Leck mich! - Anna Zimt - E-Book

Leck mich! E-Book

Anna Zimt

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Beschreibung

Welchen Sex, welche Liebschaften oder Beziehungen brauchen wir, um glücklich zu sein? Diesen Fragen stellt sich Anna Zimt nach einer aufregenden Lebensphase. Wie war das, als sie zum ersten Mal den Mut aufbrachte, im Bett zu sagen, was sie will? Oder als sie den gut aussehenden Typen in der Bahn doch noch ansprach? Und von welchen Beziehungsmustern musste sie sich lösen, um endlich bei sich anzukommen? Die Autorin erzählt mit viel Herz, Witz und Feingefühl von Affären, bei denen sie das Zepter selbst in die Hand nimmt, vom Sex beim erste Date, ihrer großen Liebe Max und davon, wie sie sich in all dem Trubel noch ein Stück näher kommt. Anna Zimt will zu sich selbst und ihrer Lust stehen - ohne Kompromisse. Ihre Geschichten reißen mit, machen Mut und befreien! "So offen spricht sonst keine über Sex. Wir lieben Anna Zimt!" Max und Jakob vom Erfolgs-Podcast Beste Freundinnen

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Seitenzahl: 226

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ANNA ZIMT

Leck mich!

ANNA ZIMT

Leck mich!

Wie ich lernte zu bekommen, was ich will:im Bett, in der Liebe und im Leben

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

[email protected]

Originalausgabe

1. Auflage 2019

© 2019 by mvg Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Nymphenburger Straße 86

D-80636 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die Autorin hat sich aufgrund der Lesbarkeit dafür entschieden, in vielen Fällen das generische Maskulinum zu verwenden. Es sind aber immer alle Geschlechter gemeint.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Birthe Vogelmann

Umschlaggestaltung: Maria Wittek

Umschlagabbildungen: shutterstock.com/OksanaNizienko

Satz: Müjde Puzziferri, MP Medien, München

Druck: CPI books GmbH, Leck

ISBN Print 978-3-7474-0080-7

ISBN E-Book (PDF) 978-3-96121-418-1

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96121-419-8

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.mvg-verlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

1. Doll und deutlich, aber nett und freundlich

2. Schritt für Schritt

3. Max & Anna

4. Katerfrühstück

5. Glückauf!

6. Du darfst

7. Liebe Anna

8. Mit dir ist gut Apfel essen

9. Der Höhepunkt kommt vor dem Fall

10. Alles, was kein Ja ist, ist ein Nein!

11. Leck mich!

12. Here´s my number. So call me maybe

13. Sex haben wie ein Mann

14. Bin ich gekommen, um zu bleiben?

15. Wie stark darf frau sein?

Danksagung

Über die Autorin

Für A. D.

1. Doll und deutlich, aber nett und freundlich

Es ist Ende Januar und ich bin für ein paar Tage nach Berlin gefahren, um meine Freunde mal wieder ausgiebig zu sehen und mit ihnen um die Häuser zu ziehen. Ich brauche eine kleine Auszeit vom Alltagstrubel in Hamburg. Ich habe viel gearbeitet, wenig Zeit für meine Berliner Freunde gehabt und eine Geschichte verarbeitet, die mein Selbstbewusstsein ein wenig auf Probe gestellt hat. Aber jetzt bin ich wieder ganz da, ganz ich selbst und freue mich auf die nächsten Tage mit meinen Liebsten. Und da darf ein Kuchen-Date mit meinem Freund Justus auf gar keinen Fall fehlen.

Justus und ich sind beide Autoren und haben uns letztes Jahr auf einem Podcastfestival kennengelernt. Justus stand mir damals mit zitternden Händen in der glühenden Augusthitze gegenüber, bevor er selbst auf die Bühne musste, um einige seiner Kolumnen zu lesen. Er war in seiner Aufregung so entzückend, dass ich mich freundschaftlich sofort in ihn verliebte. Justus steht also mittlerweile auch auf der Liste der Menschen, die ich versuche zu treffen, wenn ich mich mal wieder aus Hamburg auf den Weg in die Hauptstadt mache, in der ich eine Weile gelebt habe.

Und weil ich manchmal einfach nur Raum für mich selbst brauche – zum Denken, Fühlen und Auftanken –, habe ich mir dieses Mal eine eigene Wohnung in meinem alten Kiez am Boxhagener Platz über Airbnb gemietet, anstatt wie sonst bei meinem besten Berlin-Freund Rick zu übernachten. Ich liebe es, für einige Tage wieder ganz in diese alte Welt einzutauchen und ein Teil von ihr zu werden. Auch wenn ich mir momentan gar nicht mehr vorstellen kann, wieder in Berlin zu leben. Mich aber für kurze Zeit wieder ein bisschen dort zu Hause fühlen, das mag ich. Das mag ich sehr.

»Und, wie ist die Wohnung?«, fragt Justus, als er mich von meiner Ferienwohnung zu unserer Kuchenverabredung abholt. Unser Ziel: das Kaffeehaus KuchenRausch in Friedrichshain.

»Ich bin ja keine Innendesigntante«, meine ich belustigt, »aber diese Einrichtung! Ich sag dir, wie es ist: Das ist nix. Alles ist komisch zusammengewürfelt: irgendwelche schrägen Skulpturen, alte Schuhe, die als Blumentöpfe umfunktioniert wurden, und Schädel von toten Tieren an der Wand. Die Tischplatte im Esszimmer ist eine alte Tür – wobei das ja noch ganz cool sein kann. Das Schlimmste ist aber die Deckenlampe. Das ist so ein Designerteil, dessen schwarze Kabel wild über die ganze Decke gespannt sind, und das sieht schlichtweg nur nach Spinnennetz und gruselig aus. Einfach, weil das Zimmer für diese riesige Lampe – ich würde es eher Lichtinstallation nennen – viel zu klein ist. Auf den Fotos auf der Airbnb-Seite kam das alles irgendwie ansprechender rüber als in echt.«

»Ach du meine Güte.« Justus lacht. »Das heißt, im Wohnzimmer wirst du schon mal keinen Sex haben, wenn ich dich richtig verstehe?«

»Auf gar keinen Fall! Ansonsten ist die Wohnung aber richtig schön und gemütlich. Das Bett steht auf so einem Podest, sodass ich direkt aus dem Fenster gucken kann. In das Bett könnte man schon jemanden einladen. Ich müsste allerdings erst mal jemanden finden, mit dem ich schlafen wollen würde.«

»Ach, da hast du doch sicher noch ein, zwei Nummern von irgendwelchen Verflossenen in deinem Telefon«, wirft Justus ein und bedeutet mir liebevoll, am Zebrastreifen doch kurz zu warten und nicht in das heranrollende Auto zu rennen.

»Apropos!« Ich warte das Auto ab. »Justus, was noch viel krasser ist als dieses schreckliche Lampending: Ich war schon mal da!«

»Wie, du warst schon mal da? In der Wohnung?«, Justus guckt mich erstaunt an.«

»In dieser Wohnung nicht, aber in der gegenüber«, … in der mittlerweile scheinbar ein dauerzugekiffter Mensch wohnt, denke ich so bei mir.

Denn als ich mit dem Schlüssel in der Hand im Hausflur des rechten Hinterhauses ankam und mich mit schwerem Rucksack bepackt langsam die Stufen hochschleppte, roch alles nach Gras. Der Hausflur war komplett abgeranzt und je höher man kam, desto stärker wurde der Geruch. Er oder sie verwandelte den kompletten Hausflur in eine riesige Gratisbong für alle Bewohner des Hauses. Für mich, die das Zeug so gar nicht verträgt, ein eher unattraktives Angebot, aber ich kann ja gönnen. Es war für mich eh viel spannender, in meiner gedanklichen Unterwelt zu forschen und herauszufinden, warum mir dieses ganze Haus und dieser Seitenflügel so bekannt vorkamen. »Warum warst du denn da? Und wann überhaupt?«, unterbrach Justus meine Gedanken. »Als du noch hier gewohnt hast?«

»Nee, es müsste mittlerweile tatsächlich ungefähr zwölf Jahre her sein.«

Gleich sind wir endlich im KuchenRausch angekommen.

»Zwölf Jahre? Wie alt warst du denn da? Da musst du ja noch ein Teenager gewesen sein.« Justus grinst.

»Danke, das ist sehr lieb von dir, guter Freund«, entgegne ich, »aber ich muss so 22 oder 23 Jahre alt gewesen sein.«

»Jetzt erzähl endlich.« Justus hält mir die Tür zum Café auf, an dem wir endlich angekommen sind. Die warme, kaffeeduftgetränkte Luft stößt uns entgegen und alles fühlt sich gleich wohlig und warm an.

»Ich hab jemanden besucht. Ich hab Jonah besucht.« Ich bahne uns einen Weg durch das jackenbehängte Stuhllabyrinth des vollen Lokals.

»Wer ist denn Jonah? Von dem hast du mir noch nie erzählt.« Justus zeigt auf den einzig freien Tisch ganz hinten in einer Ecke.

»Das ist ja auch schon Ewigkeiten her. In Jonah war ich verliebt, als Max und ich damals während meines Studiums getrennt waren. Und na ja, es war kompliziert.« Ich lasse mich auf einen der Stühle an dem Tisch nieder.

»Weil …?«

Er zieht seine Jacke aus und hängt sie brav an einen Kleiderhaken an der Wand.

»Ach, weil er vergeben war.« Ich kämpfe mit meinem seit Tagen klemmenden Reißverschluss. »Seine Freundin war im Ausland und Jonah und ich haben uns ziemlich gut verstanden und fanden uns wahnsinnig heiß. Wir waren damals eine Clique von ein paar Jungs und Mädels und was soll ich sagen: Im Nachhinein denke ich, wir hätten uns viel Schmerz, Leid und Eis erspart, wenn wir ganz am

Anfang einfach alle miteinander in die Kiste gesprungen wären.« Ich lache und bin erleichtert, als meine Jacke endlich aufgeht und ich das Ding ausziehen kann.

»Aber das wäre auch nur halb so aufregend gewesen, vermute ich mal.«

Damit hat Justus recht. Es war aufregend. Alles war für mich zu dieser Zeit aufregend. Ich war aus meiner Heimatstadt nach Göttingen gezogen und hatte mein Studium begonnen. Erste eigene Wohnung, erstes halb eigenes Geld in Form von BAföG und das erste Mal ein richtiger Neuanfang. Ich kannte niemanden. Aber noch viel wichtiger war: Mich kannte niemand.

Und nachdem mein jetziger Ehemann Max und ich uns getrennt hatten und ich eine schlimme Phase des Liebeskummers durchgemacht hatte, ging es langsam bergauf. Aber wirklich langsam – mein Kummer war so schlimm, dass ich mich an einem Samstagabend Bettwäsche bügelnd in meinem WG-Zimmer wiederfand, während sich so ungefähr jeder studierende oder halbwegs jung gebliebene Mensch irgendwo vergnügte. Ich meine, wer bügelt schon seine Bettwäsche?! Ich habe es davor nie getan und danach auch nie wieder. Warum auch? Aber meine Welt fiel so auseinander, dass ich krampfhaft versuchte, Ordnung in meinem Leben herzustellen und alles – im wahrsten Sinne – wieder glattzubügeln. Ich fühlte mich erst besser, als ich Jonah, Pavel, Fredi, Suse und ein paar andere Leute kennenlernte. Wir wurden eine feste Gruppe von Leuten, die irgendwann gefühlt alles zusammen machte. Wir kochten in der großen WG-Küche der Jungs – denn praktischerweise wohnten die drei zusammen –, schmissen Partys, zogen um die Häuser oder guckten zusammengekuschelt Filme auf dem großen WG-Sofa. Woher ich die Zeit und

Energie nahm, nebenbei auch noch zu studieren, ist mir bis heute ein Rätsel. Gerade in den Sommermonaten waren wir vor allem mit Ausgehen in unserem Stamm-Hip-Hop-Kellerclub, Katerfrühstück und Badeseenachmittagen beschäftigt. Und wie das in reellen Daily Soaps eben ist, bildeten sich natürlich immer wieder Pärchen oder lockere Affären zwischen all diesen flirtwilligen Anfang-20-Jährigen.

Und eines dieser Nichtpärchen waren Jonah und ich. Im Sommer 2006. Wir knutschten heimlich und irgendwann nicht mehr ganz so heimlich – ich erzählte meiner besten Freundin Suse natürlich alles – an Häuserwänden, die noch warm von der Sommersonne des Tages waren. Kuschelten unter der Decke, während alle anderen gebannt auf den Fernseher schauten. Oder übten laut lachend die Dirty-Dancing-Hebefigur im Baggersee.

»Oh mein Gott«, Justus ist ganz angetan, »das klingt so schmalzig-süß wie das Baiser auf dem Kuchen, den ich mir gleich gönne.«

Und da kommt auch schon die Bedienung, als hätte sie nur auf ihr Stichwort gewartet. Wir bestellen beide Kaffee und ein dickes Stück Torte und wenden uns dann sofort wieder einander zu.

»Und wie bist du dann hier in Berlin mit Jonah in der Straße gelandet, in der du gerade über Airbnb wohnst?«, will Justus wissen.

»Jonah hat nach unserem Knutsch-Sommer sein Studium geschmissen und ist nach Berlin gezogen.«

Ich hoffe, dass unsere Bestellung bald kommt und ich meine Hände an der warmen Tasse wärmen kann.

»Oha. Und dann? Warst du da nicht furchtbar traurig? Ich dachte, du warst verliebt in ihn.« Justus klingt besorgt.

»Ja, schon ein bisschen«, antworte ich »Aber nach diesem Sommer hatte ich auch wieder sehr viel Kontakt zu Max. Der war ja zu dem

Zeitpunkt in Neuseeland und da hat sich zwischen uns über die Distanz so ganz langsam wieder was angebahnt.«

»Ah, verstehe.« Justus kramt in seiner linken Hosentasche nach einem Taschentuch.

»Ja, und unabhängig davon hat Jonah auch nie Anstalten gemacht, sich von seiner Freundin zu trennen und aus unserer Freundschaft und Knutscherei mehr zu machen«, erzähle ich weiter. »Wir hatten bis dato auch nie miteinander geschlafen oder so. Und als Paar hätten wir am Ende ehrlich gesagt auch nicht gut zusammengepasst. Ich war einfach so und ohne Ziel ziemlich verknallt. Und ich glaube, er auch«, grinse ich und erinnere mich an das schöne aufregende Gefühl zurück.

»Bis dato nicht miteinander geschlafen, sagst du? Das heißt?«, bohrt Justus nach.

»Ich hab ihn ein paar Wochen bevor Max aus Neuseeland wiederkam in Berlin besucht.« Ich muss wieder grinsen.

»Und? Wie war das genau? Erzähl!« Justus setzt sich vor Aufregung kerzengerade hin, wie er es immer tut, wenn es spannende Neuigkeiten zu erfahren gibt.

»Also. Ich besuchte Jonah über ein ganzes Wochenende im Frühling und es war schon Badewetter. Wir fuhren an den Müggelsee und ich weiß noch genau, wie wir beide in den See gesprungen sind und ich ihn am liebsten geküsst hätte, mich aber nicht traute.«

Die Kellnerin bringt uns die bestellten Köstlichkeiten.

»Jonah wusste, dass ich wieder mit Max in Kontakt stand, und ging fälschlicherweise davon aus, dass er und ich uns dementsprechend nur als Freunde trafen. Ich hatte aber mit Max gesprochen und sein Okay, mit Jonah zu schlafen, wenn ich das wollte.«

»Ah, das waren quasi schon die Vorreiter eurer offenen Beziehung.«

»Stimmt eigentlich.« Ich schütte Zucker in meinen Milchkaffee. »Na ja, Jonah wusste davon jedenfalls nichts und machte dementsprechend keine Anstalten, auf mich zuzugehen. Was mich wiederum so verunsicherte, dass ich es nicht wagte, den ersten Schritt zu machen.«

»Du sagst doch sonst immer, was du willst.« Justus guckt beseelt auf das riesige Stück Torte, das vor ihm auf dem Tisch steht.

»Ja, ich weiß«, gebe ich zu und genieße, wie die heiße Tasse meine Finger langsam auftauen lässt.

»Aber?«, fragt er nach.

»Ich war jung und musste noch lernen, den ersten Schritt zu machen und nicht nur den Weg für den Typen zu ebnen«, erkläre ich. »So ganz doll und deutlich zu werden, traute ich mich damals nicht. Weil er sich nicht traute. Heute würde mir das so nie wieder passieren, da geh ich im Zweifel lieber mit einer Abfuhr nach Hause, als mich danach verärgert zu fragen, ob es hätte klappen können.«

»Und was hast du dann unternommen?«

Ich muss grinsen, wenn ich daran denke, wie dieses Wochenende so ablief. Ich machte so einiges, das irgendwie subtil war, sich aber in meiner Welt anfühlte wie das Winken mit einem ganzen Zaun. Zum einen unternahmen Jonah und ich tatsächlich viel. Waren am See, beim Karneval der Kulturen und Tanzen, bis die Sonne aufging. Lauter Situationen, in denen wir uns hätten lachend in die Arme fallen und küssen können, wie es in diesen Schnulzenfilmen immer passiert. Aber nein. Wir fielen uns zwar lachend in die Arme – aber nichts geschah. Kein Kuss, kein langer Blick, rein gar nichts. Ich musste also härtere Geschütze auffahren, wenn ich wollte, dass zwischen uns etwas passierte. Und das wollte ich.

Da es an diesem Wochenende superheiß war und sich die Hitze auch in Jonahs Wohnung staute, kam ich auf die glorreiche Idee, einfach ein bisschen öfter duschen zu gehen, als es eigentlich notwendig gewesen wäre. Und warum muss man sich danach eigentlich sofort wieder anziehen? Man kann ja auch etwas länger nur mit einem Handtuch bekleidet durch die Wohnung laufen und so den anderen daran erinnern, dass es auch eine nackte Version der eigenen Person gibt. War ja auch sehr heiß, warum also auch nicht?

Noch Jahre später machten Jonah und ich uns über diese leicht seltsame Aktion lustig. Darüber, dass ich die ganze Zeit versuchte, ihn durch Gesten dieser Art auf die richtige Fährte zu locken, und darüber, dass Jonah einerseits einfach schwer von Begriff war und andererseits das Richtige tun wollte. Denn natürlich war es für Jonah eine Qual, mich immer und immer wieder halb nackt durch seine Wohnung marschieren zu sehen. Er wollte sich aber korrekt verhalten und unsere Freundschaft nicht gefährden. Und ich war jung und nicht mutig genug, um einfach das Handtuch fallen zu lassen und ihn an mich zu ziehen.

Doch Jonah war damals für mich schwer zu lesen. Wir verstanden uns so super wie immer. Lachten über sehr viel Unsinn, zogen singend durch die Straßen. Aber ich hatte keine Ahnung, ob er mehr wollte. Ob auch er mich nachts um halb zwei auf der Terrasse vom Watergate unterm Sternenhimmel küssen wollte. Oder sich wild mit mir durch die Laken rollen und alles andere egal sein lassen wollte. Ich sah ihn an und konnte es einfach nicht sagen.

Als jedoch unser letzter Abend anbrach und sich immer noch nicht wirklich etwas tat, außer etwas zu langen Blicken und einem schüchternen »Schlaf schön«, während wir uns wegdrehten, machte sich doch ein wenig Enttäuschung breit. Denn ich wollte ihn wirklich gerne noch einmal so küssen wie früher. Und weiter gehen als unsere süße Fummelei bisher. Und weil ich merkte, wie viel Lust ich auf ihn hatte, aber keine darauf, leicht frustriert nach Hause zu fahren, entschied ich mich, das Risiko in Kauf zu nehmen, dass er mich von sich runterschubsen und sagen würde: »Hey, Anna, spinnst du? Wie kommst du nur auf den Trichter, dass das hier ’ne gute Idee sein könnte?!« Ich nahm mir also vor, endlich mutig zu sein.

»Was ich unternommen habe, willst du wissen?«, grinse ich Justus an und schiebe mir ein großes Stück Schokoladentorte auf meine Gabel. »Am Ende war es natürlich das Einfachste der Welt und ich musste gar nicht so viel machen. Lächerlich wenig eigentlich.«

»Was war es? Erzähl!« Justus ist gespannt.

Das war ich auch, als ich damals – wieder mal nur mit einem Handtuch bekleidet – aus dem Badezimmer trat. Wir wollten eigentlich gleich ins Bett gehen und schlafen, da mein Zug nach Göttingen am nächsten Morgen schon sehr früh abfuhr. Als ich in sein Zimmer kam, hatte er das Licht bereits gedimmt und zog gerade die Vorhänge zu. Nur in Boxershorts und T-Shirt gekleidet stand er also vor dem Fenster und drehte sich zu mir, als ich den Raum betrat. Ich ging auf ihn zu und irgendwie war klar, dass etwas anders war als an den Abenden zuvor. Wir sagten beide nichts, ich ging weiter auf ihn zu und sah ihm in die Augen.

Und am Ende war es genau das. Meine Augen sagten alles. Und als ich dann wortlos meine Hand nach seiner ausstreckte und ihn ein klein wenig zu mir zog, war alles klar.

Und dann küssten wir uns. Endlich. Ein Kuss, der sich wie eine kleine Erlösung anfühlte. Endlich waren wir uns nah, endlich spürte ich seine Lippen auf meinen.

Und mit der Aufregung dieses lang ersehnten Kusses kamen mir all die alten Bilder wieder in den Kopf. Ich erinnerte mich an unsere heimlichen Küsse nachts im Badesee, bei denen ich eigentlich schrecklich gefroren, aber diesen Moment noch länger hatte festhalten wollen. Oder an unsere wilden Fummeleien auf Jonahs Sofa, nachdem all die anderen schon in ihre Betten verschwunden waren. Es fühlte sich damals so heiß und verboten an, auch wenn jede dieser Begegnungen ohne echten Höhepunkt und ohne, dass wir miteinander schliefen, endete.

All diese Situationen waren wie ein ewig langes Vorspiel gewesen, das nun die Chance hatte, bis zum Ende ausgereizt zu werden. Knutschend suchten wir uns den Weg bis zu Jonahs Bett und ließen uns etwas ungelenk darauf fallen. Wir kicherten. Auch das war wie damals. Unsere Hände suchten sich ganz vorsichtig ihre Wege über unsere Körper. Mein Handtuch war durch den Fall auf das Bett längst aufgegangen und so lag ich nackt vor ihm. Jonah zog sein T-Shirt aus und ich seine Boxershorts. Dann krochen wir unter die Bettdecke. Noch brauchten wir diesen geschützten Raum, um uns sicher zu fühlen und uns nah zu sein. Wir waren zwar beide irgendwie erfahren und uns auch vertraut, aber diese intime Situation war neu für uns beide. Unser Nacktsein war neu für uns. Keine Grenzen zu haben, war neu für uns.

Jonahs glatte Haut fühlte sich wahnsinnig schön auf meiner an. Genau wie seine Hände, die meinen ganzen Körper entlangfuhren und dabei noch etwas unsicher waren. Er streichelte meine Brüste, kitzelte sie sanft mit seiner Zunge. Ich mochte das. Ich mochte, wie wir uns vorsichtig annäherten. So vorsichtig, dass wir lange nur dalagen und uns küssten, uns scheu, aber neugierig berührten. Ich hatte mittlerweile so große Lust auf ihn, dass ich es kaum aushalten konnte. Langsam streichelte sich Jonahs Hand nach unten zwischen meine Beine. Doch jedes Mal, wenn er kurz vor meinem Venushügel ankam, lenkte er um und fuhr weiter Richtung Oberschenkel. So ähnlich war es auch früher immer gewesen: Wenn es spannend wurde, war die Grenze erreicht. Doch dieses Mal wollte ich keine Grenzen, keine unausgesprochenen Linien, die wir nicht überschreiten und überstreicheln durften. Ich wollte mit Jonah schlafen, ich wollte ihn überall berühren. Und ja, ich wünschte mir, in seinen Armen zu kommen. Wenigstens einen der gefühlt tausend nicht erlebten Höhepunkte auszukosten.

Als sich Jonah erneut nicht traute, mich auch zwischen den Beinen zu berühren, deutete ich ihm – indem ich mein Becken so drehte, dass er quasi nicht an meiner Vulva vorbeikam –, dass seine Hand dort sehr willkommen war. Nach drei weiteren langatmigen Bahnen von der Schulter über die Brust runter bis zum Becken landete seine Hand endlich dort, wo ich sie so gerne haben wollte. Doch leider nicht ganz genau dort, wo ich es am liebsten mochte.

Nachdem Jonah zuerst einen Finger in meine Vagina eingeführt hatte, um ihn jedoch gleich wieder herauszuziehen – es fühlte sich wie ein kleines »Ah, okay, hier kann man also tatsächlich rein« an –, fing er an, mit seinen Fingern eine Stelle zu umkreisen, die definitiv nicht meine Klitoris war. Nein, es war eine Stelle zwischen Klitoris und Vaginaeingang. Wahrscheinlich meine Harnröhre? Ja, es war ein bisschen so, als würde er mit zwei Fingern meine Harnröhre massieren. Aua! Langsam fing es an, wirklich unangenehm zu werden. Zum einen, weil diese Stelle sich tatsächlich eher doof statt lustvoll für mich anfühlte, und zum anderen, weil er auch nicht weiter rumprobierte, sondern in aller Seelenruhe und ohne einen Laut von sich zu geben weiter seine Mission verfolgte. Ich kam mir langsam wirklich komisch bei der ganzen Sache vor. Meine Lust wurde mit jedem seiner Harnröhrenmassagekreise weniger. Ich musste etwas tun, so hatte ich mir unsere erste heiße Sexnacht nun wirklich nicht vorgestellt. Aber was? Wenn ich anfing, ihm einen zu blasen oder mich auf ihn zu setzen, so dachte ich bei mir, habe ich meine Chance auf einen Orgasmus vertan. Denn, so war meine damalige Überzeugung, ich konnte nur durch Streicheln oder Lecken zum Orgasmus kommen. Und wenn wir jetzt anfingen, miteinander zu schlafen, und er dann käme, wäre der Drops für mich ziemlich sicher schon gelutscht. Und das wollte ich nicht. Ich wollte durch sein Fingerspiel zum Höhepunkt kommen.

Ich kam auf eine Idee. Ich musste mich unter seinen Fingern einfach selbst in die richtige Position bringen. Ja, das wäre eine Möglichkeit, freute ich mich über meinen genialen Einfall. Und so versuchte ich, ohne dass er es mitbekäme, durch laszive Verrenkungen auf der Matratze ein paar bedeutsame Zentimeter weiter nach unten zu rutschen, in der Hoffnung, dass seine Finger so endlich auf meiner Klitoris landen würden.

Aber nein. Das taten seine Finger natürlich nicht. Mist. Sie wanderten einfach mit, und so war alles wieder wie vorher. Warum kann das nicht einfach klappen?, fragte ich mich ungeduldig. Warum weiß Jonah nicht, wo meine Klitoris ist? Hat der beim Aufklärungsunterricht nicht aufgepasst? Hatte er keine Exfreundin, die ihm das hätte beibringen können?

Mist. Hatte er scheinbar nicht. Ich musste ihm das beibringen und die Rolle der Lehrerin übernehmen. Also, ich musste nicht. Aber wenn ich hier heute Abend noch irgendwie zum Zug kommen wollte, sollte ich es tun. Und als solidarische, emanzipierte Frau dachte ich natürlich auch an alle meine Nachfolgerinnen, die vielleicht auch mit ihm schlafen und einen klitoralen Höhepunkt erleben wollten.

Ich musste es anders angehen, als mich durch subtiles Unter-seinen-Händen-Herumschlängeln in die richtige Position zu bringen. Funktionierte bei Jonah offensichtlich eh nicht. Ich dachte: Vielleicht sag ich einfach was. Ja, das sollte ich, sprach ich mir selbst gut zu. Das ist vielleicht wirklich das Beste. Einfach direkt sein. Ich meine, was ist schon dabei? Kann man doch mal machen. Einfach nicht groß nachdenken und ansprechen.

»Du?«, murmelte ich leise in seine Fingerkreise hinein.

»Ja, was ist denn?«, fragte Jonah, hielt inne und guckte mir gespannt in die Augen. Und dann nahm ich all meinen Mut zusammen, denn was hatte ich jetzt noch groß zu verlieren? Also, einfach raus damit, dachte ich mir und sagte einfach das, was mir als Erstes in den Sinn kam: »Hast du eigentlich irgendeine Ahnung, wo die Klitoris ist?«

»Ganz im Ernst, Anna«, guckt mich Justus halb entsetzt, halb belustigt an und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. »Wäre ich hetero und du hättest das zu mir gesagt, ich hätte angefangen zu heulen und wäre weggerannt! Das ist so ungefähr das Schlimmste, das du zu einem Mann in so einer Situation sagen kannst!«

»Ja, ich weiß«, bringe ich unter Lachen hervor und vergrabe mein Gesicht in meinen Händen.

»Was hat Jonah denn dazu gesagt? Wie hat er reagiert? Oh Gott, mir ist das ja schon beim Zuhören peinlich.« Justus ist schon ganz rot angelaufen.

Ich muss immer noch lachen. »Also, er hat gesagt: ›Ja, ich glaube schon.‹«

Justus prustet los. »Na ja, offensichtlich weiß er es nicht.«

»Ja.« Ich beruhige mich langsam. Die Leute gucken schon zu uns rüber, weil wir so laut lachen. »Aber Justus, eins kann ich dir sagen: Nachdem ich dann seine Hand genommen und ihm alles sehr genau und kleinschrittig gezeigt habe, weiß er jetzt ziemlich gut, wie man eine Frau befriedigt.«

»Du hast also etwas Gutes für die Nachwelt getan.« Justus lacht.

»Ja, und ich hab mir selbst etwas Gutes getan. Was meinst du, was das für ein krasser Orgasmus war?«

»Aber zu fragen: ›Hast du eigentlich irgendeine Ahnung, wo die Klitoris ist?‹, das geht einfach nicht, Anna!« Justus guckt mich strafend an.

Ich entgegne entschuldigend: »Ich hab das auch nie wieder so gesagt. Das kam einfach so raus. Und klar war das der falsche Weg. Auch wenn wir am Ende im Ziel angekommen sind.«

»Das will ich ja wohl hoffen, dass das nie wieder vorkam! Der hat sich sicher nie wieder bei dir gemeldet, oder?«, fragt Justus.

»Doch, tatsächlich schon. Er fand das alles gar nicht so schlimm. Wir haben noch mal drüber gesprochen, und alles ist gut«, antworte ich. »Abgefahrenerweise treffe ich mich sogar übermorgen mit ihm.«

»Was, echt?« Justus guckt erstaunt. »Am Samstagabend? Ist das ein Date?«

»Nein, Quatsch. Der Dating-Zug ist schon vor Jahren abgefahren«, antworte ich. »Außerdem ist Jonah verlobt. Hab ich zumindest vor ein paar Monaten gehört. Wir treffen uns nur zum Dinner hier um die Ecke. Er hatte mich letzte Woche angeschrieben und gefragt, ob ich noch in Berlin leben würde, weil er beruflich in der Stadt sei.«

»Ach, dann wohnt er auch nicht mehr hier?« Justus trinkt seinen letzten Schluck Kaffee.

»Nee, wieder in Göttingen, soweit ich weiß.«

»Na, dann bin ich ja mal gespannt, wie das wird, Liebes.« Justus grinst verschwörerisch. »Wer weiß, vielleicht funkt es ja wieder zwischen euch und du kannst testen, ob er sich gemerkt hat, wo deine Klitoris ist.« Justus lacht laut auf und schiebt sich den letzten Happen Torte in den Mund.

Ich muss auch lachen: »Wir werden sehen.«