Leading Mothers: Warum sich gerade Mütter eine Führungsposition zutrauen können - Anette Lippert - E-Book

Leading Mothers: Warum sich gerade Mütter eine Führungsposition zutrauen können E-Book

Anette Lippert

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Beschreibung

Der Weg zurück aus der Mutterschaft in den Job ist nicht leicht – das weiß jede Mutter, die diese Situation erlebt hat. Eine Beförderung als Mutter ist umso schwerer. Dabei hat das oft nicht nur mit den Kindern zu tun, die das Leben plötzlich mitbestimmen, sondern vor allem mit der Gesellschaft und der Arbeitswelt. Noch immer ist Elternzeit und Mutterschaft ein "schwarzes Loch im Lebenslauf", das von Arbeitgebern oft nicht als das gesehen wird, was es wirklich ist: die anspruchsvollste Fortbildung für Führungskräfte, die man sich aussuchen kann. Lebensnah und kompetent, ehrlich und nachvollziehbar erklärt Anette Lippert anhand von fünf "Bauklötzen" mit Beispielen aus dem Familien- und Geschäftsalltag, welche unverzichtbaren Führungsfähigkeiten sich Mütter aneignen und warum sie damit wertvoll für jedes Unternehmen sind. Das Buch bietet eine längst überfällige Übersetzungsleistung für Frauen, die ihre eigenen Kompetenzen vielleicht (noch) nicht erkannt haben, aber auch für ihr Umfeld.

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Seitenzahl: 388

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Meiner Familie gewidmet:

MEINEMMANN, von dem ich als Führungskraft und Mensch ständig lerne und der mich immer und in jedem Projekt unterstützt

&

MEINEMSOHN, dem eigentlichen Helden dieses Buches

&

MEINENELTERN, bei denen ich erst als Mutter begriffen habe, wie tolerant und weitsichtig sie mich erzogen haben und was sie das für Nerven gekostet haben muss

INHALT

1.Einführung

2.Das Bauklotz-Prinzip und der Faktenteppich, auf dem die Bauklötze stehen

2.1.Status weibliche Führungskräfte

2.2.Leading Mothers

2.3.Das Bauklotz-Prinzip

3.Bauklotz A: »Dann gibt es eben kein Eis« – Konsequenz und effektives Projektmanagement

3.1.»Hast du Danke gesagt?« – Regeln und Grenzen

3.2.»Dann gibt es eben kein Eis« - Konsequenz

3.3.stern fahren wir in den Urlaub« – Zielorientierung

3.4.»Du willst doch in den Zoo?« – Kommunikation der Ziele

3.5.»Emily muss um fünf Uhr abgeholt werden« – Unverhandelbare Deadlines

3.6.»Das Kuchenbacktrauma« oder Pareto-Prinzip contra Perfektionismus

3.7.»Um sechs Uhr gibt es Essen« – Proaktiv vorausplanen

3.8.»Du darfst nicht zu Max zum Spielen« – Entscheidungen treffen

3.9.»Du isst, was auf den Tisch kommt« – Im größeren Kontext einordnen

3.10.»Kannst du bitte den Tisch decken« – Delegation und Teamfähigkeit

3.11.»Luis möchte tanzen« – Flexibilität und Anpassungsfähigkeit

3.12.»Wir nehmen die schwarze Piste!« – Ins kalte Wasser springen

4.Bauklotz B: »Wie war es in der Schule?« – Empathie

4.1.Was ist Empathie?

4.2.»Da ist ein Monster unter dem Bett!« – Achtsamkeit und Zuhören

4.3.»Wir gehen in fünf Minuten!« – Klare und emphatische Kommunikation

4.4.»Ich bin stolz auf dich« – Motivation, Lob und Erfolge feiern

4.5.»Ich glaube dir« – Loyalität

4.6.»Warum weinst du, Mama?« – Emotionen und Verletzlichkeit

4.7.»Klar, ich nehm ihn mit« – Solidarität und belastbare Netzwerke

4.8.»Sei nett« – Freundlichkeit und Güte

4.9.»Schau mal, wie schnell ich bin!« – Selbstbewusstsein und Selbstwahrnehmung

5.Bauklotz C: »Er geht im Ironman- Kostüm zur Schule – na und?« – Resilienz

5.1.»Alles wird gut« – Grundvertrauen

5.2.»Ich hatte aber den roten Stift!« – Krisen- und Konfliktmanagement

5.3.Nein sagen können und eigene Grenzen – Die persönliche rote Linie

5.4.»Aber er hat mich gehauen« – Ereignisse von verschiedenen Seiten betrachten

5.5.»Morgens Zirkus, abends Theater« – Zwei Welten bereichern sich gegenseitig

5.6.»Ich hasse dich – ich kann es gar nicht erwarten auszuziehen« – Nichts persönlich nehmen

5.7.»Er geht im Ironman-Kostüm zur Schule – na und?« – Dem Druck standhalten

6.Bauklotz D: Gib ihnen Wurzeln und schenk ihnen Flügel – Weiterentwicklung

6.1.»Das schaffst du« – Förderung

6.2.»Ich will nicht Klavier spielen« – Unterschiede akzeptieren

6.3.»Maaamaaa« – Zeit lassen, eine eigene Lösung zu finden »French pause«

6.4.»Ich kann schon zählen: Eins, zwei, fünf«– mit Leichtigkeit scheitern und aus Fehlern lernen

6.5.»Lass uns in der Pfütze platschen« – Neugier wecken und albern sein

6.6.»Du hast ›Scheiße‹ gesagt!!« – Vorbild sein und Selbstreflexion

6.7.»Ich heirate Mama« – Mütterliche Schuldgefühle, Mindfucks und Selbstwert

6.8.»Hallo, hier ist Julians Schule …« Mut: die eigene Komfortzone zu verlassen

6.9.»Denk nicht mal dran« – Intuition

7.Bauklotz E: »Wenn ich groß bin, werde ich Astronaut« – Vision

7.1.»Wenn ich groß bin, werde ich Astronaut« – Vision und Mission

7.2.»Ich bin doch kein Baby mehr!« – Neuausrichtung

7.3.»Wir hauen niemanden« – Werte vermitteln und Verantwortung übernehmen

7.4.»Warum muss ich immer den Müll raustragen?« – Purpose und Sinnfindung

7.5.»Meine Mama ist eine Heldin« – Unterstützung ohne direkte Gegenleistung

7.6.»Wo gehst du hin?« »Freunde treffen.« »Wann bist du wieder da?« »Weiß nicht.« – Demut und sich selbst abschaffen

8.Bauklotzkleber »Mama, kannst du mal …?« – Offene Fragen & Hilfestellungen

8.1.Sind Leading Mothers die besseren Führungskräfte?

8.2.Was kann schon schiefgehen?

8.3.Best prctice: Lösungen von Unternehmen

8.4.Hier geht’s zur Umsetzung

Quellen

Danksagung

1.Einführung

Ihre Freundin hat Ihnen erzählt, dass sie bei der Neubesetzung einer Führungsposition übergangen worden ist? Die Begründung: »Es tut mir leid, aber für diese Stelle brauchen Sie Präsenz und müssen immer für Ihr Team erreichbar sein. Mit zwei kleinen Kindern wird das schwierig, fürchte ich. Kollege Schneider hat während Ihrer Elternzeit die von uns gesuchten Kompetenzen aufgebaut.« Kollege Schneider hat übrigens auch zwei kleine Kinder und nur jeweils einen Monat Elternzeit genommen.

In meiner beruflichen Karriere habe ich immer wieder erlebt, wie oft Frauen mit dem Thema »Führung und Kinder« hadern. In vielen Gesprächen spürte ich die Frustration darüber, dass Frauen mit Kindern nicht zugetraut wird, eine Führungsposition auszufüllen. Leider geben darum viele arbeitende Mütter auf, ihre Ambitionen zu verfolgen. Ich habe außerdem zu oft beobachtet, wie hoch qualifizierte Mütter von Männern, die keine »Auszeit« hatten, bei Beförderungen oder Neubesetzungen übergangen wurden.

Elternzeit ist nach wie vor eine Lücke im Lebenslauf. Mit Kindern verbrachte Zeit, Erziehung und Familienmanagement werden im unternehmerischen Sinne im besten Falle als uninteressant betrachtet. Im schlechteren Fall disqualifiziert die Mutterschaft eine Frau dafür, eine höhere Hierarchieebene zu erreichen. Es wird angenommen, dass eine Mutter nie 100 % bei der Sache sein kann, da immer das Kind Priorität haben wird. Es ist angeblich mit ständigen Ausfällen zu rechnen. Realistisch ist diese Annahme nicht. Arbeitende Mütter haben eine starke Wertschätzung für ihren Job und arbeiten sehr effizient. Dass Mütter die Ansprüche einer Führungsposition nicht erfüllen können, ist eher ein Klischee, das hinterfragt werden sollte.

Viele Frauen, mit denen ich geredet habe, erwähnen in einem Bewerbungsgespräch nicht, dass sie Kinder haben. Sie haben Angst, dass sich dies negativ auf ihre Beurteilung auswirken könnte. Diese Angst ist nachvollziehbar. Im Vergleich zu einem Mann bleibt beim Interviewer ein Zweifel, ob sie dem Job als Mutter gewachsen sind. Daher wird bei ansonsten gleichen Qualifikationen eher der Mann die Position bekommen, selbst wenn er Familienvater ist. Nach wie vor wird angenommen, dass sich die Mutter um die Kinder kümmert und beim Familienvater eher ein geringes Risiko durch krankheitsbedingte Ausfälle der Kinder und andere Notfälle entsteht.

Es wäre also schon viel erreicht, wenn arbeitende Mütter, die sich auf eine Führungsposition bewerben oder befördert werden wollen, einfach ausschließlich aufgrund ihrer Qualifikationen betrachtet werden würden.

Ich möchte allerdings noch einen Schritt weiter gehen: Ich sehe die Mutterschaft als ein zusätzliches Argument, eine Frau auf eine Führungsposition zu setzen. Erziehung und Familienmanagement trainieren viele essenzielle Führungseigenschaften. Jeden Tag und intensiv. Wie komme ich zu dieser Aussage?

Mein Schlüsselerlebnis war eine Episode auf dem Spielplatz, als mein Sohn ungefähr drei Jahre alt war. Im Sandkasten saß ein anderes Kind, das mit einem Bagger spielte. Kurz darauf spielte mein Sohn mit dem Bagger und das andere Kind heulte. Ich musste eingreifen, um die Situation zu retten. An diese Szene dachte ich am nächsten Tag in einem Meeting, in dem sich zwei Abteilungsleiter um ein Projekt stritten. Spontan formte sich der Satz in meinem Kopf: »Jetzt gib ihm doch einfach den Bagger zurück.«

Beim Baggerproblem war mir klar, wie ich einschreiten musste. Die Ziele waren einfach: Frieden herstellen. Dann dafür sorgen, dass einträchtig weitergespielt wird, im Idealfall zusammen. Manchmal artet die Baggerfrage im Sandkasten aus und das eine Kind zieht dem anderen den Bagger über den Kopf. Meistens gibt es allerdings eine zufriedenstellende und pädagogisch wertvolle Lösung und das eigene Kind lernt zu akzeptieren, dass der Bagger dem anderen gehört und wie man gemeinsam spielt.

Mir kam die Idee, dass diese Form der Konfliktlösung auch in dem Meeting, in dem ich gerade saß, Anwendung finden könnte. Ich habe also vorgeschlagen, das Projekt gemeinsam zu lösen (gemeinsam zu spielen), die Aufgaben aufzuteilen (einer fährt Sand ran, der andere ist für die Burg zuständig) und später wieder zusammenzuführen (mit der fertigen Burg spielen). Es wurde klar definiert, wer der »Owner« des Projektes und wer für Teilprojekte verantwortlich ist. Zu meiner Überraschung hat das wunderbar funktioniert. Beide Abteilungsleiter verließen zufrieden das Meeting.

Mir fielen in den nächsten Jahren immer mehr Analogien dieser Art ein und ich setzte die in der Kindererziehung und im Familienmanagement gewonnenen Lösungen und Fähigkeiten bewusst in meinem Team und Arbeitsumfeld ein. Ich hatte ein motiviertes, erfolgreiches Team und stellte weitere Mütter ein. Mir wurde klar, dass Kindererziehung und Familienmanagement ein Trainingscamp für Chefinnen sind. Allerdings werden diese Erfahrungen in Unternehmen bisher nicht als Qualifikationen gesehen. Dabei ist dieses Phänomen sogar wissenschaftlich untersucht und belegt worden.

Wie können wir das ändern?

Es gibt zwei Stellschrauben, an denen gedreht werden muss.

Die erste Stellschraube sind die jetzigen Führungskräfte, sowohl Männer als auch Frauen. Die Personen, die in einem Unternehmen Mütter einstellen oder befördern könnten.

Sie sollten bei der einen Zeile »Ein Jahr Elternzeit« im Lebenslauf genauso nach den für den Job relevanten Erfahrungen fragen, wie sie es tun würden, wenn dort »Ein Jahr Work and Travel in Australien« oder »Drei Jahre Projektleitung Vertrieb« stehen würde. Sie sollten sich bewusst sein, welche Fähigkeiten eine Mutter in ihrem für die Firma kostenlosen Training zu Hause gelernt haben könnte. Sie sollten Vertrauen darin haben, dass Mütter nach der Elternzeit zurückkommen und dann immer noch leistungsstark sind.

Dieselbe Grundlage hat die Beurteilung von Vätern, die aktiv in der Erziehung und dem Familienmanagement tätig sind. Allerdings sind diese Väter im Moment eher die Ausnahme als die Regel.

Die Beispiele aus dem Familienleben sollen nicht heißen, dass Mitarbeiter*innen wie Kleinkinder behandelt werden können oder sollen. Mit Recht kann auch infrage gestellt werden, ob diese Fähigkeiten durch die selbstreflektierte Mutterschaft oder eher durch Lebenserfahrung gewonnen wurde. Sicher spielt die Lebenserfahrung eine Rolle. Mutterschaft intensiviert und beschleunigt den Lernprozess allerdings.

Natürlich bedeutet das nicht, dass jede arbeitende Mutter eine fantastische Führungskraft ist. Es besagt auch nicht, dass ausschließlich Mütter gute Führungskräfte sind. Laut Gallup besitzt nur eine von zehn Personen das Talent zu führen.1 Umso wichtiger ist es, den Pool der potenziellen Führungskräfte möglichst groß zu halten.

Die zweite Stellschraube sind die Mütter selbst. Das beginnt mit den jungen Frauen, die sich heute schon früh über das Thema Familie und Karriere Gedanken machen. Sie sollten mit dem guten Gefühl in den Beruf einsteigen, dass Elternzeit keine verlorene Zeit für die Karriere ist. Sie sollen nicht heulend und um ihre berufliche Zukunft bangend vor ihren Chef*innen sitzen, während sie erzählen, dass sie schwanger sind.

Meine Mission ist es, Mütter ihre in der Familie gewonnenen Führungsstärken erkennen zu lassen und danach bewusst und selbstbewusst im Arbeitsumfeld zu kommunizieren und einzusetzen. Erkannt haben das eine große Zahl der Mütter, mit denen ich gesprochen habe. Wie genau diese Stärken allerdings im geschäftlichen Umfeld umgesetzt werden oder werden können, ist vielen unklar. Das erschwert auch die Vermarktung dieser gewonnenen Qualifikationen.

Eine Mutter erzählte mir, dass sie im Interviewer-Team für eine Führungsposition in ihrem Umfeld agiert hat. Interviewt wurde eine Frau mit drei Kindern. Einer der anderen zwei männlichen Interviewer fragte nach den Qualifikationen der Bewerberin im Bereich Projektmanagement. Als Antwort sagte sie, dass sie mit drei Kindern eine exzellente Projektmanagerin sei. Für sie und die Interviewerin war das Thema damit erfolgreich abgehakt. Im Nachgespräch zur Beurteilung der Kandidatin zeigte sich allerdings, dass die beiden anderen (männlichen) Interviewer die Antwort als unzureichend empfanden und keine Erfahrung im Projektmanagement sahen. Die Familie hier anzubringen, fanden sie eher seltsam und unpassend.

Was ist falschgelaufen? Die Bewerberin hat angenommen, dass die Interviewer wissen, welch intensives Projektmanagement bei drei Kindern und einem Job notwendig ist. Sie ist außerdem davon ausgegangen, dass der Transfer dieser Fähigkeiten ins Geschäftsleben selbstverständlich ist. Das ist er nicht. Um zu beweisen, dass sie Projektmanagement beherrscht, hätte sie folgendermaßen antworten können: »Als Mutter dreier Kinder trainiere ich jeden Tag Projektmanagement mit definierten Milestones und einem heterogenen Projektteam in einem sich ständig ändernden Umfeld. Die Learnings aus dem familiären Projektmanagement habe ich bereits erfolgreich in geschäftlichen Situationen anwenden können. In meinem Beruf kann ich daher hervorragend viele verschiedene Projekte nebeneinander führen und auftretende Krisen schnell und effizient lösen.« Dann sollte am besten noch ein Beispiel kommen, um die Erfahrung zu veranschaulichen. Professionelles Umfeld, professionelle Sprache und Beispiele. Nur so wird Chef*innen bewusst, welchen Schatz an essenziellen Führungsfähigkeiten sie bei diesen Bewerberinnen finden können.

Das Ziel meines Buches ist es, durch plakative, eingängige und sofort verständliche Geschichten aus dem Alltagsleben aufzuzeigen, welche Führungsfähigkeiten eine Mutter trainiert.

Ich möchte sie ermutigen, ihre eigenen Geschichten zu finden und bewusst im Berufsalltag anzuwenden. Sie können durch den Streit unter Kleinkindern im Sandkasten Konfliktmanagement demonstrieren. In der Diskussion mit einem Teenager über aufgeräumte Zimmer die Fähigkeit, die Perspektive zu wechseln und zielgerecht zu kommunizieren aufzeigen. Das sind wichtige Führungseigenschaften. In jedem Interview für eine neue Position werden Sie nach Belegen für eine angegebene oder gewünschte Eigenschaft gefragt. Die Beispiele in diesem Buch sollen Ihnen die Augen öffnen, um die Qualifikationen wahrzunehmen, die Sie durch Ihr persönliches Training in der Familie erworben haben. Vergleichen Sie die für den angestrebten Führungsposten benötigten Kompetenzen mit diesen Qualifikationen. Sie sind eine gut ausgebildete Führungskraft. Bewerben Sie sich selbstbewusst.

Meine Geschichten kommen nicht nur von mir, sondern aus dem großen Pool meines Netzwerkes, einem von mir durchgeführten Online-Survey mit circa 250 Teilnehmer*innen, über 65 Interviews und den Gesprächen, die ich mit Müttern über viele Jahre geführt habe. Besonders wichtig ist mir der Transfer von Erfahrungen im Kinderalltag ins Geschäftsleben, ohne dabei zu verniedlichen. Daher beziehe ich mich auf die Erfahrungen meiner Gesprächspartnerinnen, die für mich »Real Role Models« sind. Diese Vorbilder kommen aus den unterschiedlichsten Positionen und Ebenen. Sie zeigen reale Geschichten und Möglichkeiten für die Umsetzung im eigenen Leben.

Am Ende des Buches gibt es den Link zu einer Checkliste, mit der Sie, liebe Leser*innen, durchgehen können, welche Qualifikationen Ihre Familie Ihnen verschafft hat. Damit sind Sie für das nächste Interview oder Feedbackgespräch mit Ihrem Vorgesetzten bestens gewappnet.

Außerdem bin ich bei meinen Recherchen auf einige Firmen gestoßen, die weibliche Führungskräfte und Mütter ernst nehmen und ihnen Raum geben. Daher habe ich zwei Best Practice Beispiele ausgewählt, um zu zeigen, wie das geht.

Viel Spaß beim Lesen und vor allem bei der Anwendung!

Machen Sie Karriere nicht statt, sondern wegen Kindern.

Entdecken Sie das Potenzial der Mütter in Ihrem Team.

2.Das Bauklotz-Prinzip und der Faktenteppich, auf dem die Bauklötze stehen

Für Mütter, die außerdem Führungskräfte sind, gibt es keine Bezeichnung. Ich nenne sie »Leading Mothers«. Leading Mothers haben besondere Stärken und müssen sich besonderen Herausforderungen stellen, die sie von anderen Führungskräften unterscheiden. Daher finde ich, dass sie einen eigenen Namen verdienen, um sie zu differenzieren, herauszuheben und zu betonen.

Leading Mothers sind eine Untergruppe von Frauen in Führungspositionen. Daher muss ich erst einmal über die Hürden für weibliche Führungskräfte im Allgemeinen sprechen. Über dieses Thema sind schon viele Bücher geschrieben worden, die verschiedene Aspekte betrachten. Ich möchte hier nur einen kurzen Abriss geben, da man die Teilgruppe der Leading Mothers nur verstehen kann, wenn man die generellen Herausforderungen für weibliche Führungskräfte kennt.

Für mein später beschriebenes Bauklotz-Prinzip sind diese Grundlagen quasi der Teppich.

2.1.Status weibliche Führungskräfte

Frauen sind weltweit immer noch nicht in den Führungsetagen angekommen. Die Studien, die Vorständinnen und Aufsichtsrätinnen zählen, zeigen zwar einen leichten Trend nach oben, bei Gleichberechtigung sind wir allerdings noch lange nicht angelangt. Laut des Zwischenberichtes »Stabiles Wachstum beim Frauenanteil in den Vorständen« der AllBright Stiftung anlässlich des Frauentages am 8.3.2023 ist der Frauenanteil von 17 Prozent in den Vorständen im internationalen Vergleich noch immer sehr niedrig. Fast die Hälfte der 160 Börsenunternehmen hat keine einzige Frau im Vorstand.2

Das Ranking der AllBright Stiftung zählt seit 2016 die Anzahl der deutschen Firmen ohne weibliche Vorstände. 2016 waren es 122 Unternehmen, 2022 sind es noch 81 von 160 im DAX, MDAX oder SDAX notierten Unternehmen.

Die Zahl wächst stabil, aber langsam. 574 Männer und 121 Frauen sind Vorstände. Immer noch ist Thomas der häufigste Name unter deutschen Vorständen. Die Zahl der Thomasse nimmt sogar zu. Es gibt mehr Vorstandsvorsitzende, die Christian heißen (9), als weibliche Vorstandsvorsitzende (7).3 Mit dem aktuellen Tempo seit September 2021 dauert es, laut der AllBright Stiftung, noch 42 Jahre bis zur Parität, 18 Jahre mit dem durchschnittlichen Tempo der letzten fünf Jahre. »Vergleicht man den Frauenanteil in den Vorständen der führenden 40 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, Schweden und in den USA, landet Deutschland seit zwei Jahren unverändert auf dem vorletzten Platz.« Die USA stehen auf Platz 1 mit 31 % Frauenanteil in den Vorständen.3,4

(http:/www.Allbright-Stiftung.de , AllBright Bericht September 2023: Einsam an der Spitze).

Warum sind die Zahlen der Vorständinnen und Aufsichtsrätinnen so wichtig für die Gleichberechtigung? Der Bloomberg Gender-Equality Index (GEI) sieht eine Korrelation zwischen der ersten Führungsebene und den Frauen in den Führungspositionen darunter. Laut dem Bloomberg GEI 2022 ist es daher wichtig, Gleichberechtigung vom höchsten Level aus zu fördern. GEI Mitglieder mit mehr als 30 % Vorständinnen haben im Durchschnitt 27 % Frauen in Führungsrollen, verglichen mit 20 % in Führungsrollen bei weniger als 30 % im Vorstand.5Mehr Vorständinnen ziehen also mehr Frauen in Führungspositionen nach.

In der Studie »Women in the Workplace 2022«, die von McKinsey in den Vereinigten Staaten und Kanada durchgeführt wurde, ist noch immer keine Gleichberechtigung in Führungspositionen festzustellen, obwohl die USA weltweit die meisten weiblichen Führungskräfte haben.8 Nur eine von vier Senior Führungspositionen (C-Suite: also CFOs, CTOs, C**s) waren von einer Frau besetzt, nur eine von 16 ist eine Women of Color.6 Die »kaputte Leiter« (brocken rung), wie die Stufen in die höchsten Führungspositionen beschrieben werden, ist für Frauen nach wie vor schwer erklimmbar – also »kaputt«. Für alle 100 Männer, die befördert werden, werden nur 87 Frauen befördert. Als Resultat gibt es mehr Männer auf den oberen Führungsebenen und es stehen weniger Frauen für die nächsten Beförderungsschritte in den Startlöchern.6

Zusätzlich zeigt die Studie, dass immer mehr weibliche Führungskräfte ihre Jobs verlassen. Für jede Frau auf »director level«, die befördert wird, trennen sich zwei weibliche »directors« von ihrer Firma. Dafür gibt es laut McKinsey mehrere wichtige Gründe. Zum einen wehen Frauen, die aufsteigen möchten, starke Gegenwinde entgegen. Sie werden z. B. doppelt sooft wie Männer für einen »Junior« gehalten. 37 % der weiblichen Führungskräfte gaben an, dass ihre Ideen anderen zugesprochen werden. Bei männlichen Führungskräften sind das nur 27 %. Zum anderen fordern weibliche Führungskräfte eine bessere Arbeitskultur ein. Sie sind 1,5-mal eher bereit als Männer, ihren Job zu verlassen, wenn eine andere Firma ein besseres DEI (Diversity, Equality, Inclusion) Engagement verspricht.

Es gibt also einen weiteren Trend: Frauen in Führung sind wechselbereiter. Zum gleichen Ergebnis kommt auch die AllBright Studie »Kampf um die besten Köpfe«. Bedeutet das, dass es ein Risiko ist, Frauen in Führungspositionen zu bringen, da es wahrscheinlicher ist, dass sie wieder gehen? Ich würde eher sagen, dass weibliche Führungskräfte sensibler für eine problematische Arbeitskultur sind und damit ein wichtiger Indikator für Handlungsbedarf auf diesem Gebiet.4

Wo gehen diese Frauen hin? 61 % der weiblichen Talente sehen sich die Diversität der Führungsriege an, bevor sie entscheiden, ob sie für eine Firma arbeiten wollen.7

Die Schlussfolgerung des McKinsey Berichtes von 2022? »Wenn die Unternehmen nicht handeln, verlieren sie nicht nur ihre weiblichen Führungskräfte, sondern riskieren auch, die nächste Generation weiblicher Führungskräfte zu verlieren.«8 Das wäre wirkliche eine Verschwendung von sowieso raren guten Führungskräften.

Wir sind also noch weit von der Parität in den Führungsetagen entfernt. Frauen werden seltener befördert, reagieren feinfühliger auf nicht-diverse Arbeitsumgebungen und fordern selbstbewusster ein, was ihnen wichtig ist.

Zusammenfassung

Fakt 1: Frauen sind in Deutschland immer noch nicht gleichberechtigt in den Führungsetagen angekommen.

Fakt 2: Vorständinnen ziehen weibliche Führungskräfte nach.

Fakt 3: Der weibliche Führungsnachwuchs hat es weiterhin schwer aufzusteigen.

Fakt 4: Weibliche Führungskräfte sind zunehmend wechselbereiter als Männer. Werden sie nicht wertgeschätzt und arbeiten in einer wenig diversen Arbeitskultur, wandern sie ab.

Schlussfolgerungen:Was bedeutet das für weibliche Führungskräfte?

Sie sind nicht allein, wenn Sie Wertschätzung, Beförderung und eine gute Arbeitskultur einfordern! Treten Sie ruhig selbstbewusst auf, ganz langsam dämmert es auch den Unternehmen, dass Sie wertvolle Führungskräfte sind. Seien Sie sich Ihrer Stärken bewusst!

Was bedeutet das für Unternehmen?

Wenn bei Ihnen vermehrt Frauen in Führungspositionen kündigen, stimmt etwas in ihrer Diversitätsstrategie oder -umsetzung nicht. Wohin diese Frauen abwandern und welche Firmen für sie interessant sind, gibt Ihnen Hinweise darauf, wo Sie Lücken haben. Denn als Unternehmen wollen Sie weibliche Führungskräfte anziehen, nicht abstoßen. Inzwischen ist es keine Neuigkeit mehr, dass Diversity nicht nur aus gesellschaftlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen Aspekten lohnend ist. Eine interessante Diskussion über die Gründe und Hintergründe in der Wechselwirkung zwischen Diversity und höherer Produktivität gibt der Artikel des »Harvard Business Review: When gender diversity makes firms more productive«.7 Es gibt danach einen positiven Feedbackloop: Mehr gelebte, akzeptierte Diversity, mehr Marktwert und bessere Wertschöpfung. Mehr und mehr Studien, z. B. von McKinsey, zeigen den Wert von weiblichen Führungskräften für die Wirtschaft. Allerdings ist der hohe Wert von weiblichen Führungskräften noch nicht überall durchgedrungen und Firmen und männliche Chefs tun sich schwer, ein attraktiver Arbeitgeber für weibliche Führungskräfte zu sein.

Wie zwei Unternehmen es schaffen, ein attraktiver Arbeitgeber für weibliche Führungskräfte und Leading Mothers zu sein, zeige ich am Ende des Buches im Best Practices Teil.

2.2.Leading Mothers

Wenn weibliche Führungspersonen schon nicht gesehen werden, dann ist das mit Müttern noch schwieriger. Frauen in Führungspositionen kämpfen mit Stereotypen, Mütter noch mehr.

Um das zu verdeutlichen, möchte ich zwei Geschichten meiner Interviewpartnerinnen erzählen:

In der ersten wollte der Chef nur nett und zuvorkommend sein und schickte seine Mitarbeiterin deswegen nicht auf ein Training. Da wäre sie ja schließlich eine Woche weg und sie habe doch ein kleines Kind! Dem Chef ist dabei nicht klar, dass dieses Verhalten nicht rücksichtsvoll ist, sondern bevormundet und Chancen raubt. Er hätte sie einfach selbst entscheiden lassen sollen. Es stellte sich anschließend heraus, dass man nur in die nächste Hierarchiestufe aufsteigen kann, wenn man das erwähnte Training absolviert hatte. Hier verhindert der Beförderungsprozess die Gleichstellung von Müttern.

Die zweite Geschichte habe ich mehrfach gehört. Es gibt eine Frage, die alle Mütter, die auf Geschäftsreise gehen, gleich fassungslos macht und verärgert: »Was hast du denn mit den Kindern gemacht?« Was erwarten die Fragenden denn als Antwort? Ups, die habe ich ganz vergessen?Man bekommt den Eindruck, dass Mutterschaft und Management sich hier ausschließen. Auf Geschäftsreise gehen und Kinder haben, ist anscheinend ein Paradox. Wie das zu bewerkstelligen ist, kann offenbar oft nicht nachverfolgt werden. Daher die (sicher auch nett gemeinte) Frage.

Diese beiden Geschichten illustrieren Verhaltensweisen, die sich durch Schubladendenken oder Stereotypen ergeben und dazu führen, dass Mütter nicht in Betracht gezogen werden, wenn Führungspositionen vergeben werden.

In Deutschland gibt es drei große, weit verbreitete »Typen« von Müttern: die Vollzeit arbeitenden Rabenmütter, die nicht arbeitenden Hausmütterchen und den hohen Prozentsatz von arbeitenden Müttern in Teilzeit. Aus diesen Schubladen ergeben sich viele unbewusste Vorurteile (unconcious bias).

In einem Artikel der Financial Times wundern sich die Autoren über den deutschen Begriff der »Rabenmutter«. Eine Rabenmutter ist eine Mutter, die ihre Kinder vernachlässigt. Dieser Begriff wird häufig für Vollzeit arbeitende Mütter benutzt. Die Autoren wundern sich darüber, dass es gerade in Deutschland einen solchen Begriff gibt. In der Außenwirkung sieht man deutsche Leading Mothers wie Ursula von der Leyen als Vorreiterin für weibliche Führungskräfte in der Politik. Die englischen Autoren sehen den Grund dieses Gegensatzes in der konservativen Unternehmenskultur und Gesellschaft. Die traditionellen Rollenmodelle sind in Deutschland noch stark.9

Die Basis dafür liegt in der deutschen Historie. Die Bertelsmann Stiftung beschreibt das so: »Das vorherrschende gesellschaftliche Leitbild beruflicher Karriere ist ein Modell, das sich an männlich geprägten Lebensentwürfen orientiert. Im Zuge der Aufklärung geriet im ausgehenden 18. Jahrhundert die Verschiedenheit der Geschlechter zum gesellschaftlichen Ideal der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft. Während Männer sich zunehmend über den Beruf und über gesellschaftliche und politische Partizipation identifizierten, wurde Frauen der private Bereich zugeschrieben. Ihre Identität bezog sich auf die Mutterschaft und soziale, sorgende Dienste.«10

Die »Hausmütterchen« haben heute trotzdem ein ähnlich schlechtes Image wie die »Rabenmütter«, auch wenn sie dem konservativen Modell entsprechen. Die Verniedlichung zeigt schon, dass ihnen intellektuell nichts zugetraut wird. Sie werden belächelt. Die Leistung, die eine Vollzeit-Mutter bringt, wird in keiner Weise wertgeschätzt. Dabei könnte man diesen Job durchaus auch finanziell bewerten, um die Wertschöpfung von Müttern zu zeigen. Man müsste einfach die äquivalenten Gehälter von Putzfrauen, Kindermädchen, Krankenschwestern, professioneller Wäschereinigung, Catering, Sekretärin, Coaches etc. zusammenzählen. Die Beschreibung des »Jobs Mutter« wird sehr gut in zwei Videos beschrieben. Das erste ist ein TV Spot der Firma Vorwerk, in dem eine Mutter auf einer Party gefragt wird, was sie denn so mache. Ihre Antwort: »Ich leite ein kleines Familienunternehmen.« Das zweite Video zeigt reale Interviewgespräche, nur dass die Bewerber*innen nicht wissen, dass es um den Job einer Mutter geht. Alle Bewerber*innen sind entsetzt über die Anforderungen und empört davon, was dieser potenzielle Arbeitgeber von ihnen verlangt.11

Natürlich unterscheidet sich die Bewertung der Lebensmodelle der Mütter auf dem Land und in der Stadt. Generell wird in der Stadt eher das Hausmütterchen belächelt, auf dem Land die Rabenmutter schräg angesehen. Auch die Anzahl der Kinder spielt in der Bewertung eine Rolle. Je mehr Kinder, desto akzeptierter die Hausmütter und desto schlimmer die Rabenmutter. Nein, hierzu habe ich keine Studie, das ist einfach meine Erfahrung aus Gesprächen mit unzähligen Müttern.

In Deutschland gibt es zusätzlich noch einen großen Unterschied zwischen der ehemaligen DDR und West-Deutschland. Bettina Al-Sadek-Lowinski weißt in ihrem Buch »Women in Top Management« auf ein oft übersehenes Ungleichgewicht in Deutschland hin: In Ostdeutschland haben 1989 vor der Wiedervereinigung 91 % der Frauen gearbeitet. In Westdeutschland war dieser Prozentsatz zur gleichen Zeit nur 51 %. Nach einem Report des Familienministeriums 2019 ist nach der Wiedervereinigung der Anteil von Frauen in Managementpositionen in Ostdeutschland immer noch circa 5 % höher als in Westdeutschland. Im Osten von Deutschland gibt es auch ein gut ausgebautes Betreuungssystem, das im Westen nach wie vor fehlt.12

Ist Teilzeit die gesellschaftlich akzeptierte Form der arbeitenden Mutter?

Teilzeit ist eine Frauendomäne, in Deutschland sind vorwiegend Frauen in Teilzeit beschäftigt. Deutschland steht (nach den Niederlanden und Großbritannien) laut McKinsey an dritter Stelle, was »Part-time rate per gender« betrifft.13 Die »Part-time employment rate« der OECD zeigt Deutschland an fünfter Stelle hinter den Niederlanden, Australien, der Schweiz und Japan.14 66,7 Prozent der Frauen mit mindestens einem Kind unter zwölf Jahren arbeiteten 2019 in Deutschland in Teilzeit, im EU-Durchschnitt waren es nur 34,9 Prozent.15

2017 war fast jede zweite erwerbstätige Frau von 20 bis 64 Jahren (47 %) in Teilzeit tätig. Unter den gleichaltrigen Männern betrug dieser Anteil nur 9 %.16 Der überwiegende Teil der Teilzeit arbeitenden Frauen gab als Hauptgrund die Betreuung von Kindern oder Pflegebedürftigen (31 %) bzw. sonstige familiäre oder persönliche Verpflichtungen (18 %) an. Ein großer Teil der Männer nannte hingegen als Hauptgrund für die Teilzeitbeschäftigung eine parallel laufende Ausbildung oder berufliche Fortbildung (25 %).16

Führung in Teilzeit ist immer noch ein schwieriges Thema. Viele Unternehmen halten es nicht für möglich, in Teilzeit zu führen. Shared Leadership ist nach wie vor eine Ausnahmeerscheinung. Laut der Studie der Bertelsmann Stiftung»Karrierek(n)ick Kinder« halten es viele Leading Mothers nicht für möglich, in Teilzeit zu arbeiten, weil es ihrer Karriere geschadet hätte.10

Teilzeit ist übrigens auch nicht die Lösung, wenn Mütter gesellschaftliche Akzeptanz suchen. Denn Teilzeitmütter können sich nicht entscheiden und versuchen, alles zu haben.

Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts IFO gehen 58 % der jungen Frauen im Teenageralter heute davon aus, später für die Familie im Beruf deutlich kürzerzutreten – bei den Jungen sind es 16 %.17 Diese Zahl regt zum Nachdenken an, denn das sieht nach vorauseilender Einschränkung, nicht nach Wahl und freier Entscheidung aus.

Zusammenfassung

Fakt 1: Leading Mothers leiden stark unter Klischees und Stereotypen. Das gilt sowohl für Vollzeit, als auch für Teilzeit arbeitende Mütter.

Fakt 2: Teilzeit ist in Deutschland weiterhin eine Frauendomäne.

Fakt 3: Frauen arbeiten größtenteils Teilzeit, um sich Zeit für die Kindererziehung zu nehmen.

Fakt 4: Führung in Teilzeit ist nach wie vor selten.

Schlussfolgerung

Als Mutter stecken Sie sowieso in einer Schublade, die mit Klischees beladen ist, egal ob Sie in Vollzeit, Teilzeit oder als Vollzeit-Mama arbeiten. Also machen Sie sich keinen Kopf – irgendwer wird Ihr Modell immer herabschätzend betrachten, egal, welches Sie wählen. Da ist es auch schon wieder egal.

Was können Sie persönlich tun, um Veränderung herbeizuführen?

Das, was bei allen Stereotypen und unbewussten Vorurteilen empfohlen wird: Sich dessen bewusst zu werden. Worte wie »Rabenmutter« und »Hausmütterchen« aus dem eigenen Sprachgebrauch streichen. Mütter nicht bewerten, nur weil sie ein anderes Lebensmodell wählen als man selbst oder die Frauen in der eigenen Familie.

Für welche Art der Kombination zwischen Mutterschaft und Job man sich entscheidet, hängt von so vielen Faktoren ab: biologischen und finanziellen Gegebenheiten, den eigenen Werten, Partnerschaftskonstellationen, Betreuungsmöglichkeiten und, und, und. Es steht Ihnen einfach nicht zu, andere dafür zu bewerten. Sie kennen selten die oft sehr persönlichen Hintergründe für diese Entscheidung.

Zollen Sie den Lebensmodellen der (anderen) Frauen Respekt! Stereotypen limitieren Leading Mothers.

Reaktionen wie die oben erwähnte Frage zu Kindern und Geschäftsreise führen dazu, dass viele Managerinnen ihre Kinder in der Arbeit nicht erwähnen. Früher wurde auch in einigen Karrierebüchern davor gewarnt, Familienfotos auf dem Schreibtisch zu haben. Das gibt das falsche Bild bezüglich der Prioritäten. Für Mütter wohlgemerkt, nicht für Väter. Eine der von mir interviewten Leading Mothers fasste das folgendermaßen zusammen: »Gegen die Klischees anzugehen ist mir zu anstrengend, darum erwähne ich meine Kinder in der Arbeit nie.« Sie war beileibe nicht die Einzige, die das so sieht.

Quelle: Katja Berlin, DIE ZEIT 34/2017 (Darstellung leicht verändert).

2.3.Das Bauklotz-Prinzip

Diese Fakten sind quasi der Teppich, auf dem sich Leading Mothers bewegen: Wenig Förderung von weiblichen Führungskräften, Stereotypen und Klischees gegenüber arbeitenden Müttern.

Diese Widerstände lassen Frauen den Mut verlieren und es kostet viel Kraft, gegen sie anzukämpfen. Dabei habe ich die Betreuungssituation und andere nicht gerade förderliche Rahmenbedingungen noch gar nicht erwähnt.

Die Basis ist also eher schwierig oder, um in dem Bild zu bleiben, der Teppich eher uneben. Nichtsdestotrotz ist es möglich, eine zufriedene und erfolgreiche Leading Mother zu werden. Ihre Erfahrungen als Mutter helfen Ihnen unter diesen Konditionen »im Mindesten, um trotz der ganzen Widrigkeiten durchzukommen«, wie eine meiner Interviewpartnerinnen das bezeichnete.

Wie genau macht mich die Mutterschaft zu einer guten Führungskraft?

Um das zu beleuchten, brauchen wir zunächst eine Antwort auf die Frage: Was bedeutet gute Führung? Wenn man nach der Definition von Führung sucht, bekommt man zahlreiche Begriffserklärungen. Danach ist Führung die bewusste Verhaltensbeeinflussung anderer Personen, um definierte Ziele zu erreichen.Moderne Führung hat mit Empathie, Orientierung, Kommunikation, Motivation, Vision, Selbstreflexion, aber auch mit Verantwortung gegenüber dem Team und dem Unternehmen zu tun. Das sind also die wichtigen Komponenten für eine gute Führungskraft.

Was bedeutet das für die Qualifizierung von arbeitenden Müttern als Führungskraft? In den Worten einer von mir interviewten Leading Mother: »Mir tut jeder in einer Führungsposition leid, der keine Kinder hat. Die Erfahrungen sind für Führungskräfte essenziell.«

Um diese Erfahrungen zu strukturieren und somit leichter zu entdecken, habe ich das Bauklotz-Modell entworfen. Kinder suchen sich die schönsten Bauklötze heraus und bauen damit etwas, das zu ihrem individuellen Spiel passt. Das kann ein Haus sein oder ein Eisenbahntunnel. Bauklötze sind vielfältig einsetzbar.

Dieses Buch illustriert die fünf grundlegenden Bauklötze von Leading Mothers: Konsequenz & Projektmanagement, Empathie, Resilienz, Weiterentwicklung und Vision.

Jedem der fünf Blöcke von Führungsfähigkeiten werden Beispiele der »Trainings« in der Kindererziehung und dem Familienmanagement zugeordnet und der Transfer und die Relevanz dieser Eigenschaften als Führungsqualitäten dargestellt.

Suchen Sie sich Ihre persönlichen Bauklötze, also Ihre Erfahrungen und Qualifikationen, heraus. Nicht jeder Bauklotz wird gebraucht und manche Bauklötze sind verschüttet und müssen herausgekramt werden. Bauen Sie mit den geforderten oder Ihrer Meinung nach passenden Steinen Ihr persönliches Schloss, um die Karriere zu machen, die Sie verdienen, und gleichzeitig Spaß mit Ihrer Familie haben.

3.Bauklotz A: »Dann gibt es eben kein Eis« – Konsequenz und effektives Projektmanagement

Die häufigste Antwort von Leading Mothers auf die Frage, welche Eigenschaften sie als Leading Mother in der Kindererziehung und dem Familienmanagement gelernt haben und als Führungskraft nutzen konnten, ist effektives Projektmanagement. Diese Beschreibung von Bernadette Austin aus dem Comstock’s Magazine fasst das sehr schön zusammen:

»Mütter fragen nicht, ob etwas geht, sondern überlegen, wie es gelöst werden kann. Mama hat eine Stunde, um ihren Kindern das Mittagessen vorzubereiten, sich fertig zu machen, die Kleidung in der Reinigung abzugeben sowie die Kinder, inklusive ihrer Musikinstrumente und fertigen, unbeschädigten Klassenprojekte, in die Schule zu bringen, bevor sie in die Arbeit geht. Dieses Szenario spielt sich täglich in Tausenden von Haushalten in unserer Gegend ab und jedes Mal ist es ein kleines Wunder. Mütter schätzen die Situation ein, machen eine mentale Inventur der zur Verfügung stehenden Ressourcen und gehen unverzüglich an die Umsetzung. Großartige Führungskräfte machen dasselbe: Wenn sie mit den gewaltigen Markteinwirkungen fertigwerden müssen, beurteilen sie die Ressourcen ihrer Firma, trommeln die Truppen zusammen und treffen schwierige Entscheidungen, um die Firma weiterhin auf dem Erfolgspfad zu halten.«18

Oder wie Margaret Thatcher sagte: »If you want something said, ask a man; if you want something done, ask a woman.« Eine weiterreichende Version davon kursiert im Internet: »If you want to get shit done, hire a woman; if you want to get everything done, hire a mother.«

Zu effektivem Projektmanagement gehören für mich unter anderem die in dem Zitat von Bernadette Austin illustrierten Fähigkeiten Zielorientierung, Entscheidungsfreude, Priorisierung und Konsequenz. Obwohl sich diese Punkte überschneiden, will ich versuchen, sie einzeln zu behandeln.

3.1.»Hast du Danke gesagt?« – Regeln und Grenzen

So gut wie alle Erziehungsbücher weisen darauf hin, wie wichtig es ist, Regeln aufzustellen und sie konsequent durchzuziehen. Dazu gehört eine klare Festlegung und Kommunikation der Regeln, die sich auch nicht ständig ändern dürfen. »Klare Grenzen setzen« heißt das in der Sprache der Kindererziehungsbücher. Regeln geben einen sicheren Rahmen, in dem sich das Kind bewegen kann. Das ist die Grundlage, um die Kinder zu Menschen zu erziehen, die mit Rechten und Pflichten vertraut sind und damit soziales Miteinander trainieren. Wichtig ist, zu seinen Regeln zu stehen. Sie dürfen sich nicht täglich ändern. Sie müssen einschätzbar und vorhersehbar sein.

Esther Wojcicki, Lehrerin, Journalistin, »Silicon Valley Super Mum« dreier sehr erfolgreicher Töchter (zwei CEOs und eine Professorin) und Autorin des Buches »How to raise sucessful children« geht noch einen Schritt weiter: »… die Kinder müssen lernen, sich selbst unter Kontrolle zu haben, um Unabhängigkeit zu lernen.«19 Oder wie eine andere Leading Mother es auf den Punkt brachte: »Was macht eine Mama aus? Orientierung geben!«

Ohne Regeln handeln Kinder nach dem sogenannten Lustprinzip und tun in erster Linie das, woran sie gerade Spaß haben, egal, ob das andere Personen in ihrem Umfeld einschränkt oder behindert. In den meisten Elternhäusern gibt es daher klare Regeln. Diese Regeln betreffen Haushaltspflichten, Tischmanieren, Höflichkeit, Ausdrucksweise, Umgang mit anderen, Pünktlichkeit, Mediennutzung, … und vieles andere. »Hast du Danke gesagt?«, ist sicher eine der häufigsten Sätze von Eltern, indem sie ihr Kind an die Regeln der Höflichkeit erinnern.

Regeln sind etwas Positives, an dem sich nicht nur Kinder orientieren können. Mit ihnen lernt man den Umgang mit anderen Menschen. Denn nur wenn man die Regeln kennt, weiß man, wie man sich verhalten muss, um in der Gesellschaft akzeptiert und geachtet zu werden. Dabei muss man zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen Arten von Regeln unterscheiden. Es gibt »unumstößliche Regeln« und »normale« Regeln.

Unumstößliche Regeln sind zum Beispiel »Bei Rot nicht über die Straße gehen«. Oder »Nicht die heiße Herdplatte anfassen«. Es gibt keinen Raum für Diskussionen, da die Konsequenzen der Regelüberschreitung schwerwiegend sind. Bei der roten Ampel ist ein Nichteinhalten der Regel für das Kind lebensgefährlich.

Im Arbeitsleben gibt es diese zwei Arten von Regeln auch. Unumstößliche Regeln sind meist grundsätzliche Rahmenbedingungen, unter denen man arbeitet, z. B. Datenschutz. In diesem Fall kann ein Brechen der Regeln existenzbedrohende rechtliche Konsequenzen für die Firma haben.

»Normale« Regeln sind nicht so scharf definiert und der Spielraum kann angepasst werden, solange die beiden Parteien auf Grundlage der gleichen Regeln arbeiten. Bei Kindern gehören Höflichkeitsregeln zu dieser Kategorie. Wenn sie nicht eingehalten werden, gibt es Konsequenzen im sozialen Verhalten der anderen Person, die das Kind auch zu spüren bekommt. Die Nichteinhaltung ist aber für Kinder nicht lebensbedrohlich. Diskutieren kann man in diesem Fall die Form. Reicht ein kurzes »Danke«, ein Händeschütteln, muss es ein Dankesbrief oder ein gemaltes Bild als Dankeschön sein? Dazu gehören Erklärungen der Regel und deren Hintergrund. Vielleicht ist das Kind schüchtern und erklärt, dass es Angst hat, nah an andere Menschen heranzugehen. Dann kann die Regel »Danke sagen und Hand geben« in »Danke sagen« geändert werden. Bedankt sich das Kind nicht, macht es vielleicht die Erfahrung, nächstes Jahr kein Geburtstagsgeschenk von der entsprechenden Person zu erhalten.

Übertragen auf die Firma wäre das z. B. die Regel, die Kommunikation immer vorher abzustimmen. Dazu gehören vielleicht Präsentationen für ein internes Gremium, die vorher mit der Chef*in durchgegangen werden sollten. Wenn die Mitarbeiter*in damit nicht einverstanden ist, kann man probieren, wie das ohne diese Regel funktioniert. »Wenn das (die Abstimmung) nicht passiert, stelle ich meine Fragen an dich im Meeting vor allen anderen,« erklärte mir eine Leading Mother ihr Vorgehen. Die Lektion für die Mitarbeiter*innen: Es ist günstiger für mich, die Abstimmungsregel einzuhalten, wenn ich den Rückhalt meiner Chef*in haben möchte.

Ein weiteres Beispiel für die Relevanz der Kommunikation klarer Regeln im Geschäftsleben ist das »Cultural Training«, das in vielen internationalen Firmen angeboten wird, bevor eine Mitarbeiter*in in ein anderes Land versetzt wird. In diesem Training werden die Regeln dieses Landes im geschäftlichen Umgang bewusst gemacht. Ist es üblich, geschäftliche Vereinbarungen direkt und im angesetzten Meeting zu treffen (wie in Deutschland) oder eher nach einer längeren persönlichen Kennenlernphase (wie in China)? Einfache und klare Regeln geben einen Rahmen, in dem sich Mitarbeiter*innen sicher bewegen können. Das motiviert und zeigt, in welcher Richtung die Weiterentwicklung belohnt wird. Unsichere Mitarbeiter*innen sind weder erfolgreich noch zufrieden. Ein Regelwerk gibt vor, wie man miteinander arbeitet. Regeln geben Orientierung und die Mitarbeiter*innen wissen, woran sie sind. Mitarbeiter*innen brauchen Bestätigung, ob das, was sie tun, wertgeschätzt wird, weil es der Vision und Herangehensweise der Führungskraft entspricht. Auch die ehemalige Siemens Vorständin Janina Kugel kommt zum gleichen Schluss: »Als Chef berechenbar zu sein ist enorm wichtig, damit das Team weiß, woran es ist.«20

Außerdem helfen klare Regeln, sowohl der Mutter als auch der Führungskraft, Energie zu sparen. Die Größe des eigenen inneren Akkus ist immer gleich. Daher muss man seine Energie gezielt einsetzen und sparen, wo es sinnvoll ist. Regeln sparen Energie, weil sie vorhersehbar und einschätzbar sind. Ein Beispiel dafür ist die Regel, dass jeden Tag direkt nach der Schule die Hausaufgaben gemacht werden. Das spart täglich wiederkehrende Diskussionen.

Im Beruf wären das z. B. Regelmeetings mit Mitarbeiter*innen mit klar festgelegtem Ablauf. Wenn sich Mitarbeiter*innen darauf verlassen können, stehen sie nicht wegen jeder Kleinigkeit am Schreibtisch der Chefin. Oder beim Thema kulturelle Unterschiede: Der Mitarbeiter*in rennt sich nicht den Kopf bei direkten Verhandlungen im Meeting ein, weil ihm bewusst ist, dass ein Abschluss der Verhandlungen nur im ungezwungenen Rahmen möglich ist.

Qualifikationen:

•Einfache und klare Regeln definieren und kommunizieren können

•Grenzen aufzeigen

•Orientierung liefern, Kontext geben

3.2.»Dann gibt es eben kein Eis« - Konsequenz

Regeln funktionieren nur, wenn die Konsequenzen bei Regelüberschreitungen klar sind und auch immer umgesetzt werden. So gab es in unserem Haushalt z. B. die Regel, dass nicht mit Spielzeug geworfen werden darf. Ich hatte meinem Sohn erklärt, dass Spielzeug kaputt geht, wenn man es wirft. Wenn es ihm egal ist, ob das Spielzeug kaputt geht oder nicht, dann ist es ihm anscheinend nicht wichtig. Also kann es weg. Ich würde jedes Spielzeug, das durch die Luft fliegt, wegschmeißen.

Wichtig ist hier, dass man die Folge des Regelbruchs auch wirklich konsequent durchzieht, also in diesem Fall das Spielzeug tatsächlich wegwirft. Das kann schwer sein, wenn es ein Geschenk von Tante Jasmin war, neu ist oder man es selber sehr gerne mag. Es sollte also nie etwas angedroht werden, was man nicht bereit ist durchzuziehen. Ansonsten verliert die Mutter an Glaubwürdigkeit und weicht die Regeln auf. Das habe ich selbst schmerzlich erlebt, als ich angedroht hatte, dass wir kein Eis essen gehen würden, wenn mein Sohn seine Sachen nicht wegräumt. Leider hat er das nicht gemacht und deshalb hing ich verschwitzt in unserer heißen Dachgeschosswohnung fest und träumte von den Salted-Caramel- und Himbeereiskugeln des Eisladens um die Ecke. Damit habe ich mich mehr bestraft als ihn.

Natürlich kann es bei »normalen« Regeln auch mal Ausnahmen geben, aber die müssen wirklich nur ausnahmsweise die Regel außer Kraft setzen. Wie eine Mutter mir einmal erklärt hat: »Eine Ausnahme ist OK. Die zweite Ausnahme ist grenzwertig. Die dritte Ausnahme ist die neue Regel. Ein Kind wird die neue Regel schnell als solche annehmen. Damit tut man sich keinen Gefallen.«

Hat das Kind aber einmal gesehen, wie man die Regeln durchzieht, glaubt es an die Konsequenzen und ändert sein Verhalten dahingehend, dass es die Regeln einhält. Natürlich wird gerade bei kleinen Kindern in regelmäßigen Abständen getestet, ob die Regeln noch gelten. Das sind an den Nerven zehrende Tage. Aufgeben ist keine Option, denn ohne Regeln ist das Leben mit Kindern sehr anstrengend. Man kann den Job »Mutter« nicht kündigen und muss deswegen mit den Konsequenzen des eigenen Handelns bis zum (hoffentlich nicht) bitteren Ende leben.

Um aber auf die Geschichte mit der Regel zum Umgang mit Spielzeug zurückzukommen: Mein Sohn hat genau einmal wütend ein Spielzeug geworfen. Das Spielzeug war dann weg. Danach ist das nie wieder vorgekommen.

Was hat das mit Mitarbeiter*innen zu tun? Die schmeißen doch eher selten Büromaterial durchs Büro. Die Antwort ist einfach: Mitarbeiter*innen brauchen genauso ein konsequentes Vorgehen ihrer Chef*in. So hat mir eine Leading Mother erklärt, dass in ihrem Team ein offener und toleranter Umgang die Regel ist. Wenn sich ein Mitarbeiter*innen nicht daran hält und stur ist, wird das nicht toleriert. Dann wird das Meeting vertagt, bis sich dieser Mitarbeiter*innen beruhigt hat und wieder konstruktiv am Gespräch teilnehmen kann. Sie sagte, dass sie von ihren Kindern gelernt hat, dass an dieser Stelle Argumente nichts mehr bringen, nur klare Regeln und Konsequenzen. Ganz ruhig, ohne Drama. Sie setzt das sehr bewusst bei ihren Mitarbeiter*innen ein.

Konsequent sein ist eine der einfachsten und wichtigsten Erziehungsregeln, aber am schwersten durchzuhalten. Konsequenz macht keinen Spaß. Das hört sich sehr einfach an, erfordert aber Durchhaltevermögen und Geduld. Eine meiner persönlich schwierigsten Episoden zum Thema Konsequenz war der Versuch, meinem kleinen Sohn beizubringen, dass ich ihn nicht mehr tragen würde. Er wurde mir zu schwer, sollte selbst gehen und nicht schnellstmöglich auf die bequeme Variante auf Mamas Arm zurückgreifen. Wir wohnten damals im vierten Stock eines Mietshauses ohne Aufzug. Nachdem Quentin im Erdgeschoss aus seinem Kinderwagen ausgestiegen war, sollte er allein die Treppen hochsteigen. Er war der Meinung, ich solle ihn tragen. Ich war konsequent. Das bedeutete, dass wir 45 Minuten gebraucht haben, um den Weg zu unserer Wohnungstür zurückzulegen. Außerdem kannten wir danach alle Nachbarn, weil Quentin sich in regelmäßigen Abständen laut brüllend auf die Treppe fallen ließ. Nach dieser für mich recht nervenaufreibenden Episode hatte er allerdings verstanden, dass ich es ernst meinte. Ab und zu probierte Quentin es noch mal mit einem »Hoch?«, akzeptierte aber sofort ein Nein. Die Anfragen nahmen stark ab und hörten schließlich ganz auf.

Wäre ich nicht konsequent gewesen, hätte er gelernt, dass mein »Nein« nicht ernst gemeint ist, und hätte ständig weiter gequengelt, ob ich ihn trage.

Wie eine Leading Mother zu dem Thema sagte: »Bei der Erziehung kommst du nicht aus. Geringster Widerstand geht nicht. Du kannst nicht einfach sagen: ›Dann lass es doch, ist mir egal.‹ Das ist eine Mordsanstrengung, aber es ist auch sehr befriedigend, wenn es funktioniert.«

Nicht konsequent zu sein würde, wie eine andere Leading Mother sagte, von den Kindern ausgenutzt: »Kinder haben noch kein sozialisiertes Verhalten – die spiegeln direkt wider, was man versäumt.«

Konsequente Erziehung macht die Mutter beim Kind nicht beliebt. Der Überbringer der Nachricht »Dann gibt es eben kein Eis« zu sein, macht keinen Spaß und führt manchmal auch dazu, dass man angemotzt wird. Aber eine Mutter ist in erster Linie Erzieherin, nicht Freundin.

Genauso wenig ist die Chefin deine Freundin – sondern eben die Vorgesetzte. Eine Führungskraft muss Ziele vorgeben. Sie ist daher auch dafür zuständig, sicherzustellen, dass von diesen Zielen nicht abgewichen wird oder der Kurs nur aus guten Gründen geändert wird. Hier gilt, genau wie in der Kindererziehung, als Erstes die klare Kommunikation der Ziele. Nur wenn jeder diese kennt, können sie auch anvisiert werden. Dazu werden auch immer Regeln aufgestellt, die eingehalten werden müssen, um das Ziel zu erreichen, z. B. das Budget, ein Zeitrahmen, die Anzahl der Mitarbeiter*innen, die sich mit dem Thema beschäftigen sollen, die Vorgehensweise, Meilensteine und Abstimmungen.

Wenn also z. B. ein Werbefilm gedreht werden soll, der das Budget weit überschritten hat, ist das Ziel nicht erreicht, weil die Budgetregel nicht eingehalten wurde. Konsequente Führungskräfte würden hier früh sehen, dass das Thema aus dem Rahmen fällt, und eisern die Einhaltung des Budgets fordern. Bei Verstoß gegen diese Regel gibt es also kein Eis – also keine Anerkennung oder sogar negative Konsequenzen. In dem Fall wird vielleicht im nächsten Personalgespräch darauf eingegangen, warum das Budget nicht eingehalten werden konnte und das dies als Begründung dafür gesehen wird, diese Mitarbeiter*in im Moment nicht zu befördern. Konsequenz ist auch in diesem Umfeld hart. Wenn die Regeln nicht eingehalten werden, kann das radikale Maßnahmen, wie z. B. eine Kündigung, zur Folge haben. Keine Führungskraft zieht gerne negative Maßnahmen durch, manchmal muss das aber sein. Nicht nur damit die Mitarbeiter*in davon lernt, sondern auch, damit das ganze Team weiß, dass die Regeln für alle gelten. Ansonsten wird niemand mehr auf die Budgetvorgaben achten. Denn das ist dann die neue Regel.

Eine meiner Interviewpartnerinnen ging sogar so weit zu sagen, dass Führung nicht das Richtige für einen ist, wenn man es als Führungskraft nicht schafft, die Regeln konsequent durchzuziehen.

Nur bei Konsequenzen von ungewolltem Verhalten sind die Regeln klar, fair und man ist vorhersehbar. Erziehung besteht daraus, ständig Verhaltensweisen und -muster zu korrigieren. So führt man auch eine Firma.

Wie bei der Kindererziehung ist es hier leichter, nachzugeben und einfach doch Eis essen zu gehen oder den großartigen, teuren Werbefilm zu loben. Mütter üben das ständig und wissen, dass es ihnen mittelfristig mehr Ärger bringt nachzugeben, als konsequent durchzuhalten, was sie festgelegt haben. Und wenn sie dabei 45 Minuten auf der Treppe verbringen, obwohl sie viel lieber auf dem Sofa sitzen würden.