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Die Kunst, grundlos glücklich zu sein
Fünf Fremde treffen sich frühmorgens in einem Park. Ihr Ziel: Endlich wieder mehr Freude spüren, die sich aus ihrer aller Leben geschlichen hat. Wird dieses Experiment funktionieren?
Der Mensch sehnt sich nach Lebendigkeit, Geborgenheit und Glück – doch viele fühlen sich orientierungslos und scheinen keinen Zugang mehr dazu zu finden. Wie kann das passieren? Und wie kann ein freudvolles Leben trotz zahlreicher täglicher Herausforderungen und wachsender Unsicherheit in schwierigen Zeiten gelingen? Diese existentiellen Fragen beantworten Jens Corssen und Stephanie Ehrenschwendner in einer ebenso spannenden wie bewegenden Geschichte, die das Konzept der Selbstentwicklung hautnah erlebbar macht. Ihre Botschaft: Jeder kann es schaffen, ein freudvolles Leben zu gestalten.
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Seitenzahl: 247
Über das Buch
Fünf Fremde treffen sich frühmorgens in einem Park. Ihr Ziel: Endlich wieder mehr Freude spüren, die sich aus ihrer aller Leben geschlichen hat. Wird dieses Experiment funktionieren? Der Mensch sehnt sich nach Lebendigkeit, Geborgenheit und Glück – doch viele fühlen sich orientierungslos und scheinen keinen Zugang mehr dazu zu finden. Wie kann das passieren? Und wie kann ein freudvolles Leben trotz zahlreicher täglicher Herausforderungen und wachsender Unsicherheit in schwierigen Zeiten gelingen? Diese existentiellen Fragen beantworten Jens Corssen und Stephanie Ehrenschwendner in einer ebenso spannenden wie bewegenden Geschichte, die das Konzept der Selbstentwicklung hautnah erlebbar macht. Ihre Botschaft: Jeder kann es schaffen, das Leben zu lieben.
Über die Autor:innen
JENSCORSSENist Diplompsychologe, Verhaltenstherapeut und psychologischer Berater für Persönlichkeitsentwicklung und gelingende Beziehungen. Seit 50 Jahren berät er Menschen, ihre persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten zu lösen. Der Selbst-Entwickler®, dessen Philosophie und Praxis zu Corssens Markenzeichen wurden, gehört zu den erfolgreichsten psychologischen Konzepten im deutschsprachigen Raum. Jens Corssen wohnt in München.
STEPHANIEEHRENSCHWENDNER ist Wissenschaftsjournalistin und Autorin vieler Sachbücher und Ratgeber. Zusammen mit Jens Corssen hat sie bereits mehrere Bücher verfasst. Zahlreichen erfolgreichen Büchern von Prominenten verhalf sie als Co-Autorin zum Sprung auf die Bestsellerlisten. Sie lebt und arbeitet in München.
Jens Corssen
Stephanie Ehrenschwendner
LEBENSFREUDE
Wie es gelingt, das Leben trotz aller Schwierigkeiten zu bejahen
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© 2024 Kailash Verlag, Münchenin der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München
Lektorat: Diane ZilligesSatz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, GermeringUmschlaggestaltung: Daniela Hofner, ki 36 Editorial Design, München
Autorenfoto: Frank Bauer
ISBN 978-3-641-30294-8V002
www.kailash-verlag.de
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Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.
Rumi
Inhalt
Vorwort
November
Erstes Treffen am Monopteros
In der Zwischenzeit
Dezember
Zweites Treffen am Eisbach
In der Zwischenzeit
Januar
Drittes Treffen an der Surferwelle
In der Zwischenzeit
Februar
Viertes Treffen am Chinesischen Turm
In der Zwischenzeit
März
Fünftes Treffen am Kleinhesseloher See
In der Zwischenzeit
April
Sechstes Treffen am Japanischen Teehaus
Nachwort
Vorwort
Vor Jahrzehnten war ich im Bayerischen Landtag, um einen Bildungspolitiker dafür zu gewinnen, das Unterrichtsfach »Gelingendes Leben« in den Lehrplan aufzunehmen. Trotz geäußerten Interesses daran und wiederholter Versuche meinerseits hat das bisher leider nicht geklappt. Ich warte nicht mehr! Deshalb habe ich nun zusammen mit Stephanie Ehrenschwendner dieses Buch geschrieben – als Anleitung für Menschen, die wissen wollen, wie ein freudvolles Leben gelingt.
Das Spüren von Lebendigkeit, Geborgenheit und Glück ist die große Sehnsucht der allermeisten Menschen. Seminare für waches Bewusst-Sein und ein intensives Erleben der Gegenwart helfen, sich von den oft quälenden, automatischen Gedanken zu befreien, die unsere Gefühlswelt verdunkeln. Die Mehrzahl von uns jedoch wäre schon erleichtert, wenn sie dieses Klagen über das alltägliche Leid loswerden könnte. Das schaffen aber nur wenige, weil die meisten nicht gelernt haben, dass ein gelingendes Leben stark damit zu tun hat, das Leben an sich zu verstehen, es eigenmächtig zu gestalten und konsequent einem selbstformulierten Sinn zu folgen. Wer sich als unschuldiges Opfer seiner Umstände sieht und sich vom Leben gemobbt fühlt, ist permanent unzufrieden. Er lebt im Widerstand, sozusagen im Permafrost. Erst wenn man auftaut und den eigenen gedanklichen Beitrag am Leid erkennt, kann man ihn derart verändern, dass die Freude ins Leben treten kann.
Leben ist auch ein Synonym für Sich-Beziehen. Der Mensch als soziales Wesen kann den Weg zu einem glücklichen Leben in einer gleichgesinnten Gemeinschaft leichter beschreiten denn als Einzelkämpfer. Erfahrungsaustausch, Mitgefühl, ehrliche Rückmeldungen über die eigene Wirkung und gemeinsames Lernen sowie Erleben sind dabei sehr hilfreich und unterstützen die Befreiung aus dem Tal der Verstimmtheit. Wem es also gelingt, die Gesetze des Lebens sowie die eigene Einzigartigkeit und auch die anderer anzuerkennen, erschafft sich die beste Voraussetzung für eine lebensbejahende und freudvolle Gestimmtheit.
Nicht nur nebenbei möchte ich erwähnen, dass für mich das Streben nach persönlicher Zufriedenheit und Lebensfreude auch im gesellschaftspolitischen Kontext steht. Denn wer verstimmt und widerspenstig im mangelorientierten Denken und Tun verharrt und die Schuld dafür nur im Außen sucht, wird der Verantwortung eines aufgeklärten Menschen nicht gerecht. Ohne die Bereitschaft, einen persönlichen Beitrag für die Gemeinschaft und ein gelingendes Miteinander zu leisten, wird man eher vermeintlichen Erlösern, die das Ende allen Übels versprechen, wie ein ahnungsloses, ängstliches Kind folgen.
Dieses Buch erzählt die Geschichte von fünf Unzufriedenen, die sich nicht kennen und sich gemeinsam auf den Weg zu mehr Zufriedenheit und Freude begeben. Einmal im Monat treffen sie sich im Englischen Garten mitten in München, wo sie nach und nach zu einem tieferen Verständnis von sich selbst und vom Leben kommen. Auch wenn nicht alles so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben, lassen sie sich mutig und neugierig aufeinander und in der Folge auch auf ein neues Erleben ein. Sie erfahren, wie es sich anfühlt, in einer zuversichtlichen Haltung zu leben. Dieser Englische Garten, in dessen Nähe ich wohne, ist für mich eine Metapher: Anders als domestizierte Französische Gärten, die in ihrer Anlage einer starken Gestaltung und Symmetrie folgen, gibt der Englische Garten nur sanft eine Form vor und lässt der Natur ihre Entfaltung. Der perfekte Ort für die fünf Protagonisten des Buches, deren spannenden Entwicklungsprozess wir in den folgenden Kapiteln aus nächster Nähe erleben und die in ihrer Persönlichkeit und ihren Bedürfnissen manchen Klientinnen oder Klienten von mir ähneln. Bei ihren regelmäßigen Treffen teilen sie immer vertrauensvoller ihre Gedanken und Gefühle miteinander und machen bereichernde Erfahrungen auf ihrem Pfad vom gefühlten Mangel zur erlebten Fülle. Mit der Zeit gelingt es ihnen, in eine lebensbejahende gehobene Gestimmtheit zu kommen und trotz alltäglicher Probleme ein eigenverantwortliches und freudvolles Leben zu führen. Das Buch stellt außerdem in von mir formulierten Kästen Orientierungshilfen auf Ihrem eigenen Weg zu mehr Selbstbestimmung und Erfüllung bereit.
Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre und den Mut, sich an Ihrer Einzigartigkeit und den daraus resultierenden Bedürfnissen zu orientieren.
Herzlichst
Ihr Jens Corssen
November
Erstes Treffen am Monopteros
»Ich weiß nicht, was ich hier soll.«
Die Worte von Klaus trafen die Gruppe, die sich frühmorgens mit ihm am Monopteros versammelt hatte, unerwartet. Warum war er dann gekommen? In den 1970ern war der Rundtempel im griechischen Stil und der Hügel, auf dem er sich befand, ein Treffpunkt für Studenten und Hippies gewesen. Von dort oben, wo die Fünf gemeinsam froren, hatte man einen wunderschönen Blick über den südlichen Teil des Münchner Englischen Gartens. Bei gutem Wetter konnte man, zwischen die Säulen des Tempels hindurchblickend, nicht nur die Bäume und Bäche des Parks ausmachen, sondern sogar die Frauentürme im Zentrum der Stadt. Aber das entging den fünf Frühaufstehern, denn zum einen war es noch nicht richtig hell und zum anderen gerade mal zwei Grad über null, sodass alle damit beschäftigt waren, sich warm zu halten. Sie hatten Decken, Kissen und Isomatten mitgebracht und waren in dicke Winterkleidung, Mützen, Schals und Handschuhe gehüllt, um sich gegen die feuchte Kälte der schwindenden Nacht zu wappnen. Obwohl sie sich noch nie zuvor begegnet waren, schienen sich alle einig, dass es eine ziemlich verrückte Idee war, an einem Sonntagmorgen um sieben Uhr auf einem Hügel zu sitzen, um mehr Freude in ihr Leben zu holen.
Nachdem sie einige leere Bierflaschen und Dosen, von ein paar Feierfreudigen zurückgelassen, zur Seite geräumt hatten, waren die fünf während der anfänglichen Vorstellungsrunde instinktiv immer näher zusammengerückt, als wären sie ein Rudel frierender Hunde, das sich gegenseitig Wärme spendet. Anna, die Jüngste, schaute eingewickelt in ein großes Wollplaid verschlafen vor sich hin. Sieben Uhr war nicht ihre Zeit. Sie rieb sich die Augen und dachte an ihr weiches warmes Federbett. Sofort fühlte sie sich wohliger. Einen Hauch nur, aber immerhin. Schemenhaft schob sich eine Erinnerung in ihr Bewusstsein, wie sie als kleines Mädchen mit ihrem Vater auf einem Schlitten den Monopteros-Hügel hinunterbrauste. Auch dieser Gedanke wärmte sie.
»Warum bist du dann überhaupt gekommen?«, konterte Gerda und griff nach ihrem Rucksack. Dabei fiel ein Buch mit vielen Klebezetteln zwischen den Seiten heraus. Sie packte es schnell wieder ein. Es musste ja nicht jeder gleich wissen, was sie so las. Dann kramte sie eine große Thermoskanne hervor. Als Taxifahrerin war sie es gewohnt, zu den unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten – und Temperaturen – zu funktionieren. Es gab für sie keine Kälte, sondern nur falsche Kleidung und schlechte Vorbereitung. Sie zog den Reißverschluss ihres Anoraks nach oben. Die Miesepetrigkeit, die dieser Klaus ausstrahlte, gefiel ihr gar nicht, auch wenn sie ihr nur allzu vertraut war. Täglich stiegen Kunden, deren Stimmung auf einer Skala von A wie »angefressen« bis Z wie »zerknirscht« rangierte, zu ihr ins Taxi ein. Aber Gerda ließ sich davon nicht beirren und schaffte es meist mit einem Gespräch oder guter Musik, die Leute aus der Reserve zu locken, sodass sie am Ende der Fahrt beschwingter wirkten. Auch wenn die meisten Fahrgäste am Zielort schnell wieder aus dem Auto sprangen. Die Eisbrecherin zu sein – das war wohl ihre Aufgabe und so sah sie auch ihre Rolle in dieser Gruppe. Manchmal brauchten die Leute eben einen zarten oder auch etwas heftigeren Schubs, damit sie in Bewegung kamen, nicht nur im Taxi. Daher war Gerda entschlossen, der trüben Stimmung von Klaus nicht nachzugeben.
»Also, warum bist du hier?«, hakte sie nach.
»Wegen meiner Frau«, brummte Klaus und wich Gerdas Blick aus, weil er nicht bereit war, noch tiefer in ein Gespräch einzusteigen. Die häuslichen Auseinandersetzungen der letzten Wochen reichten ihm. »Du redest kaum noch und bist dauernd schlecht drauf«, hatte ihm seine Frau vor ein paar Tagen vorgeworfen und dann gefragt: »Was ist denn bloß mit dir?« Er war wieder einmal stumm geblieben – wie hätte er ihr auch die Wahrheit sagen sollen? So hatte sie hinzugefügt: »Entweder du gehst in Corssens Freude-Kreis oder ich lass ich mich scheiden.«
Was für ein Albtraum, dachte Klaus und verfluchte einmal mehr den Tag, an dem seine Frau von der Firma aus auf einem Seminar bei Jens Corssen, einem Psychologen und Verhaltenstherapeuten, gewesen war. Er hatte ihr von sogenannten Freude-Kreisen erzählt, kleinen Gruppen, die sich in Deutschland, in der Schweiz und Österreich zusammenfanden, um wieder mehr Lebensfreude zu spüren. So ein Quatsch, schimpfte Klaus in sich hinein. Als ob Lebensfreude eine Tafel Schokolade wäre, die sich einfach konsumieren ließe. Nach fünfundzwanzig Ehejahren musste seine Frau doch wissen, wie sehr er die Vorstellung einer Selbsthilfegruppe hasste. Reden, fand Klaus, war überschätzt und brachte meistens nichts. Aber seine Frau blieb angesichts der Vorstellung, wieder mehr Freude in das Leben ihres Mannes zu bringen, hartnäckig. Und Klaus, den die Ereignisse der letzten Wochen mitgenommen hatten, war immer müder geworden, sodass er schließlich nachgegeben hatte, weil er nur noch seine Ruhe wollte. Nun saß er hier und fühlte sich schrecklich unwohl. Wenn er schon seiner Frau nicht sagen konnte, was los war, worüber sollte er dann bitte mit diesen Fremden reden?
»Also, ich würde ja nicht einfach machen, was mein Partner will«, schaltete sich Britta ein, während sie eine Stimme in ihrem Kopf darauf aufmerksam machte, dass es offenbar Männer gab, die Opfer brachten, weil sie ihre Frau liebten.
»Wer heute hier ist, will offensichtlich auch hier sein.« Mit diesen Worten reichte Gerda den beiden einen Becher dampfenden Tee, während Anna aus einer Papiertüte selbst gemachte italienische Kekse anbot, die sie nach einem Rezept der römischen Familie gebacken hatte, bei der sie nach dem Abitur Au-pair gewesen war. Wie nett, dachte Sebastian, der bisher noch gar nichts gesagt hatte, dass jemand für fremde Leute bäckt. Britta nahm, ein gewinnendes Lächeln auf Gerda gerichtet, den Becher Tee entgegen, auch wenn ihr Cappuccino lieber gewesen wäre. Sie hatte in ihrem Leben ein paar psychologische Erkenntnisse und spirituelle Erfahrungen gesammelt. War über die Arbeit auf Seminaren zur Persönlichkeitsentwicklung und privat sogar mal bei einem Schamanen gewesen, was ihr im Nachhinein ziemlich unheimlich vorkam. Sie kannte Frauen wie Gerda. Typ spirituelle Lehrkraft, die das Repertoire irgendwelcher Gurus runterbetete. Dass sie ein zerlesenes Buch über Bewusstsein im Rucksack mit sich rumtrug, wie Britta sofort erkannt hatte, sprach Bände. Nur die Funktionskleidung und die rosafarbene Bommelmütze passten nicht so recht ins Bild. Da hätte sie eher Ökoklamotten erwartet. Britta nahm sich vor, Gerda nicht auf den Leim zu gehen.
Klaus blies stumm in seinen Tee, als wollte er hinter den aufsteigenden Dampfschwaden verschwinden.
»Wieso antwortest du eigentlich nie, wenn man dich was fragt?«, sagte Britta in seine Richtung. Sie hatte es so satt, von Männern übergangen zu werden. Seit ihrem fünfzigsten Geburtstag war es noch schlimmer geworden. Da ging das Gefühl, unsichtbar zu sein, fast nicht mehr weg. Die Arroganz, die dieser Mann an den Tag legte, durfte man nicht dulden, schon gar nicht in einer Gruppe, die sich mit Lebensfreude beschäftigen wollte. Sie setzte zu einer Attacke an: »So wie du dreinschaust und mit uns umgehst, fühlt man sich wie Luft.«
Klaus zuckte zusammen. Genau das hatte seine Frau beim letzten Krach auch gesagt und hinzugefügt: »Ich kann dein Novembergesicht nicht mehr sehen!«
Er drehte den Kopf zur Seite, als würde ihn das unsichtbar machen, und beobachtete, wie ein Spaziergänger auf der Wiese am Fuß des Hügels vorbeimarschierte. Seine zwei Hunde, ein Labrador und ein Dackel, liefen im Gleichschritt vornweg. Wie schafften die das bloß, wo sie doch so unterschiedlich waren? Unweigerlich musste er wieder an seine Frau denken. Wenn sie geahnt hätte, was wirklich los war, sie hätte nicht mehr darauf bestanden, dass er zu diesem Freude-Kreis geht.
Eheprobleme, dachte Gerda und kam zu dem Schluss, dass es gut war, keinen Partner zu haben. Außerdem ließ die Gesprächskultur hier gerade etwas zu wünschen übrig. Sie waren ja nicht hier, um über Beziehungsprobleme zu reden.
Klaus schwieg und fokussierte seinen Blick weiter auf die Wiese unterhalb des Monopteros, wo er im Nebel einige Krähen entdeckte, die sich an einem überquellenden Mülleimer um Beute zankten.
»Warum trennst du dich nicht?«, rutschte es Britta heraus, selbst erstaunt über die Direktheit ihrer Frage. Sie suchte in den Augen der anderen Bestätigung. Einer musste hier doch Klartext reden. Für seichte Gespräche hätte man sich auch später am Tag in einem Café verabreden können. Dafür brauchte sie keinen Freude-Kreis. Oberflächlichkeit konnte sie jeden Tag mit ihren Freundinnen haben. Sie unterdrückte einen Seufzer. Früher hatten sie oft bis in die Nacht zusammengesessen, gelacht und geratscht. Aber seit einigen Jahren, eigentlich seit alle Kinder bekommen hatten, war nichts mehr los mit den Mädels. Entweder sie nutzten jede Gelegenheit, um von ihren Problemen zu reden. Oder sie verabschiedeten sich bereits vor halb zehn Uhr abends, um nach Hause zu fahren zu den Kindern und zu Robert, Thomas, Peter oder wie auch immer die Langweiler hießen, mit denen sie verheiratet waren. Früher, aber das schien Jahrzehnte her, hatte sie mit ihren Freundinnen manchmal nachts um drei noch Spaß gehabt und über Gott und die Welt diskutiert. Damals waren sie noch interessant, stellte Britta nicht ohne Zynismus fest.
»Merkst du eigentlich nicht, wie bitter du geworden bist?«, hatte eine ihrer Freundinnen beim letzten Treffen gesagt und keine der anderen hatte widersprochen oder sich für sie eingesetzt. Die ganze Nacht hatte sich Britta daraufhin im Bett hin und her gewälzt, weil sie nicht aufhören konnte, das Gespräch x-mal im Geiste durchzuspielen. Aber ich mag doch Menschen, war der letzte Gedanke, bevor sie im Morgengrauen endlich einschlief. Am nächsten Tag las sie am Frühstückstisch in einer Frauenzeitschrift einen Artikel, wo es um Freude-Kreise ging, die ein gewisser Jens Corssen veranstaltete. Mehr Freude konnte ihr Leben definitiv vertragen. Spontan hatte sie sich angemeldet. Auch ein bisschen aus Trotz, weil sie nicht so festgefahren sein wollte wie ihre Freundinnen und es auch nicht konnte, weil bei ihr zu Hause weder ein Kind noch ein Ehemann wartete. Britta beruhigte sich mit dem Gedanken, dass die frustrierten Freundinnen mit ihren kritischen Äußerungen über sie doch bloß neidisch auf ihre Erfolge waren. Sie hatte immerhin etwas aus ihrem Leben gemacht: eine Karriere als Teamleaderin in einem internationalen Unternehmen, eine Eigentumswohnung und eine gute finanzielle Absicherung. Als sie nicht sofort eine Bestätigung der Anmeldung zu dem Freude-Kreis per Mail erhalten hatte, ertappte sie sich dabei, froh darüber zu sein. Denn Britta begab sich nur ungern in unbekannte Gewässer, und der Gedanke, mit fremden Leuten über Persönliches zu reden, fühlte sich unangenehm an. Aber schon ein paar Minuten später kam die Nachricht: Sie war dabei.
Alle warteten immer noch gespannt darauf, dass Klaus endlich antwortete. Der aber zog es vor zu schweigen. Er hätte auch gar nicht gewusst, was er sagen sollte. Um wenigstens etwas zu tun, zog er die Decke, die um seine Schultern lag, enger.
»Jetzt mal halblang, Leute«, mischte sich Sebastian ein. Er fand, dass ein Punkt erreicht war, wo er Klaus zur Seite springen musste. »Der Ton hier ist gerade etwas anmaßend und auch nicht zielführend. Was geht dich, Britta, die Ehe von Klaus an? Meiner Meinung nach muss man sich auch nicht gleich bei jeder Flaute trennen.«
»Wieso nicht? Bist du konfliktscheu?«, schoss Britta zurück, schließlich war Angriff immer noch die beste Verteidigung. Sie ärgerte sich über Sebastians Zurechtweisung und fühlte sich vorgeführt, weil er Gerda, die das Gespräch ja angezettelt hatte, außen vor ließ. Außerdem machte es ihr allgemein Spaß, andere zu provozieren oder zumindest zu verunsichern. Deshalb fügte sie hinzu: »Liebe muss doch erfüllt …«
Mit einem »Stopp!« wurde sie mitten im Satz von Gerda unterbrochen.
»Würdest du mich bitte ausreden lassen!«, schoss Britta zurück.
»Nein!«, entgegnete Gerda schroff. »Wir sind hier, um darüber zu reden, wie wir das Leben mehr genießen und öfter in die Freude kommen können. Wenn wir aber bloß streiten, hätte ich lieber ausgeschlafen und wäre dann die Vormittagsschicht gefahren. Die Witwen und Witwer, die sonntags ans Grab wollen, sind ein gutes Geschäft.«
Nur Britta bemerkte, wie Klaus zusammenzuckte. Im November sterben die Leut, ging ihr durch den Kopf. Das hatte ihre Mutter immer gesagt. Sie war fast auf den Tag genau vor einem Jahr gestorben. Wehmut ergriff sie, als das lebhafte Gesicht ihrer Mutter vor ihrem geistigen Auge auftauchte. Sie stand ihr Leben lang im Dienst anderer Menschen, ließ ihnen den Vortritt, brachte sie zum Scheinen und überstrahlte mit ihrer guten Laune alles. Britta hatte ihre Mutter immer dafür bewundert, dass sie sich für alles interessierte und gut mit jedem konnte. Sie spürte einen leichten Stich im Herzen. Es tat weh, daran zu denken, wie die Mutter für andere ihr letztes Hemd gegeben, aber nicht gesehen hatte, was ihre eigene Tochter so alles leistete. Tief durchatmen, redete sie sich gut zu. Dieses Thema gehörte nicht hierher. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf die unangenehme Kälte und zog ihre Mütze tiefer ins Gesicht.
Plötzlich kam eine Krähe durch die Säulen in den Tempel geflogen. Aufgeregt flatterte sie herum, bis sie schließlich neben der Tüte mit den Keksen landete, sich ein paar Brösel schnappte und schnell wieder das Weite suchte. Anna, die erschrocken aufgesprungen war, setzte sich erleichtert wieder hin.
»Das ist wohl ein Zeichen«, kommentierte Sebastian die Aktion mit einem Lächeln.
Britta verdrehte die Augen. Offenbar war der Typ auch einer von diesen Spirituellen, die alles, was um sie herum passierte, als Botschaft betrachteten.
»Ein Zeichen wofür?«, fragte Anna.
»Dafür, dass wir vielleicht erst mal die Spielregeln besprechen sollten, bevor wir loslegen.« Sebastian hatte nach seinem BWL-Studium sechs Monate in Indien verbracht und dort auch eine Zeit lang in einem Ashram gelebt. Deshalb wusste er, wie wichtig Regeln für eine Gruppe waren. Also zog er ein Papier aus seiner Manteltasche, eine etwas zerknitterte Seite aus den Unterlagen, die Corssen ihm nach der Anmeldung gegeben hatte, und begann vorzulesen.
Die Regeln des Freude-Kreises
Jedes Treffen einhalten, als ginge es um Leben und Tod. Den anderen nichts einreden und nichts ausreden.Keine Beurteilungen und keine ungefragten Ratschläge geben.Nur Gutes übereinander reden. Auf Sich-Beklagen verzichten und Negatives nicht als Du-Aussage, sondern in Ich-Form formulieren. Sich immer wieder auf das Ziel fokussieren: Warum treffen wir uns hier?Langsam sprechen. Jeder hat ungefähr die gleiche Redezeit.Größtmögliche Empathie und Ehrlichkeit.Sich selbst immer wieder in die Haltung der gehobenen Gestimmtheit bringen.Jeder ist gut so, wie er oder sie ist.Keine Einzeltreffen, es darf sich nur die Gruppe verabreden.Rund um die Treffen wird in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe kommuniziert.»Darf ich offen mit euch sprechen?«, fragte er in die Runde, nachdem er alles vorgelesen hatte, und fuhr nach Zustimmung aller fort: »Ich will euch nicht ärgern, aber ich muss das jetzt einfach loswerden, damit sich was ändert. Gerda, du redest ganz schön viel, während Klaus kaum ein Wort sagt. Britta, du bist sehr angriffig und strahlst irgendwie eine negative Energie aus. Über dich geredet hast du aber kaum. Hätten wir eine Strichliste für jedes kritische Wort und jeden schrägen Blick von dir gemacht, da wären ganz schön viel Striche zusammengekommen.«
Das Oberwasser, das Britta und Gerda glaubten, seit Beginn des Treffens zu haben, begann zu sinken. Die eine wäre wegen der erneuten Bloßstellung am liebsten im Erdboden versunken und die andere versuchte ihre Empörung stumm zu zügeln. Insgesamt herrschte fast eine halbe Minute lang betretenes Schweigen, bis Anna mit einem Grinsen sagte: »Das mit den Regeln haben wir echt verkackt.«
Ihre saloppe Bemerkung entspannte die anderen sichtlich. Deshalb nahm Anna allen Mut zusammen und sprach weiter: »Vielleicht starten wir einfach von vorn und erzählen ein bisschen was von uns.« Sie setzte sich aufrecht hin. »Meinen Namen kennt ihr ja schon. Ich bin vierundzwanzig Jahre alt und studiere Jura, stehe kurz vorm ersten Staatsexamen.« Im Dämmerlicht des Morgens bemerkte niemand, dass sie leicht errötete und den Blick senkte, weil es ihr ein bisschen peinlich war, so im Mittelpunkt zu stehen. Sie machte eine Pause und fuhr mit anfänglichem Stottern fort: »Ich … ich bin hier, weil … weil ich was in meinem Leben ändern will, aber nicht weiß, wie.« Anna nahm einen tiefen Atemzug. »Meine Eltern wollen, dass ich möglichst schnell meinen Abschluss mache. Aber wie soll das gehen, wenn die Welt gerade aus den Fugen gerät? Armut, Krankheiten, Kriege, Klimakrise, Ungerechtigkeit, Künstliche Intelligenz – da ist es doch sowieso sinnlos, noch einen Abschluss in Jura zu machen.«
Ein unangenehmes Gefühl machte sich in ihr breit, als ihr die letzte Auseinandersetzung mit ihrem Vater in den Sinn kam. »Was geht dich das Weltklima und der Krieg in anderen Ländern an?«, hatte er sie angeschnauzt. »Setz dich endlich auf deinen Hosenboden und mach deinen Abschluss, statt ständig rumzuprotestieren. In deinem Alter hätte ich sonst was dafür gegeben, dass meine Eltern mein Studium finanzieren. Aber wir hatten kein Geld. Und du nimmst alles, was ich aufgebaut habe, für selbstverständlich. Wie eine Prinzessin.«
Nach diesen Worten war Anna aus dem Haus gestürmt und zu ihrer heißgeliebten Patentante geflüchtet, die stets ein offenes Ohr für sie hatte, wenn die Eltern sie mal wieder nicht verstanden. »Am liebsten würde ich alles hinschmeißen«, hatte sie ihr unter Tränen gestanden. Worauf ihre Tante sie erst mal in den Arm nahm, bis sie sich wieder etwas beruhigt hatte. »Bist du denn überhaupt schon so weit in dein Leben eingestiegen, um alles hinzuschmeißen?« Anna hatte keine Antwort auf diese Frage gehabt, weshalb ihre Tante empfahl, sich nicht zu beklagen, sondern mehr auf das Schöne im Leben zu schauen. »Auf was denn?«, hatte Anna gefragt und als Antwort erhalten: »Das kannst du in Jens Corssens Freude-Kreis herausfinden.«
Anna hatte sich das irgendwie nett vorgestellt, mit ein paar Leuten übers Leben zu quatschen, gemütlich in einem Café. Aber jetzt, wo sie frierend mit diesen fremden Menschen zusammensaß, die eher zu ihren Eltern passten als zu ihr, war sie nicht mehr sicher, ob dieser Freude-Kreis –schon der Name klang so altmodisch – eine gute Idee für sie war. Dummerweise hatte sie ihrer Patentante versprochen, nicht aufzugeben, auch wenn es für sie schwierig werden würde.
»Keine Ahnung, ob ihr das verstehen könnt … Aber ich weiß schon gar nicht mehr, was ich selber will, weil andere mir dauernd eintrichtern, was ich tun soll.« Sie hob den Kopf und schaute mit fragendem Blick in die Runde. Aber niemand schien etwas sagen zu wollen. Also machte Anna weiter: »Manchmal würde ich am liebsten abhauen.«
»Wohin denn?«, fragte Sebastian, den dieser Gedanke anzog.
»Nach Rom.« Ein Strahlen zog über Annas Gesicht. »Da hab ich nach dem Abitur ein Jahr lang Au-pair gemacht und Kunst studiert. Die Italiener wissen einfach, wie man richtig lebt.«
Britta dachte an den Cappuccino, den sie jetzt so dringend gebraucht hätte. Die naive Offenheit dieses Mädchens war ihr irgendwie unangenehm. Gerda nickte Anna aufmunternd zu. Sie fand ihre Art erfrischend und fühlte sich an ihre eigene Tochter erinnert. Was die wohl gerade machte? Sie zwang sich, den Gedanken nicht weiterzuspinnen. Klaus biss sich auf die Lippen, weil ihn die Ehrlichkeit der jungen Frau beschämte. Sebastian saß einfach nur beeindruckt da. Annas Beitrag hatte ihn berührt.
»Und wieso seid ihr hier?«, fragte Anna.
»Ich mache hier mit«, sagte Sebastian, »weil ich mir schon eine ganze Weile vorkomme wie eine Maschine, die bloß noch funktioniert. Dabei müsste ich eigentlich dankbar sein.« Er zögerte kurz, überrascht von seinen klaren Worten, und fuhr, inspiriert von Annas Beispiel, fort: »Ich habe einen tollen Job, bin Geschäftsführer eines sehr erfolgreichen Start-ups, das ich mit gegründet habe. Ich habe eine wunderbare Frau und zwei großartige Kinder. Aber in letzter Zeit macht mir nichts mehr Spaß. Ich arbeite mehr als sechzig Stunden pro Woche. Wenn ich vom Büro nach Hause komme, sind die Kinder schon im Bett. Meine Frau macht mir Stress, weil sie endlich wieder als Yogalehrerin arbeiten will. Ich soll einen Teil der Care-Arbeit übernehmen. Aber wie?«
Er seufzte und fuhr sich dabei mit einer Hand durch die Haare. »Jeden Tag liegt eine Tonne Ärger auf meinem Schreibtisch. Immer wieder Probleme mit der Lieferung unserer Produkte und in der Folge mit Kunden. Mitarbeiterkündigungen und und und. Egal, wie sehr ich mich reinhänge, das Elend hört nicht auf. Jede Kleinigkeit bringt mich innerlich auf die Palme.« Sebastian musste kurz schlucken. Es war anstrengend, sich dauernd zusammenzureißen, um nicht vor seiner Familie und den Mitarbeitenden zu explodieren. »Irgendwie erdrückt mich grade alles.«
Er hielt einen Moment inne und überlegte, ob er vor diesen wildfremden Menschen zugeben konnte, wie schlecht es ihm wirklich ging. Dass er keinen Appetit mehr hatte – weder aufs Essen noch aufs Leben. Er beschloss, aufs Ganze zu gehen. »Auf die meisten Leute wirke ich auf Zack, aber ich fühle mich ganz oft wie tot.«
Jetzt war es raus. Erleichterung machte sich in ihm breit. Vielleicht lag Jens Corssen, den er vor einem Monat aufgesucht hatte, ja doch richtig, als er sagte: »Ich glaube nicht, dass Sie eine Therapie, Antidepressiva oder ein Coaching brauchen. Was Ihnen guttäte, ist eine homöopathische Kur.«
»Was bitte?«
»Eine Kur, um wieder mehr Lebensfreude zu spüren.« Danach hatte ihm Corssen von dem Konzept des Freude-Kreises erzählt. »Die sechs Termine sind so wichtig«, hatte er hinzugefügt, »als ob es um Ihr Leben geht. Kein Auftrag, keine Party, noch nicht mal eine Beerdigung darf dazwischenkommen. Können Sie das einhalten?«
Sich einmal im Monat sonntagmorgens mit ein paar Leuten in der Natur treffen, dieses Versprechen schien Sebastian trotz seines enormen Arbeitspensums und der familiären Verpflichtungen machbar.
Die Haltung ändern
»Die Freude hat sich aus meinem Leben geschlichen«, klagt ein Unternehmer. Er fühlt sich schlapp und lustlos. Sein Hausarzt hat ihm viel Schlaf, mehr Bewegung an frischer Luft und möglichst viel Freude verschrieben. Ich erfahre von ihm, dass er schon seit Längerem die notwendige Problemeinsicht habe, aber alle guten Ratschläge nicht umsetzen könne. »Ich komme da nicht raus«, sagt er resigniert.
Mit folgenden Schritten ist es ihm mit meiner Hilfe gelungen, erst mal die Freude als Gegengewicht zu seinem beruflichen Stress wieder in sein Leben zu holen.
Er akzeptiert, dass sein miserabler Zustand die Folge seiner ungünstigen Einstellung zum Leben, zu sich und anderen und dem daraus resultierenden Verhalten ist. Dieses Annehmen ist ein Prozess, der sich nach und nach entwickelt. Es gelingt ihm, sein Jammern allmählich zu reduzieren, indem er jeden Abend in seinem Entwicklungsheft auf einer Skala von 1 bis 10 festhält, wie gut es ihm gelungen ist, auf das Sich-Beklagen zu verzichten.Er notiert in seinem Heft, was ihm als Kind und auch noch später Spaß gemacht hat. Zum Beispiel ausgehen, Krimis lesen und gutes Essen genießen. Eine schöne Zeit mit der Familie verbringen. Tischtennis spielen, Fahrradtouren und ins Fußballstadion gehen, auf Flohmärkten stöbern und alte Münzen kaufen …In seinen Handy-Kalender tragen wir gemeinsam ein, wann er welche dieser Freude-Aktivitäten verbindlich umsetzen wird. Er notiert sie als Businesstermine (»Treffen mit …«) und nicht als Freizeit. Mit diesem Trick fällt es ihm leichter, liebevolle Fürsorge für sich selbst zu tragen.Bei den Freude-Terminen muss er nicht unbedingt Spaß haben. Wichtig ist nur, dass er diese »Pflichtaufgaben« gewissenhaft erledigt, um in ein neues Erleben zu kommen. Meine Rolle dabei war es, ihn zu unterstützen, diese Selbstvereinbarung gegen seine zahlreichen inneren Widerstände (»Ich muss aber doch …«) diszipliniert einzuhalten.Neben diesen Überwindungsübungen, die ihn vom Wollen zum Tun brachten und damit seinen Erfahrungsschatz vergrößerten, beschäftigten wir uns ausführlich mit den ihn stark bestimmenden Annahmen, wie er, andere und das Leben sein müssen, und seiner daraus resultierenden Verstimmtheit. Seine Gedanken- und Verhaltensmechanik decodierten wir erfolgreich und ersetzten sie mit der Zeit durch die lebensbejahende Haltung, in der man herausfordernde Situationen des Lebens als Lerneinheit und Wachstumsimpulse versteht und nutzt. Immer mit dem Ziel, in gehobene Gestimmtheit zu finden, die ein Schlüssel zur Lebensfreude ist.In diesem Prozess der Haltungs- und damit auch Verhaltensveränderung gelang es meinem Klienten, wieder einen Zugang zu sich selbst zu bekommen. Die angestrebte Zunahme von freudvollem Erleben stellte sich mit der Zeit von allein ein.