Künstlerische Forschung an Hochschulen und Universitäten -  - E-Book

Künstlerische Forschung an Hochschulen und Universitäten E-Book

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Beschreibung

Der Bereich der künstlerischen Forschung bleibt im Vergleich zu anderen Forschungs- und Lehrtraditionen ein noch sehr neues Feld und eine Inspirationsquelle für die gesamte Forschungslandschaft. Die notwendigerweise große Methodenvielfalt künstlerischer Forschung wirkt an vielen Stellen heute bereits befruchtend für die Entwicklung neuer Forschungspraktiken in verschiedensten Disziplinen. Mit dem Call for Papers der ZFHE für das Themenheft "Künstlerische Forschung", dessen Ergebnisse hier nun vorliegen, wurde vor diesem Hintergrund der Versuch unternommen, Einblicke in diese Forschungs- und Lehrpraxis zu bieten und auszugsweise zu zeigen, welche Projekte, Forschungsabsätze und Lehrformate sich hier gegenwärtig erkennen lassen und mit welchen Mitteln und Zielsetzungen sie operieren.

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Inhalt

Vorwort

Editorial: Künstlerische Forschung an Hochschulen und Universitäten – zwischen Idee, Skizze und Realisierung

Ulf Bästlein, Karen van den Berg, Doris Carstensen, Alexander Damianisch, Julie Harboe, Bettina Henkel, Andre Zogholy

Stürzende Landschaften – von der persönlichen Erfahrung zu kollektiven interdisziplinären Forschungsprojekten

Markus Schwander

Künstlerische Forschung im Bereich Jazz und Popularmusik an der Kunstuniversität Graz

Michael Kahr

Künstlerische Forschung unter Bildungsperspektive: individualisierte Studienprogramme?

Christina Buck, Sandra Hofhues, Johanna Schindler

Lehre als Forschung: Grundlagen der Musikinformatik im künstlerischen Kontext

Julian Rohrhuber

Syllabus for a Course “The History of 20

th

Century Artistic Research”

David Quigley

SCHMERZ VOLL LUST. Das Ausstellungsformat Staging Knowledge in der Lehrer/innenbildung der Universität Innsbruck

Silke Pfeifer

Biografie-Orientierung in der Kunstpädagogik – ein Ansatz Ästhetischer Forschung am Beispiel

Georg Peez

Künstlerische Forschung an der Kunstuniversität Graz – ein Erfahrungsbericht

Wolfgang Hattinger

Freie Beiträge

Neupositionierung von Hochschulrechenzentren als Teil der Community Informatics

Andreas König, Steven Strehl

Geschlechtergerechtigkeit und Sprachpraxis in universitären Lehr-Lern-Kontexten: Ergebnisse eines Lehrforschungsprojektes

Anna Gburzynski, Linda Stolzke, Amadea Strauß, Daniel Fischer, Julia Weitzel

Vorwort

Als wissenschaftliches Publikationsorgan des Vereins Forum neue Medien in der Lehre Austria kommt der Zeitschrift für Hochschulentwicklung besondere Bedeutung zu. Zum einen, weil sie aktuelle Themen der Hochschulentwicklung in den Bereichen Studien und Lehre aufgreift und somit als deutschsprachige, vor allem aber auch österreichische Plattform zum Austausch für Wissenschafter/innen, Praktiker/innen, Hochschulentwickler/innen und Hochschuldidaktiker/innen dient. Zum anderen, weil die ZFHE als Open-Access-Zeitschrift konzipiert und daher für alle Interessierten als elektronische Publikation frei und kostenlos verfügbar ist.

2013 verzeichnete das Portal www.zfhe.at durchschnittlich 2.100 Besucher/innen pro Monat. Gleichzeitig hat sich die Zeitschrift mittlerweile einen fixen Platz unter den hundert besten deutschsprachigen Wissenschaftspublikationen laut Google Scholar Metrics gesichert.

Dieser Erfolg ist einerseits dem international besetzten Editorial Board sowie den wechselnden Herausgeberinnen und Herausgebern zu verdanken, die mit viel Engagement dafür sorgen, dass jährlich mindestens vier Ausgaben erscheinen. Andererseits gewährleistet das österreichische Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft durch seine kontinuierliche Förderung das langfristige Bestehen der Zeitschrift. Im Wissen, dass es die Zeitschrift ohne diese finanzielle Unterstützung nicht gäbe, möchten wir uns dafür besonders herzlich bedanken.

Das vorliegende Themenheft der ZFHE widmet sich unter dem Titel „Künstlerische Forschung an Hochschulen und Universitäten – zwischen Idee, Skizze und Realisierung“ dem noch sehr neuen Feld der künstlerischen Forschung, das durch seine große Methodenvielfalt eine Inspirationsquelle für die gesamte Forschungslandschaft darstellt. Die Beiträge der Ausgabe geben Einblick in die Forschungsund Lehrpraxis sowie in Projekte, Forschungsansätze und Lehrformate künstlerischer Forschung; abgeschlossen wird die Ausgabe durch zwei thematisch freie Beiträge.

Seit der Ausgabe 9/3 ist die ZFHE auch in gedruckter Form erhältlich und beispielsweise über Amazon beziehbar. Als Verein Forum neue Medien in der Lehre Austria freuen wir uns, das Thema „Hochschulentwicklung“ durch diese gelungene Ergänzung zur elektronischen Publikation noch breiter in der wissenschaftlichen Community verankern zu können.

In diesem Sinn wünschen wir Ihnen viel Freude bei der Lektüre der vorliegenden Ausgabe!

Martin Ebner und Stephan Waba

Präsidenten des Vereins Forum neue Medien in der Lehre Austria

Ulf BÄSTLEIN (Graz), Karen VAN DEN BERG (Friedrichshafen), Doris CARSTENSEN1 (Wien), Alexander DAMIANISCH (Wien), Julie HARBOE (Luzern), Bettina HENKEL (Wien) & Andre ZOGHOLY (Linz)

Editorial: Künstlerische Forschung an Hochschulen und Universitäten – zwischen Idee, Skizze und Realisierung

Seit einigen Jahrzehnten lässt sich an Kunsthochschulen wie an wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen eine institutionelle Formierung künstlerischer Forschung ausmachen, die mit einem insgesamt verstärkten Interesse an alternativen Formen der Wissensproduktion einhergeht.2 Denn in den Forschungsmodellen und Wissensordnungen des neuzeitlichen Hochschulsystems spielte stets die Auseinandersetzung mit den Grenzen propositionalen Wissens eine entscheidende Rolle. Heute werden künstlerische Forschungspraktiken und Erkenntnisformen zunehmend als mögliche Wissensformen wahrgenommen und diskutiert. Das mag damit zusammenhängen, dass mehr denn je „ein idiosynkratisches Theorieprofil verlangt [wird], das die Unerklärtheit seines Gegenstandes unterstellt“, wie es der Kulturwissenschaftler Joseph Vogl (2010/2012) formulierte.3

Im Zuge der jüngeren Entwicklungen wurden in den Kunsthochschulen in Kunst-Universitäten transformiert, PhD-Programme für Künstler/innen entwickelt, eigene künstlerische Forschungsinstitute gebildet und internationale Journals zur Kunstforschung mit Peer-Review-Verfahren etabliert. Der Bereich der künstlerischen Forschung bleibt gleichwohl im Vergleich zu anderen Forschungs- und Lehrtraditionen ein noch sehr neues Feld und eine Inspirationsquelle für die gesamte Forschungslandschaft. Die notwendigerweise große Methodenvielfalt künstlerischer Forschung wirkt an vielen Stellen heute bereits befruchtend für die Entwicklung neuer Forschungspraktiken in verschiedensten Disziplinen.

Mit dem Call for Papers der ZFHE für das Themenheft „Künstlerische Forschung“, dessen Ergebnisse hier nun vorliegen, wurde vor diesem Hintergrund der Versuch unternommen, Einblicke in diese Forschungs- und Lehrpraxis zu bieten und auszugsweise zu zeigen, welche Projekte, Forschungsansätze und Lehrformate sich hier gegenwärtig erkennen lassen und mit welchen Mitteln und Zielsetzungen sie operieren. Die ausgewählten Beiträge sind ein kleiner, zeitgebundener Ausschnitt des Jahres 2014. Viele künstlerische Disziplinen und Domänen sind hier nicht vertreten.

Ein Themenheft der ZFHE zur künstlerischen Forschung mit einem speziellen Fokus auf deren Institutionalisierung in den Hochschulen ist ein seit langem gehegter Wunsch im Editorial Board der Zeitschrift, wohl wissend, dass in der künstlerischen Hochschulcommunity bis dato die ZFHE relativ unbekannt ist und nicht das Kernpublikum findet. Bei aller etablierten Kunstforschung bleibt das Format des „Call for Papers“ im Kunstfeld ungewohnt. Das machte die rein quantitativ vergleichsweise schwache Resonanz deutlich. Die Community der künstlerisch Forschenden hat eigene Medien und Orte, virtuell und analog, die in der Tradition des Ausstellens, der Performance und des Diskurses für die Reflexion, Veröffentlichung und den Austausch über künstlerische Forschung gewählt werden. Ob und wo in diesen Veröffentlichungsformaten und -orten konkret nach den Auswirkungen der künstlerischen Forschung im institutionellen Feld der künstlerischen Bildung an Hochschulen gefragt wird, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Die vergleichsweise kleine Zahl der eingereichten und daraus wiederum ausgewählten Beiträge könnte zur Vermutung einladen, dass die Reflexion über die Rolle der künstlerischen Forschung in den Hochschulen noch in den Anfängen steckt. Dieses zunächst überhaupt sichtbar zu machen, scheint in der gegenwärtigen Phase hilfreicher, als vorschnell Lösungen und Definitionen vorzulegen.

Insofern hoffen wir als Gastherausgeber/innen, mit diesem Themenheft einen Impuls für die systematische Beobachtung und Reflexion der Institutionalisierung der künstlerischen Forschung in der Hochschullandschaft setzen zu können. Wenn die Akteurinnen und Akteure es zulassen und fördern, können sich die unverzichtbaren kritischen Communities herausbilden und sich eine Peer Culture aufbauen. Angesichts der institutionellen Bedeutung, die künstlerische Forschungspraxis bereits heute gewonnen hat, ist gerade die kritische Selbstreflexion in einer Peer Culture ein notwendiger nächster Entwicklungsschritt.

Institutionen spielen bei der Formierung von Methoden und theoretischen Reflexionen eine entscheidende Rolle. Sie definieren mit, was künstlerische Forschung ist, was sie soll, was sie vermag. Deshalb wurde im Call zu diesem Themenheft insbesondere nach der institutionellen Praxis gefragt. Gegenwärtig reicht das Verständnis künstlerischer Forschungspraxis von der selbstbewussten Positionierung im Kontext künstlerischer und wissenschaftlicher Institutionen über die Institutionenkritik und künstlerische Diskursfelder bis hin zu einem von Skepsis und Unsicherheit genährten Blick auf die Möglichkeiten und die Reichweite von künstlerischer Forschung. Im ersten Fall ist eine starke Dynamisierung die Folge, die eng an eine Kritik gebunden werden muss, im zweiten Fall verfällt die Chance, neue Forschungskulturen herauszubilden.

Neue Theorie- und Praxisfelder müssen stets erstritten werden. Das vorliegende Themenheft macht den Versuch in diese Richtung. Zunächst jedoch lässt sich im Zusammenhang künstlerischer Forschung eine Theoriefreudigkeit beobachten, die gegenwärtig manchmal fast vergessen lässt, dass die künstlerische Forschung eine Domäne der Künstlerinnen und Künstler ist und diese Arbeit lange Zeit außerhalb der Hochschulen ihren Platz hatte. Dass sich das nun langsam ändert, ist das „unerhörte Ereignis“, über das wir als Gastherausgeber/innen uns freuen!

Die Beiträge

Die Herausgeber/innen haben versucht, die aus dem Review hervorgegangenen Beiträge in eine inhaltlich motivierte Reihung – Projektperspektiven, Lehrentwicklung und Aspekte der Institutionalisierung – zu bringen.

Die ersten beiden Beiträge dokumentieren aktuelle Projekte künstlerischer Forschung im institutionellen Zusammenhang Hochschule. Beide wurden durch peerreviewte wissenschaftliche Forschungsförderungen finanziert und haben sich bereits einem Auswahlprozess gestellt.

Mit seinem Beitrag „Stürzende Landschaften“ legt Markus Schwander einen Erfahrungsbericht über ein kollektives Forschungsprojekt vor, das er gemeinsam mit Florian Dombois, Priska Gisler und Schirin Kretschmann zwischen 2011 und 2013 durchführte. Das vom Schweizer Nationalfonds geförderte Vorhaben untersuchte den steinzeitlichen Bergsturz im schweizerischen Flims. Schwanders bildhauerisches Interesse an den beinahe flüssig anmutenden Gesteinsformationen setzte zunächst den Grundimpuls. Ziel der Forschung, bei der die Entwicklung einer Ausstellung und einer Publikation im Zentrum stand, war es dann, den konkreten Bergsturz durch verschiedene künstlerische Zeigestrategien erfahrbar zu machen. Schwanders Beitrag streicht besonders heraus, dass die Strategien der Sichtbarmachung und die Erkenntnisgenese für die beteiligten Künstler/innen erst aus dem kollektiven Handeln heraus entstanden, und er lässt dabei die Frage bewusst offen, ob die Objekte der Ausstellung als Kunst betrachtet werden sollten.

Dass künstlerische Forschung neue Möglichkeiten und Herausforderungen innerhalb des akademischen Kontexts bietet, zeigt der Beitrag von Michael Kahr, der eine Innensicht des Forschungsprojekts „Jazz & the City: Identität einer Jazz(haupt)stadt“ bietet. Das Projekt wurde unterstützt durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) im Programm für die Erschließung und Entwicklung der Künste (PEEK). Der Beitrag reflektiert konkrete Möglichkeiten und Probleme bei der Umsetzung eines geförderten Forschungsprojekts. Am Beispiel der kooperativen Realisierung von Jazzforschung durch die Institute für Jazz und Jazzforschung an der Kunstuniversität Graz macht der praxisnahe Beitrag deutlich, dass es sich bei künstlerischer Forschung nicht um Zukunftsmusik, sondern längst um ein Faktum handelt – wenngleich künstlerische Forschungsansätze nicht immer explizit als solche ausgewiesen werden.

Nach den Projektdarstellungen richten die folgenden fünf Beiträge ihr Augenmerk auf aktuelle Beispiele für Lehrentwicklungen.

Mit dem Beitrag „Künstlerische Forschung unter Bildungsperspektive: individualisierte Studienprogramme?“ kontextualisieren Christina Buck, Sandra Hofhues und Johanna Schindler (Zeppelin Universität Friedrichshafen) 13 Studienprogramme mit künstlerischem Forschungsbezug an deutschsprachigen Hochschulen. Sie verfolgen Fragen der Verortung von künstlerischer Forschung und fragen, wie sie sich gegenwärtig im institutionellen Bildungskontext gestaltet. Auch beleuchten sie, welche neuen Sichtachsen künstlerische Studienprogramme innerhalb der generellen Diskussionen von pädagogischen Konzepten des forschenden Lernens bieten. Und schließlich wagen die Autorinnen einen Gedankenausflug, indem sie Überlegungen darüber anstellen, welche neuen Ausbildungsstrukturen an Kunsthochschulen entstehen könnten, wenn (künstlerische) Forschung zeitlich früher und im Umfang ausgeprägter in den Studiengängen verankert werden würde.

Ausgehend von einer differenzierten Darstellung des Problemfeldes künstlerische Forschung beschreibt Julian Rohrhuber (Robert Schumann Hochschule Düsseldorf) in seinem Beitrag „Lehre als Forschung: Grundlagen der Musikinformatik im künstlerischen Kontext“ die Bedeutung von künstlerischer Forschung in der Hochschullehre. Überzeugend wird argumentiert, dass die Frage nach den Eigenschaften der künstlerischen Forschung in die Frage nach den Möglichkeiten des Wissens überhaupt mündet. Dies wird als Voraussetzung für einen Prozess der Formierung der Disziplin „Musikinformatik“ gesehen. Dass diese Art des Forschens notwendigerweise die Grenzen von traditioneller – zumeist naturwissenschaftlicher – „Wissenschaftlichkeit“ und „Künstlerischem“ überwindet, hebt der Autor als konstitutiv für eine in der Musikinformatik anzustrebende „Lehre als Forschung“ hervor. Damit könnte ein aktueller Idealtypus einer wissenschaftlichen und künstlerischen Lehre beschrieben sein.

David Quigley von der Merz Akademie Stuttgart ist hier mit seinem Beitrag „Syllabus for a Course ‚The History of 20th Century Artistic Research‘“ vertreten. Er liefert eine ausführliche und umfangreiche Aufbereitung eines Lehrplans und kehrt so die Diskussion um die künstlerische Forschung mit einem inspirierenden Curricumlums(ent)wurf um. Quigley ist zwar nicht der erste, der betont, dass Künstler/innen immer geforscht haben, aber mit seiner History of 20th Century Artistic Research schreibt er gemeinsam mit Studierenden eine praxisbasierte Geschichte, die die forschenden Qualitäten der Kunst an individuellen Beispielen aufzeigt. Auch will er das Experimentelle der Kunst selbst aus einem „art-historiographic understanding“ wiedergewinnen. Quiqley geht von einer „klassischen“ Kunstgeschichte aus, und so wird sein Syllabus zur Geschichte der künstlerischen Forschung als Ausgangspunkt für andere Lehrkonzepte und -veranstaltungen verständlich.

Die beiden folgenden Beiträge stellen Bezugspunkte der künstlerischen Forschung zu pädagogischen Kontexten her. In ihnen spiegelt sich wider, dass sich innerhalb der Kunstpädagogik eher Konzepte ästhetischer Forschung als dominant erweisen und künstlerische Forschung im engeren Sinne hier offenbar noch weniger verbreitet ist.

Das Projekt „Staging Knowledge“ ist Teil eines künstlerisch-wissenschaftlichen PhD-Projektes von Silke Pfeifer an der Kunstuniversität Linz. In ihrem Beitrag „SCHMERZ VOLL LUST. Das Ausstellungsformat Staging Knowledge in der Lehrer/innenbildung der Universität Innsbruck“ präsentiert und analysiert Pfeifer das Format entlang von Materialbeispielen. Projektgegenstand sind themenorientierte Entwicklungen von Ausstellungsdisplays mit Studierenden in der Lehrer/innenausbildung. Der Beitrag gibt einen Einblick in die Projektarbeit mit den Studierenden und unterstreicht das Potenzial kreativer Methoden in der Lehrer/innenbildung. Die Ausführungen entfalten dabei zahlreiche Ansatzpunkte für die Professionalisierung in der künstlerischen Lehrer/innenausbildung – wie etwa die Entwicklung von Forschungskompetenzen und der Fähigkeit, interdisziplinär und fächerübergreifend zu arbeiten. Hierdurch gibt der Beitrag wichtige Impulse für eine bildungspolitische Diskussion rund um die Entwicklung der Lehrer/innenausbildung.

Der Bericht über „Biografie-Orientierung in der Kunstpädagogik – Ein Ansatz Ästhetischer Forschung am Beispiel“ von Georg Peez (Universität Frankfurt) handelt von einem im Sommersemester 2014 umgesetzten Seminarkonzept in der Lehrer/innenausbildung. In diesem Seminar wurde Biografieforschung als ästhetische Forschung betrieben. Der eingereichte Beitrag gab während des Reviewprozesses Anlass dazu, unter den Gutachterinnen/Gutachtern und Herausgeberinnen/Herausgebern und schließlich mit dem Autor darüber zu diskutieren, inwieweit die ästhetische Forschung der Kunstpädagogik auf die künstlerische Forschung verweist und wie die beiden Felder zusammenhängen. Auch wenn der Bericht von Georg Peez diese Frage nicht ins Zentrum stellt, so berührt er doch das Spannungsfeld. In dieser Hinsicht könnte der Werkstattbericht als Praxisanregung dienen, die im Rahmen von künstlerischer Forschung weiterzuentwickeln wäre.

Den Abschluss des Themenhefts bildet ein weiterer Beitrag aus der Kunstuniversität Graz, der sich vor allem mit den geplanten und ungeplanten Folgen der Integration von künstlerischer Forschung in institutionalisierte Bildungsformate befasst. Der Beitrag „Künstlerische Forschung an der Kunstuniversität Graz – ein Erfahrungsbericht“ thematisiert die Einrichtung und den Betrieb des Dr. art.-Studiums. Er ist bewusst als Erfahrungsbericht aus dem direkten Umfeld gehalten. Dabei spiegelt der Beitrag die subjektive Sicht des Mitgründers des Studiums und der Doktoratsschule an der Kunstuniversität Graz – Wolfgang Hattinger – auf den Institutionalisierungsprozess. Die „Auf und Abs“ der langjährigen und zum Teil langwierigen Entwicklungsphase und der komplizierte, auch von Personen geprägte Aufbau der Strukturen werden offen diskutiert. Für die Community der künstlerisch Forschenden selbst bietet der Beitrag einen Einblick in die institutionellen Rahmenbedingungen eines solchen Studiums. Und der „Grazer Weg“ zu einem künstlerisch-wissenschaftlichen Studium könnte anderen Hochschulen als Beispiel dienen, sich eigene Gedanken und Schritte zu überlegen, Ähnliches oder Anderes an den eigenen Häusern zu errichten.

Einladung

Praxis ist immer mehr als ihre Beschreibung, deshalb sei an dieser Stelle abschließend auf die weiteren Möglichkeiten verwiesen, sich im Bereich der künstlerischen Forschung reflexiv und praktisch einzubringen. Einladen möchten wir deshalb insbesondere zu dem Forum, das der Research Catalogue der internationalen Society for Artistic Research (SAR)4 über institutionelle Relevanz eingerichtet hat; die Plattform PARA-Blog der Künstlerischen Forschung in Österreich5 bietet Diskussionen, Publikationen und aktuelle Veranstaltungshinweise; SARN::Swiss Artistic Research Network6 hat seinen Schwerpunkt in den künstlerischen Hochschulen der Schweiz und bietet Projekte/Aktivitäten, Veranstaltungen, Publikationen uvm. Einen europäischen Zugang offeriert das european art research network (EARN)7.

Dank

Das Herausgeber/innenteam dankt Michael Raunig von der Redaktion der ZFHE, der ein neues Format der künstlerischen Verknüpfung im System adaptiert und administriert hat, für seine hervorragende redaktionelle Betreuung. Dank gebührt auch dem Editorial Board der ZFHE, das dem Thema und dem Herausgeber/innenteam das Vertrauen ausgesprochen hat und mit viel Geduld begegnet ist. Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge, ihre Initiative zur Mitgestaltung des Themenheftes und ihr Verständnis sowie ihre Ausdauer während des Reviewprozesses. Viele Gutachter/innen haben an dieser Ausgabe mitgewirkt. Wir freuen uns ganz besonders über ihr Engagement in der Reflexion und im Diskurs mit den Beiträgen. Ihre Sorgfalt und ihre konstruktive Kritik waren für uns Gastherausgeber/innen und die Autorinnen und Autoren außerordentlich wichtig. Danke!

Literaturverzeichnis

Bippus, E. (Hrsg.) (2012). Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens. Zürich: Diaphanes.

Goleman, D. (1996), Emotional Intelligence. Why It Can Matter More than IQ. London: Bloomsbury.

Osborne, P. (2011). Expecting the Unexpected: Beyond the “Horizon of Expectation”. In: M. Hlavajova, S. Sheikh & J. Winder (Hrsg.), On Horizons. A Critical Reader (S. 112-128). Utrecht/Rotterdam.

Shotwell, A. (2001). Knowing Otherwise. Race, Gender, and Implicit Understanding. University Park: Pennsylvania State University Press.

Schiesser, G. (2015). What is at stake – Qu’est ce que l’enjeu? Paradoxes – Problematics – Perspectives in Artistic Research Today. In G. Bast, E. G. Carayannis & D. F. J. Campbell (Hrsg.), Arts, Research, Innovation and Society. ARIS Vol. 1 (S. 197-210). Wien, New York: Springer.

Vogl, J. (2010/2012). Das Gespenst des Kapitals. Zürich.

Das Gastherausgeber/innenteam

Die hier im Editorial aufgeworfenen Fragen und Anmerkungen entstanden aus der Diskussion innerhalb des Herausgeber/innenteams und spiegeln dessen Multiperspektivität. Die Herausgeber/innen kommen aus verschiedenen Bereichen innerhalb und außerhalb der Hochschulen und aus verschiedenen künstlerischen Disziplinen, aus der künstlerischen Lehre und Produktion, ebenso aus der Theorie sowie aus der Hochschulorganisation und -beratung. Nähere Informationen finden Sie – werte Leserin, werter Leser – auf unseren digitalen Referenzseiten.

Univ.Prof. Dr. Ulf BÄSTLEIN || Doktoratsschule für das künstlerische Doktoratsstudium, Kunstuniversität Graz || Leonhardstr. 82-84, A-8010 Graz

www.kug.ac.at

[email protected]

Prof. Dr. Karen VAN DEN BERG || Lehrstuhl für Kunsttheorie und Inszenatorische Praxis, Zeppelin Universität || Am Seemooser Horn 20, D-88045 Friedrichshafen

www.zu.de/vandenberg

[email protected]

Doris CARSTENSEN, MBA || Trainerin/Beraterin, hochschulberatung.at || Schönbrunner Str. 36/40, A-1050 Wien

www.hochschulberatung.at

[email protected]

Foto © Harald Krischanz

Dr.phil. Alexander DAMIANISCH, MAS || Universität für angewandte Kunst Wien, Support Kunst und Forschung || Oskar Kokoschka-Platz 2, A-1010 Wien

www.angewandte.at/support_kf

[email protected]

Foto © Johanna Folkmann

Mag.Art. (DK) Julie HARBOE || Kunsthistorikerin und Kritikerin, Zürcher Hochschule der Künste, FSP Transdisziplinarität || Pfingstweidstrasse 96, CH-8031 Zürich

www.zhdk.ch/?trans/fsp

[email protected]

Foto © Pernille Klemp

Doz.in Mag.a Bettina HENKEL || ]a[ akademie der bildenden künste Wien, Institut für bildende Kunst, Medienlabor/Forschungslabor Film & Fernsehen || Lehargasse 6-8, A-1060 Wien

www.akbild.ac.at

[email protected]

Andre ZOGHOLY || Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz, Kunst. Forschung || Hauptplatz 8, A-4010 Linz

www.ufg.at

[email protected]

1  E-Mail: [email protected]

2  Vgl. SHOTWELL, 2001; GOLEMAN, 1996; BIPPUS (Hrsg.), 2012 und OSBORNE, 2011.

3  VOGL (2010/2012), S. 148. Einen Überblick der aktuellen Problemen und Perspektiven der künstlerischen Forschung bietet SCHIESSER (2015).

4  http://www.societyforartisticresearch.org, http://www.researchcatalogue.net.

5  http://art-based-research.net

6  http://www.sarn.ch/news/

7  http://www.artresearch.eu

Markus SCHWANDER8 (Basel)

Stürzende Landschaften – von der persönlichen Erfahrung zu kollektiven interdisziplinären Forschungsprojekten

Zusammenfassung

Die Praxis von Künstlerinnen und Künstlern fließt produktiv in Forschungsprojekte ein und individuelle Fragestellungen führen zu kollektiven Forschungsergebnissen. Die Verschränkung von persönlich motivierter künstlerischer Arbeit und institutionalisierten interdisziplinären Kollaborationen wird als Chance für die künstlerische Forschung wahrgenommen, wofür die freie Entwicklung von Vorgehensweisen und Themen Voraussetzung ist. In fünf Bildserien wurden verschiedene Ansätze individueller und kollektiver Forschung praktisch erprobt und reflektiert. Machen und Denken gehen dabei Hand in Hand und die individuellen Beiträge können in gemeinsamen Erkenntnissen wiederentdeckt werden.

Schlüsselwörter

Künstlerische Forschung, Serie, Landschaft, Individualität, Forschungsprozess

Collapsing landscapes – From personal experience to collective interdisciplinary research projects

Abstract

Artistic practices flow productively into research projects, and individual questions lead to collective results. The entanglement of personally motivated artistic work and institutionalized interdisciplinary collaboration is seen as an opportunity for artistic research, for which the free development of approaches and topics is required. By producing five series of images, various approaches to individual and collective research were tested and evaluated. Thereby, making and thinking go hand-in-hand, and individual contributions can be rediscovered in mutual knowledge.

Keywords

artistic research, serial, landscape, landslide, individuality, research process

1      Stürzende Landschaften – von der persönlichen Erfahrung zu kollektiven interdisziplinären Forschungsprojekten

Dieser Text ist ein kommentierter Erfahrungsbericht künstlerischer Forschung. Er enthält sowohl persönliche Erlebnisse als auch wissenschaftliche Kommentare. Eine spezifische Arbeitsweise, nämlich das serielle Arbeiten mit Bildern, wird vorgestellt und als Erkenntniswerkzeug zur Diskussion gestellt.

Auch wenn das Ziel der künstlerischen Auseinandersetzung, nämlich Erkenntnis zu gewinnen, das gleiche ist, unterscheidet sich das Arbeiten innerhalb einer Hochschule in verschiedener Hinsicht von der Situation von Künstlerinnen und Künstlern im außerschulischen Kunstbetrieb. Bei den Bilderserien, die in diesem Text besprochen werden, heißt das konkret: Im einen Arbeitsfeld fällte ich alle Entscheidungen selber, es entwickelten sich verschiedene Werkgruppen parallel, sie sind abgeschlossen oder noch in Arbeit und die Finanzierung ist offen. Im Projekt der Hochschule hingegen arbeitete ich in einer Gruppe, wesentliche Entscheidungen wurden kollektiv gefasst, wir waren im Monatslohn bezahlt und das Projekt hatte einen klaren Anfangs- und Endpunkt.

In diesem Hin und Her der Verfahrensweisen versteht sich dieser Text als Plädoyer für eine freie Entwicklung der Themen künstlerischer Forschung in gegenseitiger Diskussion der Beteiligten. Die beschriebenen künstlerischen Beiträge sind alle als Serien zu lesen, wobei sich die Abbildungen als Platzhalter der jeweiligen Links verstehen.

Ausgangslage und Vorgehen in den beschriebenen Untersuchungen folgen denjenigen der Künste.9 Der Autor sieht sich folglich weniger als Erfinder einer neuen künstlerisch-wissenschaftlichen Forschungsrichtung denn als Verteidiger der Kunst in der Forschung und folgt damit der Argumentation des Künstlers Jeremiah Day: „‚Artistic research‘ must be judged by the same terms as art in general. If we disconnect from the traditions and capacities established in the last hundred years, we will throw the baby with the bathwater, and cut off the legs upon we stand.“ (DAY, 2011, S. 20)

2008 verbrachte ich einen Monat als Stipendiat der University of Lethbridge in den kanadischen Rocky Mountains. Dort entdeckte ich die ‚Frank Slide‘, einen etwa hundertjährigen Bergsturz. Das weite Tal des Crowsnest Pass ist in Frank in seiner ganzen Breite mit riesigen Steinblöcken bedeckt, die Kraft, die diese Masse bewegt hat, ist unvorstellbar.

Am 29. April 1903 brach um 4 Uhr morgens eine riesige Masse von Kalkstein vom Gipfel des Turtle Mountain. Sie rutschte den Berg hinunter, zerbarst in Bruchstücke verschiedener Größe – von kleinen Kieseln bis zu haushohen Brocken. Die Felsmasse rollte durch den Fluss, sowohl Wasser als auch darunter liegende Sedimente mittragend, überquerte das Tal und stürzte den gegenüberliegenden Abhang hinauf bis auf eine Höhe von über hundert Metern. Der Bergsturz dauerte vermutlich weniger als hundert Sekunden, aber er begrub alles, was auf dem Weg lag.10 Verschiedenen Berichten zufolge bilden die Felsmassen, wenn sie einmal im Tal angelangt sind, nicht einfach eine großen Schuttkegel, sondern sie scheinen sich richtiggehend zu verflüssigen. Diese Fluidisierung des Materials kann bis heute nicht befriedigend erklärt werden. Verschiedene Theorien sehen Luft, Dampf, Staub oder sogar eine akustische Druckwelle als Suspensionsmittel.11

Physische Einwirkungen eines Materials auf ein anderes sind Grundinteressen der Bildhauerei. Unter dem Eindruck der gewaltigen Skulptur der Frank Slide und den Beschreibungen von damit verbundenen materiellen Vorgängen entstanden Collagen mit in der Bergsturzmasse aufgenommenen Fotos. Zurück in der Schweiz arbeitete ich mit diesem Fotomaterial weiter. 2008 bis 2012 entstand so, mit Unterbrechungen und in mehreren Arbeitszyklen, eine Serie von über 90 Collagen, die als Grundlage für eine Diashow dienten, die erstmals 2012 öffentlich vorgestellt wurde.12 Die Collage erwies sich als geeignetes Mittel der Auseinandersetzung mit dem Bergsturz, können damit doch festgefügte Ordnungen aufgebrochen und die fotografische Perspektive in eine Vielzahl von Ansichten aufgelöst werden.

Abb. 1: The Frank Slide Showhttp://www.researchcatalogue.net/view/100522/100523/0/238

Das Thema und mein Interesse waren aber mit der Arbeit an diesen Collagen nicht erschöpft. Ich wandte mich an die Hochschule der Künste in Bern und gemeinsam mit Florian Dombois, Priska Gisler und Schirin Kretschmann entwickelten wir das Projekt ‚Präparat Bergsturz‘, das dann von 2011 bis 2013, gefördert durch den Schweizerischen Nationalfonds, durchgeführt wurde. Als Untersuchungsobjekt wurde der Bergsturz von Flims ausgewählt, da sich dieser vor etwa 9500 Jahren ereignet hatte und heute nur mit entsprechendem Vorwissen als Bergsturz erkennbar ist. Ziel des Forschungsprojektes war es, den Bergsturz mittels künstlerischer Strategien auf neue Weise sicht- und erfahrbar zu machen. Das Präparieren als Forschungsmethode aus der Naturwissenschaft sollte durch die Kunst angeeignet und entsprechend der Vorgehensweisen und der Tradition, in der die Künste agieren, weiterentwickelt und gerade in Bezug auf ihre poetische Qualität hin eingesetzt werden. Zusammen mit Expertinnen und Experten aus der Geologie, der Kunstgeschichte, der Wissenschaftstheorie und der Architektur wurden sowohl der Bergsturz von Flims als auch das Potential des Präparierens als künstlerische Vorgehensweise vertieft diskutiert.

Bergstürze verändern in kürzester Zeit eine Landschaft radikal. Der Bergsturz von Goldau13, der sich 1806 ereignete, wurde von Johann Caspar Rahm in Bildpaaren dargestellt. Ich übernahm dieses Prinzip eines imaginären Vorher – Nachher für eine Zeichnungsserie, die in momentanen Ruhezuständen die Spannung potentieller Bewegung erzeugt. Der Bergsturz von Goldau ist aber auch ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eine Landschaft präpariert werden kann. Um zu verhindern, dass durch den schnellen Wiederaufbau der Verkehrsinfrastruktur und der Wohngebiete die Bergsturzmasse gänzlich verschwände, wurde in Goldau ein Tierpark eingerichtet, der, umzäunt, die Anhäufung der riesigen Felsbrocken aus der umliegenden Landschaft ausschneidet, isoliert und konserviert.14

Abb. 2: Goldau vorher – nachherhttp://www.researchcatalogue.net/view/100522/100523/759/306

In einem Artikel für die belgische Zeitschrift ‚Deus ex Machina‘ sind einige der Zeichnungen abgebildet. Der Artikel umfasst unterschiedliche individuelle Beiträge der Teammitglieder, zusammengefügt zu einer Text-Bild-Argumentation, die das Thema vorsichtig abtastet und die noch unvereinbaren Ansätze der einzelnen Forscher/innen aufzeigt (DOMBOIS, GISLER, KRETSCHMANN & SCHWANDER, 2011). Diese Art der Zusammenarbeit stellte sich im Weiteren als sehr erfolgreich heraus. Während Diskussionen um eine gemeinsame Intervention in der Bergsturzlandschaft daran scheiterten, dass keine Idee alle Beteiligten zu überzeugen vermochte, erwiesen sich Mechanismen der Zusammenarbeit, in denen ein gemeinsames Gefäß den Beiträgen Einzelner Platz bot, als für das Voranbringen des Projektes entscheidend.

Im Sommer 2012, also etwa in der Mitte der für das Projekt ‚Präparat Bergsturz‘ zur Verfügung stehenden Zeit, eröffnete das Bündner Kunstmuseum Chur eine Ausstellung, in der das Team des Forschungsprojektes auf mehrere Arten beteiligt war. Die Ausstellung, kuratiert von Katharina Ammann, zeigte einen Überblick historischer und zeitgenössischer Arbeiten zum Verhältnis von Bergsturz und Präparat und akzentuierte den Aspekt der ‚konservierten Bewegung‘. Florian Dombois, Schirin Kretschmann und Markus Schwander beteiligten sich mit individuellen Arbeiten. Während Kretschmann Schlamm aus der Bergsturzmasse ins Museum brachte und Dombois mit Hilfe von Karten die Unsichtbarkeit des Bergsturzes simulierte, arbeitete ich an Collagen mit Fotos aus verschiedenen Bereichen der Bergsturzmasse. In der Ausstellung war zudem ein Raum ausgespart, worin die Recherchen der einzelnen Teammitglieder ausgelegt wurden und wo das Team während der Ausstellung intensiv arbeitete. Hörstationen mit Interviews, die die Historikerin Priska Gisler geführt hatte, brachten lokale Geschichten ein. Basis der gemeinsamen Arbeit aber waren Bilder, die sich im ersten Jahr des Projektes angesammelt hatten und die nun gemeinsam auf ihre Relevanz untersucht wurden. Ziel der Diskussion anhand der vorerst ‚unbegrifflichen‘15 Bilder war es, Strategien zu extrahieren, mit denen ‚Präparierungen‘ von Landschaft möglich würden, d. h. Ideen zu entwickeln, wie landschaftliche Phänomene sichtbar gemacht werden könnten. Die Bilder zeigten dabei bekannte Verfahren wie ‚Rahmung‘ oder ‚Einfärbung‘, aber auch Robert Smithsons Asphalt Rumdown von 1969 oder Piero Manzonis Socle du monde von 196216. In gemeinsamer Arbeit wurden Auswahlen getroffen, Bilder geordnet und mit Begriffen versehen, wodurch sich so das gemeinsame Wissen verdichtete.

Zum Forschungsprojekt erschien eine zweibändige Publikation, bestehend aus dem Katalog zur Ausstellung in Chur (AMMANN & GISLER, 2012) und einem zweiten Band, der vom Forschungsteam kollektiv verfasst und herausgegeben wurde. Die in Chur erarbeiteten Kombinationen von Bildern und Begriffen dienten als Grundstock für einen gemeinsamen Beitrag. Einzelne Teammitglieder wählten sich Gruppen von Bildern aus und versahen die Abbildungen mit Kommentaren. Die so entstandenen ‚Fussnoten des Präparierens‘ (DOMBOIS, GISLER, KRETSCHMANN & SCHWANDER, 2013) können als Visualisierung einer komplexen Diskussion gesehen werden. Die Bildserie dient dabei nicht als Illustration, sondern durch sie werden die verhandelten Ideen erkennbar.

8  E-Mail: [email protected]

9  Vgl. hierzu DOMBOIS, BAUER, MAREIS & SCHWAB (2012), S. 4. Die Herausgeber fordern dazu auf, in den verschiedenen Künsten nach Vorgehensweisen zu suchen, die sich zum Forschen eignen. Sie schlagen eine Arbeitsweise vor, „which tries to steer into a direction that is closer to contemporary artistic practices and the challenges they face“.

10 Erzählt nach KERR (1990), S. 6.

11 Vgl. hierzu KÖNIG & HEIERLI (1994).

12 The Frank Slide Show. Bollag – Projektraum und Tony Wüthrch Galerie, Basel, 5. Mai 2012.

13 Vgl. hierzu HÜRLIMANN (2006), S. 79-82.

14 Ausführlicher wird diese Geschichte in den