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Jenny, eine Frau mittleren Alters, bekommt von ihren Eltern zum Geburtstag eine Urlaubswoche geschenkt. Sie entscheidet sich wie schon in den vergangenen 4 Jahren, diese kostbaren Tage im hessischen Bad Sooden-Allendorf zu verbringen. Auf ihrem Weg durch diese zauberhafte Stadt erinert sie sich an ihre erste Liebe und beginnt, ihre Vergangenheit zu verarbeiten.
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Seitenzahl: 46
Matt schien die Sonne durch die dunkelblauen Vorhänge. Es dauerte eine Weile, bis ich mich an meine Umgebung gewöhnt hatte. Die erste Nacht seit langem in einem Hotelbett! Wie immer hatte ich schlecht geschlafen. Nur eine kleine Weile noch wollte ich liegen bleiben, vielleicht ein wenig träumen.
Seit vier Jahren fuhr ich jedes Jahr in diesen schönen kleinen Kurort, der geborgen im Werratal liegt, um auszuruhen und zu wandern. In diesem Jahr hatten meine Eltern mir eine Woche Kurzurlaub zum Geburtstag geschenkt. Seit Wochen freute ich mich auf diese Urlaubstage, denn in den letzten drei Jahren konnte ich lediglich verlängerte Wochenenden in diesem bezaubernden Ort verbringen.
Wie lange war es her, dass ich zum ersten Mal in diesem Hotelzimmer gelegen hatte? Ewigkeiten schienen seither vergangen und doch war die Erinnerung an die Zeit vor vier Jahren so lebendig, als wäre es gestern gewesen.
Ein wenig ausruhen wollte ich damals, weg von der Familie, von den täglichen Pflichten! Ich wollte endlich raus aus dem Alltagstrott, mich an einen gedeckten Tisch setzen, mich verwöhnen lassen und einfach mal die Seele baumeln lassen. Ein wenig komisch war mir dann doch gewesen, als Jürgen, mein Mann, mich damals zum Hotel gefahren hatte und mir dieses kleine Zimmer zugewiesen wurde. Oh nein, es war keines dieser luxuriösen Appartements gewesen, die meine Freundin Cornelia bevorzugte. Cornelias Mann war bei der Bundeswehr tätig. Beide hatten keine Kinder und konnten eigentlich tun und lassen, was sie wollten. Als sie dann auch noch eine Erbschaft machten, kauften sie sich ein großes Segelboot und waren eigentlich nur noch auf Reisen und unsere Freundschaft nahm ein jähes Ende.
Schöne Urlaubsreisen, sündhaft teure und edle Klamotten, davon konnte ich nur träumen. Wir lebten in sehr bescheidenen Verhältnissen. Von dem Geld, das ich nebenbei mit Kinderbetreuung verdiente, kaufte ich meinem Ehemann die Anzüge, die er beruflich brauchte. Und auch die Kinder benötigten immer wieder neue Anziehsachen. Ab und zu leistete ich mir einen Frisörbesuch oder kleine Luxusartikel wie Nagellack und Wimperntusche. Selten gab ich mich meinen Träumen hin. Als Ehefrau und Mutter zweier lebhafter Söhne stand immer die Familie im Mittelpunkt. Was ich persönlich wirklich wollte und wozu ich außer Haushaltsführung und Kindererziehung imstande war, wusste ich leider noch nicht so genau.
Mein Mann, leitender Angestellter einer Krankenkasse, war im Beruf sehr engagiert und verbrachte seine Freizeit ausschließlich mit Langlauf. So dachte ich damals. Schließlich konnte ich nicht wissen, dass er seine freie Zeit lieber in der nächstgelegenen Dorfkneipe verbrachte und seine Lieblingsbeschäftigung darin bestand, mit anderen Männern Feierabendbierchen zu trinken.
Unsere Ehe bestand nur noch auf dem Papier. Intensive Gespräche fanden immer seltener statt und ein normales Ehe- oder besser gesagt Liebesleben gab es schon seit einigen Jahren nicht mehr. So blieb mir neben Haus- und Gartenarbeit nur der Spätnachmittag und der Abend, um Pullover zu stricken, zu lesen und wöchentlich zur Yoga-Gruppe des kleinen Dorfes zu gehen. Das Leben verlief zwischen Pflichten und täglichem Einerlei.
Ich gab mir redlich Mühe, meinen Kindern eine gute Mutter zu sein, dazu eine gute Hausfrau, die noch zu kochen und zu backen verstand, den Garten in Ordnung hielt, tapezierte, reparierte und ihre schlanke Figur pflegte. Aber anscheinend hatte das alles nicht ausgereicht, um das Interesse meines Mannes zu halten.
Um Kraft zu schöpfen, nahm ich mir vor, hier und da ein Wochenende ohne meine Familie zu genießen und legte immer wieder Geld meines Nebenverdienstes auf mein Sparbuch. Ich ging selten zum Frisör und sparte an Kleidung und Luxusartikeln, die für viele meiner Freundinnen und Bekannten zur Normalität des Alltags gehörten.
Dass meine Eltern mir nun diese Woche Urlaub zum Geburtstag geschenkt hatten, berührte mich sehr. Oft hatte meine Mutter bemerkt, dass ich müde war von der vielen Arbeit, denn mein Mann rührte in Haus und Garten nur äußerst selten seine Hände. Sogar das Aussägen des Apfelbaumes, das Schneiden der über 35 Meter langen Hecke wie auch das Anlegen eines großen Wärmebeetes waren meine Aufgaben. Oft hatte ich Rückenschmerzen, aber das rührte ihn nicht. „Du kannst Dir Deine Arbeit ja einteilen!“, war sein Kommentar.
Meine Eltern waren seit jeher gegen unsere Beziehung gewesen. Mir fehlte wohl jeglicher Weitblick und Liebe macht bekanntlich blind. Ich litt unter der Lieblosigkeit und Teilnahmslosigkeit meines Mannes. Nach der Geburt unseres ersten Sohnes verzichtete er auf jegliche weitere Zärtlichkeit. Allerdings trat er in der Öffentlichkeit als warmherziger fürsorglicher Partner auf. Meine Freundinnen beneideten mich um diesen Mann, der immer gepflegte Hände und blitzblank saubere Schuhe trug.
*
Endlich war es so weit. Ich war zurückgekehrt in das alte schrullige Hotel in dem romantischen Fachwerkstädtchen, das ich bei meinem ersten Urlaub so lieb gewonnen hatte. Noch etwas müde und schwerfällig erhob ich mich. Das Frühstücksbuffet würde noch nicht leer gefegt sein, wenn ich in einer halben Stunde im Speisesaal einträfe. Der Gedanke an eine heiße Tasse Kaffee und an duftende Brötchen mit leckerer Marmelade, ließ mich frohgelaunt und singend unter die warme Dusche springen.