Lass die anderen reden - Vanessa Engelstädter - E-Book

Lass die anderen reden E-Book

Vanessa Engelstädter

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Beschreibung

In instabilen Zeiten ist emotionale Stabilität wichtiger denn je. Resilienz-Trainerin Vanessa Engelstädter zeigt in ihrem neuen Buch, wie du durch eine verbesserte Kommunikation mit deiner Umwelt und deinem Hund zu mehr Gelassenheit findest. Unsicherheiten, Ängste und Sorgen prägen unseren Alltag. Doch du kannst lernen, diesen Herausforderungen stabil und klar entgegenzutreten. Starke Resilienz führt nicht nur zu innerer Ruhe, sondern vertieft auch deine Beziehungen und die Bindung zu deinem Hund, indem es Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Mit praktischen Tipps, inspirierenden Beispielen und tiefem Einfühlungsvermögen führt dich die Autorin zu deinen inneren Ressourcen und hilft dir, gemeinsam mit deinem Hund zu wachsen. Entdecke jetzt einen entspannteren Umgang mit Fehlern, so wie eine liebevolle Betrachtung deiner Schwächen.

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Seitenzahl: 274

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Cover for EPUB

Titel

Lass die anderen reden

Stresscoaching für einen gelassenen Umgang mit Menschen und Hunden

Vanessa Engelstädter

KOSMOS

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch erfolgen nach bestem Wissen und Gewissen. Sorgfalt bei der Umsetzung ist indes dennoch geboten. Verlag und Autoren übernehmen keinerlei Haftung für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden, die aus der Anwendung der vorgestellten Materialien und Methoden entstehen könnten. Dabei müssen geltende rechtliche Bestimmungen und Vorschriften berücksichtigt und eingehalten werden.

Distanzierungserklärung

Mit dem Urteil vom 12.05.1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man durch die Ausbringung eines Links die Inhalte der gelinkten Seite gegebenenfalls mit zu verantworten hat. Dies kann, so das Landgericht, nur dadurch verhindert werden, dass man sich ausdrücklich von diesen Inhalten distanziert. Wir haben in diesem E-Book Links zu anderen Seiten im World Wide Web gelegt. Für alle diese Links gilt: Wir erklären ausdrücklich, dass wir keinerlei Einfluss auf die Gestaltung und die Inhalte der gelinkten Seiten haben. Deshalb distanzieren wir uns hiermit ausdrücklich von allen Inhalten aller gelinkten Seiten in diesem E-Book und machen uns diese Inhalte nicht zu Eigen. Diese Erklärung gilt für alle in diesem E-Book angezeigten Links und für alle Inhalte der Seiten, zu denen Links führen.

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Umschlagsabbildung: © Anna Auerbach/Kosmos

© 2024, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG

Pfizerstraße 5–7, 70184 Stuttgart

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-50999-9

E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Hauptteil

Einleitung

Lieber lesender Mensch,

Wichtig: Stresscoaching und „Schuster bleib’ bei Deinen Leisten“

Stress: Entstehung und Auswirkung

Einblick in Lillys Alltag mit Hund

Wie entsteht Stress?

Was verursacht Stress?

Wie wird Stress verarbeitet?

Zusammenfassung der Ebenen des Stresserlebens

Unter der Lupe: Beeinflussende Faktoren des Stresserlebens

Selbsttest: Anzeichen von Stress

Exkurs: Psychische Störungen, Traumata und Neurodiversität

Du und Dein Hund

Gestresster Mensch, gestresster Hund?

Den eigenen Weg mit deinem Hund finden

Die Bedeutung der Annahme in der Mensch-Hund-Beziehung

Deine Erziehung und ihr Einfluss auf deinen Hund

Exkurs „Bedürfnisorientierte Erziehung“ unter der Lupe

Klarheit in den Rollen, den Bedürfnissen und Motivationen

Du

Dein Umgang mit Stress und deine Möglichkeit zur Veränderung

Aller Anfang: die Selbstwahrnehmung

Exkurs: Entwicklungspsychologie im Fokus

Deine eigene Wahrnehmung und ihre Zuverlässigkeit

Eine Frage deines Betrachtungswinkels

Hörspiele in deinem Kopf

Deine Beweggründe verstehen: Innere Antreiber

Gedanken formen deine Handlungen

Exkurs: Dein Grübelkarussell stoppen

Deine Emotionen als Kompass

Deine Zweifel überwinden, Sicherheit gewinnen

Schatzsuche statt Fehlerfandung: finde deine Stärken

Fehlerkultur: Nieder mit deinem Perfektionismus!

Dein Selbstwert ist der Wind in deinen Segeln

Handeln statt Erstarren, deine Kraft der Selbstwirksamkeit

Nein! Grenzen setzen und für dich einstehen

Humor ist, wenn du trotzdem lachst …

Deine Zufriedenheit ist der Schlüssel zum Glück

Exkurs: Toxische Positivität

Deine dunkle Seite: Neid und Missgunst

Dankbarkeit, Demut und Ehrfurcht – die drei Mächte der Menschlichkeit

Entspannung vs. Gelassenheit: deine zwei Stressregulatoren

Achtsamkeit vs. Multitasking: Deine Möglichkeit zur Fokussierung

Dein Glaube hilft – das Wunder des Placeboeffekts

Segel gesetzt, aus der Komfortzone ins Blaue

Deinen Kurs halten und neue Gewohnheiten festigen

Die Körperpsyche

Die Arbeit mit deinem Körper als Quelle der Gelassenheit

Einfluss der Ernährung auf dein Wohlbefinden

Stress und Darm, eine besondere Wechselwirkung

Meditation: Ruhe in deine Gedanken bringen

Vom Notfall zur Regulation: Atme dich in die Sicherheit

Der Waldspaziergang, die heilende Kraft der Natur

Über Bord mit dem Ballast durch Progressive Muskelentspannung

Du, dein Hund und die Anderen

Kommunikation – Vom Verstehen und Verstanden werden

Mit ICH-Botschaften zu mehr Klarheit

Auf Sendung: Die Vielschichtigkeit einer Botschaft

Auf Empfang: Verstehen, was bei dir ankommt

Das Steuer fest in der Hand – Umgang mit manipulativen Menschen

Vom kleinen Konflikt zum großen Drama

Der Umgang mit einem Shitstorm

Wenn ein Rat wie ein Schlag wirkt: Umgang mit Ratschlägen

Der größte Schatz unseres Menschseins: Unterstützung

Und manchmal ist Scheiße auch einfach Scheiße.

Abschluss

Lilly

Danksagung

Zum Weiterlesen

EINLEITUNG

Lieber lesender Mensch,

für eine bessere Lesbarkeit wird in diesem Buch nicht gegendert. Es wird die weibliche Ansprache oder allgemeiner das Wort „Mensch“ gewählt. Männliche oder diverse Menschen dürfen sich genauso angesprochen fühlen.

Da es in diesem Buch weitestgehend um das Menschsein, den Emotionen und ihrer Regulation geht, ist es möglichst „traumasensibel“ geschrieben. Das bedeutet, dass eventuelle Trigger mit dem Wort HINWEIS gekennzeichnet und Übungen, wie beispielsweise das Schließen der Augen, eine extra Beschreibung erhalten. Falls du ein betroffener Mensch bist und dir etwas in diesem Buch auffällt, das noch sensibler ausgedrückt werden kann, schreibe mich gerne an. Vielen Dank!

Dieses Buch kann dir als Inspirationsquelle und Ideengeber dienen. Es beinhaltet meine Erfahrung und mein Wissen aus 15 Jahren professionellem Mensch-Hund-Training und dem Stress- und Resilienztraining mit Berufsgruppen oder einzelnen Personen. Du wirst Geschichten und Beispiele lesen, die ich in meiner Arbeit erlebt habe. Manche sind zusammengefasst, weil sie in der Form besser zu dem Thema passen oder deutlicher die Vielschichtigkeit abbilden. Es ist ein Buch mit Tiefgang und sicher keine leichte Kost. Es ist so, wie wir Menschen sind: bunt, tiefgehend und komplex. Unsere Hunde sind dabei ganz wunderbare Begleiter und oft auch Spiegel unseres Verhaltens.

Mein Anliegen: Ich kenne dich wahrscheinlich nicht persönlich, liebe Leserin. An einigen Stellen wirst du dich trotzdem wiedererkennen, während andere Passagen überhaupt nicht zu dir passen. Jede Veränderung startet immer mit einem Verstehen der eigenen Prozesse, die aus deiner Lebensgeschichte resultieren. Das ist in dieser Kombination so einzigartig, wie du es bist. Ich empfehle dir, deswegen nach jedem Kapitel eine „Rosinenpause“ einzulegen. Picke dir dabei die Rosinen aus dem Kuchen:

Was hat dir gefallen? Was würde dich persönlich weiterbringen? Was möchtest du ausprobieren? Und was möchtest du zukünftig lassen oder verändern?

Um deinen ganz individuellen und persönlichen Weg mitzugestalten, empfehle ich dir, zu diesem Buch einen Notizblock und einen Stift bereitzuhalten.

In meinem letzten Buch „Resilienz bei Hunden“ habe ich die psychische Widerstandsfähigkeit mit dem Sinnbild eines Baumes beschrieben; die Wurzeln stellen dabei die wichtige Basis dar, die den Stamm, die einzelnen Äste und jedes Blatt nähren. Ähnlich wird es jetzt in diesem Buch weitergehen. Mit Hilfe der Geschichte von Lilly und ihrem Hund Leo werden wir uns zuerst anschauen, wie ein Baum so stark werden kann, dass er Stürme und trockene Zeiten übersteht. Danach geht es in die einzelnen Verästelungen bis zu der Wurzel hinunter. Hier wird alles noch intensiver beleuchtet und die Hintergründe detailliert erklärt. Zum Beispiel, was die unterschiedlichen Entwicklungsphasen eines Menschen mit der emotionalen Stabilität zu tun haben, wo die Zufriedenheit wohnt und warum wir uns Fehler weniger krummnehmen sollten. Außerdem werden wir den Umgang mit anderen Menschen unter die Lupe nehmen, einen der größten Stressfaktoren für viele von uns. Wie du dem zukünftig besser begegnen kannst und dich selbst so stärkst, dass du aus einer gelassenen Haltung heraus reagierst, findest du in den nun folgenden Kapiteln.

In diesem Buch geht es an keiner Stelle um den perfekten Menschen (wie würde dieser überhaupt sein?), sondern um die Version von dir, die sich annehmen kann mit allen Stärken und Schwächen, die sich Fehler verzeiht und sich selbst unterstützt. Aus dieser inneren Haltung kann es mit mehr Verständnis für andere Menschen oder deinen Hund in den Alltag gehen, Konflikte erhalten so einen anderen Betrachtungswinkel. An manchen Stellen wirst du auf Widerstände in dir treffen, vielleicht überkommen dich auch Emotionen, mit denen du nicht gerechnet hast. Wie auch immer deine Reise hier aussehen mag, ich wünsche dir von Herzen Neugierde auf dich und deine Prozesse, um genau daran weiterzuwachsen und zwar so, wie es sich ganz allein und nur für dich gut anfühlt.

Nimm dir die Zeit, die es braucht, und lass’ die anderen reden.

Ich freue mich, dass du die Reise antreten möchtest, nun legen wir los!

Herzlichst, deine Vanessa

Wichtig: Stresscoaching und „Schuster bleib’ bei Deinen Leisten“

Der Weg zu mehr Gelassenheit im Umgang mit Konflikten, kann nur aus einer veränderten Sicht darauf erfolgen. Die Methode zur Veränderung ist der Prozess der täglichen Arbeit an der inneren Haltung.

Im Zuge der Recherche zu meinem Buch begegnet mir immer wieder ein Thema, das bei mir ein Bedürfnis weckt, es hier deutlich anzusprechen: die sozialen Medien und ihre Coachingangebote im Bereich der psychologischen Beratung oder der Verhaltenstherapie. Bei diesem wachsenden Angebotszweig fällt es mehr als schwer, die Übersicht zu behalten und Qualität von faulem Zauber zu unterscheiden.

Ich kann aus vollem Herzen sagen, dass Menschen zu coachen eine wundervolle Begebenheit ist. Helfen zu können, macht einen glücklich. Ich verstehe jeden, der das mit viel Herzblut tut und tun möchte. Es bedarf dabei einer Menge an Wissen, Feingefühl und Liebe zum Menschsein. Zu diesem Tätigkeitsfeld gehören genauso das Erkennen der eigenen Grenzen und eine eigene gut ausgebaute Resilienz, um zwar mitzufühlen, aber nicht mitzuleiden. Ein Stresscoaching bedeutet, den Umgang mit Konflikten eines Menschen zu durchleuchten, hinein zu fühlen und praktische Lösungsansätze an die Hand zu geben. Eine therapeutische Wirkung kann sich durchaus einstellen, doch Heilversprechen haben in diesem Bereich nichts zu suchen. Psychologin, Psychiaterin und Psychotherapeutin sind rechtlich geschützte Berufe und gehen in der Diagnostik und Behandlung wesentlich tiefer als ein Coaching. Sie arbeiten zielgerichtet die Schritte einer Therapie bis zum Therapieerfolg aus. Deswegen bedarf es eines langjährigen Studiums und ausreichend Praxiserfahrung inklusive einer Prüfung der Kenntnisse und Fertigkeiten. Das Wissen um die Psyche des Menschen ist somit sichergestellt. Um es in einem Sprichwort etwas deutlicher zu sagen: „Wer die Büchse der Pandora öffnet, muss in der Lage sein, sie wieder schließen zu können.“ Ein Stresscoaching sollte jedoch darauf achten, diese Büchse nicht proaktiv zu öffnen.

Ich sehe immer wieder, vorrangig in den sozialen Medien, wie selbsternannte Coaches ohne zertifizierte oder geprüfte Fachkompetenz in der Kindheit der Menschen stochern und mit pauschalen Aussagen Heilung versprechen. So manches Mal wird mit der Hilflosigkeit eines Menschen auf diesem Weg viel Geld gemacht. Die Hilfesuchenden ergreifen den gereichten Strohhalm verständlicherweise hoffnungsvoll und bleiben nicht selten auf einem großen Haufen Scherben sitzen, nur mit einem leichteren Portemonnaie.

Ein guter Coach weiß um seine Grenzen und die sind klar definiert: Sobald eine Hilfe zur Selbsthilfe nicht möglich ist, weil der Mensch zu tiefgehende Themen in sich trägt und er sich dadurch nicht mehr selbst unterstützen kann, muss es klar formuliert werden. Ich habe aus diesem Grund mehrere Adressen, die ich in solchen Fällen weitergebe. Leider ist es nicht leicht, eine gute Therapeutin zu finden, die zu einem passt, oft kommen auch noch lange Wartezeiten dazu. Ein Coaching und eine Therapie können sich hier sehr gut ergänzen.

Der Wunsch nach einer Verbesserung oder Heilung ist verständlich, denn bei vielen Menschen ist die Belastung im Alltag groß. Laut einer Befragung des Instituts Ipsos fühlten sich im Jahr 2022 fast die Hälfte der Deutschen mindestens einmal so gestresst, dass es sich auf das tägliche Leben ausgewirkt hat. Sie wurden oft begleitet von dem Gefühl, die Anforderungen des Alltags nicht mehr bewältigen zu können. Durch die große Nachfrage werden auch die Angebote mehr und für den hilfesuchenden Menschen wird es immer schwerer zu durchschauen, wo er wirklich passende Hilfe bekommt. Pauschale „Heilversprechen“ sollten genau durchleuchtet werden. Bewahre dir einen kritischen und hinterfragenden Blick!

Dieses Buch soll dir Möglichkeiten aufzeigen, dein Stresserleben zu verändern und dich zusätzlich so zu stärken, dass du Manipulationsversuche erkennst und den Blick dafür schärfst, wer oder was dich am besten unterstützen kann. Die Angebote in den sozialen Medien können dir dabei sicher eine Inspirationsquelle sein. Vielleicht tut es dir auch gut, Menschen, die Ähnliches durchgemacht haben, zu erleben und ihren Prozess zu sehen. Doch falls du therapeutische Hilfe brauchst, lasse dich bitte nicht von Versprechen und bunten Bildern blenden. Die Realität kann für dich eine andere sein. Nimm dir die Zeit, wähle sorgfältig und höre achtsam auf deine Bedürfnisse. Deine psychische Gesundheit ist einfach zu kostbar für leere Versprechungen. Du verdienst Unterstützung, die wirklich zu dir passt.

Du brauchst psychotherapeutische Hilfe?

Hier ist die mögliche Vorgehensweise: Es braucht ein Erstgespräch in einer psychotherapeutischen Sprechstunde. Jede psychotherapeutische Praxis muss diese anbieten, unabhängig ob Kapazitäten frei sind. Eine weitere Möglichkeit ist es, bei der hausärztlichen Praxis deines Vertrauens vorstellig zu werden und eine Überweisung zu erhalten.

In dem Erstgespräch wird der weitere Bedarf ermittelt und die Möglichkeiten besprochen. Eine gute Anlaufstelle bietet auch deine Krankenkasse. Manche enthalten in ihrem Leistungsumfang mehrere Stunden psychotherapeutische Hilfe und eine Liste von TherapeutInnen, mit denen sie zusammenarbeiten.

Mit einer Überweisung oder Fragen zur Vorgehensweise ist der Kassenärztliche Notdienst ein guter Ansprechpartner. Unter 116117 erreichst du ihn, und findest so auch freie TherapeutInnen in deiner Nähe. Möglich ist es ebenfalls, einen Termin online zu buchen: eterminservice.de

Die Website https://psych-info.de/ bietet einen Überblick aller Hilfsangebote im Bereich der Psyche.

STRESS: ENTSTEHUNG UND AUSWIRKUNG

Einblick in Lillys Alltag mit Hund

Lilly muss dringend mit ihrem Hund raus. Eigentlich passt es ihr gerade gar nicht, sie hat noch so viel zu tun und tausend Dinge schwirren ihr durch den Kopf, die sie noch erledigen muss. Sie schaut nervös auf die Uhr, es ist kurz nach neun Uhr. Hoffentlich hat der Erzfeind von ihrem Hund Leo um diese Uhrzeit die Gassirunde schon beendet. Es sei denn, die Besitzerin hat wieder ihren Homeoffice-Tag, dann geht sie später raus und die Gefahr ist groß, die beiden zu treffen. Ihr Hund Leo, ein Golden Retriever, ist gerade ein Jahr alt und ein Rüpel an der Leine geworden. In der Hundeschule ist er ganz anders, viel eher das Vorbild als ein Leinen-Rambo. Die Trainerin nimmt sie beide gerne dran, um Übungen vorzumachen und lobt oft, wie gut sie zusammenpassen. Lilly verlässt den Hundeplatz fast immer mit Freude und einem stolzen Gefühl. „Auf dem Trainingsplatz …“, denkt Lilly grummelnd, denn zu Hause läuft gerade gar nichts. Der Rückruf funktioniert nicht mehr und dieses Nach-vorne-Springen an der Leine, wenn ihr Hund andere Vierbeiner sieht, ist einfach nur peinlich. Früher fanden alle Leo toll, jetzt gehen die Menschen mit ihren Hunden einen Bogen. Letztens rief ihr einer zu: „Eine Hundeschule wäre mal eine gute Idee!“. Eine passende Antwort fiel ihr nicht ein, stattdessen schossen ihr die Tränen in die Augen und sie ging mit hängenden Schultern nach Hause. Diesen Menschen möchte sie auf gar keinen Fall wieder treffen, deswegen geht sie seitdem eine andere Gassirunde. Doch auch da kommen ihr Hunde entgegen, bei denen Leo nicht entspannt ist. Und Menschen, bei denen Lilly nicht entspannt ist. Sie ist sich nämlich sicher, dass andere darüber urteilen, wie sie ihren Hund führt. Warum fällt es ihr nur so schwer, entspannt mit dem allen umzugehen? In den sozialen Medien sieht sie, wie einfach es ist, wie toll die Hunde und wie glücklich die Menschen sind. Auch wenn sie es nicht gerne zugibt, es macht sie manchmal neidisch, dass es andere so leicht haben.

Seufzend nimmt sie die Leine und geht vor die Tür. Sie spürt ihr Herz klopfen und ihr Bauch schmerzt leicht. Ihre Schulter tut noch vom letzten Spaziergang weh, als sich Leo mit voller Wucht in die Leine geschmissen hat. Sie greift in die Jackentasche und prüft, ob sie die super Leckerlis eingepackt hat, vielleicht lässt Leo sich diesmal damit ablenken. Nach ein paar Metern merkt sie, wie sie die Leine auf Spannung hält und ihre Hand verkrampft ist.

Leo merkt auch einiges. Er hat mehrfach seinen Menschen angeschaut. Den kooperativen Blick wendet er gerne an: Lilly freut sich dann immer und gelegentlich gibt es ein Leckerli dafür. Doch diesmal hat sein Mensch anscheinend keine Augen für ihn und er spürt die Anspannung über die Leine. So geht er halt schnüffeln, denn seine Welt hat sich seit einiger Zeit verändert. Sie ist viel größer und interessanter geworden. Er hörte Lilly letztens das Wort „Pubertät“ sagen, was immer das heißt. Plötzlich kommt ihn ein verführerischer Duft in die Nase. Die Nachbarshündin ist gerade läufig, das muss er genauer untersuchen. Er bleibt abrupt stehen und wendet sich der Geruchsquelle auf dem Nachbarsgrundstück zu. Er hört Lilly schimpfen, aber er weiß mittlerweile, dass er mit seinem Gewicht auf jeden Fall zu dieser gut riechenden Stelle kommen wird. Notfalls legt er sich platt auf den Boden, das zeigte bisher immer eine Wirkung. Er spürt immer mehr Aufregung, wenn er andere Hund sieht. Früher durfte er immer „Hallo“ sagen und es entstand oft ein wildes Rennspiel. An diesen Glücksrausch kann er sich noch gut erinnern, nun ist die Leine dran und er darf nicht mehr hin. Was für ein Frust!

Ausgerechnet jetzt kommt der Nachbar mit einer Mülltüte in der Hand aus der Haustür und Lilly sieht genau, wie er sie missbilligend anschaut, weil Leo sie gerade auf seinen schön gepflegten Rasen zieht. Der Mann schmeißt den Müll in die Tonne, geht wieder rein und knallt die Haustür zu. Leo hat sich mittlerweile hingelegt und bewegt sich kein Stück mehr weiter. Lilly schämt sich. Der Spaziergang fängt ja gut an.

Kommt dir das bekannt vor? Kennst du ähnliche Situationen, wie Lilly sie erlebt hat, bei denen du dich wütend, traurig oder hilflos gefühlt hast? Die meisten Menschen mussten sich schon mit diesen Gefühlen im Umgang mit ihren Hunden und der Umwelt auseinandersetzen. Manchmal hielt diese innere Stimmung länger an, ein anderes Mal war sie nur von kurzer Dauer und schnell wieder vergessen. In einigen Fällen beeinflussen diese Gefühle den Menschen nachhaltig in seinem Alltag.

Werfen wir gemeinsam einen näheren Blick auf die Geschichte von Lilly und Leo. Dabei schauen wir mit einem emotionalen Abstand und der Sicht eines Coaches genauer hin.

Lilly zeigt von Anfang an eine große Anspannung. Die Anspannung startet in ihren Gedanken. Sie überlegt, wann und wer jetzt Gassi geht, sie ruft sich Bilder alter Begegnungen ins Gedächtnis, die in ihr ein schlechtes Gefühl ausgelöst haben, sie interpretiert Blicke und Sätze als negativ und angreifend. Außerdem hat sie die Sicht, dass sich ihr Hund zum Negativen verändert hat und ihn andere jetzt ablehnen, bzw. meiden. Ihr ist es wichtig, was Menschen über sie sagen, die Trainerin löst Stolz in ihr aus, der Nachbar Scham und eine unbekannte Gassigängerin macht sie mit einem Satz nachhaltig traurig. Aufgrund ihrer Bedenken weicht sie von ihren ursprünglichen Planungen ab, sie verschiebt Gassizeiten und -runden. All ihre gedanklichen Prozesse tragen sich auf körperlicher Ebene fort: erhöhter Pulsschlag, verspannte Muskeln, Bauchschmerzen und eine Unruhe. In diesem Zustand hat sie keinen offenen Blick für die positiven Signale, die Leo sendet, um ihn passend anzuleiten.

Auch Leo macht in dieser Geschichte Lernerfahrungen. In einer Phase, die besonders wichtig für den Reifungsprozess im Gehirn ist: der Pubertät. Seine Erfahrungen sind derzeit eine angespannte und nervöse Besitzerin, wenige Möglichkeiten der Orientierung an ihr und er lernt, dass er durch körperlichen Einsatz – Ziehen und Hinlegen – seine Motivation und Wünsche erhält. Andere Hunde lassen ihn aufgeregt werden, diese Erregung zeigt sich bei den Hundebegegnungen, die sich in dieser Form immer mehr ritualisieren und konditionieren. Leo hat augenscheinlich eine Leinenaggression, die aus seiner Sicht viel eher eine Leinen„frustration“ ist. Denn das Hilfsmittel Leine hält Leo nur physisch davon ab, zu den anderen Hunden zu gelangen. Die Einsicht oder Idee, sich bei Lilly in reizvollen Situationen einzufinden und sich von ihr hindurch führen zu lassen, hat er im Moment nicht.

Wir stellen also fest: Leo macht gerade unpassende Lernerfahrungen und Lilly ist gestresst. In dem Zustand des Stresses läuft der Körper in einem gewissen Notlauf und die Wahrnehmung auf die Umwelt und den Hund verzerrt sich. Der Raum wird größer für Negativerlebnisse und -gedanken, während der Platz für positive Signale oder gute Erlebnisse kleiner wird.

Sorgen und Ängste starten immer in den Gedanken. Sie hemmen damit einen Zugriff auf Bereiche im Gehirn, in denen höhere kognitive Prozesse ablaufen, die dafür sorgen, Begebenheiten von allen Seiten zu sehen und von der emotionalen Betrachtungsweise etwas zurückzutreten. Kurz gesagt: Die Vernunft setzt aus, wenn wir im Stressprogramm unterwegs sind.

Je häufiger Ängste und Sorgen im Kopf abgespielt werden, desto mehr baut sich die Empfängnisbereitschaft dafür aus. Kleine Signale, wie Blicke von fremden Menschen, werden sofort in dieses Negativ-Schema einsortiert und die eigene Denkweise bestätigt. „Wusste ich es doch, dass sie ein Problem mit mir hat!“ kann so ein typischer Gedanke sein, ohne es genau zu wissen. Die Möglichkeit, dass der Blick eines Menschen vielleicht einen anderen Ursprung hat, der nichts Persönliches beinhaltete, wird kaum in Betracht gezogen. Zum Beispiel hat der Nachbar mit der Mülltüte Lilly gar nicht wahrgenommen, er hatte gerade einen Streit mit seiner Partnerin, wer den Müll rausbringen soll. So ging er mit entsprechender Laune vor die Tür und zog selbige danach laut wieder zu. Es hatte also nichts mit Lilly zu tun. Doch diese mögliche Betrachtung der Situation fand in dem Moment keinen Platz in ihren Gedanken.

In den nächsten Kapiteln gehen wir schrittweise durch, wie ein Mensch gelassener mit diesen Themen umgehen kann. Dabei kommen wir immer mal wieder auf Lilly und Leo zurück und du kannst schauen, welche Möglichkeiten ergriffen wurden, um eine Veränderung herbeizuführen. Das bedeutet übrigens nicht, dass Lilly zeitgleich einen sofort gelassenen Hund erhält, nur weil sie es schafft, sich anders auszurichten. Denn Leo hat bereits eine längere Lernerfahrung hinter sich, die sich im Gehirn gefestigt hat. Es braucht Wiederholungen und Kontinuität, um auch sein Verhalten zu verändern.

In diesem Buch geht es sehr oft um ein Verstehen von Prozessen und um ein Verständnis für Reaktionen. Mir begegnet in diesem Zusammenhang gelegentlich der Satz: „Früher war alles besser, da durfte der Hund noch Hund sein. In unserer Kindheit gab es kein Asperger Autismus oder ADHS, wir mussten einfach da durch und das lief auch!“. Ich möchte an dieser Stelle klar sagen, dass fehlendes Wissen oder Verständnis nicht automatisch zu mehr Gelassenheit bei Hunden oder Kindern führt. Viele ältere Menschen besuchen mein Stresscoaching mit dem ursächlichen Problem, dass ihre Bedürfnisse ein Leben lang übergangen wurden. Sie mussten lernen, ihre wahren Gefühle zu maskieren, um in der Gesellschaft oder der Familie angenommen oder akzeptiert zu werden. Hinter diesen Masken tobt oft ein Sturm, der sich in sozialen Ängsten, Phobien oder starken Erschöpfungszuständen äußert und gelegentlich die Kompensation in Suchtmitteln erfährt. Von daher kann ich deutlich sagen: Es war früher nicht zwangsläufig besser, nur weil das Individuum nicht verstanden wurde!

Die andere Richtung finden wir in unserer Gesellschaft ebenfalls und sie ist aus Stress- und Resilienzsicht genauso kontraproduktiv, wie das fehlende Verständnis. Wird aus der wichtigen Fürsorge ein „Übersorgen“ oder das Mitfühlen schlägt in ein Mitleiden um, entsteht auch hier kein gesunder Umgang mit Stress für das anzuleitende Lebewesen. Wichtige Sozialkompetenzen werden passender ausgebaut, wenn Konflikte selbst erlebt und deren Lösungen eigenständig erbracht wurden. Selbstwirksamkeit und Selbstregulation sind hier zwei wichtige Schlagwörter, die ein soziales Lebewesen souveräner und gelassener im Umgang mit Stress machen. Nur wer Dysbalancen erlebt und eine passende Regulation gefunden hat, kann diese Strategien später in anderen Siuationen anwenden.

Also müssen unsere Hunde, Kinder und wir doch da durch? Ja und Nein. Es gibt im sozialen Miteinander und in der Erziehung nur selten schwarz oder weiß, die Grautöne mit all ihren Schattierungen verdienen eine größere Aufmerksamkeit, als die einfache Zuordnung in Schubladen. Ein gelassener Umgang mit sich, anderen Menschen und Hunden entsteht durch Wissen, Verstehen und Verständnis. Wir dürfen uns und unseren Anvertrauten im Rahmen der Möglichkeiten ruhig mehr zutrauen, damit eine persönliche Weiterentwicklung den Raum erhält.

Wie entsteht Stress?

In diesem Kapitel geht es darum, einen geschärften Blick auf dich und deine Prozesse zu erhalten und was diese mit deinem Hund machen. Vielleicht hast du schon einmal den Satz gehört: „Ändert sich der Mensch in seinem Verhalten, ändert sich auch der Hund“. Ich würde es aus heutiger Sicht sogar noch feiner beschreiben: Ändert sich die Sicht auf den Hund und sein Verhalten, ist eine Veränderungen im Hund überhaupt erst möglich. Diese Beschreibung soll die Wichtigkeit deiner Gedankengänge aufzeigen, während du mit deinem Hund täglich kommunizierst. Denn deine Gedanken formen Handlungen, und unsere Hunde haben sehr feine Antennen für unser Verhalten. Gerade in stressigen, konfliktreichen oder ungeplanten Situationen wird dein Verhalten auf die Probe gestellt. Dein Hund beobachtet dabei nicht nur deine Reaktion, er wird ebenfalls eine Lernerfahrung daraus ziehen. Nach dem Motto: „Mein Mensch zeigt mir, dass diese Situation gefährlich oder unsicher ist! Zukünftig werde ich darauf achten!“ Auch wenn ich diese Worte dem Hund jetzt einfach angedichtet habe, sind sie im Lernprozess tatsächlich vorhanden. Das Nachahmungslernen basiert auf dieser Begebenheit und ist ein festverankerter Vorgang des Lernens eines sozialen Lebewesens.

Zusammenfassend ist es eine gute Erkenntnis, dass jegliche Interaktion und Kommunikation mit der eigenen Wahrnehmung und Bewertung startet. Wie du und dein Hund die Welt wahrnehmt, ist dabei absolut individuell. Ihr könnt beide dasselbe sehen und völlig unterschiedlich dabei empfinden und reagieren. Der eine sieht ein Problem, der andere eine Möglichkeit.

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Die Zusammenhänge zwischen Ereignis und Reaktion. Quelle: Richard S. Lazarus, Susan Folkman (1984): Stress, Appraisal, and Coping, S. 54.

Der Psychologe R. Lazarus forschte ausgiebig in dem Bereich Stress und Bewertung und zeigte auf, wie die Zusammenhänge zwischen einem Ereignis und die Reaktion darauf sind. Interessant dabei ist, dass die Bewertung eines Reizes die größere Rolle einnimmt, als die Situation an sich. Nimm Lillys Geschichte aus der Einleitung als Beispiel und schaue dabei einmal in die Abbildung: Die primäre Bewertung aller Situationen war weder positiv noch irrelevant. Als „Gefahr“ würde ich sie jetzt ebenfalls nicht bezeichnen, aber durchaus als Herausforderung oder auch als Bedrohung ihrer Werte und Vorstellungen (dazu mehr im Kapitel Selbstwert!).

Automatisch führt dieser Gedankengang zu der sekundären Bewertung. Hat Lilly passende Ressourcen zur Verfügung, um damit umzugehen? Hat sie zum Beispiel durch regelmäßiges Üben in konfliktreicheren Situationen das Gefühl bekommen, mit den Situationen umgehen zu können? Ein typisches Training wäre hier ein Sozialspaziergang im Alltag bei einer Hundeschule.

Wie steht es um ihre inneren Ressourcen, die ihr mehr Gelassenheit verschaffen? Dazu gehören ihre Persönlichkeit und Lebenserfahrung. Wie ist sie beispielsweise im Bereich Selbstsicherheit aufgestellt? Was richten kritische Blicke oder Worte in ihr an? Kann sie sich gut emotional abgrenzen und wieder herunterfahren nach solch aufregenden Erlebnissen?

Situative Befindlichkeiten beeinflussen Lilly ebenfalls: Wie geht es ihr heute? Hat sie bereits viel Stress auf der Arbeit erlebt? Hat sie schlecht geschlafen oder Schmerzen? Kämpft sie derzeit mit psychischen oder körperlichen Krankheiten? Das sind wichtige Komponenten, die eine Bewertung einer reizvollen Situation stark verändern können. Nicht jeder Mensch hat täglich Nerven wie Drahtseile, manchmal sind es nur noch dünne Fäden mit der Befürchtung, sie könnten jederzeit reißen.

In Lillys Fall waren die Ressourcen mangelhaft und nicht ausreichend. Derzeit hängt sie durch Gedankenspiralen in ihren Empfindungen fest. Sie spielt die Situationen immer und immer wieder durch, so erhalten sie eine viel zu große Wichtigkeit in ihrem Kopf. Zeitgleich wird sie feinfühliger für weitere Reize, die genau zu ihren Gedankengängen passen. Ob diese der Realität entsprechen, kann sie derzeit nicht wissen. Ihr Wahrnehmungsfilter funktioniert nur noch einseitig, er fokussiert sich zu stark auf negative Vorgänge. Der Organismus, dem immer daran gelegen ist, alle Zustände wieder auszugleichen oder zu regulieren, sucht sich jetzt Bewältigungsstrategien (Coping), um wieder ins Lot zu kommen. Es kann sein, dass Lilly nach solch einem anstrengenden Tag auf schnell verfügbare „Stressabbaumethoden“ zurückgreift: fettiges und zuckerhaltiges Essen, Alkohol, Zigaretten und einen erhöhten Medienkonsum. Das kennen wir sicher alle! Gelegentlich tun sie auch gut, doch es sind nur oberflächliche Stressabbauer. Je häufiger und einseitiger sie stattfinden, desto kontraproduktiver bis hin zu gefährlicher werden sie. Der Stressabbau über Konsum kann zur Gewohnheit werden, aus der es immer schwerer wird hinauszufinden. So muss Lilly jetzt an der Ursache arbeiten, um eine Veränderung herbeizuführen und aus dieser Stressspirale auszubrechen. Allein auf Entspannung am Abend zu setzen, reicht ab einem gewissen Punkt nicht mehr aus.

Was verursacht Stress?

Stress ist grundsätzlich eine Anpassungsleistung des Organismus auf Reize. Wie das vorherige Kapitel gezeigt hat, hängt deine empfundene Belastung von deiner individuellen Bewertung und der Einschätzung deiner Ressourcen ab. Es ist also weniger dein Gegenüber oder die Situation, die den Stress in dir auslöst, es ist deine eigene Bewertung, die die Stresskaskade in Gang setzt.

Dabei muss Stress nicht immer negativ sein. Mit der Ausschüttung verschiedener Hormone und Neurotransmitter als Antwort auf einen Reiz wirst du sogar richtig leistungsbereit. Du kannst besser und schneller reagieren und prägst dir bei einem moderaten Stresslevel mehr ein. Entzündungen und Schmerzen werden unterdrückt, um der Aktivität mehr Raum zu geben. Wärst du eine Leistungssportlerin oder brauchst du situativ einmal mehr Kraft, erhältst du von der Natur aus alles, was du brauchst. Allerdings hat sich diese Stressreaktion aufgrund der damals vorherrschenden Umweltbedingungen in uns fest verankert. Zu dem Zeitpunkt warteten noch viele lebensbedrohliche Gefahren auf den Menschen. Der Säbelzahntiger tauchte aus dem Nichts auf: Flucht oder Kampf! Eine Entscheidung, die innerhalb von Millisekunden ablaufen muss, um zu überleben, und genauso schnell muss der Körper mitziehen: Adrenalin und Noradrenalin sorgen für den Antrieb. Die zur Verfügung gestellten Mittel des Organismus (Hormone, Glukosen und Fettreserven) im Körper bauten sich anschließend durch die Tätigkeit der Flucht oder des Kampfes wieder ab. Diese uralten Mechanismen passen leider nicht mehr in unsere neue Welt. Wir flüchten in der Regel nicht mehr aktiv und kämpfen körperlich auch nur noch selten, doch unser Gehirn trifft immer noch die gleichen Entscheidungen. Es ist darauf programmiert, uns vor vermeintlichen Gefahren zu schützen. Stress ist ein (neuro-)biologisches und automatisch ablaufendes Programm. Wir können allerdings Einfluss nehmen, sobald wir uns der Mechanismen bewusst werden!

Exkurs: Bewältigungsstrategien (Coping-Strategien)

Jeder Organismus, der Stress erlebt, möchte ihn wieder regulieren, um gesund zu bleiben. Dieser tief verankerte (Überlebens-)Mechanismus führt dazu, dass das Lebewesen nach einer Bewältigung sucht. Je mehr die Erfahrungen gesammelt werden, mit bestimmten Verhaltensweisen den Stress abzubauen oder ihn sogar zu vermeiden, desto eher bilden sich Muster aus, die sich Coping-Strategien nennen. Sie brennen sich tief ins Gehirn und kommen immer wieder zum Einsatz, denn unser Denkorgan macht es sich stets so einfach wie möglich, um Energie zu sparen. Neue Strategien müssen sich meist hart erarbeitet und über eine längere Gewöhnung etabliert werden, es erfordert dabei ein Verlassen der sicheren Komfortzone.

Zwei Arten der gesunden Bewältigung sind häufig anzufinden:

das problemfokussierte Coping. Das heißt, das Lebewesen verändert sein Handeln und wird in der Lösungsfindung aktiv, um die stressauslösende Situation zu regulieren. In Lillys Fall könnte sie sich jetzt an einen Coach wenden, um neue Handlungswege zu finden. Oder sie übt bestimmte Situation noch einmal mehr (z. B. Leinenführigkeit und -orientierung in konfliktreicheren Situationen, den Einsatz der passenden Körpersprache).das emotionsfokussierte Coping. Hier wird versucht, die Emotionen bei sich selbst zu regulieren, die durch Stress entstehen (z. B. die innere Haltung zu dem Problem verändern). In Lillys Fall wären es das Erkennen ihrer Stressmuster und eine Neubewertung der Situationen. Dazu zählen für sie Gespräche mit guten Freundinnen (soziale Unterstützung), Akzeptieren des derzeitigen Zustands (die Pubertät des Hundes) und ebenfalls hilft ihr eine gute Prise Humor, um den vielen Ereignissen die Schwere zu nehmen.

Das dysfunktionale und nicht gesunde Coping wäre in diesem Bereich das Einnehmen von Suchtmitteln wie Alkohol und Drogen. Suchterkrankungen haben übrigens fast immer ihre Ursache in unbewältigten Stresszuständen und/oder fehlenden Ressourcen von Kindesbeinen an.

Je mehr Möglichkeiten ein Lebewesen zur Bewältigung hat, desto stressresistenter geht es durch das Leben. Verfügt es über genügend Ressourcen, hat es für sich gefühlt eine Unterstützung? Dann kann es sein, dass es sich viel lieber aktiv mit Stress auseinandersetzt und bereit ist, Lösungen zu finden. Es handelt dann eher proaktiv, also statt stets nur die Brände zu löschen, wird es dafür sorgen, dass sie erst gar nicht entstehen. So wachsen weitere Coping-Strategien heran und das Gefühl, immer besser mit Stress umgehen zu können.

Leider funktioniert es auch in die andere Richtung. Die gewählten Strategien führen nicht zum Erfolg oder sind dysfunktional, das Selbstwirksamkeitsgefühl sinkt und es entstehen keine weiteren Ideen zum Umgang mit Stress. Angstgefühle halten Einzug, die eine weitere Auseinandersetzung mit dem Konflikt verhindern. Oder es entsteht eine höhere Aggressionsbereitschaft als Coping-Strategie, nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung. So werden Angst oder Wut als neue Strategien empfunden und nach einiger Zeit als Muster übernommen. Es wird für ein Lebewesen „normal“ werden, so auf Stress zu reagieren.

Zum Teil werden die Strategien sogar aus frühester Kindheit übernommen, da zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeiten zur Selbstregulation wenig ausgebildet sind. So hält sich das Kind an Eltern oder anderen Erziehungsberechtigten, die uns ihre Muster vorleben. In dem Alter wird selten hinterfragt, das Kind übernimmt das Verhalten als Antwort auf Stress. Dysfunktionaler Stressabbau kann sich im ersten Moment gut anfühlen, da unser Gehirn ein „faules Organ“ ist und lieber mit gewohnten Mustern reagiert, als jedes Mal neu zu bewerten. Doch wer immer wieder mit Wut auf Konflikte reagiert oder sie jedes Mal in Alkohol ertränkt, wird langfristig größere Probleme im sozialen oder gesundheitlichen Bereich bekommen.