La Fontaines Fabeln - Jean de La Fontaine - E-Book

La Fontaines Fabeln E-Book

Jean de La Fontaine

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Beschreibung

Die sprechenden Tiere in La Fontaines Fabeln bringen Lesespaß für Groß und Klein. Der ab 1668 erschienene Klassiker der französischen Literatur wurde ursprünglich für den Schulunterricht konzipiert – auch heute noch werden die Fabeln in Schulen gelesen und besprochen. La Fontaines Fabeln wirkten jedoch über den Schulunterricht hinaus, indem sie einer literarischen Gattung, die bis dahin lediglich als zweckdienlich angesehen wurde, hohen dichterischen Wert verlieh. In Geschichten wie "Der Fuchs und der Hahn", "Der Esel und der Hund" und "Der Löwe und die Maus" wird durch Witz und Ironie gezeigt, wie man sich in unterschiedlichen Situationen am besten verhält. Dabei sind es meistens die kleineren Tiere, die als kameradschaftliche und aufgeweckte Protagonisten aus den Geschichten eine Lehre ziehen, während die großen Tiere im Hintergrund stehen und symbolhaft die Mächtigen und Reichen darstellen. -

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Jean de La Fontaine

La Fontaines Fabeln

Übersezt von Ernst Dohm

Saga

La Fontaines Fabeln

 

Übersezt von Ernst Dohm

 

Titel der Originalausgabe: Fables

 

Originalsprache: Französisch

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1668, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728154267

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.

Erstes Buch

1. Die Grille und die Ameise

Grillchen, das den Sommer lang

Zirpt' und sang,

Litt, da nun der Winter droht,

Harte Zeit und bittre Not:

Nicht das kleinste Würmchen nur,

Und von Fliegen keine Spur!

Und vor Hunger weinend leise

Schlich's zur Nachbarin Ameise;

Fleht sie an, in ihrer Not

Ihr zu leih'n ein Körnlein Brot,

Bis der Sommer wiederkehre.

»Glaub' mir« sprach's »auf Grillen-Ehre,

Vor dem Erntemond noch zahl'

Zins ich dir und Kapital.«

Ämschen, die, wie manche lieben

Leute, das Verleihen haßt,

Fragt die Borgerin: »Was hast

Du im Sommer denn getrieben?«

»Tag und Nacht hab' ich ergötzt

Durch mein Singen alle Leut'.«

»Durch dein Singen? Sehr erfreut!

Weißt du was? Dann – tanze jetzt!«

2. Der Rabe und der Fuchs

Im Schnabel einen Käse haltend, hockt

Auf einem Baumast Meister Rabe.

Von dieses Käses Duft herbeigelockt,

Spricht Meister Fuchs, der schlaue Knabe:

»Ah! Herr von Rabe, guten Tag!

Wie nett Ihr seid und von wie feinem Schlag!

Entspricht dem glänzenden Gefieder

Nun auch der Wohlklang Eurer Lieder,

Dann seid der Phönix Ihr in diesem Waldrevier.«

Dem Raben hüpft das Herz vor Lust. Der Stimme Zier

Zu künden, tut mit stolzem Sinn

Er weit den Schnabel auf; da – fällt der Käse hin.

Der Fuchs nimmt ihn und spricht: »Mein Freundchen, denkt an mich!

Ein jeder Schmeichler mästet sich

Vom Fette des, der willig auf ihn hört.

Die Lehr' ist zweifellos wohl – einen Käse wert!«

Der Rabe, scham- und reuevoll,

Schwört – etwas spät – daß ihn niemand mehr fangen soll.

3. Der Frosch, der dem Stier an Größe gleichen wollte

Ein Frosch sah einstmals einen Stier,

Des Wuchs ihm ungemein gefallen.

Kaum größer als ein Ei, war doch voll Neid das Tier;

Er reckt und bläht sich auf mit seinen Kräften allen,

Dem feisten Rind an Größe gleich zu sein.

Drauf spricht er: »Schau, mein Brüderlein,

Ist's nun genug? Bin ich so groß wie du?« »O nein!«

»Jetzt aber?« »›Nein!‹« »Doch nun?« »›Wie du dich auch abmatt'st,

Du wirst mir nimmer gleich!‹« Das arme kleine Vieh

Bläht sich, und bläht sich, bis es – platzt.

Wie viele gibt's, die nur nach eitler Größe dürsten!

Der Bürgersmann tät's gern dem hohen Adel gleich,

Das kleinste Fürstentum spielt Königreich,

Und jedes Gräflein spielt den Fürsten.

4. Die beiden Esel

Zwei Esel gehn des Wegs; nur Hafer schleppte der,

Doch jener trug viel Geld zum Amt der Steuern,

Und stolz sich brüstend ob der goldnen Last, der teuern,

Gäb' er um keinen Preis die blanke Bürde her.

Er trabt gewicht'gen Schritts einher,

Hell läßt er tönen sein Geläute.

Da plötzlich naht des Feindes Heer

Und da nach Gold nur ihr Begehr,

Wirft auf das Steuer-Lasttier sich die ganze Meute

Und nimmt es mit als gute Beute.

Freund Langohr leistet Gegenwehr;

Doch schwer verwundet sinkt er hin und seufzt im Sterben:

»Das also ist mein Lohn? O gleißnerische Pracht!

Der schlechten Hafer trug entrinnt jetzt dem Verderben

Und ich, ich sink' in Todes Nacht!«

Da spricht zu ihm sein Freund, der gute:

»Nicht stets sind Würd' und Amt ein Glück, das glaube mir!

Freund, wärest du, wie ich, ein armes Müllertier,

Lägst du nicht hier in deinem Blute.«

5. Der Wolf und der Hund

Ein Wolf, der nichts als Knochen war und Haut –

Dank guter Wacht der Schäferhunde –

Traf eine Dogge einst, die, stark und wohlgebaut,

Glänzenden Fells und feist, just jagte in der Runde.

»Ha!« dachte Meister Isegrimm

» Die so zum Frühstück, wär' nicht schlimm!«

Doch stand bevor ein Kampf, ein heißer,

Und unser Hofhund hatte Beißer,

Gemacht zu harter Gegenwehr.

Drum kommt der Wolf ganz freundlich her

Und spricht ihn an, so ganz von ungefähr,

Bewundernd seines Leibes Fülle.

» Die, lieber Herr, ist's Euer Wille«

Erwiderte der Hund »blüht Euch so gut wie mir!

Verlaßt dies wilde Waldrevier;

Seht Eure Vettern, ohne Zweifel

Nur dürft'ge Schlucker, arme Teufel,

Sie lungern hier umher, verhungert, nackt und bloß!

Hier füttert keiner Euch, Ihr lebt nur – mit Verlaub –

Vom schlechtesten Geschäft, dem Raub.

Drum folgt mir, und Euch winkt – glaubt nur – ein besser Los.«

»Was« sprach der Wolf »hab' ich dafür zu leisten?«

»Fast nichts!« so sagt der Hund. »Man überläßt die Jagd

Den Menschen, denen sie behagt,

Schmeichelt der Dienerschaft, doch seinem Herrn am meisten.

Dafür erhält die nicht verspeisten

Tischreste man zum Lohn, oft Bissen leckrer Art

Hühner- und Taubenknöchlein zart,

Manch andrer Wohltat zu geschweigen!«

Schon träumt der Wolf gerührt vom Glück der Zukunft, und

Ein Tränlein will dem Aug' entsteigen;

Da plötzlich sieht er, daß am Halse kahl der Hund.

»Was ist das?« fragt er. »Nichts!« »Wie? Nichts?« »Hat nichts zu sagen!«

»Und doch?« »Es drückte wohl das Halsband hier mich wund,

Woran die Kette hängt, die wir mitunter tragen.«

»Die Kette?« fragt der Wolf. »Also bist du nicht frei?«

»Nicht immer; doch was ist daran gelegen?«

»So viel, daß ich dein Glück, all' deine Schwelgerei

Verachte! Bötst du meinetwegen

Um den Preis mir 'nen Schatz, sieh, ich verschmäht' ihn doch!«

Sprach's, lief zum Wald zurück flugs und – läuft heute noch.

6. Kalb, Ziege, Schaf und Leu, Als Handelscumpanei

Kalb, Zieg' und Schaf im Bund mit einem stolzen Leu'n,

Als Gründer bildeten in grauer Vorzeit Tagen

Genossenschaftlich sie einen Konsum-Verein,

Gewinn sowie Verlust zu gleichem Teil zu tragen.

Auf dem Gebiet der Geiß fing einst ein Hirsch sich ein.

Zu den Genossen schickt die biedre Zieg' in Eile;

Sie kommen, und der Leu, indem er um sich blickt,

Spricht: »Wir sind vier, drum geht die Beut' auch in vier Teile.«

Zerlegend drauf den Hirsch nach Jägerart geschickt,

Nimmt er das erste Stück für sich, und mit Behagen

Spricht er: »Das kommt mir zu, weil ich, euch zum Gewinn,

Als Leu der Tiere König bin;

Dagegen ist wohl nichts zu sagen!

Von Rechtes wegen fällt mir zu das zweite Stück;

Dies Recht, des Stärkern Recht heißt's in der Politik.

Als Tapferstem wird mir das dritte wohl gebühren!

Wagt einer jetzt von euch das vierte zu berühren,

So würg' ich ihn im Augenblick.«

7. Der Quersack

Einst sprach der Vater Zeus: »An meines Thrones Stufen

Erscheine, was da lebt; und wer sich an Gestalt

Und Wesen zu Beschwer berechtigt und berufen

Vermeint, der red' ohn' Hinterhalt!

Wo's geht, bin ich zu helfen willig.

Du, Affe, sprich zuerst! Schau dir, wie recht und billig,

Die Tiere alle an, vergleich' ihr Angesicht

Und ihre Formen mit den deinen.

Bist du zufrieden?« »Ich?« sprach er »Warum denn nicht?

Ich hab' vier Füße doch wie jene, sollt' ich meinen!

Und mit Vergnügen stets hab' ich mein Bild beschaut.

Allein mein Bruder Bär ist gar zu plump gebaut,

Und keinem Maler sollt' er je zu sitzen wagen!«

Der Bär tritt vor – man glaubt, er wolle sich beklagen;

Doch weit gefehlt! Hört nur, wie seinen Wuchs er rühmt!

Jedoch der Elefant – so schmäht er unverblümt –

Hätt' das am Ohr zu viel, was ihm am Schwanze fehlte;

Unförmlich, massenhaft, sei er der Schönheit bar!

Der Elefant, der sonst sogar

Ein kluges Tier, erschien doch heut als Tor und schmälte,

Daß für sein Maul, das nicht gering,

Der Walfisch sich zu dick erwiese!

Der Ameis' schien die Milb' ein gar zu winzig Ding,

Dagegen wär sie selbst ein Riese!

Zeus schickt sie alle heim, die sich so mild und lind

Selbstlobend kritisiert. Wir Menschen aber sind

Der Toren törichtste, da alle wir im Leben,

Luxscharf für andre, nur für uns stets maulwurfblind,

Uns selber alles, doch dem Nächsten nichts vergeben.

Nie gleichen Blicks hast dein du wie des Andern acht.

Es schuf des höchsten Schöpfers Macht

Als Lumpenvolk uns all', heut wie in frühern Tagen:

Quer auf die Schulter legt' er uns den Bettelsack,

Drin unsrer Sünden Last wir auf dem Rücken tragen,

Doch vorn, uns sichtbar stets, der fremden Fehler Pack.

8. Die Schwalbe und die kleinen Vögel

War einst 'ne Schwalbe, die auf Reisen

Gar viel gelernt. Wer viel und mancherlei gesehn,

Wird auch so manches wohl verstehn.

Sie sah von ferne schon die leichtste Brise kreisen,

Und eh' zum Sturmwind die erwuchs,

Verkündet sie's den Schiffern flugs.

Da nun die Jahreszeit kam, wo der Hanf gesät wird,

Sah einen Landmann sie, der ihn in Furchen streut.

»Das mißfällt mir!« sprach sie. »Ihr Vöglein, seid gescheut!

Ihr dauert mich; denn ich, ich geh', bevor's zu spät wird,

Weit fort und berge mich da, wo ich sicher bin.

Doch ihr – seht ihr die Hand dort hin und her ihn schwingen?

Glaubt mir: 's ist nicht mehr lange hin,

Dann wird, was jetzt sie streut, euch, ach! Verderben bringen.

Da wird zu eurem Fang manch Netz gar meisterlich

Gelegt und mancher Dohnenstrich;

Man stellt euch nach, man legt euch Schlingen.

Dann kommt die Zeit der schweren Not,

Wo euch Gefängnis oder Tod,

Der Käfig oder Bratspieß droht.

Drum rat' ich euch, jetzt wegzufressen

Den Samen. Folgt mir und seid klug!«

Die Vöglein höhnten sie vermessen,

Sie hatten Futters ja genug!

Man sah das Hanffeld grün sich färben.

Da sprach die Schwalbe: »Schnell! Reißt, Halm für Halm, jetzt ab

Das Gras, das jener Same gab;

Sonst bringt es sicher euch Verderben.«

»Unglücksprophet!« schrien sie »Geschwätz'ger Phrasenheld!

Ein schöner Rat, um uns zu retten!

Da tausend Mann wir nötig hätten,

Jetzt kahl zu mäh'n dies ganze Feld!«

Als nun der Hanf in Samen schoß,

Da rief die Schwalb': »O weh!« und schüttelte das Haupt.

»Das böse Kraut! Wie schnell es sproß!

Doch ihr, die ihr bisher noch nimmer mir geglaubt,

Merkt jetzt euch dies: Seht ihr die Fluren

Voll Stoppeln, hat der Mensch sein Feld

Fertig für dieses Jahr bestellt

Und folgt als Feind er euren Spuren,

Stellt Fallen er und Netze fein

Den armen kleinen Vögelein,

Dann hütet euch umherzufliegen!

Dann bleibt zu Haus, vielmehr verlaßt dann diesen Ort,

Wie Kranich, Schnepf' und Storch auf ihren Wanderzügen.

Ach! leider könnt ihr ja nicht fort.

Nicht über Land und Meer, wie wir, zum Flug euch rüsten

Nach fremden Weltteils fernen Küsten!

Drum, glaubt mir, ist für euch die einz'ge Rettung noch,

Euch still zu bergen in ein sichres Mauerloch.«

Die Vöglein, statt der weisen Kunde

Zu lauschen, fingen an zu schwatzen, O und Ach,

Wie der Trojaner Volk, als mit Prophetenmunde

Kassandra einst zu ihnen sprach.

Wie jenen dort, ging's jetzt den Kleinen:

Manch Vöglein seufzte, das in Sklaverei geriet.

Wir glauben immer nur an unser eignes Meinen,

Und sehn den Schaden erst, wenn er uns selbst geschieht.

9. Stadtratte und Landratte

Stadträttlein lud einst zum Feste

Und zu Tisch, auf hoch und fein

Fette Ortolanenreste,

Landrättlein gar höflich ein.

Auf dem türk'schen fein gewebten

Teppich stand das Mahl bereit,

Und die beiden Freunde lebten

Lustig und in Herrlichkeit.

Man genoß in vollen Zügen,

Köstlich mundete der Schmaus;

Plötzlich mitten im Vergnügen

Wurden sie gestört – O Graus!

Klang es nicht, als ob was krachte?

Hei! wie Stadträttlein in Hast

Gleich sich aus dem Staube machte!

Schleunigst folgt ihm nach der Gast.

Blinder Lärm nur war's. Es wandern

Beide wieder in den Saal,

Und Stadträttlein spricht zum andern:

»Setzen jetzt wir fort das Mahl!«

»Danke sehr!« spricht jenes »Morgen

Komm zu mir aufs Land hinaus.

Kann dir freilich nicht besorgen

Dort so königlichen Schmaus.

Einfach nur, doch unbeneidet,

Voller Sicherheit bewußt,

Speis' ich dort. Pfui solcher Lust,

Die durch Furcht mir wird verleidet!«

10. Der Wolf und das Lamm

Des Stärkern Recht ist stets das beste Recht gewesen –

Ihr sollt's in dieser Fabel lesen.

Ein Lamm löscht einst an Baches Rand

Den Durst in dessen klarer Welle;

Ein Wolf, ganz nüchtern noch, kommt an dieselbe Stelle,

Des gier'ger Sinn nach guter Beute stand.

»Wie kannst du meinen Trank zu trüben dich erfrechen?«

Begann der Wüterich zu sprechen –

»Die Unverschämtheit sollst du büßen, und sogleich!«

»Eu'r Hoheit brauchte« sagt das Lamm vor Schrecken bleich

»Darum sich so nicht aufzuregen!

Wollt doch nur gütigst überlegen,

Daß an dem Platz, den ich erwählt,

Von Euch gezählt,

Ich zwanzig Schritt stromabwärts stehe;

Daß folglich Euren Trank – seht Euch den Ort nur an –

Ich ganz unmöglich trüben kann.«

»Du trübst ihn dennoch!« spricht der Wilde. »Wie ich sehe,

Bist du's auch, der auf mich geschimpft im vor'gen Jahr!«

»Wie? Ich, geschimpft, da ich noch nicht geboren war?

Noch säugt die Mutter mich, fragt nach im Stalle.«

»Dein Bruder war's in diesem Falle!«

»Den hab' ich nicht.« »Dann war's dein Vetter! Und

Ihr hetzt mich und verfolgt mich alle,

Ihr, euer Hirt und euer Hund.

Ja, rächen muß ich mich, wie alle sagen!«

Er packt's, zum Walde schleppt er's drauf,

Und ohne nach dem Recht zu fragen,

Frißt er das arme Lämmlein auf.

11. Der Mensch und sein Ebenbild

Für den Herzog de la Rochefoucauld

Es war einmal ein Mann, der, in sich selbst verliebt,

Sich für den schönsten hielt, den alle Lande trügen;

Den Spiegel scheltend, daß entstellt sein Bild er gibt,

Fand er sein Glück darin, sich selber zu belügen.

Um ihn zu heilen, sorgt ein günstiges Geschick,

Daß stets er, wo auch weilt sein Blick,

Der Damen stummen und geheimen Rat muß schauen:

Spiegel in Stub' und Saal, Spiegel ob nah ob fern,

Spiegel in Taschen feiner Herrn,

Spiegel im Gürtel schöner Frauen.

Was tut unser Narziß? Er tut sich selbst in Bann

Und birgt am stillsten Ort sich, den er finden kann,

Wohin kein Spiegel wirft sein trügerisch Gebilde.

Doch durch der Einsamkeit verlassenstes Gefilde

Rieselt ein klarer Silberbach.

Er schaut sich selbst darin, und zürnend ruft er: »Ach,

Ein eitel Trugbild ist's, das mir den Ort verleidet!«

Er gibt sich alle Müh', ihm aus dem Weg zu gehn;

Allein der Bach ist gar so schön,

Daß er nur ungern von ihm scheidet.

Was die Moral der Fabel sei?

Zu allen red' ich; das Sichselbstbetrügen,

Ein Übel ist's, von dem kein Sterblicher ganz frei:

Dein Herz, es ist der Narr, geneigt sich zu belügen;

Der Spiegel, den als falsch zu schelten wir geneigt,

Des Nächsten Torheit ist's, die wir an uns vermissen.

Der Bach, der unser Bild uns zeigt,

Du kennst ihn wohl, man nennt ihn – das Gewissen.

12. Der vielköpfige und der vielschwänzige Drache

Einst pries vor der Höflinge Schar

Frankreichs Gesandter, der in Wien beglaubigt war,

Des eignen Landes Macht vor der des Deutschen Reiches

Ein Deutscher sprach: »Trotz des Vergleiches

Wißt: unsres Kaiser Banner trug

Schon mancher Mann, selbst stark genug,

Tät's not, auf eigne Hand ein Heer zum Kampf zu rüsten.«

Drauf Frankreichs Pascha, fein und klug,

Erwidert: »Als ob wir nicht wüßten,

Was jeder Kurfürst an Soldaten stellen kann!

Das mahnt mich unwillkürlich an

Etwas, das ich erlebt, mag's wunderbar auch klingen.

Ich stand an sichrem Ort, da sah durch einen Hag

Die hundert Häupter ich der Hydra plötzlich dringen.

Mein Blut erstarrt – so etwas mag

Zur Furcht den Tapfersten wohl bringen!

Doch blind war meine Furcht; denn ob der Köpfe Zahl

Drang durch die Hecke nicht einmal,

Geschweige bis zu mir der Leib des Ungeheuers.

Noch dacht' ich dieses Abenteuers,

Da seh' ein zweites Tier, ein vielgeschweiftes, ich,

Das bohrt sein Drachenhaupt, sein einz'ges, durch die Hecken;

Zum zweiten Male fühlt' ich mich

Von Angst erfaßt und starrem Schrecken.

Haupt, Leib und jeder Schweif – Eins brach dem andern Bahn,

So ward der Fortschritt leicht dem Tier, dem ungeheuren.

Seht, ganz so scheint's mir angetan

Mit unsrem Reich und mit dem Euren.«

13. Die Diebe und der Esel

Zwei Diebe prügelten um einen Esel sich,

Den sie geraubt; der wollt' behalten ihn, verkaufen

Wollt' ihn der andre. Jämmerlich

Zerbläut das edle Paar sich drum in blut'gem Raufen.

Ein dritter Spitzbub kommt zum Ort,

Der führt den Meister Langohr fort.

Manch armes Land ist wohl dem Esel zu vergleichen,

Und mancher Fürst aus fernen Reichen,

Wie aus der Walachei, Ungarn und der Türkei,

Den Dieben. Statt der zwei sind's manchmal drei –

Zu häufig nur ist diese Sorte heute!

Doch von dem Kleeblatt fällt oft keinem zu die Beute;

Ein vierter Räuber kommt, ganz jener wert, und – schnapp!

Jagt er das Langohr ihnen ab.

14. Wie Simonides von den Göttern beschützt ward

Drei Dinge gibt's, die nie man hoch genug kann preisen:

Gott, die Geliebt' und seinen Herrn.

Malherbe sagt's einmal, und ich bekenn' mich gern

Zu diesem Ausspruch unsres Weisen.

Wohl kitzelt feines Lob und nimmt die Herzen ein,

Oft ist der Schönen Gunst der Preis für Schmeichelein.

Hört, welch ein Preis dafür von Göttern zu gewinnen.

Simonides fiel's einstmals ein,

'nes Fechters Lob im Lied zu singen. Beim Beginnen

Fand er zu trocken gleich, zu arm den Gegenstand;

Des Ringers Sippe war fast gänzlich unbekannt,

Ein dunkler Ehrenmann sein Vater, erein schlichter

Und dürft'ger Stoff für einen Dichter.

Anfangs sprach der Poet von einem Helden zwar

Und lobte, was an ihm nur irgend war zu loben;

Bald aber schweift' er ab, und zu dem Zwillingspaar

Kastor und Pollux hat er schwungvoll sich erhoben.

Er preist die beiden als der Ringer Ruhm und Hort,

Zählt ihre Kämpfe auf, bezeichnet jeden Ort,

Wo jemals sie gestrahlt im Glanze hellsten Lichtes.

Der beiden Lob – mit einem Wort,

Zwei Drittel füllt es des Gedichtes.

Bedungen hatten ein Talent als Preis die zwei;

Jetzt kommt der Biedermann herbei,

Zahlt ihm ein Drittel nur und sagt ihm frank und frei,

Es würden ihm den Rest Kastor und Pollux zahlen.

»Halt' dich nur an die zwei, die hell am Himmel strahlen!

Allein, daß du nicht meinst, ich sei

Dir gram – besuche mich zu Tisch. Gut sollst du speisen;

Auch die Gesellschaft ist nicht schlecht,

s' ist meine Sippe – ist dir's recht,

So wolle mir die Ehr erweisen.«

Simonides sagt zu; vielleicht befürchtet er,

Außer dem Geld auch noch die Ehre dranzugeben.

Er kommt; man speist, man läßt ihn leben,

Und froh und munter geht es her.

Da meldet ihm ein Sklav', es hätten an der Pforte

Zwei Männer augenblicks zu sprechen ihn begehrt;

Er eilt hinaus, doch bleibt am Orte

Die Sippe schmausend ungestört.

Das Götterzwillingspaar, die er im Lied gepriesen,

Sie sind's, sie bringen ihm die Mahnung jetzt als Lohn:

Forteilen mög' er schnell aus diesen

Unsel'gen Hallen, die mit nahem Einsturz drohn.

Bald war erfüllt die Schreckenskunde:

Ein Pfeiler wankt, einstürzt das Dach,

Das ungestützte, schlägt zugrunde

All Eß- und Trinkgerät und mit furchtbarem Krach

Die Schenken selbst im Festgemach.

Noch mehr: als Rache für die Götter, die geschmähten,

Und den betrogenen Poeten

Zerschmettert beide Bein' ein Balken dem Athleten.

Teils wund, teils arg verstümmelt gar

Kehrt heim der Gäste ganze Schar.

Fama verbreitete die Mär auf ihren Reisen;

Nun doppelt alle Welt, ihm Achtung zu beweisen,

Den Sold des Dichters, der der Götter Liebling war,

Und jedermann aus höhern Kreisen

Ließ jetzt durch ihn für Honorar

In Versen seine Ahnen preisen.

Was lehrt die Fabel uns? Zuerst, mein' ich, daß man

Das Lob der Himmlischen zu weit nie treiben kann;

Ferner, daß mit dem Schmerz und ähnlich ernsten Sachen

Melpomene versteht manch gut Geschäft zu machen;

Endlich, daß unsre Kunst man schätz' ohn' Unterlaß.

Die Großen ehren sich, wenn uns sie Gunst erweisen;

Einst hört' als Freund' und Brüder preisen

Man den Olymp und den Parnaß.

15. Der Tod und der Unglückliche

Stets rief in seiner Not ein armer Mann

Den Tod als Retter an.

»Tod!« rief er »wie so schön erscheinst du dem Elenden!

Komm, eilig komm herbei, mein grausam Los zu enden!«

Der Tod vernimmt's und ist dienstfertig gleich am Ort,

Klopft an die Tür, tritt ein, und, kaum läßt er sich schauen

»Was seh' ich?« ruft der Mann. »Bringt dieses Scheusal fort!

Wie gräßlich ist er! Angst und Grauen

Macht mir sein Anblick! Höre mich,

Komm näher nicht, o Tod! O Tod, entferne dich!«

Mäcenas war ein Mann von Ehre,

Und dieser sagte einst: »Nehmt meine Mannheit ihr,

Ja, wenn ein Krüppel ich ohn' Arm' und Beine wäre,

Nur leben will ich ja! Laßt nur das Leben mir!«

Komm nimmermehr, o Tod! so fleht man stets zu dir.

16. Der Tod und der Holzschläger

Ein armer Arbeitsmann, mit Reisig schwer belastet,

Von seines Bündels und der Jahre Last gedrückt,

Geht schwanken Schritts fürbaß, tief seufzend und gebückt;

Sein Hüttlein hätt' er gern erreicht, bevor er rastet.

Jetzt kann er nicht mehr fort, und tränenfeuchten Blicks,

Die Bürd' ablegend, denkt er seines Mißgeschicks.

Was bot an Freuden ihm bisher sein ganzes Leben?

Kann's einen Ärmern wohl als ihn auf Erden geben?

Oft keinen Bissen Brot und nimmer Ruh noch Rast,

Weib, Kind, der Steuern und der Einquartierung Last,

Frondienst und Gläub'ger ohn' Erbarmen –

des Jammers vollstes Bild zeigt alles dies dem Armen.

Er ruft den Tod herbei; der ist auch gleich zur Stell'

Und fragt, womit er dienen sollte.

»Ach, bitte« spricht er »hilf mir schnell

Dies Holz aufladen! Das ist alles, was ich wollte!«

Tod heilt alle Erdennot;

Aber Leben ist nicht minder

Schön, und: »Besser Not als Tod«

Denken alle Menschenkinder.

17. Der Mann zwischen zwei Lebensaltern und zwei Lebensgefährtinnen

Einer in dem unbequemen

Alter, wo vom Lebensherbst,

Dunkles Haupt, du grau dich färbst,

Dachte dran, ein Weib zu nehmen.

Sein Geldsack war sehr schwer,

Und daher

Auch manche Frau bemüht, ihm zu gefallen;

Doch just darum beeilt sich unser Freund nicht sehr –

Gut wählen ist das Wichtigste von allen.

Zwei Witwen freuten sich am meisten seiner Gunst,

'ne Junge und 'ne etwas mehr Betagte,

Doch die verbesserte, durch Kunst,

Was schon der Zahn der Zeit benagte.

Es schwatzt und lacht das Witwenpaar,

Ist stets bemüht ihn zu ergötzen;

Sie kämmen manchmal ihn sogar,

Um ihm den Kopf zurechtzusetzen.

Die Ältre raubt dann stets ihm etwas dunkles Haar,

Soviel davon noch übrig war –

Viel gleicher dünkt sie sich dadurch dem alten Schatze.

Die Junge zieht mit Fleiß ihm aus das weiße Haar;

Und beide treiben's so, daß unsres Graukopfs Glatze

Bald gänzlich kahl – da wird ihm erst sein Standpunkt klar.

»Viel Dank, ihr Schönen, euch!« spricht er. »Wie gut auch immer

Ich von euch geschoren bin,

Hab' ich doch davon Gewinn;

Denn an Heirat denk' ich nimmer.

Welche ich nähm', stets ging's, wollt' ich nicht ew'gen Zank,

Nach ihrem, nicht nach meinem Kopfe.

'nen Kahlkopf nimmt man nicht beim Schopfe!

Für diese Lehre nehmt, ihr Schönen, meinen Dank.«

18. Der Fuchs und der Storch

Gevatter Fuchs hat einst in Kosten sich gestürzt

Und den Gevatter Storch zum Mittagbrot gebeten.

Nicht allzu üppig war das Mahl und reich gewürzt;

Denn statt der Austern und Lampreten

Gab's klare Brühe nur – viel ging bei ihm nicht drauf.

In flacher Schüssel ward die Brühe aufgetragen;

Indes Langschnabel Storch kein Bißchen in den Magen

Bekam, schleckt Reineke, der Schelm, das Ganze auf.

Doch etwas später lädt der Storch, aus Rache

Für diesen Streich, den Fuchs zum Mahl auf seinem Dache.

»Gern!« spricht Herr Reineke »da ich nach gutem Brauch

Mit Freunden nie Umstände mache.«

Die Stunde kommt; es eilt der list'ge Gauch

Nach seines Gastfreunds hohem Neste,

Lobt seine Höflichkeit aufs beste,

Findet das Mahl auch schon bereit,

Hat Hunger – diesen hat ein Fuchs zu jeder Zeit –

Und schnüffelnd atmet er des Bratens Wohlgerüche,

Des leckern, die so süß ihm duften aus der Küche.

Man trägt ihn auf, doch – welche Pein!

In Krügen eingepreßt, langhalsigen und engen;

Leicht durch die Mündung geht des Storches Schnabel ein,

Umsonst sucht Reineke die Schnauze durchzuzwängen.

Hungrig geht er nach Haus und mit gesenktem Haupt,

Klemmt ein den Schwanz, als hätt' ein Huhn den Fuchs geraubt,

Und läßt vor Scham sich lang' nicht sehen.

Ihr Schelme, merkt euch das und glaubt:

Ganz ebenso wird's euch ergehen.

19. Das Kind und der Schulmeister

Die Fabel hier und ihre Spitze zielt

Auf jene Narren, die stets Reden halten.

Ein Knäblein, das am Seine-Ufer spielt,

Fiel in den Fluß. Des Himmels gnädig Walten

Fügt, daß ein alter Weidenbaum, der hart

Am Ufer stand, des Kindes Rettung ward.

Indes das Kind den Weidenzweig mit Bangen

Erfaßt, kommt ein Schulmeisterlein gegangen.

Das Kind schreit: »Hilfe! Hilf! Ich muß vergehn!«

Auf sein Geschrei bleibt der Magister stehn,

Und mit dem Pathos eines Advokaten

Schilt er den Kleinen: »Seht den Fratzen doch,

Wohin durch seine Dummheit er geraten!

Um solchen Schelm soll man sich kümmern noch!

Die armen Eltern, deren Pflicht im Leben,

Auf solch Gesindel immer acht zu geben!

Sie haben wahrlich einen schweren Stand!«

Sprach's, und drauf setzt den Kleinen er ans Land.

Viel gibt's der Art, wenn auch mit andrem Namen:

Der Schwätzer, Splitterrichter, der Pedant,

Die wohl ihr Bild erkannt in diesem Rahmen –

Unzählbar sind sie wie des Meeres Sand,

Gesegnet hat der Schöpfer ihren Samen.

Die Sorte denkt nur stets zuerst daran,

Der Rede Künste zu entfalten.

Erst rette, Freund, mich aus der Not, und dann,

Dann magst du deine Rede halten!

20. Das Huhn und die Perle

Hühnchen fand an einem Ort

Eine Perl' und trug sofort

Sie zum Juwelier hinüber:

»Glaube, sie hat hohen Preis,

Doch das kleinste Körnchen Mais

Wäre mir bei weitem lieber.«

Eine Handschrift inhaltreich

Erbt' ein Dummkopf, bringt sogleich

Sie zum Antiquar hinüber:

»Wertvoll, hör' ich, soll sie sein,

Doch der kleinste Talerschein

Wäre mir bei weitem lieber.«

21. Die Hornissen und die Bienen

Am Werk erkennt den Meister man.

Ein Honigzellchen war einst herrenlos; Hornissen

Hatten es an sich gerissen,

Bienen machten Anspruch dran.

Vor eine Wespe kam der Streit, die sollt' ihn schlichten;

Allein es ward ihr schwer, nach Fug und Recht zu richten.

Die Zeugen sagten, daß sie um die Zelle her

Geflügeltes Getier, das braun und länglich wär'

Und summte, oft bemerkt. Das sprach wohl für die Bienen;

Allein was half's, da die Kennzeichen ungefähr

Auch den Hornissen günstig schienen?

Die Wespe wußte nun erst recht nicht hin und her,

Und sie beschloß, aufs Neu' die Sache aufzuklären,

'ne Schar Ameisen noch zu hören.

Umsonst! Denn alles blieb, wie's war.

»Auf diese Art wird's nimmer klar!«

Sprach eine Biene, eine weise

»Sechs Monde schleppt sich schon der Streit im alten Gleise,

Und wir sind weiter um kein Haar.

Will sich der Richter nicht beeilen –

's ist höchste Zeit! – verdirbt der Honig uns einstweilen;

Am Ende frißt der Bär ihn gar!

Erproben drum wir jetzt, ohn' Advokatenpfiffe

Und Krimskrams der Juristenkniffe,

Nur durch die Arbeit unsre Kraft!

Dann wird sich's zeigen, wer von uns den süßen Saft

In schöne Zellen weiß zu legen.«

Durch der Hornissen Weig'rung war

Gar bald ihr Unrecht sonnenklar;

Der Bienen Schar gewann den Streit von Rechtes wegen.

O würde jeder Streit doch nur auf diese Art

Entschieden und, wie man im Morgenlande richtet,

Nach dem Buchstaben nicht, nein, nach Vernunft geschlichtet!

Was würd' an Kosten dann gespart,

Statt daß mit endlosen Prozessen

Man jetzt uns zur Verzweiflung treibt!

Wozu? Die Auster wird vom Richter aufgegessen,

Indes für uns die Schale bleibt.

22. Die Eiche und das Schilfrohr

Die Eiche sprach zum Schilf: »Du hast,

So scheint mir, guten Grund, mit der Natur zu grollen:

Zaunköniglein ist dir schon eine schwere Last;

Der Windhauch, der in leisem Schmollen

Des Baches Stirn unmerklich fast

Kräuselt, zwingt dich den Kopf zu neigen,

Indes mein Scheitel trotzt der heißen Sonne Glut,

Gleich hoher Alpenfirn, und nicht des Sturmes Wut

Vermag mein stolzes Haupt zu beugen.

Was dir schon rauher Nord, scheint linder Zephir mir.

Ja, ständst du wenigstens, gedeckt von meinem Laube,

In meiner Nachbarschaft! Dann, glaube,

Gern meinen Schutz gewährt' ich dir,

Du würdest nicht dem Sturm zum Raube.

So aber stehst am feuchten Saum

Des Reichs der Winde du in preisgegebnem Raum.

Sehr ungerecht an dir hat die Natur gehandelt!«

»Das Mitleid« sagt das Rohr »das plötzlich dich anwandelt,

Von gutem Herzen zeugt's; doch sorge nicht um mich!

Glaub', minder drohet mir als dir der Winde Toben;

Ich bieg', ich breche nicht. Bis heut zwar hieltst du dich

Und standst, wie furchtbar sie auch schnoben,

Fest, ungebeugt an deinem Ort.

Doch warten wir es ab!« Kaum sprach sie dieses Wort,

Da, sieh, am Horizont in schwarzer Wolke zeigt sich

Und rast heran, ein Sturmesaar,

Der Schrecken schrecklichster, den je der Nord gebar.

Fest steht der Baum, das Schilfrohr neigt sich.

Der Sturm verdoppelt seine Wut

Und tobt, bis er entwurzelt fällte

Den, dessen stolzes Haupt dem Himmel sich gesellte,

Und dessen Fuß ganz nah' dem Reich der Toten ruht.

Zweites Buch

1. Gegen die Krittler

Gefiel's Kalliope, mir die Gaben zu verleihen,

Die ihren Freunden sonst sie zur Verfügung stellt,

Den Lügen des Äsop wollt' mein Talent ich weihen;

Denn Lüg' und Poesie sind freundlich stets gesellt.

Mich wollte der Parnaß mit solcher Gunst nicht schmücken,

Die diesen Dichtungen verliehe höhern Glanz.

Kühn zwar ist das Bemühn, doch nicht unmöglich ganz –

Ich wage den Versuch, mag's Bessern besser glücken.

Ausstattete bisher gar neu und wundersam

Mit Red' und Gegenred' ich kühnlich Wolf und Lamm;

Noch mehr: es wandelten bei mir, wie ihr gelesen,

Sich Bäum' und Pflanzen um in sprachbegabte Wesen.

Wer, frag' ich, leugnete hier eines Zaubers Spur?

»Ja« hör' ich unsre Krittler sagen

»Wes du dich rühmest als Bravour,

Sind ein paar Kindermärchen nur!«

So wollt Geschichtliches ihr aus der Vorzeit Tagen,

Und zwar in höherm Stil? Hört zu: »Der Troer Heer

Hatt' in zehnjähr'gem Kampf um ihrer Festung Türme

Die Griechen mürb' gemacht, die trotz der tapfern Wehr,

Trotz aller Schlachten, aller Stürme

Noch immer nicht zerstört die Stadt voll Glanz und Pracht;

Da barg ein hölzern Roß – Minerva hat's erdacht –

Ein seltnes Kunstwerk ohnegleichen,

Den listigen Ulyß in seinen breiten Weichen,

Den tapfern Diomed, des Ajax stürm'sche Kraft,

Nebst ihrer ganzen Ritterschaft,

Die heimlich der Koloß nach Troja führt, die Blüten

Der Stadt preisgebend samt den Göttern ihrem Wüten –

'ne Kriegslist, unerhört und wirkungsreich genug,

Um der Erfinder Müh' zu lohnen«

»Halt ein! Halt ein!« so ruft jetzt ein Herr Superklug

»Der Satz ist gar zu lang, man muß den Atem schonen!

Und dann, dein hölzern Roß zumeist

Und deine »Helden lobebären«

Sind doch noch weit seltsamre Mären,

Als wenn ob seiner Stimm' ein Fuchs den Raben preist.

Auch will der hohe Stil dir nicht besonders kleiden.«

Gut! Stimmen wir den Ton herab: »In Liebesleiden

Denkt Amaryllis an Alcipp, und ihre Pein

Säh'n ihre Schäflein, wähnt sie, und ihr Hund allein.

Tircis, die sie erschaut, bleibt hinterm Busche stehen

Und hört die Schäferin zum linden Zephir flehen,

Daß ihre Liebesklagen hold

Er hin zum Liebsten tragen sollt'« – – –

»Halt! Diesen Reim laß ich nicht gelten!«

Ruft plötzlich mein Herr Mäkelbold

»Verfehlt muß seine Form ich schelten

Und etwas dürftig an Gehalt.

Die beiden Verse nimm zurück, sie umzugießen!«

Verdammter Krittler! Schweigst du bald?

Soll meine Fabel ich nicht schließen?

Schlimm wär' es, wollt' so peinlichen

Urteilen sich ein Dichter fügen.

Unselig sind die Kleinlichen:

Sie finden nirgend ein Genügen.

2. Der Rat der Ratten

Ein Kater Namens Rodilard

Wütet so grimmig unterm Volk der Ratten,

Daß keine fast gesehn mehr ward,

So viele sandt' hinab er in das Reich der Schatten.

Der kleine Rest wagt sich, von Angst und Schrecken matt,

Nicht aus dem Loch und ißt sich kaum zur Hälfte satt.

Als einstmals nun der Held auf fernem Dache war,

Galantem Liebesdienst zu frönen,

Da, während er sich baß ergötzt mit seiner Schönen,

Versammelt heimlich sich zum Rat der Ratten Schar,

Was in der Not man wohl beginne!

Der Obmann rät sogleich, begabt mit klugem Sinne,

Daß eine Schelle man befest'ge jedenfalls,

Und zwar in größter Eil', an Rodilardus' Hals,

So daß, wollt' auf die Jagd er ziehen,

Man schon von fern ihn hört und Zeit hat zu entfliehen.

Daß dies das einz'ge Mittel sei,

Darin trat jedermann des Obmanns Meinung bei;

'nen bessern Weg zum Heil wußt' keiner anzusagen.

Allein wie bindet man die Schell' ihm um?

Der spricht: »Ich sollt' es tun? Nein, ich bin nicht so dumm!«

Ein andrer: »Ich kann's nicht!« Ohn' eine Tat zu wagen,

Trennt man sich. Der Versammlungen gar viel

Sah ich, wie diese, ohne Zweck und Ziel,

Nicht nur von Ratten, nein, von weisen Magistraten,

Selbst von geschulten Diplomaten.

Handelt sich's nur um weisen Rat?

An Ratsherrn wird es nie gebrechen.

Doch gilt's entschloßner frischer Tat –

Ja, Freund, dann ist kein Mensch zu sprechen!

3. Der Affe als Richter zwischen Wolf und Fuchs

Einst klagt' ein Wolf, man habe ihn beraubt;

Den Nachbar Fuchs, 'nen Herrn von schlechtem Lebenswandel,

Klagt er des Diebstahls an, an den er selbst nicht glaubt.

Es führten vor des Affen Haupt

In eigener Person die zwei Partein den Handel.

Seit Affendenken saß noch nicht

In so verzwicktem Fall Frau Themis zu Gericht.

Der arme Schiedsmann schwitzt auf seinem Richterstuhle;

Doch durch ihr Schreien hin und her

Mit Schwur und Gegenschwur sah er

Daß alle beid' aus guter Schule.

Er sprach: »Ich kenn' euch zwei viel besser als ihr glaubt,

Und straf' euch beide unverhohlen;

Du, Wölflein, klagst, obgleich dir niemand was geraubt,

Du aber, Füchslein, hast trotz alledem gestohlen.«

Der Richter dachte sich: Wenn aufs Geratewohl

Man einen Schurken straft, so tut man immer wohl.

4. Die beiden Stiere und der Frosch

Zwei Stiere stritten einst um eine junge Kuh

Und auch der Oberherrschaft wegen.

Ein armes Fröschlein seufzt dazu.

»Was geht's dich an?« hat der Kollegen

Ihn einer fragend angequakt.

»Siehst du« sprach jener drauf behende –

»Denn nicht des leid'gen Streites Ende?

Der eine muß hier fort. Vom anderen verjagt,

Beraubt der Herrschaft und des Eigentums an diesen

Ob ihrer fetten Weid' ihm werten blühnden Wiesen,

Wird er nach unsrem Schilf sein Reich verlegen und

Jagt dann mit plumpem Tritt uns in des Wassers Grund,

Erst den, dann den! Der Streit, der zwischen jenen beiden

Um die Frau Kuh entbrannt – wir müssen drunter leiden!«

Er hatte recht: der eine Stier

Barg sich in ihres Schilfes Grunde,

Zu ihrem Leid; das plumpe Tier

Zertrat an zwanzig jede Stunde.

Ja, ja! Man sieht es allezeit:

Der Großen Torheit bringt den Kleinen bittres Leid.

5. Die Fledermaus und die zwei Wiesel

Einst kam 'ne Fledermaus höchst unvorsicht'ger Weise

In eines Wiesels Nest; kaum hat sie Zeit zu ruhn,

Als jenes, das schon längst ergrimmt war auf die Mäuse,

Herbeieilt, um sie abzutun.

»Wie?« sprach's zu ihr »Du wagst vor mir hier zu erscheinen,

Du, deren ganz Geschlecht nur Schaden tut dem meinen!

Bist du nicht eine Maus? Wohl hab' ich dich erkannt;

Verleugn' es nicht, du bist's! Daß ich kein Wiesel wäre!«

»Verzeiht!« sprach zitternd die »Auf Ehre,

Das ist wahrhaftig nicht mein Stand.

Ich, eine Maus? Das kann nur ein Verleumder sagen!

Ein Vogel bin ich unbedingt.

Sieh nur die Flügel, die mich tragen –

Hoch leb', was in die Luft sich schwingt!«

Sie sprach so gut, daß man ihr glaubte,

Und daß das Wiesel ihr erlaubte,

Frei fortzuflattern aus dem Nest.

Nicht lang', und Jungfer Leichtsinn klebte

Bei einem andern Wiesel fest,

Das mit den Vögeln just in Fehd' und Feindschaft lebte,

So daß zum zweitenmal nun in Gefahr sie schwebte.

Die lange Schnauze streckt der Hausherr lüstern vor,

Der, als 'nen Vogel, sie zu leckrem Fraß erkor;

Doch sie verteidigt sich und spricht gar treu und bieder:

»Ein Vogel, ich? Seht her! Nein, das ist nicht mein Fall!

Was macht den Vogel? Das Gefieder!

Maus bin ich. Hoch die Ratzen all'!

Der Teufel hol' die Katzen all'!«

So hat durch schlaues Antwortgeben

Zweimal gerettet sie ihr Leben.

Manch Kluger macht's wie sie: wenn die Gefahr ihm nah,

Schlägt er ein Schnippchen ihr, wechselt die Farb' ein wenig,

Und, je nachdem, ruft er: Hurra

Der Republik! Hurra dem König!

6. Der durch einen Pfeil verwundete Vogel

Tödlich getroffen lag, den Federpfeil im Herzen,

Ein Vogel da; er klagt im Übermaß der Schmerzen

Sein traurig Los: »Ist's nicht ein harter Schicksalsschluß,

Daß man zum eignen Leid die Waffen liefern muß?

Grausamer Mensch! Du nimmst aus unsren Schwingen

Die Federn, die zum Flug die Mordgeschosse bringen!

Doch spotte nicht, du Volk, herzlos und ungerecht;

Denn für ein ähnlich Los wie wir bist du geschaffen:

Die eine Hälfte von Japetos' Geschlecht

Versorgt die andre stets mit Waffen.«

7. Die Hündin und ihre gute Freundin

Frau Hündin, nah' dem Muttersegen

Und ob der süßen Last in großer Wohnungsnot,

Fleht eine Freundin an, die schließlich sich erbot,

Die Hütte ihr zu leihn, die Last drin abzulegen.

Die gute Freundin kehrt nach ein'ger Zeit zurück;

Die Hündin bittet sie um nur noch vierzehn Tage –

Die Kleinen machten grad' ihr mit dem Laufen Plage –

Und sie erhält's im Augenblick.

Auch diese Frist verstreicht; die Freundin kommt vom Lande,

Zurückzufordern Bett und Haus.

Die Hündin aber zeigt die Zähn' ihr und ruft aus:

»Ich ging, wenn du den Mut, mich und die ganze Bande

Gleich an die Luft zu setzen, hättst!«

Die Kleinen waren Riesen jetzt.

Was du 'nem Schurken gibst, du wirst es stets bedauern.

Leihst du ihm was, kannst lange lauern,

Kaum kriegst du's wieder mit Gewalt;

Er wird sich erst verklagen lassen.

Gib einen Finger ihm, und bald

Wird deine ganze Hand er fassen.

8. Der Adler und der Käfer

Der Adler machte Jagd auf Meister Seidenhas',

Der schnell auf eil'ger Flucht in seinen Bau sich rettet.

Als Nachbar neben ihm im Loch ein Käfer saß.

Ob er dort sicher war gebettet?

Weiß nicht? Genug, es duckt Herr Lampe sich hinein.

Doch auf die Freistatt schießt der Adler flugs hernieder;

Der Käfer legte Fürsprach' ein:

»O Fürst der Vögel du mit mächtigem Gefieder,

Ich weiß, ein leichtes ist dir Meister Lampes Mord;

Doch tu mir das nicht an! Willst du Gehör mir geben,

Sieh den Unglücklichen, er bettelt um sein Leben –

Schenk's gnädig ihm! Wo nicht, so töt' auch mich sofort.

Er ist mir Nachbar, Freund gewesen!«

Der Vogel Jupiters erwidert ihm kein Wort;

Er stößt ihn mit dem Flügel fort,

Betäubt ihn, und ohn' Federlesen

Schleppt Meister Lamp' er weg. Der Käfer, wutempört,

Fliegt zu des Adlers Nest; da er ihn nicht getroffen,

Pickt dessen Eier er entzwei, sein liebstes Hoffen –

Kein einziges blieb unzerstört.

Bei seiner Rückkehr schaut der Adler die Zerstörung;

Zum Himmel schreit er laut, wahnsinnig vor Empörung,

Ahnt er doch nicht, an wem er rächen soll die Schmach!

Er stöhnt – die leere Luft hallt seine Klagen nach.

Ganz kinderlos lebt er dies Jahr in Gram und Reue;

Im nächsten baut sein Nest er höher, doch es gab

Der Käfer acht: er kommt und wirft die Brut hinab,

Und Meister Lampes Tod ward so gerächt aufs neue.

Die zweite Trauer war so groß, daß durch den Wald

Sechs Mond' hindurch ihr Echo schallt.

Der einst den Ganymed getragen,

Dem Herrn der Götter naht mit Bitten er und Klagen,

Und in den Schoß des Zeus legt er die Eier jetzt:

Hier sind sie sicher nicht dem Angriff ausgesetzt!

Nun schützt sie Jupiter gewiß schon seinetwegen –

Wer wagt' hier Hand an sie zu legen?

Das kam auch keinem in den Sinn.

Der Feind ersann ein andres Mittel:

Er spritzte etwas Kot auf Jovis neuen Kittel;

Abschütteln will's der Gott und – wirft die Eier hin.

Kaum hat das Unglück er erfahren,

Da droht der Aar dem Zeus, sogleich

Woll' in die Wüst' er gehn, verlassen Hof und Reich

Und der Abhängigkeit Gefahren –

Und was noch mehr der Reden waren.

Stumm hört der arme Zeus ihn an.

Vor seinem Richterstuhl erschien der Käfer dann

Und gab Bericht mit klugem Sinne.

Sein Unrecht machte man dem Adler schließlich klar;

Doch da der beiden Haß ganz unversöhnlich war,

Beschloß der Götterfürst: Es sei die Frist der Minne

Für Adler künftighin, weil's so am besten frommt,

Verlegt auf andre Zeit, wo all das Volk der Käfer,

Dem Murmeltiere gleich, als feste Winterschläfer

Sich birgt und nie zu Tage kommt.

9. Der Löwe und die Mücke

»Elend Insekt, der Erd' Auswurf, willst gleich dich scheren!«

Dies Wort rief einst der Löw' in Wut

Der Mücke zu. Die hatte Mut,

Sofort den Krieg ihm zu erklären.

»Meinst du« sprach sie zu ihm »daß du der König bist,

Soll mich mit Sorg' und Angst erfüllen?

Der Ochs, der noch weit stärker ist,

Ich lenk' ihn doch nach meinem Willen!«

Dem Worte folgt sogleich die Tat:

Zum Angriff gibt sie selbst das Zeichen,

Zugleich Trompeter und Soldat.

Erst sucht sie schlau ihm auszuweichen;

Doch flink um seinen Hals dann schwirrt

Sie, daß der Leu fast rasend wird.

Er schäumt, und Funken sprüht das Aug' des wilden Recken;

Er brüllt, und rings umher erzittert Tal und Berg;

Und dieser allgemeine Schrecken

Ist einer kleinen Mücke Werk.

An hundert Stellen sucht das Mücklein ihn zu necken:

Bald sticht's am Rücken ihn, bald macht's am Maul ihm Pein,

Bald kriecht's ihm in die Nas' hinein.

Nun hat des Löwen Wut erreicht den höchsten Gipfel;

Der unsichtbare Feind, wie triumphiert er jetzt,

Da Klaue nicht noch Zahn, kurz, nicht der kleinste Zipfel

Des schmerzgequälten Tiers mehr heil und unverletzt!

Der arme Leu zerfleischt sich selber, an die Weichen

Schlägt er den mächt'gen Schweif, er schlägt in kind'schem Sinn

Selbst die unschuld'ge Luft. Dies Wüten ohnegleichen

Erschöpft ihn, macht ihn matt, und bald ist er ganz hin.

Ruhmreich kehrt das Insekt zurück aus diesem Kriege,

Und wie zum Angriff erst, so bläst es jetzt zum Siege,

Ihn kündend überall. Da findet's einen Ort,

Wo heimlich lauert eine Spinne;

Es findet auch sein Ende dort.

Was uns die Fabel lehrt, fragst du mit klugem Sinne?

Daß von den Feinden – dies merk' dir zuerst, mein Kind –

Die kleinsten grade oft die allerschlimmsten sind;

Und daß, die mit Erfolg große Gefahr bestehen,

An Kleinem oft zu Grunde gehen.

10. Der mit Schwämmen und der mit Salz beladene Esel

Ein Eseltreiber trieb durchs Land,

Den Führerstab in stolzer Hand,

Ein Rennerpaar mit langen Ohren.

Der eine – Schwämme trug er – lief wie ein Kurier,

Dagegen schlich das andre Tier,

Als wär als Schnecke es geboren;

Beladen war's mit Salz. Das Wanderkleeblatt lief

Durch Berg und Tal, durch Hoch und Tief,

Bis an ein Wasser sie und eine Furt geraten,

Die etwas schwierig zu durchwaten.

Der Treiber, der die Furt oft zu durchreiten pflegt,

Besteigt den, der die Schwämme trägt,

Und läßt voraus den andern wandeln.

Der will nach eignem Kopfe handeln,

Stürzt in ein Loch, doch kommt heraus

Er wieder bald und – reißt dann aus;

Denn kaum war er fünf Schritt geschwommen,

Da war das Salz ganz pitschenaß,

Es schmolz, und Langohr freut sich, daß

Die ganze Last ihm abgenommen.

Kamrad Schwammträger tut's ihm nach im Augenblick,

Wie dem Leithammel folgt die Herde, Stück für Stück:

Ins Wasser taucht, daß ihn die Last nicht weiter hemme,

Er sich, den Reiter und die Schwämme.

Sie tranken alle drei, und um die Wette schier

Trank mit den Schwämmen Mann und Tier.

Bald waren die gefüllten Schwämme

So schwer, daß mitten in dem Fluß,

Erdrückt von ihrer Last, das Tier versinken muß.

Der Treiber gibt in Todesklemme

Dem Esel schon den Abschiedskuß.

Da naht der Retter. Wer? Das tut hier nichts zur Sache;

Genug, wenn man erkennt: es taugt nichts, daß durchaus

Es einer wie der andre mache.

Eben darauf wollt' ich hinaus.

11. Der Löwe und die Ratte

Man soll, so viel man kann, sich alle Welt verpflichten;

Des Kleinern Beistand ist uns oft von großem Wert.

Für diese Wahrheit, durch zwei Fabeln wohl bewährt,

Fehlt's an Beweisen uns mit nichten.

Zwischen des Löwen Tatzenpaar