und ganz auf das richten, was man gerade macht. Egal, ob das Hühnerhacken oder Putzen sei. Das hat Schwester Jasmin natürlich gut gefallen. Ich konnte förmlich sehen, wie sie überlegt hat, ein Buch über das ZEN des Putzens zu schreiben.

Frau Puschel kümmert sich rührend um ihre zierliche Bettnachbarin. Jedenfalls dann, wenn die drei Jungs gerade nicht da sind.

In diesem Zimmer wird unglaublich viel gelacht, sogar dann noch, wenn alle anderen auf Station bei dem trübsinnigen Märzwetter eher an Selbstmord denken. Wahrscheinlich braucht man so ein heiteres Gemüt auch, wenn man drei derart lebhafte Kinder hat. Im Stationszimmer haben wir Valentin, Vinzent und Viktor Puschel schon einen Spitznamen verpasst: »die drei Vandalen«.

Nur Rufus mag diesen Namen nicht. Der beste Krankengymnast der Nordendklinik und der einzige Mann, mit dem ich überallhin auf der Welt gehen würde (wenn er mir denn nur endlich ein Zeichen geben würde), findet, dass die Jungs »die drei Puscheltiere« heißen sollten. Doch das sagt Rufus nur, weil er immer an das Gute in jedem Menschen glaubt und nicht wie ich seit Tagen den drei Vandalen hinterherräumen muss.

Frau Puschel liest in einem Buch. Auf dem Einband schwebt ein blutiges Messer unheilvoll über dem altmodischen Häubchen einer – na bitte: blonden! – Krankenschwester.

»Gutes Buch?«, frage ich leise und deute grinsend auf das Cover.

Frau Puschel grinst zurück und schüttelt ihre vom Liegen platt gedrückte dunkelblonde Dauerwelle. »Ne, zu wenig Tote, viel zu wenig Sex!«

Als ich beginne, die Türklinke mit Schwamm und Desinfektionsspray zu bearbeiten, legt sie das Buch auf ihrem Bauch ab und seufzt wohlig. »Schwester Lilly, Sie glauben gar nicht, wie sehr ich es genieße, Ihnen beim Putzen zuzusehen. Daheim muss immer ich das machen.« Sie lächelt mich entspannt an und liest dann weiter.

Ich verkneife mir einen Kommentar und beeile mich, fertig zu werden.

Als ich dann draußen im Gang die Klinke glänzend poliere, wundere ich mich über diese Stille. Verändert sich mit dem Licht auch der Lärm? Je dunkler, desto stiller?

Tagsüber rattert immer irgendwo ein Bett, ein Infusionsständer, der Aufzug. Der Wagen mit den Essenstabletts scheppert, Türen knallen, obwohl sie das nicht sollten, und Gesprächsfetzen vermischen sich mit quietschenden Gummisohlen.

Diese halbdunkle Ruhe klingt deshalb in meinen Ohren irgendwie unwirklich – so, als würde ein Riese kurz den Atem anhalten.

Ich kontrolliere die Klinke noch einmal. Bravo, keine Schokoreste mehr, nur ein sanftes Schimmern im Halbdunkel.

Auf dem Weg zurück ins Stationszimmer habe ich auf einmal das Gefühl, dass mich jemand anstarrt. Aber es kann niemand hinter mir sein, das hätte ich in dieser Stille doch gehört! Mein Nacken kribbelt plötzlich.

Unsinn, ich bilde mir das nur ein!

Eben war der Gang leer, und das ist er bestimmt immer noch. Zögernd drehe ich mich um.

Rufus prallt gegen mich, weil ich abrupt stehen geblieben bin, und grinst. Einen Moment lang bin ich zu erstaunt, um etwas zu sagen, und sehe nur von seinem Gesicht hinunter auf die leisen Gummisohlen seiner Schuhe.

»Mann, hast du mich erschreckt!« Meine Worte kommen mir unnatürlich laut vor im dämmrigen Gang.

»Die erste Nachtschicht ist gewöhnungsbedürftig, da braucht man jede Menge Unterstützung. Hier!« Er hält mir seine Faust hin und fordert mich mit seinen stachelbeergrünen Augen auf, sie zu öffnen.

Seine Finger fühlen sich warm und trocken an, als ich sie langsam auseinander biege. Verblüfft starre ich den goldenen Schokoriegel in seiner Hand an.

»Danke, aber ich hab keinen Hunger, ich esse ja sonst auch nie mitten in der Nacht!«, protestiere ich, obwohl mein Herz deutlich schneller schlägt. Weil ich erst jetzt kapiere, wer da vor mir steht. Rufus! Lilly, es ist Rufus!

Und dazu noch mit einem Geschenk! Das ist schöner als ein »sehr gut« in der Anatomieprüfung, schöner, als Urlaub zu haben und zu beobachten, wie das Meer im Sonnenschein glitzert, aufregender als eine Liebes-SMS. Es ist – da passt nur ein einziges altmodisches Wort: wundervoll!

Der Schokoriegel funkelt im Halbdunkel der Nordendklinik für mich wie ein Schatz aus »Tausendundeiner Nacht«.

Spontan beschließe ich, diesen Riegel niemals zu essen. Ich werde ihn aufheben und an meine Kinder weitervererben. Er wird versteinern und von späteren Generationen als Symbol der Liebe angebetet werden. Ich sehe, wie Mädchen in zweitausend Jahren in seltsamen Gewändern vor dem versteinerten Schokoriegel um Liebe beten, singen und tanzen ...

Manchmal frage ich mich, ob Verliebtsein bei allen Menschen diese Wirkung hat – zu Visionen führt, die ernsthaft und bei Tageslicht betrachtet leicht oder auch ziemlich verrückt klingen.

Rufus hat nicht nur diese eine fatale Wirkung auf mich. Außerdem werde ich in seiner Nähe immer so atemlos, als wäre ich eben bei einem Marathonwettbewerb über die Ziellinie gerannt. Und ich weiß nicht mal, wodurch das ausgelöst wird: ob es seine roten Haare sind, die er immer zu einem Pferdeschwanz gebunden trägt, seine Augen oder dieser Johannisbeermund – oder einfach alles zusammen.

Während ich versuche, wieder auf den Boden zurückzuschweben und ruhig zu atmen, wird mir klar, dass er darauf wartet, dass ich etwas sage. Bloß was?

Seine Augen sind im schummrigen Licht noch viel größer und dunkler und sehen mich neugierig an. »Lilly, alles klar so weit?«, fragt er.

Ich räuspere mich. »Na klar, alles klar.«

»Gut, ich wollte nur wissen, wie viele Tage du noch zur Nachtschicht eingeteilt bist.«

Diese Frage verwandelt meine Knie schlagartig in wabbelige Quallen. Ich möchte mich gern irgendwo festhalten. Wow! Heißt das, Rufus möchte endlich eine Nacht mit mir verbringen? Nein, das kann nicht sein, schließlich ist er ja verheiratet.

Diesen Satz, den ich mir ständig sage und den mir meine Freundin Mascha auch immer wieder gebetsmühlenartig vorsagt, kann ich nicht mehr hören. Ja, zum Kuckuck! Rufus ist mit gerade mal 22 Jahren schon verheiratet, NA UND?

Rufus stützt meinen Ellbogen leicht ab. »Du siehst aus, als wäre dir schwindelig!«, sagt er.

Da hat er Recht, mir ist schwindelig, und ich kriege keine Luft, und die Stelle am Ellenbogen, die er berührt hat, fühlt sich an, als hätte mich dort eine Feuerqualle geküsst. Heiß. Sehr heiß!

»Ich frage wegen unserem Tango-Projekt«, erklärt er.

Das kühlt mich, wieder etwas ab. Zu dumm, dass er sich in den Kopf gesetzt hat, mit mir Tangotanzen zu gehen. Wenn er wüsste, was für eine miserable Tänzerin ich bin! Ich übe schon seit Wochen mit meinem Wohnheimmitbewohner Torsten. Mit dem Erfolg, dass er behauptet, ich würde eher einen Stier tottrampeln als Tangotanzen lernen – deshalb sollte ich es lieber als Torero versuchen.

»Sobald mein Nachtdienst zu Ende ist, machen wir Nägel mit Köpfen und gehen aus, versprochen!«, sage ich lahm und finde, dass ich in der Tat zumindest den Mut eines Toreros habe: Lilly, auf in den Kampf!

»Olé!«, füge ich deshalb etwas zusammenhanglos hinzu.

Rufus scheint zu verstehen, was ich sagen will, und zwinkert mir zu. »Olé, und eine gute erste Nachtschicht!«, wünscht er mir, bleibt eine Sekunde dicht vor mir stehen, und ich weiß nicht, ob er mir ein winziges Abschiedsküsschen geben wird oder ob ich ihm eines geben soll. Ich beuge mich vor, atme diesen Rufus-Duft nach Kakao ein und will ihn auf die rechte Wange küssen.

Leider hat er die gleiche Idee, und so stoßen unsere Nasen unsanft aneinander. Sofort kommt mir meine riesig und hölzern vor – wie die von Pinocchio, wenn er gelogen hat. Rufus scheint das nicht zu merken. Er zieht seinen Kopf leicht zurück, bringt ihn in die richtige Position und haucht ein Küsschen auf meine Wangen. Seine stopplige Wange kratzt ein wenig über meine Haut und verwandelt meinen Körper in einen Whirlpool, durch den das Blut wirbelt wie heißes Wasser. Das Atmen fällt mir noch schwerer.

Bevor ich wieder Luft holen kann, taucht Schwester Jasmin aus dem Nichts auf.

Misstrauisch beäugt sie Rufus. »Was machen Sie so spät noch hier? Schieben Krankengymnasten neuerdings auch Nachtschicht?«

Rufus schaut sie treuherzig an. »Na ja, man könnte es beinahe so nennen, ich hatte noch eine Sitzung mit Dr. Wiener ...«

Jasmin stöhnt. »Dr. Wiener, der sollte lieber was arbeiten, statt in endlosen Konferenzen seine Mitarbeiter zu blockieren! Und Lilly, du kommst jetzt mit mir. Es gibt jede Menge Arbeit für dich.« Gebieterisch stürmt Jasmin zum Stationszimmer.

Ich werfe Rufus noch einen bedauernden Blick zu und folge ihr, was gar nicht so einfach ist, denn Schwester Jasmin ist trotz ihrer Körperfülle schnell wie ein Kugelblitz. Aber wohin lasse ich den Riegel verschwinden? Jasmin sind alle Arten von Essen während der Arbeitszeit ein Gräuel. Das höchste der Gefühle ist ein Schluck Tee.

Sie wäre imstande, mein wundervolles Geschenk zu konfiszieren und es mir erst am Ende meiner Ausbildung zurückzugeben. Und ausgerechnet heute trage ich eine hellblaue Hose ohne Taschen. Ich werfe noch einen Blick über die Schulter zu Rufus, aber der ist schon auf dem Weg zum Aufzug.

Deshalb lege ich den Riegel kurz entschlossen auf das Fensterbrett im Gang, vor dem der Ficus-Baum steht, den ich neulich Blatt für Blatt abstauben durfte.

Jasmin zeigt auf ein Bett, das frisch aus dem OP gekommen ist. Eine Notoperation. Man sieht es daran, dass sämtliche Besitztümer und Kleider des Patienten am Bett baumeln.

»Ein Blinddarm«, klärt mich Jasmin auf. »Der wurde zu uns auf die Station verlegt, weil die Chirurgie kein Bett mehr frei hat. Die hatten heute Blinddarmtag. Fünf Notfälle.« Darüber ist Jasmin sauer, denn schließlich hat sie wirklich genug zu tun. Deshalb werde ich abkommandiert, nach dem Blinddarm zu sehen.

Ich bin ihm dankbar, denn damit ist meine Klinkenputzerei erst mal beendet. Ich rolle das Bett in Zimmer 134, das leer steht.

Der Blinddarm ist eine junge Studentin, die entsetzlich friert. Das passiert oft, denn die Operationsräume werden sehr stark heruntergekühlt, damit sich keine Bakterien ausbreiten können.

Ich verspreche der Ärmsten, ihr eine zweite Decke zu besorgen, und laufe zum Wäscheschrank im Flur.

Doch bevor ich mit der Decke zurückgehen kann, klingelt es bei Frau Puschel. Das ist ungewöhnlich, in diesem Zimmer klingelt eigentlich nie jemand.

Ich lege die Decke auf die Ablage neben dem Wäscheschrank und sehe nach, was in 141 los ist.

Frau Puschel ist nicht mehr gut gelaunt. Sie deutet auf die schlafende Vietnamesin im Nachbarbett. Ich muss lächeln, denn Frau Kim schnarcht wirklich unerhört laut.

»Dieser Lärm ist ja nicht auszuhalten. Ich brauche ein starkes Schlafmittel!« Plötzlich grinst Frau Puschel mich an. »Ein Wunder, dass so eine zierliche Person derart laut schnarchen kann! Aber das liegt sicher daran, dass sie sich voll und ganz auf das konzentriert, was sie gerade tut.«

Ich muss mir ein Lächeln verkneifen, und während ich über das ZEN des Schnarchens nachdenke, verspreche ich ihr, dass ich mich sofort darum kümmern werde. Doch erst werde ich Jasmin fragen. Lernschwestern dürfen keine Schlafmittel verteilen, und auch die Krankenschwestern müssen vorher Rücksprache mit dem Arzt halten.

Ich hetze also zu Jasmin zurück, die kurz in den Patientenunterlagen nachschaut. Dort ist nämlich meistens schon notiert, ob Patienten bei Bedarf ein Schlafmittel haben dürfen oder nicht. Dann gibt sie mir eine Tablette für Frau Puschel. Dabei stöhnt sie dramatisch: »Die schon wieder, diese Puschelbrut ...«

Ich bringe Frau Puschel die Tablette, dann erst fällt mir die Decke für den Blinddarm wieder ein.

Doch die Ablage neben dem Wäscheschrank ist leer. Keine Decke in Sicht. Kann es sein, dass Jasmin noch schneller als ein Kugelblitz ist und sie der Studentin schon gebracht hat? Aber woher hätte Jasmin wissen sollen, für wen die Decke ist?

Verwundert laufe ich den schummrigen Gang entlang bis zu Zimmer 134.

Als ich mich über die Studentin beuge, höre ich ihre Zähne klappern. »Die Decke kommt sofort!«, verspreche ich und eile zum Wäscheschrank, hole eine neue, kuschelige Decke heraus und wickle sie dann um die kalten Füße der Studentin. Sie murmelt leise etwas vor sich hin, bevor sie mitten im Satz wieder wegdämmert. Das ist eine häufige Nachwirkung der Narkose.

Leise schließe ich die Tür und gehe den dämmrigen Gang zurück zum Stationszimmer.

Da, ich höre Schritte. Eher kleine Schrittchen. Oder bilde ich mir das nur ein? Da war es wieder. Ich halte den Atem an. Ja, ganz sicher – Schritte! Jetzt bleibe ich stehen und drehe mich um.

Nichts. Nur das Surren der gedimmten Neonröhren. Das muss ich meinem isländischen Mailfreund Halldór schreiben. Seine Mutter hätte bestimmt eine Erklärung dafür. Sie glaubt nämlich an Elfen und Kobolde, was Halldór ziemlich lächerlich findet. Und ich normalerweise auch.

Wahrscheinlich bin ich einfach nur sehr nervös, schließlich kenne ich ja das Krankenhaus nachts noch nicht!

Jasmin sitzt im Stationszimmer und gibt Patientendaten in den Computer ein. Als ich sie frage, ob sie eine Decke weggeräumt hat, schüttelt sie den Kopf, ohne den Blick auch nur eine Sekunde vom Computer abzuwenden, und stöhnt. »Lilly, du musst lernen, ordentlicher zu werden! Du verschusselst einfach zu viel.«

Pah! Diesmal war ich ordentlich, ich weiß genau, wo ich die Decke hingelegt habe. Vorsichtshalber streite ich lieber nicht mit Jasmin, denn unsere Diskussionen enden immer damit, dass Jasmin einen ganz neuen, großartigen Putz-Geistesblitz hat.

Doch obwohl ich ihr nicht widersprochen habe, fallen ihr prompt wieder die Schoko-Türklinken ein, und ich werde zu den Zimmern 140, 142, 158 und 159 abkommandiert.

Diesmal ziehe ich Gummihandschuhe an, damit meine Hände am Ende der Schicht nicht wieder wie Zitronen riechen. Mit rosa Gummihandschuhen, Desinfektionsspray und Schwamm bewaffnet, komme ich mir vor wie ein wahnsinniger mittelalterlicher Ritter auf seinem Kreuzzug gegen Schmutz und Staub. Eine Ritterin natürlich. Ritterin Lilly, die Tapfere, die Gefürchtete, bei der Schmutz keine Chance hat. Von wegen Schussel! Jasmin schätzt mich völlig falsch ein.

Ähem ... oder doch nicht? Ich sollte meinen Schokoriegel nicht vergessen. Nicht, dass er am Ende von Jasmin entdeckt und vernichtet wird.

Doch auf dem Fensterbrett hinter dem Ficus ist nichts. Ich schiebe den kleinen Baum kurz zur Seite, um mich zu vergewissern, aber tatsächlich: Der Riegel ist weg.

Ich höre schon, wie Jasmin wieder »Lilly, du Schussel« sagt, falls ich auf die Idee käme, sie zu fragen, ob sie den Schokoriegel irgendwo gesehen hat.

Nein, da ist es immer noch besser, sich klebrigen Türklinken zu widmen – die können einen wenigstens nicht anmeckern.

Das Schrubben der nächsten drei Klinken verläuft völlig ereignislos. Ich putze aber nur noch die Türseiten zum Gang, um die Patienten nicht aufzuwecken.

Endlich, der letzte Türgriff naht! So glücklich müssen sich Galeerensklaven beim Anblick der Küste gefühlt haben. Doch hier klebt richtig viel Schokoschmiere, und zum ersten Mal finde ich auch, dass die drei Puscheltiere eine ernsthafte Plage sind.

Da, ich bin sicher, dass ich ein Geräusch gehört habe.

Vielleicht ein Patient, der nicht schlafen kann? Aber die haben meistens einen eher schlurfenden Schritt, weil sie Pantoffeln tragen müssen. Die Schritte, die ich gehört habe, waren viel leichter. Ist es Rufus, der noch mal zurückgekommen ist? Oder mein Erzfeind Dr. Wiener, der eine neue Passion für sich entdeckt hat: Nachts seinen Schwestern hinterherzuspionieren?

So kann das nicht weitergehen. Ich werde doch wohl nicht die ganze nächste Woche bei der Nachtschicht damit verbringen, komische Geräusche zu hören? Also, Lilly, du bist mutig. Jetzt dreh dich um!

Nichts. Niemand. Nur die Blätter am Ficus zittern ein bisschen in der Luft, als wäre jemand dort vorbeigegangen.

Ein durchsichtiger Jemand.

Sonst hätte ich ihn sehen müssen. Oder ein schneller Jemand ... oder ein Geist!

Quatsch! Das ist nur meine Fantasie.

Vielleicht macht Klinkenputzen schwachsinnig? Meine beste Freundin und Mitbewohnerin Mascha sagt ja auch immer, dass ich zu viel über alles nachdenke. Da war nichts.

Trotzdem habe ich eine Gänsehaut und drehe mich auf dem Rückweg zum Stationszimmer andauernd um. Natürlich ist nie jemand hinter mir.

Danach scheucht mich Jasmin von einer wichtigen Sache zur nächsten, sodass ich gar nicht merke, wie die Zeit vergeht, und staune, als unsere Schichtablösung schon auftaucht.

Draußen ist es noch dunkel, als ich die Nordendklinik verlasse. Die Luft ist herrlich frisch und klar, und erst als es unter meinen Füßen knirscht, registriere ich, dass es geschneit hat. Könnte es jetzt nicht langsam mal Frühling werden?, frage ich mich. Es ist schließlich schon fast März. Andererseits: Ich mag Schnee. Und dieser hier ist ganz wunderbar pulvrig.

Am liebsten würde ich mich reinfallen lassen, aber hier in Frankfurt weiß man nie so genau, was unter dem Schnee ist, und ich habe keine Lust, mit Hundedreck paniert aus dem Schneebad aufzutauchen.

Ich kratze etwas Schnee zusammen und forme kleine Bälle, die ich an die Autos werfe. Leider habe ich keine Handschuhe dabei und muss ständig meine rot gefrorenen Finger anhauchen, damit sie sich wieder bewegen lassen.

Vor unserem Schwesternwohnheim, einem hässlichen Betonbau aus den späten Sechzigern, bleibe ich unschlüssig stehen und schaue zum dritten Stock hinauf. Die Fenster der kleinen Zimmer, die nach vorne auf die Straße gehen, sind dunkel. Meine fünf Mitbewohner schlafen um diese Uhrzeit sicher alle – oder sie sitzen schon beim Frühstück, wenn sie Wochenenddienst haben. Aber mir ist noch überhaupt nicht nach schlafen zumute. Ich bin von der Arbeit aufgedreht, und die kalte Luft hat mich noch wacher gemacht. Und in meine winzige Zelle von einem Zimmer zieht es mich so gar nicht. Hier draußen ist es viel schöner!

Ich hauche mir also noch ein paarmal kräftig in die Hände und baue auf die Motorhaube eines alten blauen Volvos eine kleine Schneefrau, die wie die Galionsfigur eines verzauberten Elfenschiffchens im Licht der Straßenlaterne glitzert. Sie würde Jasmin gut gefallen, so sauber und weiß. Aber weil sie nicht bloß sauber, sondern überirdisch schön glitzert, leihe ich ihr meinen Taufnamen: Eliza-Lolita, den ich für mich viel zu übertrieben finde. Doch zu dieser schimmernden Elfenkönigin passt er perfekt. Mir – der äußerst irdischen Lilly Podeschwa – wird jetzt langsam unterirdisch kalt. Zeit, nach oben zu gehen.

Partychaos