Lehre 4.0 - René Merten - E-Book

Lehre 4.0 E-Book

René Merten

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Beschreibung

Post-Corona-Teaching leicht gemacht In Zeiten von Corona mussten Online-Lehrveranstaltungen abrupt als Not-Ersatz herhalten. Inzwischen haben Hochschulen, Lehrende wie Studierende nicht nur die Problematiken wie fehlende Körperlichkeit und „Zoom Fatigue“, sondern auch das Potenzial der Online-Lehre kennengelernt. Diese funktioniert für vieles, wenn auch nicht für alles. Dieser Ratgeber leistet methodisch-didaktisch schnelle und leicht umsetzbare Unterstützung, nimmt die Scheu vor digitalen Hürden und vermittelt praxisnah die neuesten Trends und Entwicklungen in der Online-Lehre. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der aktiven und nachhaltigen Gestaltung solcher Lehrveranstaltungen mit einfachen Methoden und Tools, um die Teilnehmenden vor, während und nach dem Video-Call sinnvoll einzubinden und verwertbare Lernfortschritte zu generieren. Der Ratgeber zeigt dabei auf, wie online komplexe wissenschaftliche Themen spannend heruntergebrochen werden können, wie Seminare offen und trotzdem strukturiert gestaltet werden können. Der Ratgeber richtet sich primär an Lehrende und Wissenschaftler:innen, die vor der Aufgabe stehen, ein Lehr-Setting im Online-Format zu gestalten, ein solches zu begleiten oder selbst durchzuführen.

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René Merten

Lehre 4.0

Wegen stilistischer Klarheit und leichterer Lesbarkeit wurde im Text auf die sprachliche Verwendung weiblicher Formen verzichtet. Die Verwendung der männlichen Form gilt inhaltlich für alle Geschlechter gleichermaßen.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Copyright © 2022

Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien, Austria

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, sind vorbehalten.

Umschlaggestaltung: Facultas Verlags- und Buchhandels AG

Umschlagbild: © Makrushka, iStock

Bildquellen: S. 13, 15, 16, 17, 19, 20, 21, 22, 35, 38, 40, 44, 47, 48, 50, 51, 55, 58, 61, 65, 68, 70, 71, 74, 75, 77, 78, 79, 80, 82, 83, 85, 87, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 100, 102, 111, 114, 117, 118, 120, 121, 127, 135, 138, 139, 141, 142, 156, 157, 158, 159, 160, 162, 166, 168, 169, 170: © VanReeel – iStock; S. 23: © 4luck – AdobeStock; S. 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 37, 67, 103, 104, 105, 106, 108, 110, 112, 115, 123, 124, 128, 129, 130, 131, 133, 134, 146, 147, 149, 150, 151, 152, 153, 154, 164: © Vladyslav Sereda – iStock; S. 82: © sirastock – AdobeStock; S. 98, 101, 107, 109, 114, 117: © Eratel – iStock; S. 131: © -slav- – iStock; S. 133: © Devonyu – iStock; S. 165: © alazur – iStock;

Lektorat: Astrid Fischer, Berlin, www.astridfischer.eu

Typographie und Satz: K. Strobl, Satz und Grafik, Neunkirchen/NÖ

Druck: Finidr, Tschechien

ISBN 978-3-7089-2174-7 (Print)

ISBN 978-3-99111-527-4 (E-Pub)

VORWORT

„Lehre 4.0 – E-Learning für den wissenschaftlichen Nachwuchs“ war der Name eines Projekts an der Justus-Liebig-Universität Gießen, an welcher der Verfasser selbst einmal als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter aktiv war. Im Rahmen dieses Projektes wurde im Mai 2021 eine abschließende Bedarfserhebung1 durchgeführt, die unter anderem die Frage stellte: „Welche Themen innerhalb von Weiterbildungsangeboten interessieren Sie besonders?“ Zu fast zwei Dritteln fand sich auf Platz eins der Antworten: „Didaktisch sinnvoller Einsatz von digitalen Tools“. Nicht die Technik an sich, der Datenschutz oder die Medienproduktion interessierten die befragten Lehrenden am meisten, sondern schlicht wie sie dem Anspruch an eine gute Online-Lehre didaktisch gerecht werden können.

Einst waren Online-Lehrveranstaltungen als abstrakt mögliche Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen, zur Lehre in übervollen Hörsälen oder zu weit entfernten wissenschaftlichen Konferenzräumen im Ausland im Gespräch. In Zeiten von Physical Distancing und Corona-Lockdowns mussten sie abrupt als notdürftiger Ersatz herhalten. Hektisch wurde an Hochschulen auf Online-Lehre umgestellt, um Studien abschließen, Prüfungen durchführen und den Studienbetrieb insgesamt weiterführen zu können.

Genau hier setzt der Ratgeber an: „4.0“ fungiert nicht als Buzzword für die größtmögliche Digitalisierung der akademischen Lehre, sondern meint die sinnvolle und ausgewogene Verknüpfung zwischen beiden Bereichen. Der Verfasser kennt die Situation als Lehrender nur zu gut – mit wenig Zeit neben den sonstigen akademischen Pflichten, mit überschaubarem Gehalt und geringer Reputation für Lehr- im Vergleich zu Forschungsaktivitäten. Hierbei aus dem Stand auch noch gute Online-Lehre zu zaubern, erscheint vielen aussichtslos. Ziel dieses Ratgebers ist es daher, mit möglichst geringem Aufwand sowie leicht zu bedienender Technik eine methodisch-didaktisch gelungene Online-Lehrveranstaltung halten zu können. Der Fokus liegt auf der praktischen, spielend erlernbaren Durchführung im laufenden Lehrbetrieb.

René Merten

1 Verfügbar unter https://www.uni-giessen.de/fbz/zentren/ggs/lehrevierpunktnull/team/ergebnisbericht2021/lehre-4-0-ergebnisbericht-2021 (zuletzt abgerufen: 01.03.2022).

INHALT

ONLINE-LEHRE AT A GLANCE

Interaktivität, digitalisierte Lehre und Lernaktivierung

Synchrones versus asynchrones Lernen

Blended Learning und Flipped Classroom

DIE VORBEREITUNG

Lehrziel, Lernergebnisse und Strukturierung

Onboarding mit Einladungen

Die Vorabfrage

Der Abend vor der großen Schlacht

T MINUS 30 MINUTEN

Sich mental vorbereiten

Die Technik richten

Bildschirmpräsentation ein

T MINUS 15 MINUTEN

Die virtuelle Lerntür aufhalten

Ansprechen statt warten lassen

LOS GEHT’S

Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Gestatten, dürfen Sie sich vorstellen?

Mit dem beginnen, was schon da ist

GEMEINSAME KULTUR UND SPIELREGELN

Kein Spiel ohne faire Regeln

Regelverstöße und Folgen

VÖLLIG VON DER ROLLE?

Rollen im Lehr-Lern-Kontext

Die Moderationsrolle

Die Time-Keeping-Rolle

Die Dokumentier-Rolle

WER FRAGT, DER FÜHRT

Zusammenfassende Fragen

Konkretisierende Fragen

Auswertende Fragen

Metakommunikative Fragen

Offene Fragen

MODERATIONSTECHNIK

„Ach, wie gut, dass niemand weiß …“

Zeigen, was getan wird

Sagen, was getan wird

RITUALISIERUNG

Gewohnheiten etablieren

Flexibel bleiben

DIE CHAT-FUNKTION

Die schnelle Message für zwischendurch

Wer schreibt mit wem?

Der Chat als Parallelkommunikation

Entschleunigung und Aktivierung regulieren

DIGITALE ZUSATZTOOLS

Integriertes Whiteboard und Anmerkungsfunktion

Externes digitales Whiteboard

Umfragen und Lernquiz

KLEINGRUPPENARBEIT

Kleingruppen bilden

Ergebnisorientierter Arbeitsauftrag

Betreuung der Kleingruppen

ANALOGES EINBAUEN

Gehirngerechtes analoges Lernen

Händisches Schreiben und Zeichnen

Analogisierung als didaktisches Prinzip

Analoges Lehrmaterial einsetzen

Exkurs: Hybride Online-offline-Formate

KONTINUIERLICH RÜCKMELDUNGEN GEBEN

Lern-Feedback und Selbstreflexion

Zielgruppen- und sachorientierte Rückmeldung

AGILES MINDSET

Mehrdeutigkeiten und Kundenzentriertheit

Fokussierte Iteration und Impediment Log

Prozess-Feedback und Retrospektive

ZWISCHEN SCHWUNG UND LETHARGIE

Meinungspluralismus steuern

Systemisch zum Konsens

Konsent statt Konsens

Teilnehmer anstupsen

Niedrige Handlungsschwellen

Sich proaktiv verhalten

Selbstführung und Werte

AM ENDE, ABER NICHT MIT DEN NERVEN

Weiterführende Literatur

Stichwortverzeichnis

ONLINE-LEHRE AT A GLANCE

Manche Leiter von Lehrveranstaltungen waren bereits durch ihre Hochschule gut vorbereitet, andere aufgrund ihrer digitalen Affinität, wieder andere wurden ins eiskalte Online-Wasser geworfen. Vielfach war die Rede von der Präsenzlehre als Normalfall. Inzwischen jedoch haben Hochschulen, Lehrende und Teilnehmer nicht nur die Problematiken wie fehlende Körperlichkeit und „Zoom Fatigue“, sondern auch das Potenzial der Online-Lehre abseits von Corona kennengelernt. New Work and Study, dezentrale und flexible Lehrsettings, Digitalkompetenzen und Kostenersparnisse sind nur einige davon.

Interaktivität, digitalisierte Lehre und Lernaktivierung

Online-Veranstaltungen werden gerne mit dem Ratschlag gesegnet, sie mögen „interaktiv“ sein. Damit soll das Worst-Case-Szenario abgewendet werden, dass nur die Kachel des Lehrenden ein echtes Gesicht zeigt und (fast) alle anderen schwarz bleiben. Um dieses zu verhindern, werden die Teilnehmer mit digitalen Tools beschäftigt, zumeist mit Klick-Aufforderungen und bunten Bildern in schneller Abfolge. Dabei meint „Interaktivität“ von der Grundbedeutung her ein wechselseitig aufeinander folgendes Einwirken mehrerer Personen. Weder bedingt dies bereits zwingend den Einsatz digitaler Tools noch verbessert es automatisch den Lernprozess. Jeder, der sich schon einmal einen ganzen Abend durch Internet-Clips gebingt oder vor dem TV sitzend durch die Programme gezappt hat, mag eine abwechslungsreiche und kurzweilige Zeit gehabt haben. Ob davon inhaltlich „viel hängen geblieben“ ist oder man sich am nächsten Morgen noch an ein vertiefendes Einzelerlebnis erinnert, mag dahinstehen. Eine solche „Interaktivität“ ersetzt die zielgerichtete Kommunikation mit einem oder mehreren Gegenüber durch die Kommunikation mit einem technischen System oder digitalen Tools – mehr nicht.

Stattdessen sollte es immer um kommunikative Interaktion zwischen Lehrendem, Lerngruppe und unter einzelnen Teilnehmern gehen. Diese erfüllt typischerweise eine oder mehrere Grundfunktionen:

❏die Teilnehmer zum Lernen motivieren und Lernerlebnisse schaffen

❏Lernprozesse organisieren, strukturieren und Lernunterstützung bereitstellen

❏Informieren und zum Verstehen anleiten

❏das Gelernte sicher einprägen

❏die Anwendung und den Lerntransfer fördern

Kommunikation reflektieren

Fragen Sie sich bei der Planung der Lehrveranstaltung, dem Einsatz von Methoden oder der Benutzung von Tools stets, welche der Grundfunktionen erfüllt ist und wie gegebenenfalls weitere umgesetzt werden können. Das Anbringen eines Scherzes, einer zusätzlichen Information oder eines aktuellen Themas genügt dafür nie.

Oft unterstellt man der Digitalisierung eine allgemeine, automatische Motivationswirkung. Das mag daran liegen, dass man es den Teilnehmern einfacher machen möchte und sie als überwiegende „Digital Natives“ in ihrem eigenen kommunikativen Habitat abholen will. Und natürlich scheint es leichter, mit dem Klick auf ein animiertes Bildchen eine Handlung zu setzen, als sich selbst etwas z. B. im Rahmen einer Diskussion zu erarbeiten. Auf den ersten Blick mag einiges dafürsprechen, dass dies stärker motiviert als das reine Abspulen einer PowerPoint-Wüste. Tatsächlich aber lenkt es ohne konkreten Bezug zum Lehrziel (vgl. unten) ab und stimuliert allenfalls von außen. Wenn ich möchte, dass mir jemand zuhört, der gerade von einem Nebengeräusch abgelenkt wird, hilft es wenig, das Nebengeräusch durch ein anderes zu übertönen. Mein Gegenüber wird bestenfalls das erste Nebengeräusch ausblenden. Die Aktivität der Teilnehmer sollte also stets zu einem konkreten Lernimpuls motivieren. Sie fungiert nicht als „kleineres Übel“ gegenüber der passiven Rezeption von Informationen. Schlimmstenfalls wirkt Aktivität kontraproduktiv, da sie sich schnell abnutzt. Die Teilnehmer wollen und können schon nach kurzer Zeit nicht mehr derartig banal „motiviert“ werden.

Dass in einer Sekunde circa elf Millionen Sinnesreize auf einen Menschen einprasseln, wissen die meisten. Dass das Gehirn nur einen äußerst kleinen Teil davon bewusst weiterverarbeiten kann auch. Daraus wird gerne abgeleitet: Es ist ein Qualitätsmerkmal guter Online-Lehrveranstaltungen, diesen bewussten Anteil zu vergrößern. Jedoch sagt Quantität nichts über Qualität aus. Außerdem ist eine erfolgreiche digitale Kommunikation nicht automatisch mit förderlichen Lernprozessen, erreichten Lehrzielen und erarbeiteten Lernergebnissen (vgl. unten) in einer gelungenen Lehr-Lern-Beziehung gleichzusetzen.

Einer meiner digitalaffinsten Mentoren sagte einmal sinngemäß: „Es gibt keine Online-Didaktik. Es gibt allenfalls didaktisch gut oder schlecht gemachte Lehrveranstaltungen!“ Damit wollte er mitnichten das wissenschaftliche Teilgebiet der allgemeinen Didaktik negieren, das sich u. a. mit der Funktionalität und dem Einsatz des Internets in Lehr- und Lernprozessen auseinandersetzt. Solange Menschen noch von Menschen lernen wollen, sollte vielmehr der Fokus auf allgemeine didaktische Prinzipien gelenkt werden, die analog wie digital gelten.

Zwei äußerst wichtige didaktische Prinzipien sind die Lern- und Handlungsorientierung. Lernende behalten durchschnittlich 10 Prozent von dem, was sie ausschließlich ablesen, 20 Prozent von dem, was sie nur hören, und 30 Prozent von dem, was sie bildhaft sehen. Wenn sie gleichzeitig hören und sehen, bleiben 50 Prozent hängen. Sprechen sie darüber selbst, sind es bereits 70 Prozent, und 90 Prozent werden es gar, wenn sie den Lerninhalt selbst ausprobieren. „Sage es mir, und ich werde es vergessen. Zeige es mir, und ich werde es vielleicht behalten. Lass es mich tun, und ich werde es können!“ So formulierte es der chinesische Philosoph Konfuzius. Er kannte die Welt der Online-Lehrveranstaltungen nicht, aber er würde heute nichts an seiner Aussage ändern.

„Interaktivität“ in oben genanntem Sinne kann daher nur eine Kommunikation bedeuten, welche die Teilnehmer online etwas tun lässt, ihnen Gelegenheit zum Ausprobieren einräumt und sie anregt, etwas selbst zu gestalten. Das kann digital sein – muss es aber keinesfalls!

Teilgeber der Prosumtion adressieren

Wichtig ist nicht nur, dass überhaupt Aktivität vorliegt, sondern welche Dynamik dabei besteht. Kommen alle Impulse ausschließlich von Ihnen in Form von Lernangeboten, Arbeitsaufträgen, Prüfungen, zur Verfügung gestellten Tools etc., fehlt die Komponente „inter“: die Gegenseitigkeit. Erleben sich die Teilnehmer lediglich als passive, zu animierende Bildungskonsumenten, kann leicht eine unerwünschte Dynamik entstehen.

Machen Sie hingegen gleich zu Beginn deutlich, dass Sie gerne als Lernbegleiter helfen, dass die Lernergebnisse aber mit den Teilnehmern zusammen erarbeitet werden müssen. Diese sind daher als prosumtive „Teilgeber“ dazu aufgerufen, nicht nur zu reagieren, Lernangebote anzunehmen oder etwas einzufordern, sondern proaktiv die Online-Lehrveranstaltung mitzugestalten. Dies kann z. B. mit der eigenständigen Bildung von Selbstlerngruppen und der Recherche von Zusatzinformationen erfolgen. Der Lernprozess und die Online-Lehrveranstaltung als Ganzes sollen von den Teilgebern mitentwickelt werden.

Dies erfordert von ihnen die Bereitschaft zur Reflexion dahingehend, welche Lerninteressen sie haben und welche persönlichen Lernziele sie sich setzen wollen. Fordern Sie dies ein und lassen Sie die Teilnehmer dies verschriftlichen! Damit sind alle als Prosumenten (Konsumenten und zugleich Produzenten) verantwortlich für das Gelingen. Gerade für das Gelingen von Online-Lehrveranstaltungen ist dieses gleich zu Beginn gesetzte Mindset entscheidend.

Selbst jüngere Hochschulangehörige wünschen sich mehrheitlich keine reinen Online-Lehrveranstaltungen. Der Hochschulcampus ist und bleibt ein Ort der physischen Begegnung, dessen Lerndiskurse nie verlustfrei in virtuelle Formate übertragen werden können. Die online geführte Kommunikation leidet aufgrund verschiedener Schwierigkeiten: So bedingt eine oft schlechte Ton- und Bildübertragung eine erhöhte Aufmerksamkeit und es erfordert viel Energie, gleichzeitig auf die Kacheln mehrerer Teilnehmer zu schauen und parallel viele Individuen zu entschlüsseln. Zudem gehen typische, in Präsenz peripher wahrgenommene nonverbale Hinweise oft unter: Gestik und Mimik, wie etwa Handbewegungen, Stirnrunzeln, das Heben der Augenbrauen oder Verziehen des Mundes.

Blickkontakt und Empathie

Schauen Sie immer wieder in die Kameralinse, die sich meistens leicht über den Kacheln der Teilnehmer oder dem eingeblendeten Bildschirm oberhalb Ihres Computers befindet. Das wirkt zumindest so, als ob Sie den Teilnehmern kurz direkt ins Gesicht sehen. Aussprüche wie „Schau mir in die Augen!“ oder „Sag’s ihm ins Gesicht!“ kommen nicht von ungefähr, da das Lesen von Gesichtsausdrücken zu den wichtigsten sozialen Wahrnehmungsleistungen zählt. Die (Ge-)Sichtbarkeit des Gegenübers liefert nicht nur sachlich eine Reaktion auf unsere Kommunikation, sondern lässt uns menschliche Nähe verspüren. Sie können es sich technisch erleichtern, indem Sie in Ihrer Online-Plattform gelegentlich auf die „Sprecheransicht“ wechseln. Dadurch wird die Kachel des aktuell sprechenden Teilnehmers automatisch mittig und vergrößert eingeblendet. So wandern Ihre Augen nicht mühsam nach unten rechts, wo sich dessen Kachel in der „Galerieansicht“ neben vielen anderen befindet.

Wenn Sie online Blickkontakt suchen, achten Sie bewusst darauf, welche Gesichtszüge Sie trotz der visuellen Nachteile erkennen können. Mit etwas Übung bekommen Sie ein besseres Gespür dafür und Ihre Fähigkeit wächst, auch virtuell Empathie für die Bedürfnisse und Gefühle anderer zu entwickeln („Digital Empathy“).

Auch paraverbale Kommunikationsanteile, wie die Intonation der Stimme, die Lautstärke oder das Sprechtempo, werden online in Mitleidenschaft gezogen. Sehr häufig wird die Stummschaltung genutzt, sodass der Ton lediglich für die direkte Rede einzelner Teilnehmer aktiviert ist. Hinweisgebende „Ähms“ und „Hms“, ein Räuspern oder tiefes Schnaufen von Zuhörenden werden damit verdeckt. Daraus resultiert eine kontinuierliche, aber stark gelenkte Aufmerksamkeit, bei der das Gehirn von einer Reizflut überwältigt wird und gleichzeitig nonverbale Hinweise völlig fehlen. Diese Unausgewogenheit erfordert entsprechende Berücksichtigung in Ihrer Online-Lehrveranstaltung (vgl. unten).

Emotionalität der Stimme

Da lernpsychologisch das Hören dem Lesen überlegen zu sein scheint (vgl. oben), ist es gerade online wichtig, auf Ihre Stimme zu achten. Je mehr Emotionalität herauszuhören ist, desto besser können die Teilnehmer den Lernstoff aufnehmen. Um dies auszuprobieren, nehmen Sie sich beispielsweise vorab einmal online auf und sehen Sie sich die Sequenz zusammen mit anderen Kollegen an. Was fällt Ihnen dabei auf? Wann ging Ihre Stimme hinauf, wann herunter und wann stockte sie? Wann waren Sie undeutlich oder wann viel zu schnell? Und was sagt Ihnen das ehrliche Feedback der anderen? Mit einfachen Online-Tutorials kann man im Anschluss die eigene Stimme trainieren, die dafür weder mit dem Klangvolumen eines Opernsängers noch dem Talent eines Musik-Popstars gesegnet sein muss.

Gerade in Stresssituationen oder Momenten erhöhter Konzentration, z. B. als Moderator einer hitzigen Diskussion (vgl. unten), neigen wir zum Nuscheln, zu allzu monotoner Artikulation und zum Sprechen mit zu wenigen Redepausen. Schauspieler und Radiosprecher wenden kurz vor Auftritten erfolgreich eine Übung an, die auch Ihnen helfen kann: Stecken Sie wenige Minuten vor dem Start der nächsten Lehreinheit oder in den Pausen einen Korken oder einen Radiergummi zwischen die oberen und unteren Schneidezähne. Dabei sollte Ihre Zunge sich noch ungestört im Mund bewegen können, also der Großteil des Gegenstands aus dem Mund heraus- statt hineinragen. Wenn Sie jetzt einen kurzen Text sprechen, erschrecken Sie nicht, wie verzerrt Ihre Stimme in diesem Moment klingen mag. Der Effekt aber tritt ein, dass die geweiteten Mundbewegungen Lippen und Kiefer lockern. Bereits nach wenigen Sekunden verbessert sich Ihre Artikulation, was noch lange danach anhält!

Synchrones versus asynchrones Lernen

Tendenziell sollten Sie nicht versuchen, Präsenzformate möglichst vollständig in Onlineformate „hinüberzuretten“. Das gilt vor allem für die gleichzeitige Anwesenheit der Teilnehmer, die in Präsenz zweifelsfrei notwendig ist. Gleichzeitig vor dem Computerbildschirm zu sitzen, ist hingegen weniger selbstverständlich, zumal eine studienrechtlich angeordnete Anwesenheitspflicht kein didaktisches Argument liefert.

Bei synchroner Kommunikation kommunizieren Sender und Empfänger einer Botschaft unter gleichzeitiger Anwesenheit wie zum Beispiel in Ihrer Online-Lehrveranstaltung. Bei asynchroner Kommunikation hingegen beschäftigt sich der Empfänger mit der Botschaft zu einem individuell gewählten Zeitpunkt, wie zum Beispiel bei einer Einsendeaufgabe mit Deadline. Beide Kategorien nähern sich dann einander an, wenn zwar keine Gleichzeitigkeit vorliegt, das Kommunikationssetting jedoch einen bestimmten (oft engen) Zeitrahmen vorgibt. Das kann etwa in einem Lernforum oder einer Lerngemeinschaft über ein Messaging-Tool der Fall sein. Hier ist die Kommunikation weiterhin asynchron, aber eine zeitnahe Rückmeldung wird angesichts des verwendeten Mediums erwartet.

Da das räumliche Argument online nicht greift, sollte der Grundsatz „asynchron first!“ Ihre Online-Lehrveranstaltung leiten: Synchrones Lernen erfolgt nur, wenn es unbedingt erforderlich ist. Die fiktive Leitfrage eines jeden Teilnehmers sollte wie ein Damoklesschwert über Ihrer Online-Lehrveranstaltung schweben: „Warum müssen wir uns alle zeitgleich hier treffen?“ Können Sie diese nicht beantworten, spricht jedenfalls der erste Anschein für Asynchronität.

Asynchrones und synchrones Lernen haben jeweils Vor- und Nachteile. Gerade in Zeiten selbstbestimmten Lernens sind die Selbstorganisation und das studentische Zeitmanagement von großer Bedeutung. Hier erweist sich asynchrones Lernen als zeitlich flexibler und die Aufgaben des Archivierens und Strukturierens sind meist besser mit dem persönlichen Wissensmanagement vereinbar. Das Gegenteil kennen wir von Vorlesungsmitschriften oder Protokollen für diejenigen, die nicht vor Ort waren. Sie sind oft schwer verständlich, weil erst im Nachhinein das gesprochene Wort verschriftlicht wurde, lückenhaft und aus der Erinnerung Einzelner rekonstruiert.

Bei asynchroner Lehre sollte die Botschaft so gesetzt sein, dass sie jeder in möglichst allen Situationen versteht. Sie ist folglich meist besser formuliert, da es keine direkte Nachfragemöglichkeit wie in einer Lehrveranstaltung gibt. Darüber hinaus berücksichtigt sie stärker die Barrierefreiheit, da nicht alle Teilnehmer zur gleichen Zeit über eine gleich gute Internetverbindung oder störungsfreie Umgebung verfügen müssen. Gerade Teilnehmer mit besonderen Bedürfnissen können sich asynchrone Kommunikationsinhalte gleich so konfigurieren, dass sie gut verständlich sind: etwa in einer gewissen Lautstärke, in einer bestimmten Buchstabengröße und im eigenen Lerntempo. Der Dialekt des Sprechenden beeinträchtigt nicht den Lernprozess von Teilnehmern mit anderer Muttersprache und introvertiertere Teilnehmer leiden nicht unter einer besonderen Gruppendynamik. Asynchrones Lernen kann online stattfinden, indem Lehr- und Lernvideos, Webinare, Podcasts und Streams, Online-Textdokumente, kommentierte Präsentationsfolien oder Lernquiz zur Verfügung gestellt werden. Die Teilnehmer können sich dies auch mehrfach anhören oder ansehen, was synchron nur bei einer Live-Aufnahme einen identischen Mehrwert hat. Auch können Sie Online-Räume für persönliche Lernerlebnisse und Lernreflexionen schaffen, z. B. moderierte Foren oder sonstige Kanäle zum spontanen Austausch. Das Angebot von Tele-Tutoring, einer digitalen Sprechstunde oder einem fakultativen Lerncafé fällt ebenso hierunter. Asynchrones Lernen muss also keineswegs einsam sein!

Ein Vorteil synchronen Lernens ist indessen, dass die Teilnehmer Nachfragen stellen und Fragezeichen in ihren Köpfen zu sehen sind, wenn die Komplexität (Qualität) oder Informationsdichte (Quantität) zunimmt. Die Synchronität bietet also die Möglichkeit der unmittelbaren Rückkopplung. Diese können Sie je nach Lernkontext auch bewusst verzögern – oder gerade nicht.

Media Richness

Überprüfen Sie stets, ob Inhalt, Methode und Kontext ein asynchrones Lernen nahelegen. Die Distribution einfacher Einführungslektüre zur Vorbereitung auf Ihre Online-Lehrveranstaltung spricht genauso wenig für Synchronität wie die Vermittlung vieler Eckdaten oder formaler Hinweise. Um gemeinsame Lösungen in der Lerngruppe zu erarbeiten oder einem hohen Diskussionsbedarf gerecht zu werden, ist eine synchrone Kommunikation jedoch unbedingt erforderlich. Je vielschichtiger sich eine solche Kommunikation darstellt, desto reichhaltiger und direkter sollte das gewählte Medium sein („Media Richness“).

Ein Grund für Synchronität könnte ebenso sein, dass es in einem Lernabschnitt um einen gemeinsamen kreativen Ideenfindungsprozess geht, also etwa ein Brainstorming. Je mehr verrückte, absurde und völlig ungeschminkte Vorschläge zu Anfang kommen, desto vielseitiger. Die Heterogenität und Größe der Lerngruppe kann daher in einem solchen Fall für Synchronität sprechen. Oftmals führt die Gruppendynamik dazu, dass introvertiertere Teilnehmer „richtig loslegen“, wenn sie sehen, wie andere vorpreschen.

Auch bestimmte didaktische Interventionen, wie die bewusste Provokation, das Hervorrufen von Irritation oder das situative Setzen eines Separators, verfehlen asynchron ihren Zweck, da meist zeitnah reagiert und die Intervention aufgelöst werden muss. Vielleicht „lebt“ Ihre Online-Lehrveranstaltung gerade durch Ihren Lehrstil, die eigene Note und Ihre Ausstrahlung als Lehrpersönlichkeit. Diesen Effekt durch ein asynchrones Setting zu reduzieren, ist oftmals weder gewünscht noch sinnvoll.

Gerade online ist synchrones Lernen essenziell zum Auf- und Ausbau der Lehr-Lern-Beziehung, da der Kontakt vor Ort fehlt. Geht es darum, dass sich in Ihrer Lerngruppe kleine Projektteams bilden und miteinander produktiv arbeiten, wird dies ebenso wenig vollständig asynchron funktionieren. Auch das soziale Miteinander der Lerngruppe verlangt nach direktem Gesprächsaustausch, wie u. a. die Corona-Zeit gezeigt hat.

Charakteristika der Lerngruppe

Womöglich können Sie vorab über das Lernmanagementsystem Ihrer Hochschule in Erfahrung bringen, ob sich überproportional viele Teilnehmer angemeldet haben, die keine „Digital Natives“ sind. Verstärkte Synchronität kann in diesem Fall einen einfacheren Lerneinstieg bieten, da es der Präsenzlehre ähnlicher und damit vertrauter ist.

Ähnliches kann gelten, wenn Sie überproportional viele Studienanfänger in Ihrer Online-Lehrveranstaltung haben. Diese müssen die zentralen Merkmale selbstorganisierten Lernens erst noch lernen: sich persönliche Lernziele zu setzen, den individuellen Lernprozess zu managen, das neue Studium mit dem restlichen Leben in Einklang zu bringen („Study-Life-Balance“) etc. Viele brauchen dazu die direkte Unterstützung und den persönlichen Austausch mit Ihnen und anderen Erstsemestern, um sich nicht allein bzw. gleich zu Beginn überfordert zu fühlen.

Blended Learning und Flipped Classroom

Zwischen synchronem und asynchronem Lernen existiert kein Entweder-oder, sondern ein Mehr oder Weniger. Beide werden im Sinne einer didaktischen Verschränkung von synchronen mit asynchronen Anteilen verschränkt, sodass ein integriertes Lernmodell entsteht („Blended Learning“ – Integriertes Lernen: Kombination Präsenzlehre und Online-Lehre). In der Regel setzt synchrones Lernen einen einigermaßen gleichen Lernstand voraus, während asynchrones Lernen auch bei ungleichen Voraussetzungen funktioniert. Klassischerweise fällt der synchronen Vermittlung der Lehrinhalte der didaktische Hauptpart Ihrer Online-Lehrveranstaltung zu. Dieser kann durch asynchrone Anteile z. B. zur Begleitung und zur Vor- und Nachbereitung ergänzt werden.

Vorherige Abstimmung

Synchrone und asynchrone Anteile sollten stets vorher aufeinander abgestimmt werden. So muss etwa asynchron zur Vorbereitung mitgegebenes Lernmaterial zwingend im synchronen Teil aufgegriffen, besprochen und dort eingebaut werden. Ist dies nicht der Fall, etwa weil eine synchrone Lehreinheit bereits „steht“ und asynchrone Elemente nachträglich hinzugefügt werden, merken die Teilnehmer dies schnell. Dabei macht sich leicht Frustration breit, weil einige die asynchrone Vorbereitung auf die folgende Lehreinheit als nutzlos ansehen. Entdecken einzelne Teilnehmer gerade im Lernmaterial für sie besonders spannende Inhalte, wollen sie diese sicherlich als integrativen Teil der Online-Lehrveranstaltung besprochen sehen. Gleiches gilt für Ergänzendes etwa zur Nachbereitung, das nichts mit „weiterführenden Buchtipps“ oder einer Weblink-Sammlung zu tun hat. Integriert wird es nur dann, wenn es einen konkreten Bezug zum synchronen Teil hat, etwa weil dort Teilnehmer verstärkt zu einem Schwerpunkt nachfragen und Sie deshalb spezielle Literatur bereitstellen oder einen zusätzlichen betreuten Kanal in einem Online-Forum aufmachen.

Sie können auch umgedreht die Lehrinhalte größtenteils in das asynchrone Lernen packen und diese von den Teilnehmern weitestgehend selbst erarbeiten lassen. Die synchronen Teile sind dann für Fragen, Lerncoaching, Gruppenaustausche oder die praktische Anwendung vorgesehen („Flipped oder Inverted Classroom“ – Lerninhalte asynchron und Vertiefung synchron). Der Vorteil davon ist, dass die Selbstorganisations- und Digitalkompetenz der Teilnehmer stärker entwickelt wird. Auch können die Teilnehmer intensiver in die Bereiche einsteigen, die sie besonders interessieren, und erlangen tiefergehende Kompetenzen in ausgewählten Feldern im Sinne einer individuellen Lernförderung. Das bedeutet mitnichten, dass Sie sich als Leiter der Lehrveranstaltung „gemütlich zurücklehnen“ können. Vielmehr erfordert es zunächst eine ausgefeilte Vorbereitung, sodass die Teilnehmer mit dem vorhandenen Material und den Tools selbstverantwortlich arbeiten können. Haben Sie einen Flipped Classroom einmal solide vorbereitet, können Sie ihn später sehr gut wiederverwenden. Die Anforderungen an Ihre erstmalige Vorbereitung sind dabei allerdings relativ hoch, genauso wie an die metakognitiven Kompetenzen Ihrer Teilnehmer.

Basics

Zu verstehen, wie man am besten lernt und welcher Lernstil zu einem passt, bedeutet für einige nicht nur Lernfreiheit, sondern einen hohen Lerndruck. Die Teilnehmer müssen mehr Eigeninitiative und Motivation aufbringen, wenn sie nicht wie beim klassischen synchronen Lernen in der Lehreinheit befragt, gruppendynamisch unterstützt oder direkt angeleitet werden.

Stellen Sie daher sicher, dass Ihre Teilnehmer die notwendigen Basics besitzen, um dieses Modell annehmen zu können. Kündigen Sie zum Beispiel für ein oder zwei Lehreinheiten an, dies einmal testen zu wollen, und besprechen Sie anschließend in einer Retrospektive (vgl. unten), wie es den Teilnehmern gegangen ist, was diese gut fanden oder vermisst haben.

DIE VORBEREITUNG

Gut geplant ist halb gelehrt