Lass` wahren Frieden werden den Völkern aller Erden - Karin Eckermann - E-Book

Lass` wahren Frieden werden den Völkern aller Erden E-Book

Karin Eckermann

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Beschreibung

In einem Gedicht über die Flucht mit ihren Kindern im Zweiten Weltkrieg ruft eine Mutter zum Frieden aller Völker auf. Der wahre Friede meint den inneren Frieden jedes verantwortungsvollen Menschen, wodurch sich Kriege vermeiden lassen.

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Letztes Familienfest im Danziger Elternhaus, meine Taufe, 1944

INHALT

I. Vorwort

II. „Ein Strauß für Mutter”, 1919

III. „Mein goldener Bub”, 1923

IV. „Glücksvogel”, 1939

V. „Träume!”, 1947

VI. „Oft fand ich…”, 1947

VII. „Abschied von Föhr”, 1948

VIII. „Weihnachtsgedicht für meine Karin”, 1948

IX. „Der 18. Februar”, 1949

X. „Das Haus in Danzig-Langfuhr”, 1949

XI. „Briefe”, 1950

XII. „Meinem Sohn zum 18. Geburtstag“, 1949

XIII. „Ein Dreimäderlhaus“, 1949

XIV. „Trank des Vergessens”, 1949

XV. „Vor meiner Operation”, 1951

XVI. Nachwort

„Wie der Mensch in seiner Vollendung das edelste aller Geschöpfe ist, so ist er, losgerissen von Gesetz und Recht, das schlimmste von allen.”

(Aristoteles, Griechischer Universalgelehrter, 384-322 v. Chr.)

Die erste Seite im Tagebuch Lotte Krolls

I. Vorwort: Die Gedichte als Spiegel des Lebens meiner Mutter

Nach dem Tode 1967 meiner geliebten Mutter, Lotte Kroll, liegt ihr Tagebuch vor mir, das auf verwunschenen Wegen auf mich gekommen ist und das ich zum ersten Mal in Händen halte. Dieses „Tagebuch” ist ein Lyrikband meiner Mutter mit eigenen, mir bis dahin unbekannten Gedichten, die in schöner Schrift die Seiten füllen und deren Themen ihre Erlebnisse in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, ihre Vertreibung und Flucht aus Danzig sowie die Jahre ihrer schweren Krankheit umfassen.

Deshalb möchte ich in einer empathischen Zeitreise mit folgenden Fragen auf Spurensuche gehen:

Wer war meine Mutter, die gezwungen war, im Januar 1945 mit ihren vier Kindern allein auf die Flucht aus Danzig, dem heutigen Gdansk in Polen, zu gehen? Inwiefern war sie durch die Kriegsereignisse gezwungen, ihre Heimat, ihr Haus und ihre Freunde zu verlassen? Auch ihren Mann, meinen Vater, Walter Kroll, und meinen Großvater, Friedrich Kaetelhodt, musste sie zunächst zurücklassen, weil alle Männer Anfang Januar 1945 laut Befehl der Nazi-Regierung Danzig noch gegen die Rote Armee verteidigen sollten.

Welche Erinnerungen trug meine Mutter mit sich im Laufe jener Jahre, in denen sie Gedichte schrieb? Aus welchem Abgrund steigen diese Gedichte in der heutigen Zeit zu mir hervor? Wie soll ich die z. T. rätselhaften Bilder lesen, und warum kommen mir dabei die Tränen?

Ihre traumatischen Erfahrungen hat meine Mutter als musisch und sprachlich hochbegabter Mensch in die künstlerische Form von Gedichten gefasst. Rückblickend erzählt sie indirekt auch von ihrer Kindheit und Jugend in Danzig als ihrer verlorenen Heimat und vom ehemaligen Leben, das so schnell entschwand. Ihre Lyrik zeichnet voller Liebe und Seelenschmerz den Grundriss ihrer erlebten Zeit.

Vierzehn der ca. 50 Gedichte1 habe ich für meine Familie sowie für die Nachwelt und für alle jene Menschen ausgewählt, die ebenfalls von Flucht und Vertreibung betroffen waren oder sind. Denn die Erfahrungen meiner Mutter vom Verlust der Heimat, von der persönlichen Herzensschwere und der sozialen Entwurzelung sowie vom Schicksal ihrer jahrelangen Krankheit haben sie selbst und ihre Kinder, möglicherweise auch ihre weiteren Nachkommen über Generationen hinweg beeinflusst. Die Gedichte enthalten vielleicht für jeden Leser und jede Leserin eine besondere Botschaft.

1 Form und Rechtschreibung werden beibehalten.

II. „Ein Strauß für Mutter“ (1919)

Mutter, ich brachte dir einen Strauß vom Feld

und hab` ihn dir gleich in dein Zimmer gestellt.

Die Wicke und Kornrade,

die liebst du doch grade,

der rote Mohn, die Marg`riten in Massen,

ich konnt` sie wirklich nicht stehen lassen.

Du brauchst aber nicht bange zu sein,

daß ich zu weit ins Korn ging hinein.

Habe nur am Rande gepflückt,

wo der Wind die Ähren geknickt.

Nun, - Muttilein -, freu` dich am Strauß,

wie bald - ach – ist der Sommer aus.

Tuschezeichnung Lottes

1908: Maximilian Boljahn mit seiner Frau Berta, geb. Krohn, stehend zwischen den beiden ihre Tochter, Lucia Elvira Emilie Boljahn, die am 18.2.1901 meinen Großvater, Friedrich Kaetelhodt, geheiratet hatte. Rechts daneben steht meine Mutter, Lotte Kaetelhodt, 5 Jahre alt.

1919: Großmutter Lucia mit ihren vier Kindern Ilse, Lotte, Hans und Gerd

II. „Ein Strauß für Mutter” (1919)

Meine Mutter wurde als Lotte Kaetelhodt am 27. November 1903 in Danzig, dem heutigen Gdansk in Polen, als zweites Kind der Eltern Lucia Kaetelhodt, geb. Bol-jahn, und Friedrich Kaetelhodt geboren. Sie hatte noch eine Schwester und zwei Brüder und wuchs in einem humanistisch geprägten Elternhaus auf. Ein Brüderchen starb im Säuglingsalter. 1908 wurde sie frühzeitig eingeschult, da sie, wie sie erzählte, mit fünf Jahren bereits aus der Zeitung vorlesen konnte und dies dem Rektor der Danziger Grundschule als Aufnahmekriterium genügte.

Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs war sie 11 Jahre alt. Als Auswirkungen des Krieges ergaben sich für die Bevölkerung in Deutschland und Danzig schwierige Lebensumstände durch eine große Wirtschaftskrise: Hunger, Unterernährung und auch die Kindersterblichkeit waren weit verbreitet. Wegen einer Inflation musste alles Goldgeld der deutschen Bevölkerung an die kaiserliche Regierung für den Krieg gestiftet werden. Die Familie Kaetelhodt besaß nach dem Verkauf eines Grundstücks der Großeltern 120.000,00 Reichsmark Goldgeld. Dieses musste gegen Eintauschen einer Plakette mit der Aufschrift „Gold gab ich für Eisen” abgegeben werden.

Am Ende des Ersten Weltkriegs 1918 war meine Mutter fünfzehn Jahre alt und erlebte die Auflösung des Kaiserreichs, die politische Umgestaltung Deutschlands und damit auch die Neuordnung Danzigs. Vielleicht haben diese dramatischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen eine Rolle bei der Entscheidung der Eltern Lucia und Friedrich gespielt, ihre Tochter Lotte 1919 das Königliche Gymnasium in Danzig mit der Mittleren Reife abschließen zu lassen und sie auf die weite Reise von Danzig nach Kassel zu schicken. Dort sollte sie eine dreijährige Ausbildung zur Kindergärtnerin am Fröbel-Seminar antreten.

Das Gedicht vom farbenfrohen Strauß, der am Rande eines Kornfelds gepflückt wurde, weist metaphorisch neben der Liebe zu ihrer Mutter und zur Natur auch auf das Ende ihrer Kindheit und Jugend hin: „ wie bald -ach - , ist der Sommer aus”. Die Blumensymbolik der Wicke könnte hier auf den Abschied und die Vergänglichkeit zielen, die der Mohnblume auf die Schönheit des Lebens und die der Margerite auf einen geliebten Menschen. Die heitere Gemütsverfassung am Anfang weicht einer Wehmut des Herzens. Das lyrische Ich tröstet die Mutter, sich keine Sorgen zu machen, dass es „zu weit ins Korn ging”. Hier wird ein Hymnus an Mutter Natur thematisiert, denn am Anfang des letzten Jahrhunderts waren Kornfelder noch wahre Paradiese für Bestäuber und eine Kinderstube sowohl für Rehe als auch für Vögel in Bodennestern; ein buntes Blumenmeer umrandete jedes Kornfeld.

Aus privater Perspektive kann man dieses Gedicht als Abschiedsgruß an die Mutter lesen, bevor Lotte nach Kassel fuhr. Der historische Kontext von 1919 verleiht der neuen Lebenssituation meiner Mutter und damit auch der Aussage ihres Gedichts jedoch eine besondere Dramatik durch die vollständig veränderte politische Weltlage Europas – und Danzigs. Meine Mutter sah sich einer für sie unbekannten Landkarte2 im veränderten Deutschland gegenüber: sie musste für diese Reise mit einem von der polnischen Verkehrsbehörde verplombten Zug von Dan-zig aus den sogenannten „Polnischen Korridor”, der auch der „Danziger Korridor” genannt wurde, durchqueren, bevor sie die Strecke über Stolp, Stettin, Berlin, Halle und Erfurt nach Kassel fortsetzen konnte.

Der Polnische Korridor bildete nach dem Ende des Ersten Weltkriegs die nördliche Landenge, die Danzig vom Mutterland trennte und ab 1919 zu Polen gehörte. Denn der 1795 aufgelöste und jetzt wieder entstandene Staat Polen war im Rahmen der Neuordnung Europas durch den Versailler Friedensvertrag geschaffen worden und enthielt die deutschen Provinzen Westpreußen und Posen.

Diese Neuordnung betraf gleichzeitig auch die alte Hansestadt Danzig, indem die Stadt und ihr Umland zu einem Freistaat unter dem Schutz des Völkerbunds erklärt wurde. Die Freie Stadt Danzig, wie sie seitdem hieß, erhielt zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine demokratische Verfassung, die nach Genehmigung durch den Völkerbund im Mai 1922 in Kraft trat.

So schwebt die Atmosphäre eines historischen Umbruchs des eigenen und gesamtgesellschaftlichen Lebens der Zeit über diesem Gedicht.

Die Mutter: Lucia Kaetelhodt, geb. Boljahn (1877 -1940)

Der Vater: Friedrich Kaetelhodt (1873-1957)

(Zeichnung: K. Eckermann)

2 Landkarte der Reise Lottes 1919 von Danzig durch den Polnischen Korridor nach Kassel

III. „Mein goldener Bub“ (1923)

Mein goldener Bub, mein Mädelchen du,

nun ist zu Ende die Wintersruh,

nun lauft hinaus aufs grünende Feld

und pflückt Schneeglöckchen, soviel euch gefällt.

Hört auch der Vögel rührende Lieder,

sie zwitschern: der Frühling kehrt jetzt wieder.

Und ihr, meine beiden, nun tummelt euch auch

und bringt mir viel Lachen und Sonne ins Haus

und zarte Schneeglöckchen, einen ganzen Strauß.

Scherenschnitt Lottes

III. „ Mein goldener Bub“ (1923)