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Jugendkulturen sind fast immer Jungenkulturen. Ob HipHop oder Metal, Skins oder Punks, Skater oder Techno - Jungen und junge Männer dominieren. Dennoch gibt es zahlreiche Mädchen und junge Frauen in diesen und allen anderen Szenen. Wie verteilen sie sich auf die Szenen? Wie erleben sie ihre Szene? Werden sie genauso akzeptiert wie die Jungs? Müssen sie anderen Rollenerwartungen genügen als die männlichen Szene-Angehörigen? Auf welche Weise finden sie ihren Weg in die Szenen? Was schreckt sie von einer aktiven Teilnahme ab? Haben Mädchen und junge Frauen andere Einstellungen zu Drogen, Gewalt, Sex und Beziehungen als die jungen Männer? Der Sammelband enthält u. a. Texte zu Mädchen und jungen Frauen in Hardcore, HipHop, Graffiti, Metal, Gothic, Visual kei und im Fußball, zu Riot Grrrls und Ladyfesten, rechtsextremen Mädchen, Mädchen in der Skinhead- und Rockabilly-Szene, Mädchen und Medien sowie Möglichkeiten der jugendkulturellen und interkulturellen Mädchenarbeit.
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Seitenzahl: 557
Veröffentlichungsjahr: 2012
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Gabriele Rohmann (Hrsg.)
Mädchen in Jugendkulturen
Originalausgabe
© 2007 Archiv der Jugendkulturen Verlag KG, Berlin
Alle Rechte vorbehalten
Herausgeberin: Gabriele Rohmann für das
Archiv der Jugendkulturen e.V.
Fidicinstraße 3
10965 Berlin
Tel.: 030 / 694 29 34
Fax: 030 / 691 30 16
www.jugendkulturen.de
Berlin, im September 2007
Vertrieb für den Buchhandel: Bugrim (www.bugrim.de)
Auslieferung Schweiz: Kaktus (www.kaktus.net)
Privatkunden und Mailorder: www.jugendkulturen.de
Cover: Karo Kollwitz
Layout: Harald Kollwitz
Druck: werbeproduktion bucher
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Der Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.
ISBN: 978–3–94021–337–2
ISSN: 1439–4316 (Archiv der Jugendkulturen)
Das Berliner Archiv der Jugendkulturen e. V. existiert seit 1998 und sammelt vor allem authentische Zeugnisse aus den Jugendsubkulturen selbst (Fanzines, Flyer, Musik etc.), aber auch wissenschaftliche Arbeiten, Medienberichte etc., und stellt diese der interessierten Öffentlichkeit in seinen derzeit 300 qm umfassenden Bibliotheksräumen zur Verfügung. Darüber hinaus gibt das Archiv der Jugendkulturen eine eigene Zeitschrift – das Journal der Jugendkulturen – sowie eine eigene Buchreihe mit sechs Titeln jährlich heraus, in denen sowohl sachkundige Wissenschaftler-Innen, JournalistInnen u. a. über Jugendkulturen Forschende als auch Szene-AktivistInnen zu Wort kommen. Das Archiv der Jugendkulturen e. V. legt großen Wert auf eine enge Kooperation mit Angehörigen der verschiedensten Subkulturen und ist daher immer an entsprechenden Angeboten, Reaktionen und Material jeglicher Art interessiert.
Weitere Infos unter www.jugendkulturen.de
Gabriele Rohmann
Krasse Töchter. Mädchen in Jugendkulturen. Auftakt
Stephanie Kiessling
We Keep On Runnin’
Eine kurze Geschichte über eine lange: Frauen in der Rock- und Popmusik
Barbara Stauber
Selbstinszenierungen junger Szene-Aktivistinnen – Gender-Konstruktionen in Jugendkulturen
Mädchen und junge Frauen in ‚femininen‘ Jugendszenen
Marco Höhn
Visual kei
Eine mädchendominierte Jugendkultur aus Japan etabliert sich in Deutschland
Dunja Brill
Fetisch-Lolitas oder junge Hexen?
Mädchen und Frauen in der Gothic-Szene
Melanie Groß
Riot Grrrls und Ladyfeste – Angriffe auf die heterosexuelle Matrix
Bernadette La Hengst
Immer komplett, doch niemals fertig …
Mädchen und junge Frauen in ‚maskulinen‘ Jugendszenen
Marion Schulze
Mädchen im Hardcore: Not Just Boys’ Fun?
Susanne El-Nawab
„Du musst dich halt echt behaupten.“
Mädchen und junge Frauen in der Skinhead- und Rockabilly-Szene
Sarah Chaker
‚Eiserne Ladies‘: Frauen(-Bilder) im Black und Death Metal
Nicole Selmer & Almut Sülzle
TivoliTussen, Milchschnitten und Hooligänse – Weibliche Fankulturen im Männerfußball als Role Models für soziale Arbeit?
Michaela Köttig
Lebensgeschichten von rechtsextrem orientierten Mädchen
Mädchen und junge Frauen im HipHop
Pyranja
Let’s Go Girls!
Ein Gespräch mit der Rapperin Pyranja über Mädchen und junge Frauen im HipHop
Thomas Schwarz
Zur Rekonstruktion narrativer Identität und Weiblichkeit im HipHop: Weder „Heilige“ noch „Hure“ – Portrait einer Rapperin
Nadja Madlener
We Can Do – Mädchen und junge Frauen in der Graffiti-Szene
Monica Anna Hevelke
„Nicht abhalten lassen“
B-Girl Monica über Mädchen im HipHop und Breakdance
Monica Anna Hevelke
German B-Girls in New York: Mädchenprojekte im HipHop
Ein Erlebnisbericht
Mädchen und Medien
Doris Katheder
„Aber leider ist die Wirklichkeit ganz anders.“
Selbstverständnis und Medienkritik nicht-kommerzieller Mädchenmagazine
Katja Röckel
Medienprojekte mit und für Mädchen – Annäherung an ein Konzept für feministische Medienarbeit
Perspektiven
Elke Josties
Jugendkulturarbeit mit Mädchen und jungen Frauen – Biographische Fallstudien
Ursula Bachor
Interkulturelle Mädchenarbeit
Claudia Wallner
Drama oder Dramatisierung? Geschlechterverhältnisse heute und ihre Auswirkungen auf die Lebensbedingungen von Mädchen und jungen Frauen
Verzeichnis der AutorInnen, FotografInnen und IllustratorInnen
Gabriele Rohmann
Die meisten Jugendkulturen sind auf den ersten Blick Jungenkulturen – noch immer. Daran haben weder die zweite Frauenbewegung der 1970er-Jahre noch die seit einigen Jahren kursierenden Gender-Mainstreaming-Konzepte etwas ändern können.
Filmcover „Fliegen Lernen“ ‚Rodi Eine Dokumentation von Kim Koch über drei Skaterinnen. Bezug über die Regisseurin [email protected]: Andreas Kickel
Jungen und Männer dominieren die Rockabilly-, HipHop-, Skinhead- oder Metal-Szene, Sexismus gehört gerade in diesen Szenen zum guten Ton (Rohmann 1999). Provokations- und Protestkulturen wie die Riot Grrrls der 1990er-Jahre verschwanden in der öffentlichen Wahrnehmung schnell hinter der von den Medien konstruierten handzahmen „Girl Power“- oder „Girlie“-Fassade von Casting-Bands wie den Spice Girls, Tic-TacToe oder den No Angels.
Immerhin ist das Thema ‚Mädchen‘ inzwischen en vogue. Alle großen Jugendstudien der letzten Jahre wie der 3. Jugendsurvey des Deutschen Jugendinstituts (DJI) (Gille et al. 2006) weisen darauf hin, dass Mädchen und junge Frauen im Vergleich zu den Jungen gleiche oder bessere schulische und berufliche Qualifikationen haben. Der Spiegel widmete in der Ausgabe vom 11. Juni 2007 (24/2007) unter dem Begriff „Alphamädchen“ seine Titelstory den ‚neuen Mädchen‘, erstaunlicherweise ohne leicht bekleidete junge Damen, die das Nachrichtenmagazin sonst so gerne beim Thema ‚Männer und Frauen‘ auf dem Cover posieren lässt. Diesmal portraitiert das Wochenmagazin die „Alphamädchen“ als Frauen, die klar ihren Weg gehen und sich in zahlreichen Männerdomänen behaupten. Die Berliner Zeitung berichtete am 27. Juni 2007, dass nach einer Studie des Trendforschers Matthias Horx die Zukunft den Mädchen und Frauen gehöre. Parallel dazu ist ein leidiger Diskurs über die altbackenen Pseudo-Thesen der TV-Moderatorin Eva Herman aufgekommen, die mit ihren an die Adenauer-Ära der Bundesrepublik Deutschland erinnernden Positionen bei Kirchen, Medien und konservativen Parteien offene Türen einrennt. Erleben wir gerade einen Backlash, wie Susan Faludi 1995 in ihrem gleichnamigen Buch diagnostizierte, oder einen Aufbruch in eine emanzipatorische Gesellschaft? Die Frage kann hier nur gestellt, nicht beantwortet werden. Zumindest ist Bewegung in die Wahrnehmungsmuster von Männlichkeit und Weiblichkeit geraten – auch in der Forschung über Jugendkulturen.
In den zahlreichen Jugendszenen gibt es schon lange Mädchen und junge Frauen, die selbstbewusst in den männerdominierten Domänen ‚ihre Frau‘ stehen und eigene Strategien im Umgang mit den männlichen Geschlechtsgenossen entwickelt haben.
Der Film „Fliegen lernen“ der Regisseurin Kim Koch ist dafür ein Beispiel. Im Jahr 2006 begleitete Koch drei Skaterinnen. Ester Vonplon, Rodi Münzel und Nina Braun berichten über die Skater-Szene, über ihren Weg zum Skaten, den Umgang mit den überwiegend männlichen Skatern und deren Vorurteile über Mädchen, aber auch über ihre eigenen Vorbehalte gegenüber den „Bettys“, den Skater-Groupies, die sich zwar szenekonform kleiden, aber an den Treffpunkten, den Spots, dann doch nur die Jungs bewundern. Ester Vonplon hingegen schauen schon lange die Jungen zu. Sie erlangte mit 17 Jahren Weltcup-Qualifikationen im Snowboard, erlitt beim Snowboarden einen lebensgefährlichen Unfall, in dessen Folge sie in dieser Szene fallen gelassen wurde. Seither skatet sie lieber, auch wenn sie sich bei dieser ebenfalls gewagten Sportart in den letzten Jahren manchen Knochen gebrochen hat. Rodi Münzel bringt mit Leidenschaft Mädchen das Skaten bei und ist überzeugt, dass „Mädchen-Mädchen“ in der Skater-Szene nicht weit kommen. Nina Braun, die von 1998 bis 2006 „Sumo“, das erste Skateboard-Label für Mädchen in Deutschland, ins Leben gerufen und geleitet hat, versteht sich ganz locker „als Feministin“. Denn das sei sie ja wohl, so wie sie durchs Leben gehe, auch wenn sie sich lange nicht mit feministischen Konzepten auseinandergesetzt habe. „Besser eine Feministin als ’ne Pussy, sollte doch eigentlich jede sein“, sagt sie im Film. Zusammen mit anderen Frauen betreibt die inzwischen freischaffende Künstlerin die Website www.sumogirls.de, auf der sie jungen Frauen berühmte, aber trotzdem nur wenig erwähnte Frauen wie Bertha von Suttner, Virginia Woolf oder Martina Navrátilová näherbringen will.
Backcover „Fliegen Lernen“, Nina und EsterFoto: Andreas Kickel
Lange Zeit sind die Mädchen, ihre Strategien und die Geschlechterkonstruktionen in Jugendkulturen in der Jugendsoziologie des deutschsprachigen Raums kaum berücksichtigt worden. Publikationen dazu finden sich hier vor allem im Bereich der Gender-Forschung und in feministischen Diskursen (Baldauf & Weingartner 1998, Fritzsche 2003, Kailer & Bierbaum 2002, Reitsamer & Weinzierl 2006, Stauber 2005) oder in Zeitschriften wie fiber – zeitschrift für feminismus und popkultur, in melodiva, die seit 2000 nur noch online unter www.melodiva.de zu finden ist, im Themenheft Nr. 8 „Gender – Geschlechterverhältnisse im Pop“ der testcard – Beiträge zur Popgeschichte oder im Journal der Jugendkulturen (Großegger 1999, Journal der Jugendkulturen Nr. 8/2003 – Themenschwerpunkt Mädchen, Schmidt 2004, Gupta 2006).
Doch das Thema ist auch allgemein sozialwissenschaftlich relevant. Das haben Jenny Garber und Angela McRobbie bereits Mitte der 1970er-Jahre erkannt und in dem Aufsatz „Mädchen in Jugendkulturen“ in dem berühmt gewordenen, von John Clarke herausgegebenen Sammelband „Jugendkultur als Widerstand“ (Clarke et al. 1981) zur Sprache gebracht. Ihre Fragen, die in manchen Beiträgen von „Krasse Töchter“, aber auch in der Jugendforschung anderer Länder wie in Mexiko (Urteaga 2006) zitiert werden, sind teilweise auch nach mehr als dreißig Jahren noch aktuell: „Fehlen die Mädchen wirklich in den Subkulturen? Wo Mädchen sichtbar sind – welches sind da ihre Rollen? Und spiegeln diese die allgemeine Unterordnung der Frauen in der Kultur wider? Haben die Mädchen alternative Formen, ihr kulturelles Leben zu organisieren?“ (McRobbie & Garber 1981, S. 221 ff.) Die erste ihrer Fragen lässt sich mit einem klaren ‚Nein‘ beantworten. Mädchen und junge Frauen sind in allen Jugendkulturen aktiv, selbst in politisch rechts ausgerichteten Szenen spielen sie eine wichtige Rolle (Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsstelle Frauen und Rechtsextremismus 2005, Köttig 2004). Für die Beantwortung der weiteren Fragen müssen wir schon tiefer schürfen.
Die Autorinnen und Autoren dieses Sammelbandes machen das. Sie haben die Rollen und Strategien von Mädchen und jungen Frauen im HipHop, Techno, Black und Death Metal, Visual kei, Hardcore, Fußball, in der Riot Grrrl/Ladyfest-Szene, der Skinhead- und Rockabilly-Szene, bei den Gothics, in der Singer-Songwriter-Szene und in der rechtsextremen Szene untersucht und stellen in diesem Buch neueste Erkenntnisse aus der qualitativen empirischen Sozialforschung vor. Die meisten Autorinnen und Autoren beschäftigen sich seit vielen Jahren mit diesen Szenen, einige verstehen sich selbst als – kritischen – Teil derselben. Ihr Blick ist zugleich innen- und außengerichtet, ein Ansatz, den auch die Bonner Soziologie-Professorin Doris Lucke in dem Sammelband „Jugend in Szenen“ (2006) vertritt.
Die verschiedenen „cultures of femininity“ (McRobbie 1978), die hier vorgestellt werden, fördern erstaunlich unterschiedliche Strategien im Umgang mit Geschlecht und Geschlechterkonstruktionen zutage. Es gibt nicht den einen Umgang mit Geschlecht in Jugendszenen, sondern eine Vielzahl von Strategien, Einstellungen, Rollenmustern und Ansichten. Aus dieser Einsicht ergeben sich viele Fragen: Über den Umgang mit jugendsoziologischen Ansätzen, mit feministischen Herangehensweisen, mit Konzepten in der Jugendkulturarbeit und in der Sozialpädagogik. „Krasse Töchter“ belässt es daher nicht bei der Vorstellung neuerer Ergebnisse aus der Sozialforschung zum Thema Mädchen und junge Frauen in Jugendkulturen, sondern enthält auch Beiträge aus der Interkulturellen Mädchenarbeit, der Medienforschung, der feministischen Medienarbeit, der Mädchenpolitik sowie Selbstpräsentationen von Künstlerinnen aus dem HipHop und politischen Pop, die in eigenen Texten, Berichten und Interviews ihre Sicht auf Geschlechterrollen in Jugendkulturen thematisieren.
Der Band geht zum Teil auf die Fachtagung „Unbeschreiblich weiblich? Mädchen und junge Frauen in Jugendkulturen“ zurück, die das Archiv der Jugendkulturen Berlin gemeinsam mit der Europäischen Jugendbildungs- und Jugendbegegnungsstätte Weimar (EJBW) im Januar 2007 in Weimar veranstaltet hat. Der Tagungstitel spielte – natürlich – einerseits auf Nina Hagens gleichnamigen Song aus dem Jahr 1978 an, der damals in der Rock-, Pop- und Punkszene einige Beachtung erfuhr. Andererseits sollte der Titel auch auf das Defizit bei der Geschlechteranalyse in den (deutschsprachigen) Sozialwissenschaften aufmerksam machen. Drei Tage haben wir in Weimar in Workshops und nach Vorträgen über Mädchen und junge Frauen in Jugendkulturen diskutiert. Der Forschungsstand zeigt, dass im deutschsprachigen Raum erst in den letzten Jahren vermehrt Diplom-, Magister- und Doktorarbeiten sowie eine Habilitation (Stauber 2004) zum Thema erschienen sind. Es ist also Bewegung in die Forschungslandschaft geraten, das Buch legt davon Zeugnis ab. Es deckt selbstredend nicht alle Szenen und Facetten ab, präsentiert aber ein Kaleidoskop verschiedener Ansätze und Szenen sowie wissenschaftlicher und nicht-wissenschaftlicher Bereiche, in denen sich die Autoren und Autorinnen bewegen, seien das die Kulturwissenschaften, die Soziologie, das Musikbusiness, die Medienwissenschaften, der Journalismus oder die Jugendkulturarbeit. Damit richtet sich „Krasse Töchter“ auch an so unterschiedliche LeserInnen wie SozialarbeiterInnen, Kulturschaffende, Kultur- und SozialwissenschaftlerInnen, Feministinnen, JournalistInnen, PolitikerInnen oder ErziehungswissenschaftlerInnen und andere Interessierte.
Den Titel „Unbeschreiblich weiblich?“ fand ich nach den vielen neuen Erkenntnissen, die sich während der Tagung ergeben haben, nicht mehr passend. „Krasse Töchter“ bringt treffender die unterschiedlichen Mädchen und jungen Frauen, um die es in diesem Band geht, auf einen Nenner. „Krass“, eines der vielen Modeworte der ‚heutigen Jugend‘, steht sowohl in positiven als auch negativen konnotativen Räumen. Krass ist, wer besondere Fähigkeiten aufzuweisen hat, krass ist aber auch, wer Werte vertritt, die andere strikt ablehnen, zum Beispiel die krassen Töchter in der rechtsextremen Szene. Und Töchter, nun ja, sind sie alle.
Im ersten Teil des Buches geben Barbara Stauber und Stephanie Kiessling einen wissenschaftlichen und einen popkulturellen Überblick über Geschlechterkonstruktionen, Doing und Undoing Gender-Prozesse in Jugendkulturen sowie Frauen in der Pop- und Rockgeschichte. Im zweiten Teil befassen sich Marco Höhn, Dunja Brill, Melanie Groß und Bernadette La Hengst mit Mädchen und jungen Frauen in eher frauendominierten Jugendszenen. Im dritten Teil analysieren Marion Schulze, Susanne El-Nawab, Sarah Chaker, Nicole Selmer und Almut Sülzle sowie Michaela Köttig die Rollen und Einstellungen von Mädchen und jungen Frauen in den so genannten ‚harten Szenen‘. Der vierte Teil enthält Beiträge von MC Pyranja, Thomas Schwarz, Monica Hevelke und Nadja Madlener zur derzeit dominierenden Jugendkultur HipHop.
Ab dem fünften Teil wechselt die Perspektive von Jugendkulturanalysen hin zu medienwissenschaftlichen und sozialpädagogischen Konzepten. Doris Katheder hat Mädchenbilder in kommerziellen und nicht-kommerziellen Mädchenzeitschriften untersucht. Katja Röckel reflektiert Ansätze der feministischen Medienarbeit im Kontext zweier Leipziger Modellprojekte. Im sechsten und letzten Teil des Bandes unternimmt Elke Josties auf der Basis einer noch laufenden Studie zur Jugendkulturarbeit eine kritische Bestandsaufnahme der Potentiale der Mädchenförderung im HipHop und in der Singer-Songwriter-Szene. Ursula Bachor stellt den Ursprung, die Entwicklung und Arbeitsweisen der Interkulturellen Mädchenarbeit vor. Quasi mit einem Ausblick schließt der Band mit einem Beitrag von Claudia Wallner über veränderte Mädchen- und Jungenbilder seit den 1960er-Jahren und notwendige Konsequenzen für die Mädchenarbeit und -politik.
Mein besonderer Dank gilt allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge, allen Fotografinnen, Fotografen, Illustratorinnen und Illustratoren für die vielen Fotos und Zeichnungen sowie Silke Baer für die Unterstützung bei der Tagung. Der EJBW und hier insbesondere Ulrich Ballhausen danke ich für die sehr gelungene Kooperation und Ausrichtung der Tagung in Weimar sowie die tatkräftige Unterstützung bei der Besorgung der Finanzmittel. Für die finanzielle Unterstützung der Tagung geht ein großer Dank an das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.
Der Bibliothekarin des Archiv der Jugendkulturen, Antje Pfeffer, danke ich für kundige Tipps bei meinen Recherchen, dem Punk- und Fanzine-Experten des Archivs, Andreas Kuttner, für die stets freundlich hingenommenen Unterbrechungen an seinem Arbeitsplatz.
Der Künstlerin Karo Kollwitz danke ich für die Cover-Gestaltung, dem Designer Harald Kollwitz für viel Geduld bei der Buchplanung und beim Layout. Meinem Mann Klaus Ripke und meinem Sohn Jakob danke ich für das Verständnis, während der Buchproduktion viele Stunden unserer wenigen gemeinsamen Freizeit ohne mich verbracht zu haben.
Berlin, im Juli 2007
Antifaschistisches Frauennetzwerk, Forschungsstelle Frauen und Rechtsextremismus (Hg.) (2005): Braune Schwestern. Feministische Analysen zu Frauen in der extremen Rechten. Münster.
Baldauf, Annette & Katharina Weingartner (Hg.) (1998): Lips, Tits, Hits, Power? Popkultur und Feminismus. Wien & Bozen.
Faludi, Susan (1995): Backlash. Die Männer schlagen zurück. Reinbek.
fiber – zeitschrift für feminismus und popkultur, erscheint seit 2002 halbjährlich, Wien.
Fritzsche, Bettina (2003): Pop-Fans. Studie einer Mädchenkultur. Opladen.
Geissler, Cornelia: Frauen auf der Überholspur. In: Berliner Zeitung v. 27.06.2007, S. 28.
Gille, Martina et al. (2006): Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. Lebensverhältnisse, Werte und gesellschaftliche Beteiligung 12- bis 29-Jähriger. Schriften des Deutschen Jugendinstituts: Jugendsurvey 3. Wiesbaden.
Großegger, Beate (1999): Der Girl-Faktor. Weibliche Szene-Minder im Panorama der Jugendkultur. In: Journal der Jugendkulturen Nr. 1, S. 8–13.
Gupta, Susanne (2006): Sex, Jungfräulichkeit und Ehe. Gespräche im MaDonna. In: Journal der Jugendkulturen Nr. 11, S. 22–25.
Journal der Jugendkulturen Nr. 8 (2003): Mädchen – Trendsport – Knast. Mit Beiträgen von Sabine Hübner und Jan Buschbom zu kriminellen Mädchen, Miriam Wölfert zu Brettsportarten, Stella Luncke im Gespräch mit Skaterinnen, Johannes Verch zu Geschlechterverhältnissen im Trendsport und Malalai Bindermann zu Frauensport im Internet.
Kailer, Katja & Anja Bierbaum (2002): Girlism. Feminismus zwischen Subversion und Ausverkauf. Berliner Arbeiten zur Erziehungs- und Kulturwissenschaft. Berlin.
Köttig, Michaela (2004): Lebensgeschichten rechtsextrem orientierter Mädchen und junger Frauen. Biographische Verläufe im Kontext der Familien- und Gruppendynamik. Gießen.
Lucke, Doris (Hrsg.) (2006): Jugend in Szenen. Lebenszeichen aus flüchtigen Welten. Münster.
McRobbie, Angela (1978): Working-class cultures and the culture of femininity. In: Women’s studies group, Women take issue: Aspects of women’s subordination. London, pp. 96–108.
McRobbie, Angela & Jenny Garber (1981): Mädchen in Jugendkulturen. In: John Clarke et al.: Jugendkultur als Widerstand. Frankfurt a. M., S. 217–237.
Reitsamer, Rosa & Rupert Weinzierl (Hg.) (2006): Female Consequences. Feminismus. Antirassismus. Popmusik. Wien.
Rohmann, Gabriele (1999): Spaßkultur im Widerspuch. Skinheads in Berlin. Bad Tölz.
Schmidt, Christian (2004): „WEIL wir Mädchen uns nach Platten, Büchern und Fanzines sehnen, die UNS ansprechen...“ (Riot) Grrrl (Fan)Zines und die Politik der Selbstermächtigung. In: Journal der Jugendkulturen Nr. 10, September 2004, S. 30–40.
Stauber, Barbara (2004): Junge Frauen und Männer in Jugendkulturen. Selbstinszenierungen und Handlungspotentiale. Opladen.
Supp, Barbara et al. (2007): Mein Kopf gehört mir. In: Der Spiegel, Ausgabe 24/2007, 11.06.2007, S. 56–71.
testcard. Beiträge zur Popgeschichte, Nr. 8 (2000): Gender – Geschlechterverhältnisse im Pop. Mainz.
Urteaga, Maritza (2006): Asphaltblumen. Mädchen in Jugendkulturen. In: Manfred Liebel & Gabriele Rohmann (Hrsg.): Entre Fronteras. Grenzgänge. Jugendkulturen in Mexiko. Berlin, S. 83–94.
Stephanie Kiessling
Immer schon und immer wieder ist die Auseinandersetzung mit Frauen in der populären Musik ein beliebtes und gern aufgegriffenes Thema einschlägiger Musik- und Fachmagazine. Protagonistinnen, die den Weg in die Popularität jenseits arschwackelnder Darstellungen á la Shakira oder Anastacia geschafft haben, müssen sich nicht nur als Musikerinnen und Künstlerinnen im Musikbusiness gegen unzählige Klischees und Vorurteile behaupten, sondern auch gleichzeitig als Rolemodels und Hoffnungsträgerinnen für einen Haufen erwartungsvoller und kritischer Musikrezipientinnen und Theoretikerinnen herhalten. Viele engagierte Musikerinnen nehmen diesen Auftrag durchaus ernst und stehen bei Diskussionen und Interviews den Fragen nach ihrem weiblichen Werdegang geduldig Rede und Antwort. Doch irgendwann, wenn sich die Diskussion nur noch im allerkleinsten Kreise dreht, setzt eine gewisse Betäubung ein, und die Frage nach dem, was eigentlich gewollt wird, drängt sich zunehmend auf.
Natürlich stimmt es: Aufgrund mangelnder Repräsentation werden Frauen in der populären Musik noch immer mit einem Sonderstatus versehen, der in vielerlei Hinsicht problematisch ist: ‚Frau-Sein‘ als bemerkenswerter Umstand. Gleichzeitig, und das ist das Elend und Paradoxon der feministisch orientierten Theoriebildung in diesem Bereich, kommt eine Auseinandersetzung mit dem Thema Pop- und Rockmusik nicht umhin, sich mit jenen Ausschluss- und Abwertungsmechanismen zu beschäftigen, von denen vor allem Frauen betroffen sind bzw. Menschen, die sich nicht dem Anspruch leichtverdaulicher Konsumierbarkeit unterordnen lassen wollen oder können. Doch selbst diese Einschränkung greift bereits zu kurz: Auch jene subkulturellen Bereiche, die sich noch vor dem Stadium der Vereinnahmung durch den so genannten Mainstream befanden, fielen bzw. fallen durch ein Ungleichgewicht an männlichen und weiblichen Akteuren auf. So leicht lässt sich also die partielle Unsichtbarkeit der Frauen in der Popmusik nicht mit den kapitalistischen Verwertungslogiken erklären. Wagen wir also eine historisch orientierte Annäherung.
Die Geschichte der Rock- und Popmusik ist voll von Mythen, Legendenbildungen und tollen Erzählungen, aber auch voll von Missverständnissen, Ausblendungen und Ausgrenzungen. Sie ist, wie jede Geschichte, ein Feld der dominanten und unterdrückten Diskurse, ein Ringen um Hegemonie und letztlich eine Arena, in der unterschiedlichste Machtverhältnisse ausgetragen, verhandelt und durchgesetzt werden. Eine Geschichte der ‚Frauen in der Rockmusik‘ zu schreiben, muss an dem Bemühen scheitern, den männlich dominierten Erzählungen die Geschichte der Frauen entgegen zu halten und damit die Ausblendungen sichtbar zu machen. Denn bereits die Idee einer Geschichtsschreibung mit dem Anspruch auf Vollständigkeit ist, wie in der (feministischen) Theorie spätestens seit der Postmoderne bekannt, als omnipotente Allmachtsphantasie entlarvt. Gleichzeitig wird durch das schlichte Hinzufügen der ausgeblendeten weiblichen Erzählungen in das Bild – wie beim Einfügen der neu entdeckten Kontinente in eine Weltkarte des 14. Jahrhunderts – die Realität nicht in ihrer ganzen Komplexität erfasst, es ist verzerrt und tendenziell nivellierend. Eine Geschichte der Frauen in der Rockmusik muss sich also sowohl der Aufgabe widmen, die marginalisierten und verdrängten Aspekte des Schaffens von Frauen zu erfassen und zu dokumentieren als auch die um dieses Wissen erweiterte(n) Erzählung(en) neu zu verknüpfen und zu reformulieren. Ein Anspruch, an dem dieser Artikel scheitern muss, gewagt wird es trotzdem.
„Die Pflicht des Musikers ist es, Musik zu machen.“, schrieb 1969 John Sinclair, Mitglied der US-amerikanischen Punk-Vorläufergruppe MC5: „Aber da ist eine Parallele, die man nicht übersehen kann: MUSIK IST REVOLUTION. Rock ist die revolutionärste Kraft der Welt – sie vermag Menschen zurück zu ihren Sinnen zu schleudern, und diese Musik bewirkt, dass sich die Menschen gut fühlen. Und genau das ist es, was die Revolution ausmacht – Wir müssen auf diesem Planeten einen Zustand schaffen, wo sich jeder Mensch zu jeder Zeit wohl fühlen kann. Und wir werden nicht eher ruhen, bis dieser Zustand erreicht ist.“ (zitiert nach Salzinger 1982, S. 109)
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