Kriegspropaganda und Medienmanipulation - Christian Hardinghaus - E-Book

Kriegspropaganda und Medienmanipulation E-Book

Christian Hardinghaus

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Beschreibung

"Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit" Diese Erkenntnis aus dem Ersten Weltkrieg ist bis heute gültig, denn immer wieder haben seither Kriegsanlasslügen zu militärischen Konflikten geführt. Zielgruppenspezifisch ausgearbeitete Propaganda sorgt stets dafür, dass sie während der Dauer eines Krieges gar nicht erst erkannt werden. Während früher den Menschen Information vorenthalten wurde, ist es heute paradoxerweise das massive Überangebot, das ihnen die Wahrheitsfindung erschwert, wie sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wieder deutlich zeigt. Diesen Umstand nutzen Machthaber beteiligter Kriegsparteien gekonnt aus, um nicht nur die eigene Bevölkerung und die des Gegners zu manipulieren, sondern die gesamte Weltbevölkerung auf ihre Seite zu ziehen. Den Anforderungen zur Aufklärung von Massenmanipulation innerhalb moderner Informationskriege scheinen Medien neutraler Staaten nicht gewachsen zu sein, die je nach eigener politischer Agenda Propagandainhalte übernehmen oder nicht entlarven. Christian Hardinghaus klärt umfassend über die immer gleichen Strategien und Prinzipien medialer Manipulation in der Berichterstattung vergangener und heutiger Kriege auf und zeigt, dass die entsprechenden Propagandamethoden auch in Friedenszeiten zum Alltagsgeschäft von Politikern gehören. Dank der präzisen Erläuterung von über 75 gängigen Manipulationsmethoden soll es Ihnen gelingen, Propaganda selbst aufzudecken.

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CHRISTIAN HARDINGHAUS

KRIEGSPROPAGANDA UND MEDIENMANIPULATION

Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen

EUROPAVERLAG

INHALT

VORWORT

Lassen Sie sich nicht täuschen!

KAPITEL 1

PROPAGANDA ERKENNEN:

Macht, Medien, Massenmanipulation

KAPITEL 2

PROPAGANDA VERSTEHEN:

Ein Begriff im Wandel der Zeit

KAPITEL 3

PROPAGANDA ENTLARVEN:

Über 75 Formen und Techniken in praktischer Anwendung

› Propagandaformen

› Die sieben Grundformen von Propaganda

› Propagandatechniken der Täuschung

KAPITEL 4

KRIEGSPROPAGANDA

› Methoden und Prinzipien

› The War that Will End War: Der Erste Weltkrieg 1914–1918

› Totale Vernichtung: der Zweite Weltkrieg 1939–1945

› Amerikanisches Trauma: der Vietnamkrieg 1955–1975

› Wüstensturm: der Zweite Golfkrieg 1990–1991

› Vereinte Gewalt: der Kosovo-Krieg 1999

› Koalition der Willigen: der Irakkrieg 2003

› Digitale Informationskriege am Beispiel Syrien und Afghanistan

KAPITEL 5

PROPAGANDA IM UKRAINEKRIEG

› Russische Propaganda

› Ukrainische Propaganda

UKRAINE-BERICHTERSTATTUNG IN DEUTSCHEN MEDIEN UND PLÄDOYER FÜR EINEN BESSEREN JOURNALISMUS

NACHWORT UND DANKSAGUNG

PROPAGANDAMETHODEN

ANMERKUNGEN

REGISTER

LASSEN SIE SICH NICHT TÄUSCHEN

Klima-Apokalypse, globaler Finanzkollaps und atomares Armageddon. Killerviren, Dauerlockdown und Blackout. Rien ne va plus – nichts geht mehr! Den in den letzten Jahren gezeichneten Endzeitszenarien scheinen im wahrsten Sinne des Wortes keine Grenzen gesetzt zu sein. Begleitet werden sie aber alle von einer meist aggressiven politisch motivierten Propaganda, deren Methode das Erzeugen von Angst ist, hinter der sie ihre eigentlichen Ziele zu verbergen vermag. Eine ganz reale Katastrophe wird zwar nicht das Ende der Welt bedeuten, doch sie spielt sich direkt vor unserer Haustür ab und kann entscheidend für den Fortbestand eines geeinten Europas sein, so wie wir es bisher kannten. Eine Lösung für den am 24. Februar 2022 von Russland begonnenen Krieg gegen die Ukraine ist bis heute deshalb nicht in Sicht, weil auch in diesem Konflikt von Beginn an Propaganda die Kontrolle übernommen hat. Selbst wenn es anders verlautbart wird – sowohl in Russland als auch in der Ukraine –, sind Medien und Medienarbeit durch Kriegsgesetze bereits so eingeschränkt und überwacht, dass sie einer Gleichschaltung nahekommen. Staatliche Propaganda, wenngleich ganz unterschiedlich in Form und Inhalt, kann nahezu ungehindert in die Köpfe derjenigen Menschen eindringen, die täglich dazu gezwungen sind, sich gegenseitig zu töten. Unabhängiger Journalismus ist wie in allen Kriegen nicht nur in den verfeindeten osteuropäischen Nachbarländern unmöglich geworden, sondern er steht längst auch in Deutschland auf dem Prüfstand. Durch fehlende Optionen zur eigenen Kriegsberichterstattung fließen Propagandainhalte ungefiltert in unsere Nachrichten ein, ohne als solche erkannt oder kenntlich gemacht zu werden. Diese dankbare Möglichkeit haben sowohl die russischen als auch die ukrainischen Militärführungen in ihren sorgfältig aufgebauten Informationskriegen für sich entdeckt und ihre psychologische Kriegsführung auf uns alle ausgerichtet.

Doch Medien in Deutschland werden nicht nur von außen manipuliert, sondern sie betätigen sich unter maßgeblicher Beeinflussung deutscher Regierungspolitik selbst propagandistischer Methoden, indem sie zum Beispiel ausklammern, beschönigen oder dämonisieren. Umso wichtiger ist es, dass wir als Medienkonsumenten und demokratische Bürger nicht nur über die von Propaganda ausgehenden Gefahren aufgeklärt werden, sondern dass wir sämtliche ihrer Methoden kennen, um uns weitestgehend vor Manipulation aller Art schützen zu können. Diesem Anspruch stellt sich das vorliegende Buch, in dem Sie von der Pike auf lernen können, was Propaganda war und ist und wie Sie ihre manipulativen Techniken in Zukunft erkennen und selbst entlarven können. Sie werden erfahren, dass Kriege schon immer gleichen Prinzipien folgten, dass Kriegspropaganda auch in Friedenszeiten betrieben wird und dass die Weisheit, die Wahrheit sei stets das erste Opfer eines jeden Krieges, wahrscheinlich der Wahrheit entspricht.

Christian Hardinghaus, im April 2023

KAPITEL 1PROPAGANDA ERKENNEN:MACHT, MEDIEN, MASSENMANIPULATION

Ein Mann versucht, seine Ehefrau in den Wahnsinn zu treiben, indem er ihr mittels Licht- und Geräuscheffekten suggeriert, in ihrem gemeinsamen Haus spuke es. Während sie verzweifelt ausgerechnet bei ihm Hilfe sucht, ist sein Ziel, sie davon zu überzeugen, sie bilde sich den Horror nur ein und laufe Gefahr, geisteskrank zu werden. So passiert es in dem mehrfach verfilmten Theaterstück des britischen Dramatikers Patrick Hamilton Gas Light von 1937 (in den USA unter dem Titel Angel Street am Broadway inszeniert), nach dem zunächst im englischen Sprachraum Extremfälle von Mobbing bezeichnet wurden, bei denen einer Person weisgemacht wird, sie sei verrückt. Gaslighting ist eine zunehmende Form psychischer Gewalt, über deren Folgen inzwischen auch deutsche Krankenkassen und Präventionsstellen aufklären. Nachdem sich im vergangenen Jahr die Suchanfragen zu dem Terminus um 1740 Prozent gesteigert haben, wählte das amerikanische Merriam-Webster-Wörterbuch Gaslighting zum Wort des Jahres 2022. Besonders häufig wird es in Kombination mit dem Begriff Media in die Suchmaschinen eingegeben, was Schlüsse darüber zulässt, dass weltweit immer mehr Menschen unter der Horrorvorstellung leiden, ihre Regierungen könnten gezielt Medien dazu benutzen, um sie einer Massengehirnwäsche zu unterziehen, bei der sie am Ende selbst für verrückt erklärt werden sollen.

Das mittlerweile auch unter dieser Bezeichnung untersuchte Phänomen Media Gaslighting kennzeichnet also die Angst vor einer Utopie nach orwellschem Vorbild, die sich nahtlos in die Endzeitstimmung unserer Zeit einbauen lässt. In dieser verbreiten sich immer häufiger Hysterien apokalyptischen Ausmaßes und erwarten »letzte Generationen« das Ende der Welt, sodass inzwischen der Glaube an den Great Reset, bei dem wenigstens noch ein bisschen was von der Erde übrig bleiben würde, als optimistische These erscheint. Dabei haben alle großen Untergangsszenarien gemeinsam, dass sie genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich sind wie die Unterwerfung der Welt durch eine die Medien kontrollierende Machtelite. Trotzdem scheinen fernab der entworfenen Worst-Case-Szenarien Menschen, deren größte Sorge Medienmanipulationen von staatlicher Seite aus sind, weniger ernst genommen zu werden als solche, die vor menschengemachtem Klimawandel, mutierenden Killerviren und atomarem Weltkrieg warnen. Wo ein »hypochondrischer Umweltschützer« noch als nachsichtiger Mensch gelten darf, muss sich der bloße Medienkritiker nicht selten schon als Verschwörungstheoretiker diskreditieren lassen, obwohl die beidseitigen Zusammenhänge auf der Hand liegen könnten. Dafür, dass Massenmedien inzwischen den größten Einfluss auf unser gesellschaftliches Zusammenleben haben und letztendlich über Katastrophen und Kriege aller Art entscheiden, werden Sorgen über staatlich gesteuerte Medienmanipulation zu leichtfertig abgetan. Dabei sollte im Anblick dieser nie da gewesenen Fülle von Macht, die von modernen Massenkommunikationsmitteln ausgeht, eigentlich jedem klar sein, dass die Tyrannen der Gegenwart und Zukunft alles daransetzen werden, dieser habhaft zu werden. Eben ganz so wie es ihre Vorgänger mit den Medien ihrer Ära getan haben. Um hier vernünftig vorzubeugen, bedarf es sicherlich einer Sensibilisierung der Gefahren zunächst im Kleinen, wie es auch anderen bedrohten Bereichen menschlichen Zusammenlebens zuträglich wäre, nicht gleich das Ende von Zivilisation oder Demokratie herbeizuschreien, sondern zu schauen, was logisch, möglich und machbar ist.

Ich möchte mit diesem Buch nicht die Welt retten und strebe auch keine Generalabrechnung mit ihr an, sondern will vor den alltäglichen Gefahren von Propaganda warnen, die sich in allen Kriegen des 20. Jahrhunderts als eine der tödlichsten Waffen erwiesen hat. Und da diese Art der Manipulation immer abhängig ist von Medien, die eben für die Masse so lebensbestimmend sind wie nie zuvor, ist es auch ein Buch über den Missbrauch der Medien durch politische Machthaber, insbesondere zu Kriegszeiten. Mit dieser Absichtserklärung haben wir die vier Kernbestandteile von Propaganda bereits aufgeführt, und weil sie passenderweise alle mit dem Buchstaben M beginnen, kann man sie sich schon an dieser Stelle am besten leicht anhand einer 4-M-Formel merken: Propaganda beschreibt die Manipulation der Massen durch Machthaber (oder Mächtige/nach Macht Strebende) mittels Medien. Diese Elemente finden sich in nahezu jeder modernen Propagandadefinition wieder; sie ist eng verwandt mit der Definition für Manipulation, die ein undurchschaubares, trickreiches Verhalten beschreibt, mit dem sich jemand Vorteile über andere verschaffen will. Medienmanipulation bewerkstelligt dies der Bestimmung nach, indem eine vermittelnde Instanz zu Hilfe genommen wird – ein Medium. Um moderne Propagandastrategien im Zeitalter von Informationskriegen zu analysieren, richtet sich das vorliegende Buch nicht auf Individualmedien aus, sondern auf Massenmedien, die immer darauf abzielen, einen größtmöglichen Adressatenkreis zu erreichen. Innerhalb dieser sind Unterhaltungsmedien bei der Erforschung von Propaganda weniger von Interesse als vielmehr diejenigen, die sich der Nachrichtenvermittlung verschrieben haben – also hauptsächlich Presse und journalistische Formate, die Politikern ein Sprachrohr verschaffen und die öffentliche Meinung beeinflussen. Eines der mächtigsten Werkzeuge von Massenmedien aller Art ist heute nach wie vor die Kamera.

Seien Sie sich deshalb immer dessen bewusst, dass eine Kamera nie die Wirklichkeit abbildet, sondern stets nur das zeigt, was Sie sehen sollen! Ein Perspektivenwechsel, ein einfacher Kameraschwenk auf die gegenüberliegende Seite könnte Ihnen eine vollkommen andere Realität präsentieren. Schauen Sie sich daher – wann immer möglich – Aufnahmen mehrerer Kameras unterschiedlicher Teams an und vergleichen Sie verschiedene Dokumentationen über dasselbe Ereignis!

So eindrucksvoll Bilder auch sein mögen, sie heißen so, weil sie eben nur abbilden, also etwas nachstellen. Fotos und Videos können niemals die Realität ersetzen. Oder wie es der britisch-amerikanische Journalist und Kriegsberichterstatter Harold Evans einst treffend formulierte: »Die Kamera kann nicht lügen, aber sie kann Mittel der Unwahrheit sein.«1

Nie zuvor in ihrer Geschichte sind Menschen einer solchen Flut von inszenierten Bildern ausgesetzt gewesen wie in unserer rasanten Informations- und Kommunikationsgesellschaft, in der sie sich täglich zurechtfinden müssen. Da heutige Erdenbewohner gleichzeitig über Dutzende Medienkanäle rund um die Uhr erreichbar sind oder sein wollen, ist die Gefahr, die allein von technischer Medienmanipulation ausgeht, unermesslich hoch für sie. Medien sind die wichtigste Waffe der Herrschenden und all derer, die an die Macht kommen oder an solcher hinzugewinnen wollen. Je mehr mediale Präsenz Politiker, Parteien oder politische Organisationen wie etwa eine Aktivistengruppe erhalten, desto größer werden automatisch ihr gesellschaftliches Standing und ihr Einfluss. Heute prasselt eine solche Fülle von vorsortierten Informationen und medial verkauften Wahrheiten auf uns ein, dass wir zunehmend Orientierung, Halt und Glauben verlieren und geneigt sind, uns schnell irgendeiner vorherrschenden Meinung anzuschließen, ohne diese selbst verinnerlicht zu haben. Sollte der uneingeschränkte Zugang zu Nachrichten über das Internet eigentlich Aufklärung und demokratische Teilhabe für jedermann bereitstellen, überfordert mittlerweile schier die Masse an verbreiteten Daten und Fakten samt ihrer unterschiedlichen Deutung die Wahrheitsfindung und den damit verbundenen Wunsch nach Identifikation, Halt und Haltung.

Menschen suchen auch nicht mehr nur nach Wahrheit, sondern wollen auf die einzige, alleinige Wahrheit stoßen, quasi auf eine ultimative Anleitung, die sie durchs weitere Leben zu führen vermag. Dabei scheinen wir zunehmend zu vergessen – oder ignorieren es –, dass unsere eigene Weltsicht immer eine durch unsere Medien gefilterte ist. Die Wahl des Mediums entscheidet also maßgeblich darüber, welche Sicht wir einnehmen, und diese bekommt regelmäßig Schwierigkeiten mit der Sichtweise eines anderen, denn diese könnte die eigene ins Schwanken bringen – und das erzeugt Angst. Und obwohl sie sich als Wahrheitsverkäufer verstehen und repräsentieren, können Medien, die auf Selektion und Vorauswahl der Inhalte angewiesen sind, immer nur die Deutung einer Wahrheit verkaufen, also eine mögliche oder wahrscheinliche Richtigkeit. Der amerikanische Journalist Walter Lippmann formulierte diesen Umstand leicht zynisch schon 1922 in seinem Buch Public Opinion, das bis heute als Begründerwerk der Medienwissenschaften gilt: »Die mir am fruchtbarsten erscheinende Hypothese besagt, dass Nachrichten und Wahrheit nicht dasselbe sind und klar voneinander geschieden werden müssen.«2

Dabei können und sollten Medien und Massenmedien per se nicht als etwas Negatives verstanden werden, denn sie sind für niemanden von uns noch wegzudenken. Sie werden auch zukünftig immer mehr Platz in unserem gesellschaftlichen und privaten Miteinander einnehmen und können – richtig genutzt und verstanden – den menschlichen Horizont ständig erweitern. In ihrem Vermittlungsanspruch sind Medien Helfer für alle Menschen, um für ihre Lebenswelt relevante Dinge erfahren und verstehen zu können. Der Gesellschaftstheoretiker Niklas Luhmann prägte dafür einen wichtigen Satz: »Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.«3

Die große Gefahr, die von Massenmedien generell ausgeht, besteht vielmehr durch die politische Funktionalisierung ihrer selbst, wenn sie in falsche Hände geraten. Propagandisten gaukeln uns darin vor, eine Wirklichkeit zu kennen, mit der wir in der Lage sein sollen, stets zu erkennen, was richtig und falsch ist. Das eigentliche Ziel von Propaganda ist aber nicht die Vermittlung von Wahrheit, sondern die Indoktrination handlungsorientierter Motive. Sie selbst kann wahr oder unwahr sein, solange sie ihr Ziel nicht aus den Augen verliert. So sind letztendlich sowohl Wahrheit als auch Lüge lediglich Mittel der Propaganda, um ihren eigentlichen Zweck zu erfüllen. Propagandisten haben erkannt und nutzen aus, dass zunehmend verunsicherte Bürger in ihrer unablässigen Suche nach Wahrhaftigkeit im kontinuierlich dichter werdenden Dschungel von Informationen nicht nur in Kauf nehmen, sondern inzwischen sogar die Möglichkeit begrüßen, dass Weltereignisse für sie medial eingeordnet werden, solange sie das Gefühl haben, dass die richtige Seite die Interpretation übernimmt. Tatsächlich sind heute Menschen bei der Überflutung mit all den Themen, zu denen sie glauben, sich eine Meinung bilden zu müssen, um sich weiterhin im Leben zurechtzufinden, oft gar nicht mehr in der Lage zu unabhängigen Urteilen. Deswegen vertrauen sie auf sogenannte Meinungsverkäufer, die sie in den von Medien ihrer Wahl eingesetzten Politikern und Experten zu finden meinen; dabei setzen sie sich jedoch ständig den Gefahren aus, die Manipulationen und Propaganda mit sich bringen. Die Entwicklung immer neuer Medientechnologien und -formate ist in den letzten 20 Jahren so zügig fortgeschritten, dass die Kompetenz innerhalb eines großen Teils der Bevölkerung, diese Medien auch adäquat nutzen und über sie verbreitete Informationen einordnen zu können, auf der Strecke geblieben ist. Wir werden also tagtäglich manipuliert, merken es nicht mal mehr, und den Regierenden kann das alles nur recht sein in ihrem Anspruch, an der Macht zu bleiben. Indessen wäre das Erkennen von Propaganda im Rahmen einer Erziehung hin zu Medienmündigkeit für jedermann gar nicht so schwer, sofern Politik, Medien und Bildungssystem an einem Strang zögen und umfassend über ihre Techniken und Formen aufklärten. Propaganda wird durch nichts effektiver bekämpft als durch Bildung, was diese gleichzeitig zu ihrer größten Bedrohung macht. Der britische Politikwissenschaftler Richard Taylor hielt fest, dass Bildung die Menschen lehrt, wie sie denken können, während Propaganda ihnen vorschreibt, was sie denken sollen.4

Doch warum gibt es so wenig praktische Aufklärungsarbeit über Propagandamethoden? Denken Sie darüber nach! Auch wenn der inzwischen zur Phrase mutierte lateinische Sinnspruch cuibono ähnlich wie das gut gemeinte carpe diem ausgelutscht daherkommt und droht, selbst zur Propagandatechnik zu verkommen, bleibt die Frage nach dem tiefer gehenden Nutzen scheinbar sinnloser Maßnahmen und Entscheidungen von Machthabern, die sie vorgeblich im Sinne des Volkes und des Allgemeinwohls treffen, essenziell, um Propaganda aufdecken zu können. Während sich durch den Fortschritt der Digitalisierung ständig neue Beeinflussungsmethoden ergeben, sind die rhetorischen und psychologischen Manipulationsmethoden hingegen grundsätzlich gleich geblieben, werden aber nach wie vor zu Aufklärungszwecken dilettantisch behandelt.

Eine prägnante Definition für Propaganda lieferte der Medienwissenschaftler Gerhard Maletzke: »Propaganda sollen geplante Versuche heißen, durch Kommunikation die Meinung, Attitüden, Verhaltensweisen von Zielgruppen unter politischer Zielsetzung zu beeinflussen.«5 Richtigerweise stellt Maletzke damit den Aspekt der politischen Instrumentalisierung heraus, was insofern von besonderer Bedeutung ist, als dass bis etwa Mitte des letzten Jahrhunderts Propaganda synonym für Reklame oder PR verstanden wurde und sich auch auf kommerzielle Güter bezog. Während jedoch Werbung versucht, ausschließlich die positiven Aspekte eines Produkts hervorzuheben, und Negativworte regelrecht scheut, setzt die ausgefeilte Propagandamethodik schon immer auch auf das Erzeugen von Negativgefühlen wie hauptsächlich Angst. Dass gerade Politiker, und zwar sämtlicher Staaten und Staatsformen zu allen Zeiten, sich die Ängste von Menschen zunutze machen, um durch Versprechen auf Besserung an die Macht zu gelangen bzw. weiter zu herrschen, ist ein Mittel, das so alt ist wie die Politik selbst. Für die Massenmanipulation der Völker am besten geeignet sind dabei seit jeher existenzielle Ängste wie etwa die vor Kriegen, Krankheiten, Naturkatastrophen oder wirtschaftlicher Not. Regierungsverantwortliche überall auf der Welt schlagen Kapital aus den Sorgen ihrer Bürger. Fehlen ihnen dabei Kompetenz oder sogar Willen, reale Gefahren und Probleme, die sich aus gesellschaftlichen Krisen ergeben, zu lösen, geben sie dies in aller Regel nicht zu, denn andernfalls würden ihre bisher getroffenen Fehleinschätzungen und Falschentscheidungen sie als Verantwortliche selbst ins Wanken bringen. Nicht selten legt ein in die Enge getriebener Herrscher seinem Volk Maßnahmen auf, die der Ablenkung und Beruhigung dienen, oder er heizt – wenn er ganz gerissen ist – vorhandene Ängste an, um Gesetze zu verabschieden, die seine eigene Macht stärken, gleichzeitig die des in Panik versetzten Volkes schwächen. Wenn seine Untergebenen allmählich bemerken, dass versprochene Veränderungen keine Früchte tragen oder dass sie gar gelinkt worden sind, kann der Herrscher immer wieder neue Bedrohungsszenarien heranziehen oder sie selbst erst inszenieren, um das Machtspiel weiterzutreiben. Die Weltgeschichte ist voll mit Beispielen dieser Art. Denken Sie allein an die zentralen Ereignisse und Folgen des Machtergreifungsprozesses durch die Nationalsozialisten!

Die Furcht vor einer propagierten Katastrophe kann so ausgeprägt sein, dass die Bürger eines Staates sogar Gesetze akzeptieren, die ihnen ihre Grundrechte nehmen oder massiv einschränken. Der Propagandist inszeniert sich dabei stets medial als Heilsbringer und lässt verlauten, dass allein er oder seine verordneten Maßnahmen dazu imstande seien, das drohende Unheil abzuwenden. Wenn Machthabende gar eine Diktatur herbeisinnen, können sie Propaganda durch Angsterzeugung so lange weiter auf die Spitze treiben und dadurch immer größere Macht an sich reißen, bis dem ausgetricksten Volk letztendlich keine Möglichkeit mehr bleibt, sich zu wehren. Die Medien, die ihm erst hörig waren, gehören dann dem neuen Regenten und werden wie alle anderen Staatsorgane gleichgeschaltet. Ab diesem Zeitpunkt dient Propaganda nicht mehr Machtgewinn oder -erhalt, sondern wird ideologischen Zielen wie zum Beispiel dem Entfesseln eines Krieges untergeordnet und folgt – wie wir sehen werden – als Kriegspropaganda noch mal radikaleren Prinzipien. Ob Kriege, Diktaturen oder totalitäre Staaten: Für all diese Worst Cases einer gekaperten Gesellschaft war Propaganda Mittel der Wahl derjenigen, die sie heraufbeschworen haben, und immer hat ihr Machtergreifungsprozess schleichend stattgefunden. Gerade deshalb sollte es für mündige Bürger unerlässlich sein, sämtliche Propagandatechniken zu kennen und imstande zu sein, sie entlarven zu können, bevor sie ihnen selbst zum Verhängnis werden.

Die anfängliche Schwierigkeit liegt allerdings schon darin, den Propagandisten überhaupt erst als solchen auszumachen, denn dieser setzt als Erstes seine Techniken gekonnt ein, um zu verschleiern, dass von ihm eine Manipulation ausgeht. Ein probates Mittel der Herrschenden ist in diesem Sinne, die Verantwortung für Hass, Hetze und Not Teilen des Volkes selbst zuzuschreiben und so Sündenböcke zu kreieren, die schuldig an allem Übel sein sollen. Sodann rufen sie ihre Untergebenen dazu auf, dabei zu helfen, die angeblichen Feinde des Staates – nicht selten sind diejenigen gemeint, die ihnen am gefährlichsten werden könnten, weil sie bereit sind, für ihre Rechte zu kämpfen – zu stellen, zu denunzieren und ihnen ans Messer zu liefern. Durch bewährte Prinzipien wie »Teilen und Herrschen« oder »Zuckerbrot und Peitsche« sollen Machtstrategien schließlich darin münden, dass die Masse des Volkes sich selbst immer weiter zerlegt und schwächt und am Ende nur noch diejenigen übrig bleiben, die entweder von der Ideologie des Propagandisten überzeugt sind, diese akzeptieren, um selbst zu profitieren, oder sich beugen, um zu überleben. Je mehr Volk der Despot auf seine Linie gebracht hat, desto einfacheres Spiel hat er. Menschen, die selbst medial und politisch manipuliert worden sind und sich auf der richtigen Seite wähnen, neigen nämlich zur Selbstbestätigung dazu, den »Ungläubigen« unter ihnen vorzuwerfen, dass sie eigentlich diejenigen seien, die Propaganda betrieben, und werden so unbewusst zu willfährigen Gehilfen der Unterdrücker.

Bleiben Sie deshalb innerhalb des unaufhörlichen Medienrauschens immer wachsam und fragen Sie sich besonders bei Angstthemen, ob jemand davon profitieren könnte, Ihnen diese Ängste einzujagen!

In den letzten Jahren sind viele Bücher über extremistische Propaganda erschienen, die uns jedoch für die Erschließung von Manipulationsmethoden im Allgemeinen kaum weitergebracht haben, weil sie die Aufmerksamkeit – häufig motiviert durch eine eigene politische Agenda – zu einseitig ausgerichtet haben; möglicherweise wurden einige davon sogar erst aus diesem Grund in Auftrag gegeben. Vorherrschend in diesem Bereich sind populärwissenschaftliche Sachbücher, die sich nicht gegen Propaganda generell wenden, sondern nur diejenige innerhalb einer ausgewählten Strömung untersuchen oder selbst Gegenpropaganda betreiben wollen. Bücher, die sich hingegen allgemein gegen Fake News, Verschwörungstheorien und Desinformation richten, sind rar auf dem Buchmarkt. Natürlich muss dringend weiterhin publizistische Aufklärung über Propagandainhalte sämtlicher radikalen Ideologien mit all ihren Splittergruppen im Speziellen gefördert und gefordert werden, doch neben diesen Einzelansichten, die sich stets an einem bestimmten Ideologem abarbeiten, können insbesondere allgemeine Werke über Manipulationsmethoden helfen, die immer gleichen Prinzipien zu verstehen, denen jede Propaganda unabhängig von ihrem politischen Inhalt folgt, und daher universelle Anwendung finden.

Im Gesamtfokus dieses Buches steht die Kriegspropaganda, und damit nicht nur die gefährlichste ihrer Art, sondern auch diejenige, die von höchster Stelle ausgeht und die keine geringere Zielgruppe in ihr Zentrum rückt als mindestens die Gesamtheit der eigenen Bevölkerung – oder sogar darüber hinaus. Auch in Friedenszeiten fließt Kriegspropaganda in Staatspropaganda ein, die nicht nur die mächtigste Propagandaform ist, sondern auch diejenige, die in der bisherigen wissenschaftlichen Erforschung immer im Zentrum gestanden hat – vor allem wenn es darum ging, das Entstehen totalitärer und faschistischer Staaten zu erschließen und zu erklären. Doch solche Regime waren und sind nicht nur systematisch durch Propaganda gekennzeichnet, sondern konnten auch erst durch diese erwachsen – selbst also aus einer Demokratie heraus, von Menschen, die aus der Mitte einer Volksherrschaft in Regierungsverantwortung versetzt worden sind. Und genau deshalb ist es wichtig, Propaganda überall gleichermaßen, auch in einem demokratischen Grundgefüge, als solche zu erkennen und vor allem dann Gegenmaßnahmen zu treffen, wenn sie an der Spitze der Macht verortet wird.

Als Medienwissenschaftler habe ich mich in meinem Studium selbst viele Jahre mit der Analyse von Propaganda beschäftigt und bis zu meiner Promotion 2011 zu diesem Thema und darüber hinaus die relevante Fachliteratur gelesen. Bis heute verfolge ich die Berichterstattung zur Thematik, dabei bemerke ich aktuell besorgniserregende Veränderungen. Augenscheinlich haben nämlich Wissenschaftler und Journalisten immer seltener den Schneid dazu, Propaganda innerhalb amtierender deutscher Regierungen oder ihrer Leit- und Mainstreammedien zu verorten. Stattdessen versteifen sie sich in ihrer Suche danach auf die Opposition, auf alternative Medien, auf subversiv-politische Propaganda von Terrorgruppen, auf die Staatspropaganda anderer Länder, ja rücken gar die Bevölkerung selbst und ihr Verhalten in sozialen Netzwerken in den Fokus. Grundlegende Fachbücher und Standardwerke der Sechziger- bis frühen Zweitausenderjahre, die den absoluten Großteil der vorhandenen Fachpublikationen über Propaganda ausmachen, geraten in den Hintergrund. Das ist nur insoweit verständlich, als dass sie mit ihren strengen medien- und kommunikationswissenschaftlichen Theorien kein breites Publikum erreichen und darauf auch nicht angelegt sind. Doch gerade weil Propaganda heute durch die unendlichen Möglichkeiten des Internets immer mehr Menschen erfasst, dürfen die grundlegenden Erkenntnisse der Wissenschaft nicht in Vergessenheit geraten, sondern müssen fachjournalistisch so aufgearbeitet und vermittelt werden, dass sie von jedem Medienkonsumenten verstanden werden. Das ist zumindest meine Motivation, und deshalb möchte ich praxisorientiert in diesem Buch auch einfache Anschauungsmodelle wählen, präzise Entschlüsselungstaktiken vorstellen und vor allem nicht zusätzlich verwirren. Zur tiefer gehenden Beschäftigung verweise ich an prägnanten Stellen auf weiterführende wissenschaftliche Literatur. Doch ist es für das Erreichen des Zieles auch dieses Buches von nicht zu unterschätzendem Vorteil, wenn die generelle akademische Auseinandersetzung mit dem Begriff Propaganda zumindest in ihren Grundzügen verständlich skizziert wird. Deshalb bringe ich Sie – ohne mich in großen Theorien zu verlieren – in Kapitel 2 über eine kompakte Darstellung auf den aktuellen Forschungsstand darüber, welchen Begriffswandel Propaganda im Laufe der Zeit durchgemacht hat und wie sie heute definiert wird. Ich werde die wichtigsten Personen und Wissenschaftsbereiche vorstellen, die sich mit ihr beschäftigt haben, und Propaganda zu ihren verwandten Disziplinen Werbung, PR und Berichterstattung abgrenzen. Ein exklusiver Blick soll zu Letzterem auf die Versäumnisse der hiesigen Medienlandschaft und die eklatante Entwicklung des deutschen Journalismus im Hinblick auf Neutralität und schwindendes Vertrauen geworfen werden. Im praktisch ausgerichteten Kapitel 3 möchte ich Ihnen dann Strategien an die Hand geben, um Propaganda entlarven zu können. Dazu sollen zunächst die wichtigsten Unterscheidungskriterien fundamentaler Formen erläutert werden. Danach werde ich detailliert auf die sieben Grundformen von Propaganda eingehen, wie sie 1938 vom amerikanischen Institute for Propaganda Analysis (IPA) herausgestellt worden sind, denn diese werden uns durch das gesamte Buch hindurch begleiten. Diese Seven Common Propaganda Devices sind die einzigen, die je von einer speziellen Propagandawissenschaft untersucht worden sind, denn das IPA war die erste und letzte Einrichtung, die sich die Etablierung einer solchen Disziplin durch gründliche Untersuchung propagandistischer Wesenszüge auf die Fahnen geschrieben hatte. Gerade die Erkenntnisse aus der Massen- und Gräuelpropaganda des Ersten Weltkriegs und ihre tödlichen Folgen hatten die am Institut tätigen Sozialwissenschaftler um den College-Professor Clyde R. Miller darin bestärkt, dass die Sensibilität für allgemeine Gefahren von Propaganda insbesondere durch Bildungsarbeit an Schulen und Universitäten erhöht werden müsse. Über Flyer und regelmäßige Buchpublikationen sollte die einfache amerikanische Bevölkerung in die Lage versetzt werden, allen Propagandamethoden ihrer Politiker auf die Schliche zu kommen. Bei einem derart ambitionierten Vorhaben hatte das IPA womöglich selbst die Macht, die von seinem Untersuchungsgegenstand ausgeht, unterschätzt, denn das Konzept stieß auf wenig Gegenliebe seitens der amerikanischen Regierung, die dem IPA jegliche finanzielle Unterstützung versagte, sodass es bereits im Januar 1942 nach nur vier Jahren – vermutlich nicht zufällig kurz nach Kriegseintritt der USA – gezwungen war, seinen Betrieb einzustellen. Auch wenn es dem Institut deshalb nicht gelingen konnte, die methodische Propaganda in eine grundlegende wissenschaftliche Form zu fassen, und die Einrichtung selbst längst vergessen ist, so eignen sich die simplen aufgestellten Grundformen bis heute hervorragend, um Propagandamethoden entschlüsseln zu können. Eine Übertragung oder Übersetzung der IPA-Publikationen ins Deutsche hat es nie gegeben. Deswegen möchte ich diese heranziehen, um Ihnen dringend diese Basismethoden vorzustellen, und sie mit Querverweisen zu heutigen Techniken digitaler Manipulation verbinden, sodass die ursprüngliche Absicht des IPA damit nicht verfehlt, sondern ergänzt wird. Sie werden über die Masse der Manipulationen gegenwärtiger weltweiter Berichterstattung staunen, die Sie allein anhand dieser beschriebenen Grundformen wiedererkennen werden. Im selben Kapitel sollen anschließend umfassend moderne Techniken von Propaganda, die speziell der Täuschung dienen und damit am gefährlichsten sind, ergänzt werden. Die Wirkung und Ziele dieser Manipulationsmethoden sind innerhalb verschiedener Disziplinen untersucht worden. Zu diesen gehören vor allem Kommunikationsforschung, Rhetorik und Rabulistik, Psychologie und Anthropologie, Markt- und Konsumforschung sowie Medien- und Filmwissenschaft. Da bislang leider interdisziplinäre Ansätze zur Erforschung von Propaganda kaum existent sind oder wie im Falle des IPA nicht weitergeführt werden konnten, werden die Techniken innerhalb der Teilwissenschaften unter vielen verschiedenen Namen ausgeführt. Für einen Großteil existieren bislang nur englische Bezeichnungen, für andere nur lateinische, manche sind unterschiedlich ins Deutsche übersetzt worden, wieder andere haben nie einen festen Begriff zugewiesen bekommen. Wir können also Formen und Methoden von Propaganda präzise beschreiben, insgesamt aber keine allgemeingültigen Namen für diese angeben oder generisch festlegen. In der Hoffnung, dass eine solche Kategorisierung einmal ein einheitliches Design erhalten wird, habe ich für dieses Buch stets die in der Fachliteratur gängigsten Namen der entsprechenden Methoden verwendet, weise aber auch partiell auf alternative Bezeichnungen hin. In einigen Fällen, vor allem da, wo eine Übersetzung aus dem Englischen keinen logischen Sinn ergibt, habe ich mir erlaubt, eigene Benennungen auszuweisen. Nach Abschluss meiner Recherchen war ich selbst erstaunt, wie viele bewährte Methoden propagandistischer Manipulation sich zusammentragen ließen. Letztendlich habe ich mich für die Vorstellung von 60 spezifisch ausgewählten Täuschungsmethoden medialer, psychologischer und rhetorischer Art entschieden, die ich für besonders wichtig erachte. Dazu kommen 15 formulierte Grundformen. Den 75 Propagandamethoden, die in diesem Buch analysiert werden, ordne ich jeweils weitere untergeordnete oder ähnliche Methoden zu, kennzeichne sie und erläutere sie kurz, sodass am Ende 115 Methoden propagandistischer Manipulation vorliegen, die ich zur Übersicht sämtlich und mit Verweisen auf Seite 219 aufliste.

Alle diese Techniken finden genauso Anwendung innerhalb der Kriegspropaganda, der Kapitel 4 gewidmet ist. Sie ist die wichtigste Waffe jedes kriegführenden Landes und sogar ganz legitimes Mittel im Rahmen der psychologischen Kriegsführung. Kein Staatsmann eines Volkes, das sich im Kriegszustand befindet, würde jemals freiwillig auf dieses mächtige Instrument verzichten, vor allem im Hinblick auf die eigene Bevölkerung, der er den Krieg immer wieder als notwendig verkaufen muss, und auf die Mütter, die ihre Söhne in den Kampf schicken sollen. Außerdem lässt sich die Kriegspropaganda auch auf den Gegner ausrichten, den man mit manipulierten Daten – etwa Opferzahlen, Erfolgen oder Niederlagen – verwirren will. Letztendlich unterstützt sie auch die Bemühungen, die Sympathie verbündeter oder neutraler Staaten zu gewinnen, von denen man sich moralische Legitimation, finanzielle Hilfe oder Waffenbeistand erhofft. Diese Umstände werden wir anhand der Betrachtung ausgewählter Kriege zwischen 1914 und 2023 eindeutig feststellen können.

Neben der Darstellung der spezifischen Propaganda dieser uns bis heute prägenden militärischen Konflikte werden wir uns allgemein mit der Thematik Kriegspropaganda beschäftigen und einerseits analysieren, ob und welche Unterschiede es zur Staatspropaganda in Friedenszeiten gibt, andererseits untersuchen, wie sich Propagandavoraussetzungen und Kriegsberichterstattung im Laufe der Zeit gewandelt haben. Besonders prägnant wird dabei ein Blick auf die sogenannte psychologische Kriegsführung innerhalb moderner Informationskriege sein. Daneben soll auch herausgearbeitet werden, welche Propagandaformen in Kriegen generell vorherrschend sind, und die Frage erörtert werden, ob es angewandte Methoden gibt, die in jeder kriegerischen Auseinandersetzung ihre Gültigkeit haben und sich so wiederkehrende Muster zeichnen lassen. Hierzu beziehe ich das Konzept der Lügen in Kriegszeiten, das erstmals 1928 vom britischen Pazifisten Arthur Ponsonby mit spezifischem Blick auf den Ersten Weltkrieg herausgestellt und 2004 von der belgischen Historikerin Anne Morelli als Zehn Prinzipien der Kriegspropaganda auf die folgenden Kriege projiziert worden ist, mit ein.6 Über Tafeln und Schaubilder werden diese Prinzipien in sozialen Medien mindestens genauso häufig geteilt wie ein berühmtes Zitat über den Krieg: »Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit.« Nicht ganz klar ist, von wem diese mehreren prominenten Personen in den Mund gelegte Weisheit stammt, die erstmals während des Ersten Weltkriegs in der englischen Presse auftauchte. Meistens wird sie aufgeworfen oder herangezogen, wenn Ausbrüche von Kriegen diskutiert werden. So hat sich in der historischen Forschung gezeigt, dass in zahlreichen bedeutenden militärischen Auseinandersetzungen ein vorgeschobener Grund – oftmals ein tragisches Ereignis mit vielen unschuldigen Toten – als Kriegsanlass genommen worden ist, während sich die eigentlichen Kriegsziele jedoch im Nachhinein als ganz andere herausstellen sollten. Die Radikalform dieser Kriegsanlasslügen wird als False-Flag-Aktion beschrieben, wobei das Militär oder der Geheimdienst des angriffsbereiten Staates durch eine verdeckte Operation ein Unglück oder einen Gewaltakt erst hervorruft und die Verantwortlichkeit dafür demjenigen Land unterjubelt, das angegriffen werden soll. Möglicherweise liegt der Grund dafür, dass heute zu fast allen Kriegen der jüngeren Menschheitsgeschichte Verschwörungstheorien über ihren Ausbruch existieren, darin, dass sich inszenierte Lügen tatsächlich als probate Mittel für das Erzwingen eines Krieges herausgestellt haben. Andererseits zeigt sich regelmäßig nach Beendigung eines bewaffneten Konfliktes auch, dass Unwahrheiten und Übertreibungen, die zu Kriegszwecken eingesetzt worden sind, trotzdem als Mythen aufrechterhalten werden, um vorausschauend Lügen weiterhin als notwendiges Mittel zum richtigen Zweck legitim erscheinen zu lassen. So leisten sich Kritiker und Befürworter einer kriegerischen Auseinandersetzung noch viele Jahrzehnte über ein Kriegsende hinaus hitzige Diskussionen um die eigentliche Wahrheit, die zum Krieg geführt habe. Die Geschichtswissenschaft, die sich auch der Aufklärung von Verbrechen der Vergangenheit gewidmet hat, die weitreichende Folgen in der Gesellschaft hervorgerufen haben, kommt dabei mitunter in Bedrängnis, da einerseits natürlich kritische Fragen immer erlaubt sein müssen, demgegenüber aber Spekulationen unbedingt vermieden werden sollen. Um nicht selbst zu Propagandisten zu mutieren, die möglicherweise versuchen, über False-Flags hinwegzutäuschen oder auf der anderen Seite aus Verschwörungstheorien politisches oder monetäres Kapital zu schlagen, können sich seriöse Historiker nur auf die Faktenlage berufen. So ist eine fingierte Operation, die bewiesen ist, eine False-Flag, während eine Hypothese über eine solche so lange als Verschwörungstheorie gilt, bis Gegenteiliges belegt werden kann. Wir werden uns daher auch mit der Frage beschäftigen, ob und welche Kriegsanlasslügen für die in diesem Kapitel vorgestellten Kriege einen Grund zur militärischen Intervention geliefert haben. Ich werde nicht nur die zeithistorisch bedingten medialen Mittel der einzelnen Konflikte, die Formen der Kriegsberichterstattung und die spezifischen Kennzeichen ihrer jeweiligen Propaganda thematisieren, sondern auch auf ideologische Inhalte und Führungsfiguren eingehen, die bestimmend für die im Fokus stehende Kriegsführung waren. Die einzelnen in Kapitel 3 veranschaulichten Propagandamethoden werde ich dabei nicht mehr an jeder Stelle ausweisen. Sie werden dann in der Lage sein, diese selbst zu erkennen, und können dies gerne auch als angewandte Übung verstehen. Wo es aber besonders wichtig erscheint, hebe ich die entsprechende Methodik hervor.

In Kapitel 5 möchte ich schließlich den aktuellen Krieg in der Ukraine auf Propagandainhalte hin untersuchen. In diesem Zusammenhang bedarf es aussagekräftiger Beispiele dazu, welche Seiten auf welche Art und Weise in dem laufenden, uns alle beeinflussenden Konflikt Propaganda einsetzen, um Menschen zu manipulieren, und wie sie sich jeweils voneinander unterscheidet. Außerdem steht die Kriegsberichterstattung neutraler Staaten, insbesondere in Deutschland, dahingehend zur Diskussion, ob sie objektiv arbeitet oder in Einseitigkeiten verfällt – was, wie wir dann nachgewiesen haben, ebenfalls propagandistisch wäre.

Am Ende der Einführung ins Thema habe ich einen Hinweis in eigener und Ihrer Sache: In aller Deutlichkeit möchte ich festhalten, dass ich Ihnen keine politische Anschauung andienen will, denn andernfalls würde ich selbst propagieren, und der Zweck meines Buches, über Methoden medialer Täuschung generell aufzuklären, wäre verfehlt. Ich möchte Ihnen auch keine Meinung verkaufen, sondern Sie dazu anregen, sich weiterhin Ihre eigene zu bilden, aber ohne dies aus einer Manipulation heraus tun zu müssen. Auch sollten Sie möglichst versuchen, beim Kennenlernen der Propagandamethoden oder bei der Vertiefung Ihres Wissens darüber Ihre Anschauungen weitgehend hintanzustellen, damit es Ihnen umso besser gelingt, Propaganda als Technik entlarven zu können, unabhängig davon, von welcher politischen Seite sie genutzt, von welchem Medium sie verbreitet oder in welchem Land sie zur Anwendung kommt. Und dass sie nur auf der einen Seite vorkäme und auf der anderen gar nicht, das stellt, wie bereits angemerkt, nichts Reales dar, sondern ist höchstens etwas, das Ihnen durch die Propaganda »Ihrer Seite« schon eingeredet worden ist. Zunächst könnten Sie also zumindest in Erwägung ziehen, dass Sie in irgendeiner Form von irgendeiner politischen Seite über irgendein Medium manipuliert worden sind oder werden, ohne dass es Ihnen auffällt. Natürlich sollen Sie unbedingt weiter für Ihre eigenen Überzeugungen und politischen Meinungen streiten. Die Schulung in Propagandatechniken kann Sie dabei in die Lage versetzen, jetzt und in Zukunft noch besser entscheiden zu können, welchen Informationen und Medien Sie dafür trauen möchten. Am besten gelingt das dadurch, dass Sie sich aus vielen unterschiedlichen Quellen ein Gesamtbild formen.