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1765 wird Emma Lyon als Tochter des Dorfschmieds in Neston, Cheshire, geboren. Doch nur zwei Monate später stirbt ihr Vater und lässt die Familie in schwierigen Verhältnissen zurück. Emma wächst in Armut auf und muss früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Nachdem sie vor Ort keine feste Anstellung findet, nimmt die junge Emma die Postkutsche nach London, wo ihr bemerkenswerter Aufstieg zu internationalem Ruhm beginnt… Emma arbeitet für verschiedene Schauspielerinnen am Dury Lane Theater, bevor sie Tänzerin, Model und später Hostess wird. Ihre Schönheit macht Charles Grenville, den zweiten Sohn des Earl of Warwick, auf sie aufmerksam, der sie zu seiner Geliebten macht. Und der berühmte Maler George Romney möchte Porträts von ihr anfertigen. Als Grenville eine reiche Frau für sich sucht, wird die zwar schöne, aber arme Emma an Sir William Hamilton, den britischen Gesandten in Neapel, vermittelt. Die beiden verlieben sich ineinander und heiraten im September 1791. In Neapel wird Lady Hamilton, wie sie nun heißt, eine enge Freundin von Königin Maria Carolina, der Schwester von Marie Antoinette. Und sie lernt dort Admiral Nelson kennen. Dieses Kennenlernen ist der Beginn einer Liebesbeziehung, die in die Geschichte eingehen wird… In diesem reich gezeichneten Porträt zeichnet Alexandre Dumas den spektakulären Aufstieg und Fall der legendären Schönheit Emma Lyon, spätere Lady Hamilton: eine Frau mit viel Zuneigung und überwältigendem Charme, deren Auge für Gelegenheiten nur von ihrem Hang zu Ausschweifungen und Skandalen übertroffen wurde. Das wunderbar intime und detailreiche Buch erweckt die unvergleichliche Lady Hamilton und die Politik, die Leidenschaften und den Charme ihrer Zeit zum Leben. Dieses ist der zweite von insgesamt sieben Bänden. Die Ausgabe folgt der Übersetzung von August Kretzschmar.
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ALEXANDRE DUMAS
Historischer Roman
in sieben Bänden
BAND 2
***
In der autorisierten Übersetzung vonAugust Kretzschmar
In der Hoffnung, daß Gott meiner Reue und meinerDemut verzeihen wird, schreibe ich die folgenden Seiten.
1. Jänner 1814.
Emma Lyonna, verw. Hamilton.
Lady Hamilton wurde zuerst veröffentlicht im A.Hartleben´s Verlag, Pest/Wien/Leipzig 1866.
Diese Ausgabe wurde aufbereitet und herausgegeben von
© apebook Verlag, Essen (Germany)
www.apebook.de
1. Auflage 2022
V 1.0
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.d-nb.de abrufbar.
Band 2 (eBook)
ISBN 978-3-96130-448-6
Buchgestaltung: SKRIPTART, www.skriptart.de
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Inhaltsverzeichnis
Lady Hamilton
Memoiren einer Favorite
Frontispiz
Widmung
Impressum
BAND 2
Erstes Kapitel.
Zweites Kapitel.
Drittes Kapitel.
Viertes Kapitel.
Fünftes Kapitel.
Sechstes Kapitel.
Siebentes Kapitel.
Achtes Kapitel.
Neuntes Kapitel.
Zehntes Kapitel.
Elftes Kapitel.
Zwölftes Kapitel.
Dreizehntes Kapitel.
Vierzehntes Kapitel.
Fünfzehntes Kapitel.
Sechzehntes Kapitel.
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Zu guter Letzt
Band 2
Nun war ich Sir John Paynes Geliebte. Es beginnt hiermit die Reihe der traurigsten, vielleicht aber nicht der strafbarsten Ereignisse meines Lebens. Ich habe Gott und den Menschen versprochen, sie aufrichtig zu bekennen und ich meide dieses Geständnis mit voller Aufrichtigkeit tun, um zu beweisen, daß ich es als Reuige tue.
Wenn die Reue über einen Fehltritt in dem Herzen nur infolge der materiellen Unannehmlichkeiten oder Vorurteile, die er nach sich zieht, entstünde, so würde mich nichts bewegen, diese, ich will nicht sagen erste Liebe denn wirklich geliebt habe ich nur einmal in meinem Leben wohl aber diese erste Verirrung zu bereuen. Sir John war ein Gentleman, nobel, freigebig, artig, und ich konnte während der fünf oder sechs Monate, welche unser Verhältnis dauerte, nur zufrieden mit ihm sein.
Das kleine Haus in Piccadilly ward mein, und wenn er mich besuchte, was so oft geschah, als die Pflichten seines Dienstes ihm Zeit dazu ließen so sah es aus, als käme er in meine und nicht in seine Behausung. Die Diener und die Equipage standen zu meinen Befehlen und nach dem Respekt, welchen die Diener mir bewiesen, bemaß ich den, welchen der Herr vor mir hatte.
Als ich in den Möbeln meines Zimmers jene neugierige Untersuchung anstellte, welche die Frauen in dem Gemach, welches sie bewohnen, niemals verfehlen vorzunehmen, fand ich in einer mit meiner Namenschiffre gestickten Börse fünf- bis sechshundert Stück Sterling und in einem Etui einen Schmuck von Türkisen und Diamanten.
Von diesem Augenblick an, wo ich einsah, daß dieses Geld für mich bestimmt war, teilte ich es in zwei gleiche Teile: einen für meine Mutter, den andern für mich. Den ersteren schickte ich auch sofort an meine Mutter ab, ohne ihr jedoch zu sagen, wo ich sei und wie ich zu diesem Gelde gekommen wäre.
Jetzt, wo ein trauriges, unglückliches Alter über mich hereinzubrechen droht, gereicht es mir zum Troste, zu bedenken, daß ich auf der Höhe meines Glücks oder meiner Schande niemals auch nur einen Augenblick lang versäumt habe, für das materielle Wohlbefinden der schlichten Frau zu sorgen, der ich dieses Leben verdanke, welches für mich gleichzeitig so glänzend und so schmerzlich war.
Übrigens wäre ich ohne zwei Gedanken, die mich vorzugsweise beschäftigten, vollkommen glücklich gewesen.
Der erste dieser Gedanken war der an meinen unbekannten Romeo, welcher mich sicherlich alle Abende vergebens am Fuße meines Balkons erwartete.
Der zweite war, was wohl Miß Arabella bei ihrer Rückkehr gesagt haben würde, als sie mich nicht mehr in ihrer Wohnung vorfand.
Ich hatte in der Tat eine seltsame Art und Weise, die Personen zu verlassen, welche mir Gutes erzeigt oder erzeigen gewollt eine Art und Weise, die ihnen eine ganz eigentümliche Meinung von mir beibringen mußte.
Einige Tage lang ward ich durch eine Art Scham bewogen, mich in Piccadilly eingeschlossen zu halten. Am dritten Tage empfing ich den Besuch Amys und ihres Bruders. Die äußere Erscheinung beider erweckte in mir die Vermutung, daß sie ebenfalls ihren Anteil an der Freigebigkeit des Commodore genossen hätten.
Endlich brachte Sir John Payne mich so weit, daß ich mich bereit erklärte, auszugehen. Das Theater war immer noch meine herrschende Leidenschaft und er mietete eine Loge im Drury Lane.
Er hatte, um mich dahin zu führen, den Tag gewählt, wo »Hamlet« gegeben ward. Mit einer gewissen Gemütsbewegung hörte ich die Verse, welche er an Bord des »Theseus« zu mir gesprochen, und indem ich mein Schicksal an das Opheliens kettete, folgte ich dem Unglücke der Tochter des Polonius mit ganzer Seele.
Die beiden Wahnsinnsszenen wurden für mich dasselbe, was die Gartenszene und die Balkonszene in »Romeo und Julia« für mich gewesen waren.
Auf dem Nachhausewege sprach ich von weiter nichts, als von Ophelia, ich träumte die ganze Nacht von ihr und wiederholte die mir im Gedächtnis zurückgebliebenen Bruchstücke der betreffenden Verse.
Shakespeares Werke gab es in der kleinen Bibliothek in Piccadilly nicht, wohl aber hatte Sir John sie an Bord des »Theseus«, und da er im Laufe des Tages sich dorthin zu begeben hatte, so versprach er einen meiner Diener mitzunehmen und mir durch diesen den gewünschten Band zu schicken.
Ich erwartete meinen Shakespeare mit derselben Ungeduld, wie eine andere ein goldenes Armband oder einen Perlenschmuck erwartet hätte. Ich riß dem Diener das Buch förmlich aus der Hand, schloß mich in mein Zimmer ein und versenkte mich in diesem Ozean von Poesie.
Am Abend wußte ich die beiden Wahnsinnsszenen auswendig, und da ich mir die bald traurigen, bald heiteren Mienen gemerkt, womit Ophelia ihren Geliebten am St. Valentinstage besucht, oder das Grab ihres Vaters mit Blumen bestreut, so konnte ich mit jenem mimischen Talent, welches ich von jeher gehabt, nicht bloß die Gebärden, sondern auch die Modulationen wiederholen, welche ich am Abend vorher gesehen oder gehört hatte.
Alles dies geschah für mich allein und vor jenem vergoldeten Spiegel, der mir von Dick prophezeit worden.
Es fehlte mir dabei bloß eins, nämlich ein passendes Kostüm. Das Opheliens war indessen sehr leicht herzustellen, da es ja bloß in einem langen weißen Gewand besteht.
Ich beschloß mir die Befriedigung dieser Grille zu gestatten. Abends beim Souper bat ich Sir John um die Erlaubnis, den nächstfolgenden Tag auszugehen.
Erstaunt sah er mich an.
»Sie bitten mich um Erlaubnis?« sagte er zu mir. »Glauben Sie denn erst meiner Erlaubnis zu bedürfen, wenn Sie ausgehen wollen?«
»Nein,« sagte ich, »aber dennoch wäre ich nicht ausgegangen, ohne es Ihnen zu sagen.«
»Nun, da Sie dies einmal wollen, so setzen Sie vielleicht auch Ihrem Vertrauen die Krone auf, indem Sie mir sagen, warum Sie ausgehen wollen.«
»Ich will Kleiderstoffe einkaufen,« antwortete ich.
»Warum wollen Sie damit nicht Ihre Schneiderin beauftragen?« fragte er. Ich lachte.
»Weil ich mein Kleid selbst zu machen gedenke,« antwortete ich.
»Nun, lassen sie sich wenigstens die Adressen der renommiertesten Kaufläden geben.«
»Das ist nicht nötig. Das, was ich suche, finde ich bei dem ersten besten. Ich weiß eigentlich nicht, warum ich nicht lieber meine Zofe schicke, und ich werde dies auch tun, wenn Sie sich dazu verstehen, mich anderswohin zu begleiten.«
»Überall, wohin Sie mich führen, teure Emma, werde ich auf dem Wege nach dem Paradies zu sein glauben. Es wäre daher sehr töricht von mir, wenn ich mich weigern wollte.«
»Nun, dann ist die Sache abgemacht. Nach dem Frühstück werde ich meine Zofe in die Stadt schicken.«
»Und wir, wo werden wir hingehen?«
»Ins Freie, wenn es Ihnen beliebt. Ich habe ländliche Gelüste für morgen.«
»Und zu welcher Stunde soll unser Ausflug stattfinden?«
»Nach dem Frühstück, wenn es Ihnen recht ist, Mylord.«
Demgemäß ward alles verabredet. Am nächstfolgenden Morgen schickte ich, nachdem ich mich kaum vom Schlaf erhoben, meine Zofe mit dem Auftrage fort, eine Quantität von dem schönsten weißwollenen Stoff, den sie finden könnte, und außerdem einen großen schwarzen Tüllschleier zu kaufen. Sir John hörte mich meine Befehle erteilen, ohne meine Absichten zu verstehen, und wünschte wahrscheinlich sehnlich, daß ich ihm mein Geheimnis wenigstens zum Teil verraten möchte, aber ich sagte kein Wort.
Nach dem Frühstück stiegen wir in den Wagen und ich befahl dem Kutscher, uns aus der Stadt hinaus in die nächsten Felder zu fahren.
Die nächsten Felder von London sind aber immer noch ziemlich weit und wir brauchten über eine Stunde, ehe ich fand, was ich suchte. Endlich ließ ich den Wagen Halt machen und stieg aus.
»Soll ich Ihnen folgen?« fragte Sir John.
»Jawohl,« antwortete ich.
»Sie sollen mir nicht bloß folgen, sondern mir auch behilflich sein.«
»Wobei?«
»Das werden Sie sogleich sehen.«
Ich betrat die Wiese und begann Kornblumen, Rosmarin und Fenchel zu pflücken. Sir John sah mir zu und machte es wie ich. Als wir jedes einen großen Strauß Feldblumen beisammen hatten, stieg ich wieder in den Wagen.
»Das ist eine seltsame Idee,« sagte Sir John zu mir.
»Sie können sich ja die schönsten Blumen bei den ersten Gärtnern von London holen lassen, anstatt hierher zugehen und diese Heuernte einzufahren.«
»Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß ich ein einfaches Landmädchen bin? Und müssen denn die Feldblumen in meinen Augen nicht mehr Wert haben als die Blumen der Städte?«
»Wäre ich so unglücklich, daß Sie die Zeit betrauern, wo Sie eine Nymphe der Wiesen von Flintshire waren, anstatt wie jetzt eine der Gottheiten Londons zu sein?«
»Nein, Mylord; obschon meine göttlichen Eigenschaften sehr zweifelhaft sind, da sie ja nur von einem einzigen Anbeter anerkannt werden.«
»O, was das betrifft,« antwortete Sir John, »so brauchen Sie sich bloß zu zeigen, um Ihren Kultus zu einem allgemeinen zu machen. Als Venus auf den Einfall kam, die Welt zu regieren, tauchte sie aus dem Meere auf und damit war alles gesagt.«
»Und,« fragte ich lachend, »geben Sie mir vielleicht den Rat, meinen künftigen Untertanen in demselben Kostüm zu erscheinen wie Miß Aphrodite?«
»O nein! die Sache bekam dem König Kandaules zu schlecht, als daß ich Lust hätte, den Versuch zu wiederholen.« Gegen drei Uhr kehrten wir nach Piccadilly zurück. Sir John ließ mich an der Tür unsers Hauses mit meinem Bündel Heu, wie er sagte, absteigen und setzte seinen Weg weiter fort, weil er noch Geschäfte auf der Admiralität zu besorgen hatte.
Ich fand, daß meine Zofe mit den von mir aufgetragenen Einkäufen wieder da war. Ich hatte ihr befohlen, gleich eine Näherin mitzubringen und diese war ebenfalls schon da. Ich entsann mich des Schnittes, welchen Opheliens Gewand gehabt, ganz genau. Das, was ich nicht graziös genug daran fand, verbesserte ich, und mit jener bewunderungswürdigen Geschicklichkeit, ich will nicht sagen mich anzukleiden, wohl aber mich zu kostümieren, welche ich von jeher besessen, schnitt ich meine Tunika selbst zu und versprach zwei Pfund Sterling zwischen der Arbeiterin und meiner Zofe zu teilen, wenn das Gewand bis um neun Uhr abends fertig oder wenigstens geheftet wäre.
Beide machten, von der Aussicht auf Belohnung angespornt, sich sofort an die Arbeit. Was mich anging, so traf ich unter meinen Feldblumen eine geeignete Auswahl, und ließ sie in Wasser einweichen, damit sie sich bis zum Abend frisch erhielten.
Um sechs Uhr kam Sir John nach Hause zurück. Er war in sehr heiterer Laune. Er hatte um einen zweimonatlichen Urlaub nachgesucht, der ihm auch bewilligt worden, und seine Absicht war, diese zwei Monate ausschließlich mir zu widmen.
Ohne Sir John in dem absoluten Sinne zu lieben, welchen man dem Wort Liebe beilegt, empfand ich für ihn doch innige dankbare Anhänglichkeit, nicht wegen des Luxus, womit er mich umgeben, sondern wegen seiner Freundlichkeit gegen mich, denn mein aristokratischer Stolz ward durch die Formen, in welche Sir John seine Wohltaten kleidete, mehr gerührt, als durch die Wohltaten selbst.
Sir John hatte mich um die Erlaubnis gebeten, erst den nächstfolgenden Tag auf den »Theseus« zurückzukehren und wie man sich leicht denken kann, hatte ich diese Erlaubnis gewährt. Ich sagte ihm sogar, daß ich, um ihn für seinen übertriebenen Ehrgeiz zu belohnen oder zu bestrafen, je nachdem er die Sache nehmen wollte, eine Überraschung bereiten würde.
Um neun Uhr bat ich deshalb Sir John um die Erlaubnis, mich auf einige Augenblicke in mein Zimmer zu begeben. Er fragte mich lachend, ob dieses Verschwinden mit der in Aussicht gestellten Überraschung zusammenhinge, doch gab ich hierauf keine bestimmte Antwort.
Mein Gewand war fertig.
Ich löste mein langes Haar auf und wand mir einen jener Kränze, wie ich deren als Kind so viele gewunden, um sie sodann aufzusetzen und mich damit in der Quelle zu betrachten. Ich legte mein langes Gewand an, welches einen Teil meiner Brust und meine Arme unverhüllt ließ, raffte alle meine Erinnerungen zusammen, gesellte meine eigenen Inspirationen dazu und öffnete dann die Tür des Salons.
Zum ersten mal wollte ich den Eindruck beurteilen, welchen meine Schönheit, von dem doppelten Zauber der Mimik und der Poesie unterstützt, auf die Menschen ausüben könne.
Allerdings war der Mann, der in diesem Augenblick für mich die gesamte Männerwelt repräsentierte, sehr zu meinen Gunsten eingenommen, so daß ich seine Meinung nicht als allgemeines Gesetz betrachten konnte.
Dennoch aber wagte ich nicht, vor ihn zu treten, ohne vorher noch einen langen und letzten Blick in den verhängnisvollen Goldrahmenspiegel geworfen zu haben.
Das Kompliment, was dieser mir machte, war so vollständig, daß ich nicht mehr zweifelte, sondern keck eintrat.
Sir John stand an den Kamin gelehnt und hielt das Gesicht nach der Tür gewendet. Bei meinem Erscheinen stieß er einen Ruf der Überraschung und Bewunderung aus. Gleich mein erstes Auftreten war von Erfolg begleitet.
Es war dies, wie man leicht begreift, eine große Ermutigung. Ich begann sofort den halb heiteren, halb schwermütigen Gesang, welcher die Wahnsinnsszene eröffnet:
»Wie erkenn' ich dein TreuliebVor den andern nun?An dem Muschelhut und StabUnd den Sandelschuh'n.«
Sir John streckte die Arme nach mir aus; ich tat aber, als wenn ich ihn nicht sähe, und starr vor mich hinblickend fuhr ich fort:
»Er ist lange tot und hin,Tot und hin, Fräulein!Ihm zu Häupten ein Rasen grün,Ihm zu Fuß ein Stein.«
Sir John klatschte Beifall.
Ich erhob jenen langgezogenen, klagenden Ruf, den ich von der Künstlerin gehört, welche die Rolle der Ophelia spielte, und mit schluchzender Stimme fuhr ich fort:
»Sein Leichenhemd weiß wie Schnee zu seh'n,Geziert mit Blumensegen,Das unbetränt zum Grab' mußt' geh'nVon Liebesregen.«
Sir John kam einen Schritt auf mich zu. Nun erst schien ich ihn zu erblicken, und ich sprach die Worte, welche Ophelia an den König richtet.
»Gottes Lohn! Recht gut.Sie sagen, die Eule war eines Bäckers Tochter.Ach, Herr! Wir wissen wohl, was wir sind,aber nicht, was mir werden können.Gott segne Euch die Mahlzeit!«
Ohne vermittelnden Übergang verfiel ich dann aus der tiefsten Melancholie in die tollste Heiterkeit und begann das bei uns so beliebte Lied:
»Auf morgen ist Sankt Valentin's Tag,Wohl an der Zeit noch früh,Und ich, 'ne Maid am Fensterschlag,Will sein eure Valentin.
Er war bereit, tat an sein Kleid,Tät auf die Kammertür,Ließ ein die Maid, die als 'ne MaidGing nimmermehr herfür.«
Dann nahm ich jenen, auf einen Augenblick aufgegebenen starren Blick des Wahnsinns wieder an und fuhr fort:
Ich hoffe, alles wird gut geh'n.Wir müssen geduldig sein; aber ich kann nicht umhin zu weinen,wenn ich denke, daß sie ihn in den kalten Boden gelegt haben.Mein Bruder soll davon wissen.Kommt; meine Kutsche!Gute Nacht, süße Damen.«
Und heiter ging ich hinaus, indem ich die nicht vorhandene Melodie eines unbekannten Liedchens trällerte.
»Sie sind eine Zauberin!« sagte der Admiral. »Ein solcher Wahnsinn könnte selbst den König Salomo um den Verstand bringen.«
Ich fuhr jedoch, ohne auf ihn zu hören, und indem ich in meine Stimme einen so schmerzlichen Ausdruck legte, daß ich selbst davor schauderte, fort:
»Sie trugen ihn auf der Bahre bloß,Leider, ach leider!Und manche Trän' fiel in Grabesschoß.«
»Emma!« rief Sir John, »Emma! Antworten Sie mir, ich bitte darum.«
»Adieu, mein Turteltäubchen,« sagte ich zu ihm, indem ich in meiner Rolle fortfuhr. Dann fiel ich wieder in den ersten schmerzlichen Ausdruck, breitete meinen schwarzen Schleier auf den Fußteppich, entblätterte meine Blumen und sang dazu:
»Hinunter! Man trage ihn hinunter!Wehe! Wehe! Dreimal Wehe!«
Sir John wollte mich unterbrechen, ich ließ ihm aber nicht Zeit dazu, bot ihm eine Blume und sagte mit lächelndem Munde:
»Da ist Vergißmeinnicht, das ist zum Andenken:Ich bitte Euch, liebes Herz, gedenkt meiner!Und da ist Rosmarin, das ist für die Treue.Da ist auch Fenchel für Euch und Aglei.Da ist Raute für Euch und hier ist welche für mich.Ihr könnt Eure Raute mit einem Abzeichen tragen.Da ist Maßlieb. Ich wollte Euch ein paar Veilchen geben,aber sie welkten alle, da mein Vater starb.Sie sagen, er nahm ein gutes Ende.«
Dann sank ich mit gen Himmel gerichteten Augen auf die Knie nieder und murmelte anscheinend gedankenlos:
»Der kleine gute RobinIst meine ganze Lust.«
Nun aber konnte der gute Sir John sich nicht mehr beherrschen. Er umschlang mich mit seinen Armen, hob mich auf, drückte mich an seine Brust und sagte:
»Genug, genug! Oder Sie machen mich wahnsinnig.«
Der Ausdruck seiner Augen und die Gemütsbewegung, welche sich in seiner Stimme verriet, strafte seine Worte durchaus nicht Lügen. Ich brach in ein lautes Gelächter aus.
»Wie?« sagte er, »Ist das wieder Wahnsinn? Spielen Sie Ihre Rolle weiter? Ins Himmelsnamen, antworten Sie mir ernsthaft.«
»Meine Rolle ist, Ihnen zu gefallen, Mylord, aber nicht Sie zu erschrecken. Ophelia ist in den Fluß gestürzt und ertrunken. Emma Lyonna aber lebt und liebt Sie.«