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Jens Corssen

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  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2020
Beschreibung

Der Selbst-Entwickler für die Liebe.

Uns alle eint die Sehnsucht nach Eins-Sein, wie es uns das Gehirn im Rausch der Verliebtheit vorgaukelt. Doch die Verantwortung für Lebensfreude und Verbundenheit lässt sich nicht an einen Partner delegieren. Liebe ist eine Frage der inneren Haltung, sagen Jens Corssen und Stephanie Ehrenschwendner, und zeigen, wie man diese bewusste, erwachsene Form der Liebe lebendig macht: Der Wandlungsprozess setzt ein, wenn wir das Leben bejahen und in gehobener Gestimmtheit bleiben - auch in Phasen als Single oder Beziehungskonflikten. Er setzt sich fort, wenn wir unsere Einzigartigkeit in all ihren Facetten entwickeln. Indem wir uns von hinderlichen Denk- und Verhaltensmustern lösen, können wir uns auf ein gelingendes Miteinander ausrichten. Dann kann wahre Verbundenheit wachsen.

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Seitenzahl: 210

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Zum Buch

Uns alle eint die Sehnsucht nach Eins-Sein, wie es uns das Gehirn im Rausch der Verliebtheit vorgaukelt. Doch die Verantwortung für Lebensfreude und Verbundenheit lässt sich nicht an einen Partner delegieren. Liebe ist eine Frage der inneren Haltung, sagen Jens Corssen und Stephanie Ehrenschwendner, und zeigen, wie man diese bewusste, erwachsene Form der Liebe lebendig macht: Der Wandlungsprozess setzt ein, wenn wir das Leben bejahen und in gehobener Gestimmtheit bleiben - auch in Phasen als Single oder Beziehungskonflikten. Er setzt sich fort, wenn unsere Einzigartigkeit in all ihren Facetten entwickeln. Indem wir uns von hinderlichen Denk- und Verhaltensmustern lösen, können wir uns auf ein gelingendes Miteinander ausrichten. Dann kann wahre Verbundenheit wachsen.

Zu den Autoren

Jens Corssen, Diplompsychologe, Verhaltenstherapeut und Bestsellerautor, berät seit 50 Jahren Menschen in Konfliktsituationen. Männliche und weibliche Führungskräfte unterstützt er nicht nur in beruflichen Fragen, sondern hilft ihnen auch, ihre durch beruflichen Stress häufig gefährdeten Ehen zu retten. Der Selbst-Entwickler®, dessen Philosophie und Praxis zu Corssens Markenzeichen wurden, gehört zu den erfolgreichsten psychologischen Konzepten im deutschsprachigen Raum. Jens Corssen ist seit 42 Jahren verheiratet und wohnt in München. Er ist Autor mehrerer erfolgreicher Bücher, unter anderem »Der Selbst-Entwickler«, »Das Corssen-Prinzip« und »Der Team-Entwickler«.

http://www.jenscorssen.com/

Stephanie Ehrenschwendner hat ein großes Lebensziel: ihre ungezügelte Neugier zu befriedigen. Darum hat sie zunächst die Verlagsbranche vermessen und als Lektorin und Verlagsleiterin gearbeitet, bevor sie sich als Autorin und Autorencoach selbständig machte. Nach zehn Jahren auf der Kanareninsel La Palma lebt sie wieder in München und schreibt überall in der Welt, wo es einen Internetanschluss gibt. Mit Jens Corssen hat sie bereits drei Bücher veröffentlicht.

Jens Corssen · Stephanie Ehrenschwendner

LIEBEN

Warum das größte aller Gefühle in Wahrheit eine Haltung ist

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Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe

© 2020 Kailash Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Lektorat: Diane Zilliges

Satz: Satzwerk Huber, Germering

Umschlaggestaltung: Daniela Hofner, ki 36 Editorial Design, München

Autorenfoto: Frank Bauer

ISBN 978-3-641-26605-9V001

www.kailash-verlag.de

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Inhalt

Vorwort

Teil 1: Das Leben lieben

Das Gehirn ist das Organ der Liebe

Für das Leben sein

Sich vom Gehirn nicht alles bestimmen lassen

Schmerz gehört dazu, Leid nicht

Das Kopfspiel gewinnen

Sie sind der Guru Ihrer Stimmung

Die Natur beseelt

Teil 2: Sich selbst lieben

Mit sich befreundet sein

Die Suche nach der eigenen Identität

Ihr unveräußerlicher Wert

Wie verlässlich sind Sie?

Der Partner als Spiegel

Der Mensch ist ein dynamisches Wesen

Die Unlust überwinden

Teil 3: Den anderen lieben

Die Andersartigkeit respektieren

Das Seelenband stärken

Nähe und Distanz

Wollen Sie recht haben oder lieben?

Begriffe engen den Raum für Gefühle ein

Eine neue Herzlichkeit

Die Freude des anderen mehren

Zum Abschluss

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Sachregister

Vorwort

»Warum bleiben manche Paare ein Leben lang zusammen und andere nicht?«, fragte ich Jens Corssen vor drei Jahren, als wir in einem Café zusammensaßen. Unser Gespräch war auf das Thema Liebe gekommen, weil mein Freund und ich uns kurz zuvor getrennt hatten.

Unsere Beziehung hatte sehr romantisch begonnen, als ich mich im Urlaub in diesen Mann verliebte, der auf La Palma, einer kleinen kanarischen Insel mitten im Atlantischen Ozean, lebte. Um uns besser kennenzulernen, trafen wir uns monatelang in den schönsten Städten Europas, in Verona, Madrid und Barcelona. Schon bald war klar, dass wir zusammenleben wollten. Aber wie sollte das funktionieren, mit über viertausend Kilometern Distanz, die zwischen unseren Leben lagen?

Nach reiflicher Überlegung kam ich zu dem Schluss, dass es Zeit für eine größere Lebensveränderung sei: Erstens wollte ich nach sechzehn Jahren des Angestelltendaseins endlich mein eigener Boss sein. Zweitens stand auf meinem Wunschzettel, mal im Ausland zu leben. Drittens fand ich den Gedanken verlockend, auf einer »Insel des ewigen Frühlings« zu wohnen. Und viertens war ich schwer verliebt.Also lernte ich Spanisch, knüpfte Kontakte zu potenziellen Kunden, kündigte ein halbes Jahr später meinen Job und meine Wohnung und machte mich auf in mein neues Leben auf La Palma. Alles, was ich zu dem Zeitpunkt besaß, passte in den Kofferraum meines kleinen Autos, mit dem ich gen Süden losfuhr.

Mein Freund und ich verbrachten viele schöne Jahre zusammen. Diese große Herausforderung gemeinsam meistern zu wollen hat uns auch getragen. Die Reaktion der Menschen, die mich später fragten, wie ich auf meine Insel gekommen sei, war immer gleich: »Hach, was für eine romantische Geschichte! Wie ein Liebesfilm.«

Leider fand unsere Story kein Happy End. Nach zehn Jahren Beziehung trennten wir uns, und ich verließ die Insel. Eine seit siebenundzwanzig Jahren verheiratete Freundin sagte nach meiner Rückkehr nach Deutschland zu mir, es sei nicht immer alles wunderbar in ihrer Ehe, es gäbe auch magere Jahre. Ihr Erfolgsgeheimnis: »Durchhalten.«

Ich saß vor den Scherben meiner Beziehung und versuchte zu verstehen, warum sie zu Bruch gegangen war: Hatte ich zu früh das Handtuch geworfen? Trug einer von uns beiden die »Schuld« daran, dass es nicht funktioniert hatte? War ich beziehungs- oder liebesunfähig? Oder war es einfach nicht die große Liebe gewesen, obwohl alles so romantisch begonnen hatte?

Dass ich keine Ausnahme zu sein schien, beruhigte mich etwas. Die Scheidungsrate liegt in Deutschland bei rund 30 Prozent. Manche Paare sprechen danach kaum ein Wort mehr miteinander. Einige meiner Freunde leben seit fünfundzwanzig Jahren oder länger in einer Partnerschaft oder Ehe. Manche sind getrennt oder geschieden. Eine Freundin beschloss vor Jahren, bis ans Ende ihrer Tage allein zu bleiben. Ab und an eine Affäre, ja, aber das Leben mit einem anderen teilen? »Nein danke!«, das sei ihr zu anstrengend. Ein Kumpel wünscht sich seit Jahren eine Frau, findet aber einfach nicht die »Richtige«. Ein Witwer, der nach fünfundzwanzig Jahren Beziehung seine große Liebe verlor, erhielt den Rat, sich doch eine Gefährtin zu suchen, mit der er ab und zu ein paar schöne Stunden verbringen könne. Als sei das Recht auf Liebe mit dem Tod der Frau begraben worden. Meine eigene Mutter ist, nachdem mein Vater gestorben war, nie wieder eine Partnerschaft eingegangen.

Die Liebe ist so alt wie die Menschheit, sie ist das schönste und größte Gefühl, das viel in uns zum Schwingen bringt. Wenn wir Menschen uns doch so sehr nach Liebe sehnen, wieso fällt es vielen schwer, auf Dauer eine liebe- und freudvolle Partnerschaft zu führen? Warum sieht die Realität der Liebe oft so anders aus: Unerfüllte Sehnsüchte, gegenseitige Entfremdung, Sich-Anschweigen, Einsamkeit zu zweit, Streit, Untreue und Hass gehören viel eher zum Beziehungsalltag als innige Verbundenheit. Es gibt viel Kummer im Namen der Liebe: Über zweiundsechzig Millionen Ergebnisse auf Google unter dem Stichwort »verlassen worden«, dreiundzwanzig Millionen Einträge unter »Trennung« und zwanzig Millionen unter »nicht mehr glückliche Beziehung«.

Vielleicht weiß Jens Corssen ja etwas, das ich und viele andere nicht wissen, dachte ich. Er ist seit über vierzig Jahren verheiratet, während ich mich vor einer Weile wieder frisch verliebt habe. Was machte er anders als ich? Hat er einfach Glück gehabt? Oder kannte er ein Liebesgeheimnis, das mir bisher verborgen blieb? Und was könnte ich daraus für meine neue Beziehung lernen?

Nach diesem ersten Gespräch wollte ich mehr erfahren, also bohrte ich bei einem erneuten Treffen einige Monate später nach: »Wieso klappt es oft nicht zwischen zwei Menschen, wo doch schon so viel über die Liebe geschrieben wurde?«

»Um eine gute Beziehung zu führen, reicht es nicht aus, sich allein auf die Partnerschaft zu beziehen«, erklärte er mir.

»Aber darauf fokussieren sich doch die meisten Ratgeber! Was braucht es denn noch?«

»Im großen Kontext der Liebe ist die Verbundenheit mit anderen Menschen erst das Schlusslicht«, antwortete er mit einem verschmitzten Lächeln. »Das kannst du dir vorstellen wie ein Haus: Die Liebe zum Leben ist das Fundament, das dich unerschütterlich macht. Die Liebe zu dir selbst sind die Mauern und das Dach. Sie geben dir Sicherheit und Geborgenheit. Und die Beziehungen zu anderen Menschen sind alles, was das Haus im Innen und Außen verschönert. Das gibt dir ein Wohlgefühl. Wer das Leben oder sich selbst nicht liebt, kann sich nur schwerlich auf einen anderen beziehen. Vermutlich ist irgendein Bestandteil deines Hauses der Liebe nicht stabil genug gewesen, sonst wärst du noch auf deiner Insel.«

Unsere Gespräche im Café waren der Auftakt für dieses Buch. Lieben ist die Grundlage und zugleich die Essenz der »Selbst-Entwicklung«. »Die Kunst zu leben verdichtet sich in der Liebe, weil reine Selbstoptimierung nicht das Ziel von uns Menschen sein kann, sondern nur echte, tiefe Verbundenheit: mit dem Leben, mit sich selbst und mit anderen. Der Selbst-Entwickler fängt bei sich an und hört nicht bei sich auf«, sagt Jens Corssen und umschreibt damit, worum es in den folgenden Kapiteln gehen wird. Es gibt keine absolute Wahrheit über die Liebe, denn die Haltung dahinter ist dynamisch und fließend. Um die Erkenntnisse aus seiner fünfzigjährigen therapeutischen Arbeit mit einer Erfahrungsebene zu bereichern und zu zeigen, dass wir alle übende Meister sind, möchten wir dabei auch einige persönliche Geschichten mit Ihnen teilen, die jeweils mit einem Kürzel versehen wurden. JC steht für Jens Corssen und SE für mich.

Bücher können unser Leben verändern. Das gilt nicht nur für Leser, sondern auch für Autoren. Dieses Buch mit Jens Corssen zu schreiben hat mich dem Leben, mir selbst und den Menschen, die ich liebe, nähergebracht. Ich wünsche mir sehr, dass es Ihnen bei der Lektüre ebenso ergeht.

Herzlichst Ihre

Stephanie Ehrenschwendner

Teil 1

Das Leben lieben

Das Gehirn ist das Organ der Liebe

Herzrasen. Dauergrinsen. Die Minuten zählen, bis man sich wiedersieht. Über nichts anderes als das Objekt der Begierde reden können. Stundenlange Telefonate. Sich tief in die Augen schauen. Endlose Küsse. Durchwachte Nächte voller Zärtlichkeit und himmlischem Sex. Am nächsten Morgen trotz Schlafmangel mit Elan durch den Tag flattern. Romantische Wochenenden. Lange Liebesschwüre per WhatsApp. Sich seelenverwandt fühlen. Vor lauter Liebe nichts essen können und fünf Kilo abnehmen. Unzählige Male dieselbe Ballade anhören, die beim ersten Kuss gespielt wurde. Sich endlos zurechtmachen, um für den anderen begehrenswert zu sein. In Komplimenten der Mitmenschen baden, weil man nie besser aussah ...

Frisch Verliebte schweben auf einer riesigen rosaroten Wolke. Das Herz läuft ihnen über. Sie könnten das Leben ständig umarmen. Nichts Schlechtes kommt an sie ran. Sie ärgern sich kaum über einen Stau oder eine Serie roter Ampeln, sondern nutzen jede Sekunde, um sich gedanklich an ihrer Liebe zu laben. Sie sind auch bessere Kollegen. Wenn Frau Müller aus dem Marketing Unfug redet, stören sie sich nicht daran, auch wenn sie vorher eher genervt oder verärgert reagierten. Sie fühlen sich dem Liebsten und dem Leben nah.

Die große Verführung an dieser romantischen Verliebtheit ist: Sie macht uns glauben, eine solch magische Verbundenheit müsse ewig währen, bis dass der Tod uns scheidet. Liebe ist auch ein Synonym für Sicherheit und Geborgenheit. Das Gefühl der Zugehörigkeit, das Sich-nicht-allein-Fühlen, gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen und findet in dem Wunsch nach liebender Einheit einen Ausdruck. Tief in unserem Inneren sehnen wir uns alle zurück in den Mutterleib. Da war es schön warm und geschützt. Romantische Verliebtheit löst ein ähnliches Gefühl aus. Die Verbindung mit dem anderen verspricht Schutz und Geborgenheit. Liebesromane, Hollywood-Schmonzetten, romantische Poesie und Schlager gaukeln uns vor, das Glück käme über die Beziehung zu uns. Das Leben sei dann wunderbar. Und es soll bitte immer so bleiben. Wer sich verliebt, wer heiratet, hat nicht selten das Gefühl: Endlich habe ich es geschafft. Endlich bin ich ganz. Jetzt geht es mir gut.

Im Rausch dieser Gefühle sehen wir über kleinere oder größere Makel des anderen großzügig hinweg – bis wir eines Tages von der rosaroten Wolke fallen. Die Wirklichkeit zieht in die Beziehung ein: Dann sind viele Menschen unzufrieden, weil ihnen auf einmal etwas fehlt, weil sie vom Partner enttäuscht sind, sobald er ihre Erwartungen nicht erfüllt, und weil die Dinge nicht so laufen, wie sie es gern hätten – was doch eher die Regel ist als die Ausnahme. »Die Ewigkeit war unser Plan«, besingt eine deutsche Schlagersängerin diese Fallhöhe und »1000 Himmel stürzen ein«, wenn es nicht mehr so ist. Der Schauplatz des Miteinanders wechselt vom Himmel in die Hölle.

Die romantische Verliebtheit ist ein Geschenk der Biologie und zugleich eine Sonderphase, die in der Regel sechs bis achtzehn Monate dauert. Dieser vorübergehende Zustand entsteht, auch wenn das unromantisch klingen mag, aufgrund eines berauschenden biochemischen Cocktails aus Hormonen und Botenstoffen wie Dopamin, Oxytocin, Serotonin, die in unserem Gehirn ein Liebesfeuerwerk entzünden und uns in einem Gefühl des Eins-Seins wiegen. Diesem Zustand jagen die meisten Menschen über alle Kulturen hinweg ihr Leben lang hinterher. Jedoch vergeblich. Unser Gehirn kümmert sich nämlich nicht um dauerhaftes Liebesglück, sondern nur um unser Überleben. Es folgt gewissermaßen einem archaischen Dating-Programm, das im Dienst der Arterhaltung steht, um in einer sicheren Paarbeziehung die Aufzucht des Nachwuchses zu gewährleisten.

Liebe passiert im Gehirn, sagt der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer. Auch wenn das Herz bei Verliebten ein bisschen heftiger schlage, sei das Gehirn das Organ der Liebe, weil dort unsere Emotionen verarbeitet werden, die sich dann wiederum in körperlichen Reaktionen zeigen. Spitzer vergleicht die romantische Verliebtheit aufgrund der vielen unbewussten chemischen Prozesse eher mit einer Sucht.

Tritt die Partnerschaft in eine nächste Phase ein, die nicht mehr hormonell gesteuert ist, mehr Alltag umfasst und im Prozess des Zusammenwachsens Konflikte mit sich bringen kann, stehen wir dem Menschen, den wir am meisten lieben, oft am kritischsten gegenüber. Vermutlich kennen Sie das in irgendeiner Weise, sonst hätten Sie nicht nach diesem Buch gegriffen. Die Enttäuschung ist größer, weil uns die Liebe sehr verletzlich macht. Damit geht jeder anders um: Die einen ziehen sich emotional zurück, und die anderen schlagen verbal auf den Partner ein.

»So habe ich mir das nicht vorgestellt!«, »Warum kann es nicht wieder so sein wie am Anfang?« oder »Du bist schuld, dass es mir nicht gut geht!« – fürchterliche Auseinandersetzungen und Rosenkriege sind das Ergebnis der irrationalen Annahme, ein anderer Mensch sei für unser Glück und Wohlbefinden verantwortlich. Das ist ein Wunschdenken, das die Beziehung belastet, weil die Erwartungen, egal ob man immer wieder darauf hinweist oder im Stillen klagt, spürbar für den anderen sind.

Ich habe mal einen Strafzettel bekommen, weil ich mein Auto unabgesperrt am Straßenrand stehen ließ. Das sei Anstiftung zu einer kriminellen Tat, hieß es in der Begründung. Ich würde es einem potenziellen Dieb leicht machen, den Wagen zu stehlen. So betrachtet müsste man eigentlich eine einstweilige Verfügung gegen Schnulzenromane, Kitschfilme und Schlagertexte erwirken, weil sie uns eine Welt vorspielen, die in der Realität keinen dauerhaften Bestand hat, aber der Sehnsucht der Menschen entspricht. Vor Jahren schaute ich mal das Konzert eines deutschen Schlagerstars im Fernsehen an. Die Atmosphäre war mit Emotionen aufgeladen. Die Anwesenden, überwiegend Frauen, hielten Wunderkerzen hoch, während sie inbrünstig mitsangen und sich mit verklärtem Blick zum Klang der schönen Melodien wiegten. Ich fand die Stimmung sehr traurig, sie kam mir wie kollektiver Weltschmerz vor. Diese Lieder beglaubigten die Sehnsucht nach der Liebe als Erlösung von den Übeln der Welt. Ein anderer kann uns aber nicht retten. »Ich kann nicht ohne dich, erst mit dir wird mein Leben ganz, du bist mein Himmel …« – solche Texte stiften doch, kommt es anders, wegen der Enttäuschung, dem Kummer, dem Ärger und den Rachegefühlen zur bösen Tat an. (JC)

Der Mythos von ewiger Liebe, Seelenverwandtschaft und Leid, wenn diese Sehnsucht sich nicht erfüllt, mag etwas Erbauliches haben, weil sich die Zuhörer vielleicht in ihrer Traurigkeit verstanden fühlen. Er fördert aber zugleich ein Gefühl der Bockigkeit, am Leben nicht als Ich, sondern nur als Wir teilnehmen zu wollen. Natürlich ist es schöner, zu zweit zu sein. Wir Menschen brauchen andere Menschen. Aber warum singt eigentlich kaum jemand davon, dass man auch allein glücklich und zufrieden sein kann?

Wir sind soziale Wesen und möchten liebevoll, empathisch, fürsorglich und großzügig sein. Wir sehnen uns nach Liebe – und doch ist unser Verhalten oft genau davon nicht getragen. Dabei ist es doch absurd, gerade den kritisieren und verändern zu wollen, den man am meisten liebt. Das verstimmt den Kläger und natürlich auch den Beklagten, weil er sich bevormundet oder gemaßregelt fühlt.

Manche verschließen sich der Liebe und bevorzugen, allein zu bleiben. Sie glauben, nicht wirklich lieben zu können. Oder sie empfinden die Welt um sich herum als zu neurotisch, um sich noch einmal einzulassen. Freundschaft hält dann oft, was die Liebe einst versprach. Freunde sind in der Regel sehr viel zugewandter und verständnisvoller als ein Liebespartner. Das liegt auch daran, dass der Grad der Erwartung niedriger ist. Freunde akzeptieren meist, dass es verschiedene Sichtweisen auf die Welt gibt. Sie müssen sich gegenseitig nichts vormachen und können sich zurücknehmen, wenn einer Sorgen hat. Der Absolutheitsanspruch an Freunde ist geringer als an den Partner. Die Erwartung, der andere müsse uns von der Ungewissheit des Lebens erlösen, und das Gefühl der Enttäuschung, weil das nicht funktioniert, lösen Frust aus.

Es ist erstaunlich, wie viele Menschen glauben, ihr Partner müsse sie verstehen, obwohl dieses Ansinnen wieder und wieder enttäuscht wird. Einmal saß ich auf einer Veranstaltung neben einer Frau, die sich genau darüber beklagte.

»Seit ich meinen Mann kenne, geht es mit mir bergab. Wieso versteht er mich einfach nicht?«

Das Paar war zu dem Zeitpunkt schon seit zwanzig Jahren verheiratet. Sie hatte sich die Rolle des Opfers zugewiesen und ihrem Mann die des Bösewichts.

»Ihr Mann muss gar nichts außer, wie wir alle, sterben«, antwortete ich.

»Aber wenn mich schon sonst keiner versteht, dann doch wenigstens mein Mann«, rief sie verärgert aus.

Ich gab ihr meine Serviette und bat sie, den folgenden Satz daraufzuschreiben und ihn täglich mehrmals zu lesen: »Mein Mann liebt mich so, wie er kann. Mehr ist nicht drin. Er muss mich nicht verstehen.« (JC)

Es gibt keine »schlechten« Beziehungen, nur Situationen, die für die Erwartungen des Einzelnen ungünstig sind. Deshalb wäre es ein kindisches Verhalten, darauf zu warten, dass der Partner sich ändert. Warten ist eine passive Form der Hoffnung, denn die Erfahrung, nichts ausrichten zu können, gefangen zu sein in schier ausweglosen Differenzen, macht trotzig und ohnmächtig. Und das trübt auf lange Sicht die Stimmung.

Viele Menschen laufen ihren romantischen Vorstellungen nach, statt sich wirklich auf den Partner in seiner Einzigartigkeit zu beziehen. Die Probleme beginnen, sobald sie merken, dass der Partner sie auf Dauer gar nicht glücklich machen kann. Kein Mensch schafft das.

Für das Leben sein

Nicht wenige machen sich täglich fertig, weil sie gegen das Leben sind. Sie wehren sich mit Händen und Füßen gegen das »Stirb und werde«, wie es bei Goethe so schön heißt, und sind »ein trüber Gast auf der dunklen Erde.« Das Leben wie die Liebe unterliegt aber einem unaufhörlichen Wandel, nichts bleibt auf Dauer, wie es ist, und wenn wir es noch so festhalten. Panta rhei – »Alles fließt«, sagte schon der griechische Philosoph Heraklit. Auch wenn Zugehörigkeit ein menschliches Grundbedürfnis ist, dürfen wir darüber nicht vergessen, dass jeder von uns letztlich allein ist und irgendwann sterben muss. Wer sich damit nicht abfindet, ist versucht, Sicherheit und Bestand über die »ewige Liebe« finden zu wollen.

»Ich liebe dich, weil ich dich brauche« – diese Einstellung führt im schlimmsten Fall genau zum Gegenteil von Sicherheit und Geborgenheit. Was, wenn der Partner sich trennt oder stirbt? Dann bleibt der Hinterbliebene schutzlos, einsam und haltlos zurück. Wenn doch alles immer im Fluss ist, sollte man sich davor hüten, ständig gegen den Strom zu schwimmen. Eine Kampf- oder Opferhaltung entzieht langfristig wertvolle Lebensenergie.

Als junger Therapeut begleitete ich mal eine Frau, deren Mann sich ein paar Tage zuvor von ihr getrennt hatte.

»Es wird wieder«, sagte ich ihr. »Der Schmerz wird nachlassen. In ein paar Monaten sind Sie da wieder draußen. Das Leben geht weiter. Und es kommt ein neuer Mann.«

»Woher wissen Sie das?«, fragte sie mich mit skeptischem Blick und fügte traurig hinzu: »Das wird nie mehr gut.«

Meine Klientin war damals unmittelbar nach der Trennung im Schock. Sie fühlte sich in dem Moment ganz allein auf der Welt, als wäre ihr Leben zu Ende. In so einem Fall würde ich heute sagen: »Jeder hat eine individuelle Zeit, die Trauer zu verarbeiten. Aber Sie werden da rauskommen.«

Eine Trennung ist auch eine narzisstische Kränkung, die das Ego verletzt. Dabei können ganz alte Erinnerungen von »Verlassen-worden-Sein« und »Ich bin nichts mehr wert« hochkommen. So eine Erfahrung muss man erst mal verdauen. Allerdings macht es einen Unterschied, wie wir die Situation beurteilen. Zu sagen »Das wird nie mehr gut« ist eine irrationale Annahme, die wir aus alten Erfahrungen und dem aktuellen Schmerz herleiten. Je öfter sich ein Mensch so etwas sagt, desto mehr glaubt er daran. Und dann wird es nicht mehr gut – aber nicht, weil sich ab jetzt kein Mann mehr für diese Frau interessieren würde, sondern weil sie sich die Geschichte immer wieder selbst erzählt. Würde sie diese Erfahrung als Phase in ihrem Leben betrachten, könnte sie die Trennung schneller verarbeiten. (JC)

Es gibt nur ein Leben, nicht ein normales und ein »Scheiß-Leben«. Entscheidend ist, was wir daraus machen – und das wiederum hängt von unserem persönlichen Beitrag zu dem ab, was ist. Leider lernen die meisten von uns nicht, mit dem Lauf und der Endgültigkeit des Lebens zurechtzukommen. Die Schule des Wissens bereitet uns nicht auf die großen menschlichen Herausforderungen vor.

Der stetige Wandel und der Tod sind in unserem Kulturkreis eine Schreckensvorstellung, die Angst und Schmerz hervorruft, und daher oft bis zum »bitteren Ende« verdrängt wird. Obwohl Veränderungen zum Leben gehören und so sicher wie das Amen in der Kirche sind, vermeiden es die meisten Menschen der westlichen Welt, sich damit auseinanderzusetzen. Das gilt auch für das Sterben von Beziehungen.

Andere Kulturen finden in ihrem Umgang mit dem Tod ein besseres Verständnis für den natürlichen Fluss und die Vergänglichkeit des Lebens. Die Mexikaner etwa feiern einmal im Jahr den »Dia de los Muertos«. Das ist kein Trauer-, sondern ein Festtag, an dem die Lebenden der Verstorbenen gedenken und den Tod als Teil des Lebens ehren. Daher ist das Fest auch geprägt von Fröhlichkeit. Alle, vom kleinen Kind bis zum Greis, tragen farbenfrohe Kostüme und bemalen sich das Gesicht mit wunderschönen Totenmasken. Sie feiern das Leben und den Tod gleichermaßen – mit Altären, Gedichten, gutem Essen und Umzügen. Ein so positives Ritual nimmt dem Sterben das Bedrohliche und integriert es als unabänderlichen Teil eines natürlichen Kreislaufs des Lebens.

Um sich wirklich auf andere Menschen als einzigartige Wesen beziehen zu können, ist es notwendig, erst einmal eine stabile Beziehung zum sich wandelnden Leben aufzubauen. Es geht darum, dafür und nicht dagegen zu sein. Was ist, ist. Das Leben an sich ist weder schön noch schlimm. Es ist, was wir Menschen daraus machen – und das hat wiederum mit unserem gedanklichen Beitrag zu dem, was ist, zu tun.

Die Grundvoraussetzung für »Lieben« ist also eine bejahende Haltung zum Leben, trotz aller Ungewissheit. Sich wirklich einlassen und mit vollem Risiko lieben kann nur, wer sich darüber im Klaren ist, dass alles dazugehört. Die Liebesregel Nr. 1 lautet daher: Ich entscheide mich, das Leben zu lieben. Auch wenn mir vieles nicht gefällt, bin ich für das Leben.

Selbstbewusstheitserfahrung

Mit welcher Haltung stehen Sie dem Leben gegenüber?

Was denken Sie über sich selbst?

Welche Erwartungen stellen Sie an sich und andere Menschen?

Welche Vorstellung haben Sie von dem, was Ihnen wichtig ist?

Welche Bedürfnisse und Ziele haben Sie?

Was hindert Sie daran, diese Bedürfnisse und Ziele zu erfüllen?

Permanent zu meckern, sich zu beklagen, bockig zu sein, verstimmt – was bringt das? Es zehrt an den Kräften, sich vom Leben gebeutelt zu fühlen. Ein Mensch, der glaubt, gegen das Leben kämpfen zu müssen, kann sich nur schwer aufraffen, etwas zu ändern. Der Verstimmte verzagt am Leben, weil er alles, was ist, durch den Filter seiner persönlichen Wahrnehmung bewertet. Wie würde es sich anfühlen, wenn Sie zum Beispiel nicht mehr dächten, Ihr Partner sei unordentlich, unpünktlich oder unsensibel? Würde es Ihnen dann nicht gleich besser gehen? Und würden Sie sich dann auch anders verhalten?