L.A. Love - Falling Into You - Sarah Robinson - E-Book

L.A. Love - Falling Into You E-Book

Sarah Robinson

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Beschreibung

Glamour, Intrigen und Leidenschaft in Hollywood

Grant Mercers Plan war es, sich aus Ärger herauszuhalten. Doch dann trifft er am Set die umwerfende Sängerin Simone Reynolds - Simone, die die Hauptrolle im Musical Kiss Me, Kate spielt, für das er die Musik komponiert. Beide wissen, dass sie als Arbeitskollegen füreinander tabu sein sollten, aber sie können sich einfach nicht voneinander fernhalten. Simone ahnt dabei nicht, welch düsteres Geheimnis Grant mit sich herum trägt ...

"Fünf-Sterne-Unterhaltung!" Goodreads

Der finale Band der L.A. Love-Reihe von Bestseller-Autorin Sarah Robinson



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Seitenzahl: 282

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

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Epilog

Serienepilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Sarah Robinson bei LYX

Leseprobe

Impressum

SARAH ROBINSON

L. A. Love

FALLING INTO YOU

Roman

Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleißner

Zu diesem Buch

Grant Mercers Plan war es, sich aus Ärger herauszuhalten. Doch dann trifft er am Set die umwerfende Sängerin Simone Reynolds – Simone, die die Hauptrolle im Musical KISS ME, KATE spielt, für das er die Musik komponiert. Beide wissen, dass sie als Arbeitskollegen füreinander tabu sein sollten, aber sie können sich einfach nicht voneinander fernhalten. Simone ahnt dabei nicht, welch düsteres Geheimnis Grant mit sich herumträgt …

Für jede Frau, die entschieden hat, sich selbst an erste Stelle zu setzen.

1

»Das ist aber ein großes Paket«, meinte die junge Frau hinter dem Schreibtisch vor der ausladenden Holztür. Ein neckisches Lächeln spielte um ihre Lippen.

Grant Mercer warf einen Blick auf den Karton in seinen Händen. »Ich bin hier, um Mr Lawson zu sehen«, antwortete er und ignorierte ihre Bemerkung.

Sein unfreundlicher Tonfall ließ sie stutzen, und einen Moment lang hatte er das Gefühl, er sollte sich dafür entschuldigen, dass er so schroff gewesen war, doch dann entschied er sich dagegen. Offen gesagt war ihm schlicht egal, was sie oder irgendjemand von ihm hielt.

»Ihr Name?«, fragte sie, und blickte ihn nach wie vor ernst an. »Sir?«

Er war es mehr als gewohnt, weibliche Aufmerksamkeit zu erregen, wo immer er war, aber es fühlte sich nach wie vor nicht normal an. Durch sein gutes Aussehen – dichtes blondes, welliges Haar, am Hinterkopf zu einem lockeren Knoten gebunden, und tiefgrüne Augen, die stets verrieten, was er gerade empfand – hatte er nie Mangel an Frauen gehabt, wenn er eine wollte. Doch ein Playboy zu sein war nie sein Ding gewesen. Zwar hatte er in der Vergangenheit einiges an Erfahrung gesammelt, aber eigentlich war er eher introvertiert und blieb für sich, wenn möglich.

»Grant Mercer.«

Ihr Gesicht leuchtete auf. »Oh, er erwartet Sie schon, Mr Mercer. Gehen Sie ruhig hinein.«

»Danke.« Grant balancierte den großen Karton auf seinen Armen, fasste dann nach dem Türgriff und betrat das luxuriöse Büro des Filmproduzenten.

Ein Mann mit kurzem braunen Haar und einem Anflug von Bartschatten am Kinn saß an einem großen gläsernen Schreibtisch, hinter sich eine ganze Wand aus Fenstern mit Blick über Los Angeles. Der Mann hob den Kopf und lächelte ihm zu. »Grant Mercer?«

Grant nickte und platzierte seinen Karton auf einen Stuhl in der Nähe. »Das bin ich.«

»Ben Lawson«, stellte der Mann sich vor, stand auf, kam um den Schreibtisch herum auf Grant zu und gab ihm die Hand. »Wie war Ihr Flug von Neuseeland?«

»Tatsächlich überraschend angenehm.« Obwohl das in Wirklichkeit mehr damit zu tun hatte, dass er Neuseeland hinter sich ließ, als damit, dass er nun in den USA war.

»Gut.« Ben deutete auf einen Polsterstuhl seinem Schreibtisch gegenüber. »Machen Sie es sich bequem. Möchten Sie einen Scotch? Whiskey?«

Grant zuckte mit den Schultern. »Was immer Sie haben.« Er wusste, dass er nicht der umgänglichste Typ war, aber er hatte eindeutig vor, für seinen Boss sein bestes Benehmen an den Tag zu legen. Der Mann zahlte ihm eine hohe sechsstellige Summe für kaum einen Monat Arbeit, also wenn das bedeutete, dass er sein übliches Stirnrunzeln gegen ein Lächeln tauschen musste, würde er das verdammt noch mal tun. Er brauchte diesen Job weit dringender, als er zugeben wollte.

Ben nahm eine Glasflasche von einem Barwagen an der Wand. »Also Scotch.«

Eine Minute später kehrte er an den Schreibtisch zurück und reichte Grant das Glas. Grant trank einen Schluck und stellte das Glas dann auf den Tisch, während Ben sich wieder setzte.

»Also, Kiss Me, Kate.« Ben öffnete eine Schublade, holte einen großen Stapel Dokumente heraus und reichte sie Grant. »Hier ist eine Kopie des aktuellen Drehbuches.«

Der Projekttitel stand quer auf der ersten Seite, und Grant blätterte kurz durch und überflog einige der Dialoge. »Das ist ein richtiger Klassiker. Eine moderne Version dieses Musicals wird überwältigend.«

Ben nickte. »Sehe ich genauso. Um ehrlich zu sein, ist es auch ein bisschen ein Leidenschaftsprojekt für mich. Der Schlüssel allerdings, um diesen Film zu einem Hit zu machen, wird die Filmmusik sein. Vor allem wenn man bedenkt, dass wir das Ganze live aufführen werden.«

»Und da komme ich ins Spiel«, antwortete Grant und lächelte zum ersten Mal, seit er den Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hatte. Musik war das, worin er glänzte, und als einer der begehrtesten Filmkomponisten in der Branche hatte er keinen Zweifel daran, dass er diesen Film zu einem Glanzstück machen würde. »Die Melodien und Texte sind ja schon durch die klassische Version und die Broadwayshow vorgegeben, aber wir werden sie mit modernen Beats und Instrumenten unterlegen. Sie werden zu ganz neuen Songs.«

»Darauf zähle ich.« Ben drehte seinen Bildschirm herum, damit Grant daraufblicken konnte. »Ich zeige Ihnen ein paar Aufnahmen von unseren Castingsessions. Die Hauptrollen sind bereits besetzt, und wir arbeiten gerade an der Besetzung der übrigen Figuren. Innerhalb eines Monats werden wir so weit sein, mit den offiziellen Proben zu beginnen.«

»Also brauchen Sie bis dahin die komplett fertige Musik dazu?«

»Denken Sie, dass Sie das hinkriegen?«, fragte Ben. »Die Hintergrundmusik ist sekundär, daher können wir damit bis zur Vorproduktion warten, aber die Songs müssen fertig sein für die Schauspieler und Schauspielerinnen. Die Texte haben sie allerdings schon parat, da sie angewiesen wurden, die klassischen Versionen zu proben.«

»Das ist kein Problem«, versicherte Grant und deutete dann auf den Karton, den er mitgebracht hatte. »Tatsächlich habe ich mehr als die Hälfte startklar. Die Notenausgabe ist schon bereit. Ich würde sehr gern so bald wie möglich mit den Hauptrollen anfangen, um die Schwachstellen abzuarbeiten.«

»Perfekt.« Ben zeigte auf den Bildschirm und klickte »Play« auf das Video, das er aufgerufen hatte. »Das ist unsere weibliche Hauptrolle, Simone Reynolds.«

Aus dem Lautsprecher drang eines der klassischen Lieder aus der Originalversion, ein sanftes und bezauberndes Stück, das durch die Frau, die es sang, noch schöner wurde. »Ihre Stimme ist verblüffend«, meinte Grant. Er fühlte sich von der Stimme angezogen. Es sprach für die Sängerin, die sie besetzt hatten, denn ihr Talent war unvergleichlich.

»Nicht wahr?« Ben sprang zu einer anderen Stelle im Video, begierig, mehr ihres Stimmumfangs bei einem weiteren Lied zu hören. »Sie hat erst vor zwei Wochen den dritten Platz bei American Voice gewonnen. Doch auch wenn sie nicht Erste geworden ist, war sie eindeutig der Publikumsliebling.«

Grant musste zugeben, dass er ein paar Folgen der Staffel im Onlinestream gesehen hatte, und sie war auch seine Favoritin gewesen. Sie sah nicht nur atemberaubend aus und war eine unglaubliche Sängerin, sondern ihre feurige Persönlichkeit war in jeder Szene durchgeschimmert, und das war genau die liebenswerte Persönlichkeit, die die Zuschauer begeisterte. »Das ist tolle PR für den Film.«

Ben nickte. »Der Film ist jetzt schon Gesprächsthema, daher hoffen wir, dass das die Quoten hochtreibt. Doch um offen zu sein, ist Simone die jüngere Schwester meiner Frau.«

Grant schmunzelte, aber die eventuelle Klüngelei konnte er dem Mann nicht vorwerfen. Simone passte eindeutig perfekt für die Rolle und hatte die passende Stimme dazu. Mit ihrem Stimmumfang konnte er definitiv arbeiten, und er war jetzt schon aufgeregt zu sehen, wie weit er sie bringen konnte. »Ich verurteile niemanden. Zumal die Frau wirklich singen kann.«

»Genau«, antwortete Ben. »Kommen Sie. Wir gehen runter ins Studio, und Sie können sich kennenlernen. Sie sollte gerade mit ihrem Stimmtrainer arbeiten.«

Grant stand auf und wollte seinen Karton mit den Notenblättern aufheben.

»Lassen Sie ihn hier. Meine Sekretärin soll ihn in Ihr Büro bringen. Sie werden Ihre Einrichtung lieben – voll eingerichtetes Büro, Studio, schalldichte Kabine, alle möglichen Instrumente, das komplette Programm.«

»Ich kann es kaum erwarten, es zu sehen«, antwortete Grant. Zwar verfügte er über ein traumhaft eingerichtetes Studio in seinem luxuriösen Haus an den Klippen in Neuseeland, wo er die meisten seiner Stücke komponierte, aber es hatte etwas für sich, mit Spitzenequipment zu arbeiten, das ihm eine große Produktionsfirma wie diese bieten konnte. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er für dieses Projekt nicht in Neuseeland hatte bleiben können, selbst wenn er gewollt hätte.

Er versuchte, die Gedanken an diese Dämonen zu verdrängen. Er hatte keine Zeit, daran zu denken, was zu Hause auf ihn wartete.

»Ich bringe Sie nach dem Treffen mit Simone hin«, bestätigte Ben und geleitete ihn aus dem Büro. »Lydia, können Sie Mr Mercers Sachen in sein Büro schaffen?«

Die junge Empfangsdame sprang auf und lächelte Grant zu. »Natürlich, Mr Lawson. Alles, was Mr Mercer braucht.«

Ben schmunzelte, als sie in den Aufzug stiegen. »Ich denke, Sie werden in Hollywood viel Spaß haben, Grant.«

Der grinste, schüttelte aber den Kopf. »Nein, das ist nicht mein Stil.«

»Gut«, antwortete Ben. »Ich mag einen Mann, der seine Arbeit priorisiert. Keine Ablenkung.«

Ironischerweise war die Suche nach Ablenkung der ganze Grund dafür, dass er den Job überhaupt angenommen hatte. »Genau.«

»Allerdings habe ich so meine Frau kennengelernt. Mein erstes Projekt hier bei Shepherd Films, und sie war eindeutig eine Ablenkung«, scherzte Ben, doch sein verliebter Gesichtsausdruck genügte, dass Grant würgen wollte.

»Haben Sie jemanden, der zu Hause auf Sie wartet?«, fragte Ben.

Grant schüttelte den Kopf. »Nur einen Bonsai, den ich bei einem Nachbarn in Pflege gelassen habe, und eine Ex-Frau, die mit meinem besten Freund und allem, was ich besitze, durchgebrannt ist.«

Noch während die Worte aus seinem Mund kamen, wurde ihm klar, wie armselig das klang, aber es war zu spät, um den Satz zurückzunehmen.

Ben räusperte sich. »Das klingt … tut mir leid … nun, äh … Bonsais sind toll.«

Na großartig. Jetzt hielt sein neuer Boss ihn für einen Idioten. Grant wusste nicht einmal, warum er das alles erzählte, aber verdammte Hölle, nun war es raus. »Ich meine, na ja, genau, Bonsais sind toll.«

Der Rest der Aufzugfahrt verlief schweigend, bis sie endlich die Lobby erreichten und zum Counter der Security gingen. Sie stiegen in einen Golfwagen, und Ben fuhr zu einem weitläufigen lagerhausähnlichen Gebäude mit einem Schild daran, auf dem »Studio D« stand. Das ganze Gelände war schockierend groß, und trotz der Tatsache, dass er an Dutzenden Filmen in Hollywood mitgearbeitet hatte, verirrte er sich immer wieder mal in den riesigen Arealen und Studios.

Als Grant das Lagerhaus betrat, fiel ihm sofort auf, dass es voll mit geschäftigen Leuten war, die sich durch den offenen Raum hinweg Dinge zuriefen, während sie hämmerten und aufbauten. Seine Augen wurden groß, als er das ganze Chaos sah, und doch wussten irgendwie alle, was sie zu tun hatten und wohin sie gingen.

»Gerade werden die Kulissen für den Film aufgebaut«, informierte Ben laut über den Krach im Studio hinweg. Er zeigte auf ein paar verschiedene Bereiche und erklärte, welchen Schauplatz jeder darstellen würde, wenn die Dreharbeiten begannen. »Ah, da ist Simone.«

Grant folgte Bens Geste zu einer Frau, die an einem langen Stück weißen Seidenstoffs von den Scheinwerfern hoch oben hing. Kurzes dunkles Haar mit roten Strähnen hob sich von der hellen Seide ab, und Tattoos bedeckten ihren Rücken und einen Arm. Ihr Knie war um den Stoff gehakt, während der Rest von ihr nach unten baumelte und sich in der Luft drehte.

Als sie näher kamen, hörte Grant, wie der Mann, der etwas weiter unter ihr stand, sie anwies, lauter zu singen.

»Wie laut soll ich denn kopfüber noch singen können?«, gab sie unwirsch zurück. »Ich singe den Boden an.«

Grant gab sich Mühe, nicht über ihre bissige Antwort zu lachen. Und er gab sich ebenso große Mühe, zu ignorieren, wie atemberaubend sie aussah in dem engen Gymnastikanzug und den Leggings, die ihre Figur perfekt konturierten. Lange, muskulöse Beine streckten sich über ihre schmale Taille und wohlgerundete Brüste nach oben, und sie anzusehen war ebenso hypnotisch, wie sie singen zu hören.

»Von oben aus«, fuhr der Mann fort und ignorierte ihre Beschwerde.

Sie seufzte und schwang das zweite Bein über den Stoff Richtung Decke, gerade als Ben zu ihr hochrief: »Simone!«

Ihr Bein verharrte in der Bewegung, als ihr Blick sich auf Ben richtete, und plötzlich rutschte sie am Stoff ab. Der Mann unter ihr trat zurück, als wolle er aus dem Weg gehen, damit sie nicht auf ihn fiel.

Grant machte einen Satz nach vorn, streckte die Arme aus und fing sie auf, kurz bevor sie auf den Boden prallte.

»Ah!«, keuchte sie auf, als der Aufprall in seine Arme ihr offensichtlich die Luft aus den Lungen trieb. Sie hustete und hielt sich die Hände an die Brust gedrückt, als er sie mit den Füßen vorsichtig auf den Boden stellte. Große leuchtend braune Augen starrten ihn an, während sie wieder zu Atem kam, und ein sanfter Rotton überzog ihre Wangen.

»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Grant und ignorierte die Tatsache, dass der Typ, der sie trainierte, jetzt erst heraneilte, als würde es ihn doch kümmern.

»Simone, bist du okay?«, fragte er.

»Zurück«, befahl ihm Grant, die Hand immer noch an Simones Taille, während sie ihr Gleichgewicht wiederfand. Grant hätte dem Idioten am liebsten einen Haken verpasst. »Du wolltest sie auf den Boden knallen lassen, verdammt.«

Der Mann hob die Hände, wich aber nicht zurück. »Es ging so schnell! Das ist nicht meine Schuld.«

Grant warf dem Feigling einen durchdringenden Blick zu. »Ich sagte zurück.«

»Okaaaay … Jetzt beruhigen wir uns alle mal«, mischte Ben sich ein und legte Simone eine Hand auf die Schulter. Grant nahm seine Finger fort und überließ Ben das Feld, der sich an Simone wandte. »Simmy, wie geht es dir?«

Sie nickte langsam. »Gut. Ich war nur nicht darauf gefasst, das ist alles.«

Ben runzelte die Stirn und sah immer noch besorgt aus. Er winkte eine Produktionsassistenz heran, die gerade mit Headset vorbeikam. »Hey, bestellen Sie eine Matte für die Zeiten, wenn Ms Reynolds ihre Tuchakrobatik probt.«

»Ben, der ganze Zweck besteht ja darin, keine Sicherheitsmaßnahmen zu benötigen«, wollte Simone widersprechen. »Es geht rein um Talent und Präzision.«

»Wenn Sie erst mal Talent haben, brauchen Sie ja vielleicht keine Matte mehr«, antwortete Grant für Ben.

Ben lachte, aber Simone sah aus, als würde sie ihn gleich ermorden, als sie den Blick auf ihn richtete. »Ich darf Ihnen mitteilen, dass ich das schon seit Jahren praktiziere«, erklärte sie. »Und ich bin sehr gut darin.«

Grant verschränkte die Arme und erwiderte ihren Blick. Er hatte nicht vor, einen Zahltag zu verpassen, den er so dringend brauchte, nur weil die Hauptdarstellerin Todessehnsucht hatte. »Klar, wenn man Sich-fast-zu-Tode-Stürzen nicht mitzählt.«

»Simone, das ist Grant Mercer. Er ist der Komponist für Kiss Me, Kate, und ihr werdet gemeinsam an deinen Gesangsnummern arbeiten.« Ben wies von ihm zu ihr. »Und Grant, das ist Simone Reynolds, unsere Hauptdarstellerin.«

Sie streckte ihm die Hand hin, und ihre roten Strähnen fielen ihr dabei über die Schultern nach vorn. »Nett, Sie kennenzulernen.«

Ihrem Tonfall nach glaubte er keine Sekunde lang, dass sie es irgendwie nett fand, ihn kennenzulernen. Offensichtlich hatte sie die ganze Lebensrettungsaktion ein paar Sekunden zuvor schon vergessen. »Bin entzückt«, antwortete er und schüttelte ihr die Hand. »Und gern geschehen.«

Ihre Nasenflügel bebten, aber sie nickte knapp und hob das Kinn. »Danke fürs Auffangen.«

Er grinste, und ihm war klar, wie schwer ihr das gefallen sein musste. Und obwohl sie sich schon jetzt als enervierend erwies, musste er zugeben, dass er sich langsam darauf freute, mit ihr zu arbeiten. Sie war genau der ungezähmte Geist, den er im Fernsehen gesehen hatte, und nichts machte mehr Spaß, als eine Frau herauszufordern, die ganz sicher keinem Streit aus dem Weg gehen würde.

2

»Er bringt einen buchstäblich zur Weißglut«, erzählte Simone ihrer älteren Schwester Teagan, als sie mit ihr auf dem Spielplatz beisammen stand und ihren beiden Nichten zusah, die um die Gerüste herumrannten und Fangen spielten. »Ich kann nicht glauben, dass Ben ihn zum Dinner eingeladen hat.«

Teagan zuckte mit den Schultern. »Er will nur nett sein. Der arme Kerl kennt hier niemanden, und Aria hat mir erzählt, dass er gerade eine Scheidung durchmacht.«

Simone runzelte die Stirn. »Wirklich?«

»Ja«, antwortete Teagen und winkte dann ihrer Tochter Piper und Arias Tochter Tillie zu, die mittlerweile im Sandkasten spielten. »Piper! Bewirf deine Cousine nicht mit Sand!«

»Du hast mich auch mal gezwungen, Sand zu essen«, erinnerte Simone sie kichernd.

Teagan lachte. »Hoffen wir, dass die Sünden der Mutter nicht genetisch sind«, antwortete sie. »Piper fällt es schwer, sich daran zu gewöhnen, dass Reed nicht da ist. Sie fragt immer nach ihrem Daddy, und das bricht mir das Herz.«

Simone legte ihrer Schwester einen Arm um die Schulter. »Wann kommt er von den Dreharbeiten zurück?«

»Noch einen Monat«, antwortete Teagan seufzend. »Aber wir besuchen ihn nächstes Wochenende in Paris.«

»Das Leben von Schauspielern«, meinte Simone. »Ich weiß gar nicht, wie ihr alle das macht.«

»Hey, du bist jetzt auch Schauspielerin.« Teagan stemmte die Hand in die Hüfte. »Bald jettest du ebenfalls um die Welt.«

»Ich bin eine Sängerin, die nur zufällig in diesem speziellen Projekt schauspielert«, antwortete Simone. »Danach ziehe ich vielleicht zu euch nach New York und singe am Broadway.«

»Zwei Reynolds Sisters am Broadway?« Teagan lachte. »Welt, halt dich fest!«

»Wir könnten eine eigene Show mit uns allen dreien aufziehen. Eine ganze Produktion daraus machen.« Simone kämmte sich mit den Fingern durchs Haar und ließ die lockigen Strähnen um ihr Gesicht fallen. »Wir könnten richtig Kohle verdienen.«

Teagan schüttelte den Kopf. »Aria würde nie nach New York ziehen. Vor allem nicht jetzt, da Mom uns hier braucht.«

Trauer legte sich auf den Moment, als Simone daran dachte, welch schmerzhaften Verlust ihre Familie kürzlich erlitten hatte. Sosehr sie sich freute, Teagan und Piper eine Weile hier in Los Angeles zu haben, so inbrünstig hasste sie den Grund, aus dem sie gekommen waren.

»Gibt es noch etwas, das wir für die Gedenkfeier planen müssen?«, fragte Simone und bückte sich, um eine Pusteblume im Gras zu pflücken. Sie pustete und sah zu, wie die winzigen Samen im Wind davonflogen. Für den Bruchteil einer Sekunde wünschte sie, sie könnte ebenso davonschweben, unbeschwert in die Welt, um neues Leben in neuem Gras zu pflanzen. Ohne den Schmerz und die Verantwortung für ihr Leben, die jetzt auf ihren Schultern lasteten.

Teagan schüttelte den Kopf. »Nein. Dad hatte schon vor seinem Tod alles geplant. Das Ganze ist genau so, wie er es wollte.«

»Er war immer ein vorausplanender Mensch«, meinte Simone.

Nachdem ihr Vater über ein Jahrzehnt durch seine Multiple Sklerose an den Rollstuhl gefesselt gewesen war, war er vor zwei Wochen aufgrund von Komplikationen gestorben. Es kam plötzlich und auch wieder nicht … nicht unerwartet und zugleich schockierend. Dieser Widerspruch hatte etwas an sich, das zu ihrer Familie zu passen schien.

Für den engsten Familienkreis hatte es ein kleines Begräbnis zwei Tage nach seinem Tod gegeben, aber seine Gedenkfeier würde genau einen Monat später stattfinden und war für alle offen. Es war damit zu rechnen, dass eine Menge Leute kommen würden. Obwohl ihr Vater nicht mehr mobil gewesen war, hatte er diverse wohltätige und gemeinnützige Organisationen geleitet und beständig daran gearbeitet, die Welt dereinst als einen besseren Ort zu verlassen. Und genau das hatte er getan.

»Hey, Simmy?« Teagan zog sie zu sich herab auf eine Bank, während sie die beiden Mädchen weiter im Auge behielten. »Kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen?«

»Offensichtlich. Ich kann schweigen wie ein Grab.« Das stimmte tatsächlich. Als Nesthäkchen der Familie wurde sie öfter übersehen, während ihre extrovertierteren Schwestern im Rampenlicht standen. Einerseits hasste sie den Mangel an Aufmerksamkeit, doch zugleich bot ihr dies das Privileg, dass sie viele Geheimnisse hörte und immer im Hintergrund präsent war. Natürlich gab sie nie welche preis, aber ihr gefiel das Wissen, dass Menschen zu ihr kamen, wenn es ihnen wichtig war, dass ihre Geschichten nicht weitergetratscht wurden.

Teagan warf ihr einen Seitenblick zu und schluckte sichtbar. »Ich … ich bin schwanger.«

»Teag!« Simone umarmte ihre Schwester herzlich. »Das ist ja wundervoll!«

»Ich weiß«, antwortete Teagan, doch sie schniefte, und Tränen sammelten sich in ihren Wimpern. »Aber … aber ich weiß es schon seit einem Monat. Ich wusste es, und es war noch so früh, also haben wir gewartet.«

Simone lehnte sich zurück, und die vertraute Schwere legte sich auf ihr Herz. »Du wünschst dir, du hättest es Dad erzählt.«

Einen Moment schwiegen sie und sahen zu, wie Piper Sand auf Tillies Sandburg kippte. Nur wenige Wochen zuvor hatten die zwei kleinen Mädchen auf dem Schoß ihres Großvaters gesessen, während er ihnen Gutenachtgeschichten vorlas. Sie hatten gelacht und waren fröhlich und unbekümmert gewesen, denn niemand hatte gewusst, was passieren würde.

Simone wurde das Herz schwer, als sie daran dachte, dass ihr Vater nie von seinem künftigen Enkelkind erfahren würde. Oder dass er nie die Kinder kennenlernen würde, die sie eines Tages haben würde, oder den Mann, den sie mal heiraten würde. Dass er Hochzeiten und Geburtstage und Schulexamen und alles, was eine Familie zusammenbrachte, nicht mehr erleben würde.

»Ich war noch nicht so weit, Simmy«, flüsterte Teagan und drückte ihre Hand. »Ich dachte, wir hätten mehr Zeit.«

Simone nickte und gab sich Mühe, den Kloß im Hals zu schlucken und die Tränen zu verdrängen, die sie vergießen wollte. Das war nicht ihre Art. Sie war keine, die schnell zu weinen anfing, und sie war ganz bestimmt nicht der Typ, der überall seine Emotionen rausließ. Und doch waren die vergangenen zwei Wochen genau so verlaufen.

Ihr Vater hatte ihr alles bedeutet. Da sie die letzte Tochter war, die noch zu Hause gewohnt hatte, hatte sie eine besondere Beziehung zu ihren Eltern gehabt. Sie hatte mehr Aufmerksamkeit bekommen, mehr Zeit, mehr Gespräche, sowohl mit ihrer Mutter als auch ihrem Vater, und es war eine Phase, die sie wertschätzte. Aber es bedeutete eben auch, dass nun, da er nicht länger da war, eine der Säulen in ihrem Leben urplötzlich verschwunden war. Einer der Menschen, der sie zu der Person geformt hatte, die sie war, war nun … fort.

Plötzlich registrierte sie ein Blitzen aus dem Augenwinkel und drehte sich um, um die Quelle zu finden. Hinter einem Busch am Spielplatzrand reckte sich ein Mann mit einer Kamera hervor. »Fuck. Teag, schau da.«

Ihre Schwester entdeckte den Mann sofort. »Paparazzi. Ich schwöre bei Gott, manchmal hasse ich es, berühmt zu sein.«

»Die könnten ja auch meinetwegen hier sein«, zog Simone sie auf, aber ihr war klar, dass sie viel wahrscheinlicher ihrer Schwester folgten, nachdem Teagan in einer ganzen Reihe Tanzfilme die Hauptrolle gespielt hatte, die schnell zu Kultklassikern geworden waren und sie und Reed vor den bewundernden Augen ihrer Fans zusammengebracht hatten.

Teagan lachte. »Holen wir die Mädchen und gehen nach Hause.«

Simone warf einen Blick auf ihre Uhr. »Denkst du, dass Mom schon auf ist?«

»Ich bezweifle es«, antwortete Teagan. »Sie hat bisher kaum das Bett verlassen. Himmel, ich weiß nicht, ob ich das könnte, falls Reed sterben würde. Du müsstest mich wohl von seinem Grab wegzerren.«

»Ja …«, stimmte Simone zu, obwohl sie zugegebenermaßen nicht wusste, was das für ein Gefühl war. Sie hatte miterlebt, wie ihre Schwestern sich verliebt hatten, und sie liebte ihre Schwager, aber sie verstand nicht annähernd, wie es war, so eng mit einem anderen Menschen verbunden zu sein. »Ich weiß nicht, wie das ist.«

»Was ist mit Peter?«, fragte Teagan. »Du warst doch bis über beide Ohren verliebt in ihn.«

»Das war keine richtige Liebe. Das war ein gebrochenes Herz mit Unfallflucht.« Simone schauderte bei der Erinnerung an den ersten Mann, den sie wirklich zu lieben geglaubt hatte. Stattdessen hatte er sie nur benutzt, um auf seiner Mission, berühmt zu werden, an ihre Agentin zu kommen. Ihre Agentin hatte ihm gesagt, dass sie ihn nicht unter Vertrag nehmen könne, da es einen Interessenskonflikt darstellen würde, mit ihnen beiden zu arbeiten. Darauf hatte Peter beschlossen, dass die Lösung darin lag, mit ihr Schluss zu machen.

Glücklicherweise hatte ihre Agentin sich dennoch geweigert, ihn unter Vertrag zu nehmen.

Die ganze Erfahrung hatte einen üblen Nachgeschmack bei ihr hinterlassen. Vertrauen schien keine Option mehr zu sein – bei jedem Mann, bei dem sie überhaupt über ein Date nachdachte, vermutete sie verborgene Motive. Ihr wurde klar, dass sie nicht wirklich verstand, was verliebt für ein Gefühl war, und sie hatte ganz bestimmt nie etwas in der Art bei Peter oder irgendwem sonst empfunden.

Niemand hatte sie je diesen Funken spüren lassen, diese Intensität, die sie in den Beziehungen ihrer Schwestern oder auch in der ihrer Eltern gesehen hatte. Niemand gab ihr je das Gefühl, es wert zu sein, dass sie an den Rand des Abgrunds trat und alles riskierte für jemanden, der vielleicht … nichts war.

Dieses Feuer war es, das sie mehr als alles wollte.

Urplötzlich ging ihr ein Paar tiefgrüner Augen durch den Kopf, und sie spürte ein Aufflackern von Nervosität im Bauch, als ihre Gedanken zu dem Mann wanderten, der sie gestern mitten im Sturz aufgefangen hatte. Obwohl er sie wütend gemacht hatte, musste sie zugeben, dass seine Rettung »einer Dame in Nöten« sie ein wenig für ihn eingenommen hatte, was sie aber zugleich echt ärgerte, denn sie war ganz der Typ »Ich bin eine Frau, hört meine Stimme«. Doch er hatte nicht gezögert, sich in Gefahr zu begeben, um eine völlig Fremde aufzufangen … und dann hatte sie ihn gesehen.

Wäre ihr nicht schon die Luft weggeblieben, hätte sein Gesicht sie atemlos gemacht. Kräftiges Kinn mit einem Anflug von Bartschatten und dunkelgrüne Augen, die aussahen, als hätten sie bereits eine ordentliche Portion an Herzschmerz gesehen und erlebt … irgendwie war er ebenso durchschaubar wie geheimnisvoll. Nichts an ihm konnte sie genau bestimmen, und doch war sein Gesicht so ausdrucksstark und offenherzig, dass sie das Gefühl hatte, als würde jedermann ihn mit nur einem Blick erfassen.

Sie konnte nicht einmal über seinen Akzent nachdenken, der, wie sie später erfuhr, neuseeländisch war. Die Art, wie er sprach, ließ ihre Haut prickeln und ihr Herz rasen, und sie war sich wirklich nicht sicher, ob sie damit klarkam, ihm ein ganzes Dinner lang zuzuhören.

»Piper! Hör auf, Tillie an den Haaren zu ziehen!« Teagan hob ihre Tochter hoch und setzte sie sich auf ihre Hüfte. »Simmy, kannst du Tillie holen?«

Eilig schob Simone ihre Gedanken an Grant beiseite und tadelte sich selbst dafür, dass sie sich so hatte ablenken lassen, wenn auch nur für einen Moment. Sie hob Arias Tochter auf ihren Arm, und die Schwestern machten sich auf den Weg zurück zum Parkplatz zu Teagans Wagen.

»Also, wie ist der Dresscode für das Dinner heute Abend?«, fragte Simone und versuchte dabei, nicht zu offensichtlich zu klingen.

Teagan warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Die gleichen Sachen, die wir seit zwanzig Jahren jede Woche tragen?«

»Ich weiß.« Simone zuckte mit den Schultern, als sie den Wagen erreichten. Teagan schnallte Piper in ihrem Autositz an, während Simone auf die andere Seite herumging und dasselbe mit Tillie machte. »Aber normalerweise haben wir keine Gäste.«

Okay, das stimmte nicht ganz. Ihre Familie liebte es, jeden Neuankömmling in Los Angeles zum Dinner einzuladen. Tatsächlich waren beim Großteil der wöchentlichen Familiendinner mindestens ein oder zwei Gäste dabei, die nicht zur Familie gehörten.

»Doch.« Teagan war fertig mit Piper und stieg auf der Fahrerseite ein. Plötzlich stutzte sie und drehte sich zu Simone um, die sich gerade auf den Beifahrersitz setzte. »Oooh. Simmy!«

»Was ist?« Simone konnte schon spüren, wie ihr Gesicht leuchtend rot wurde.

Teagan legte den Rückwärtsgang ein und fuhr aus der Lücke. »Schwärmst du etwa für diesen Grant?«

»Nein!« Simone wandte hastig den Blick ab und beschloss, aus dem Fenster die Landschaft zu betrachten, während sie nach Hause fuhren. »Ich wollte doch nur wissen, was ich anziehen soll.«

»Simmy, ich liebe dich, aber du hast mich noch nie gefragt, was du anziehen sollst. Dein Haar hat alle paar Wochen eine andere Farbe, die Hälfte von dir ist voller Tattoos, und deine Garderobe sieht aus, als hätte sich ein ganzer Laden mit Vintageklamotten auf dich übergeben.«

»Oh, halte dich bitte nicht zurück mit deiner Meinung«, antwortete Simone sarkastisch. »Aber ich mag Grant nicht. Er war ein richtiger Idiot gestern. Er hat gesagt, ich hätte kein Talent in Tuchakrobatik.«

Ihre Schwester schwieg einen Moment lang. »Nun, das ist schon irgendwie unhöflich. Du machst das seit Jahren.«

»Danke!« Simone streckte die Hände aus, als sei es genau das gewesen, was sie bereits die ganze Zeit sagte. »Ich bin kein Profi, aber trotzdem verdammt gut.«

»In Ordnung, dann pfeif auf den Typen.« Teagan schenkte ihr ein Lächeln, das verriet, dass sie ihr nicht wirklich glaubte. »Und zieh einfach an, was immer du willst. Wen interessiert, was er denkt?«

Simone nickte. »Natürlich. Genau. Das mache ich.«

Nur dass sie es hasste, dass es sie irgendwo ganz hinten in ihrem Kopf eben doch ein wenig interessierte, was der große, gut aussehende Fremde mit dem faszinierenden Akzent von ihr dachte.

3

»Ich versuche gerade, dich vor dem Gefängnis zu bewahren, Grant«, erklärte sein Anwalt Andrew Wilson am anderen Ende der Leitung. »Du musst schon mit mir zusammenarbeiten. Die Scheidung ist durch, aber deine juristischen Probleme sind noch lange nicht vorbei.«

»Ich gehe nicht in den verdammten Knast«, antwortete Grant wütend ins Telefon, obwohl er wusste, dass das an diesem Punkt eine sehr reale Möglichkeit war. »Hör mal, du bist mein Anwalt. Ich zahle dir einen Haufen Geld, um das aus der Welt zu schaffen. Also schaff es aus der Welt.«

Damit legte er auf und schob das Handy zurück in seine Tasche. Er hatte nicht die Zeit, sich jetzt mit dem riesigen Chaos zu befassen, das er in Neuseeland zurückgelassen hatte. Er hatte einen Job zu erledigen und einen Gehaltsscheck zu kassieren. Das war alles, was dieser Trip nach Los Angeles für ihn bedeutete, ganz ehrlich.

Er setzte sich wieder ans Keyboard und warf einen Blick auf die Uhr. Ihm blieb noch etwas Zeit, bis Ben hier wäre, und dann würden sie zum Dinner zu seinem Haus fahren. Grant konnte immer noch nicht glauben, dass er überhaupt zugesagt hatte, aber wenn der Boss fragte …

Das war gelogen. In Wirklichkeit hatte es ganz und gar nichts damit zu tun, dass Ben ihn gefragt hatte.

Ehrlich gesagt würde er gern Simone wiedersehen, und noch mehr als das wollte er herausfinden, woher sie kam. Er wollte einen Blick erhaschen, wie sie wirklich war, in ihrem Zuhause und bei ihrer Familie, denn die Frau, der er begegnet war, hatte unzählige Mauern um sich errichtet. Aber auf ihrem eigenen Territorium? Er war sicher, dass er dort die wahre Simone zu sehen bekäme, und das wäre nicht nur gut für ihre Zusammenarbeit, sondern er war auch persönlich von der akrobatischen Sängerin fasziniert.

Was seltsam war, denn eigentlich war er nicht annähernd bereit, die Bitterkeit und den Groll beiseitezuschieben, die ihn seit seiner Scheidung erfüllten. Klar, über seine Ehe war er hinweg. Er liebte seine Ex-Frau Serena nicht mehr, und dieser Teil seines Lebens lag längst hinter ihm. Aber hintergangen zu werden von seinem besten Freund und der Frau, die er geliebt hatte? Ganz zu schweigen von dem juristischen Desaster, das sie hinterlassen hatten?

Darüber war er verdammt überhaupt nicht hinweg. Tatsächlich war er deswegen angepisst auf die ganze Welt.

Seine Finger tanzten wütend über die Tasten des Keyboards, und alle paar Momente hörte er kurz auf, um eine neue Note oder einen Akkord in dem Notenblatt neben sich festzuhalten. Darin konnte er sich stundenlang verlieren. Er konnte die Unebenheiten glätten in den Melodien, die er komponierte – doch sobald der Song endete, endete auch sein Frieden.

Eine weitere Stunde verging, bis Grant schließlich von seiner Arbeit aufblickte. Im selben Augenblick klopfte es hinter ihm an die Studiotür.

»Grant?«

Er drehte sich um und sah Simone im Türrahmen stehen, die Hand um die offene Tür gelegt. Sie trug ein kurzes Kleid, schwarz mit pinken Tupfen, und im halblangen Haar hatte sie dazu passend eine einzelne pinke Strähne. Die Locken, die um ihr Kinn wippten, die bloßen Schultern, die die dunklen Umrisse ihrer Tattoos zeigten, die die Hälfte ihres Körpers einnahmen, ließen ihn einen Moment innehalten, um zu erfassen, wie anders sie nun aussah, verglichen mit dem engen Outfit vor einigen Tagen. Alles an ihrem Aussehen und ihrer Kleidung demonstrierte ihre Persönlichkeit, und ihm gefiel, dass sie so offen zeigte, wer sie war.

Schließlich räusperte er sich und grüßte: »Hi.«

Eine sanfte Röte kroch in ihre Wangen, obwohl er ihr ansah, dass sie sich alle Mühe gab, sie zu verbergen. »Ben hat mich gebeten, dich zum Dinner mitzunehmen. Er wurde durch einen Notfall bei der Arbeit aufgehalten.«

Grant nickte, legte seinen Stift hin und stand auf. »Sicher. Ich weiß das zu schätzen.«

»Man muss ja kein Lyft bezahlen, wenn wir alle den gleichen Weg haben«, meinte sie und trat beiseite, damit er neben ihr in den Flur gehen konnte.

»Oder Uber«, fügte er hinzu. »Dort, wo ich in Neuseeland lebe, haben wir noch kein Lyft.«

»Im Ernst? Wie schade.«

Er zuckte mit den Schultern, denn ihn kümmerte es ohnehin nicht. »Ist keine so große Sache.«

»Aus moralischen Gründen nehme ich nur Lyft. Außerdem mag ich mein Leben und habe vor, es zu behalten. Lyft hat tatsächlich Standards für Fahrer.« Simone ging mit ihm hinaus und zeigte auf ihr Auto. »Ich stehe da drüben.«

»Du bist ziemlich eigensinnig, weißt du das?«, meinte er, als sie zum Auto liefen und einstiegen.

Sie schnallte sich an. »Ist das etwas Falsches?«

Grant schüttelte den Kopf. »Nein. Tatsächlich mag ich das irgendwie. Du bist nicht so langweilig und oberflächlich wie Schauspielerinnen in Hollywood es so oft sein können. Die Stadt ist dir nicht zu Kopf gestiegen.«

»Was weißt du denn über Hollywood? Manche sagen, dass die größten sozialen Revolutionen hier ihren Anfang hatten«, widersprach sie und lenkte ihren Wagen auf den Freeway. »Hollywood mag ja ganz Glanz und Glamour sein, aber es hat Substanz.«

»Schätzchen, ich mag aus einem anderen Land kommen, doch ich war oft genug hier in der Gegend, um zu wissen, dass es eine Menge Silikon und Haarspray ist.«