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Für Leonie beginnt der Schulalltag - zum ersten Mal in Amerika. Schnell fühlt sie sich in der Klasse wohl. Doch ihr entgeht nicht, dass Tiffy von einigen nicht gut behandelt wird und auf die anstehende Klassenfahrt sehr seltsam reagiert. Leonie und Grace überlegen, wie sie ihr helfen können. Auf der Klassenreise erleben die Freunde dann ein aufregendes Abenteuer ...
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Seitenzahl: 90
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Über den Autor
Christian Mörken arbeitete nach seinem Studium zunächst für Künstler in der Musikbranche wie Herbert Grönemeyer, Sarah Brightman, Chris Rea und Jan Delay. Doch dann zog es ihn in die Verlagswelt. Seit vielen Jahren arbeitet er als Redakteur, Autor und Texter, aber auch als Dozent für Marketing. Mit seiner Familie lebt er im Allgäu.
Inhalt
Kapitel EINS
Kapitel ZWEI
Kapitel DREI
Kapitel VIER
Kapitel FÜNF
Kapitel SECHS
Kapitel SIEBEN
Kapitel ACHT
Kapitel NEUN
Kapitel ZEHN
Epilog
Kapitel EINS
„Mensch Leonie, schläfst du?“, hörte Leonie plötzlich Grace’ Stimme an ihrem Ohr.
„Was, was?“, fragte Leonie verwirrt und schaute ihre Freundin an, die gerade ihre Sachen zusammenpackte. Leonie schüttelte den Kopf. „Ich war wohl in Gedanken.“
„Allerdings, das habe ich gesehen“, sagte Grace und ein breites Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Die anderen sind schon auf dem Flur“, erklärte Grace und deutete zur Tür.
War die Stunde tatsächlich schon vorbei? Leonie zögerte einen Moment. War sie etwa eingeschlafen? – Aber nein, sie hatte nur aus dem Fenster geschaut, auf die Bäume vor dem Schulgebäude, hatte die Vögel beobachtet und war den Wolken am Himmel gefolgt. Das passierte ihr immer mal wieder, seit sie im Green Valley in die Schule ging. Drei Monate war sie nun auf der Green Valley High School* und es gefiel ihr sehr gut. Sie hatte sich in den Tagen vor dem ersten Schultag richtig darauf gefreut. Das war ihr in Deutschland nie passiert. Nur mit dem Englisch hatte sie manchmal noch Probleme. Wenn die Lehrer zu schnell redeten oder die Worte zu schwierig waren, konnte Leonie sich nicht mehr konzentrieren. Dann begann sie, ihren Gedanken nachzuhängen und zu träumen.
* Die High School ist die weiterführende Schule in den USA. Sie beginnt mit der 6. und endet mit der 12. Klasse.
„Freust du dich auf die Klassenfahrt?“, fragte Grace, während sie ihre Brotdose öffnete.
„Ja, logo“, sagte Leonie. Jetzt war sie wieder aufmerksam. Die Klassenfahrt – die hätte sie fast schon wieder vergessen! Dabei hatte ihre Lehrerin Miss Crawford erst zu Beginn der Stunde verkündet, dass sie stattfinden würde. Eigentlich war es gar keine Klassenfahrt, sondern ein Klassenritt. Sie würden drei Tage auf einem Zeltplatz verbringen, zusammen mit ihren Pferden.
„Wo ist der Zeltplatz denn?“, fragte Leonie. Grace zögerte einen Moment und überlegte. „Bei den Sundance Heights. Ich denke, dass wir vielleicht drei oder vier Stunden brauchen, um dorthin zu kommen. Oh Mann, Leonie, das wird ein Traum!“
Leonie wusste, dass Grace recht hatte. Eine ganze Klasse auf Pferden, das war eine tolle Vorstellung. Wer kein eigenes Pferd hatte, bekam eines von einem Ponyhof im Green Valley geliehen. „Ja, kommst du jetzt, oder willst du noch ein bisschen träumen?“, fragte Grace und stupste Leonie an. „Ich muss noch einmal zu Miss Crawford.“
„Nein, natürlich komme ich mit!“, sagte Leonie und sprang auf. Eilig sammelte sie ihre Schulsachen zusammen und stopfte alles in ihren Rucksack, bevor sie ihn sich über ihre Schulter warf. „Komm, gehen wir“, sagte Leonie. Die beiden Mädchen verließen den Raum und hatten das Gefühl, plötzlich in einem Ameisenhaufen zu stehen. Um sie herum wimmelte es von Schülern, die sich unterhielten oder schnell noch Hausaufgaben erledigten. Andere verstauten gerade ihre Schulbücher und persönlichen Dinge in einem der Metallspinde, die jeder Schüler nutzen konnte. Von der Decke leuchteten die Neonröhren und tauchten den ganzen Flur in ein grelles Licht. Leonie rieb sich die Augen.
„Warum musst du denn zu Miss Crawford?“, fragte sie, während ihre Schritte auf dem glatten Linoleumboden quietschten.
„Es geht um Emily“, sagte Grace. „Meine Eltern müssen zu meiner Oma nach Oregon. Es geht ihr nicht so gut. Sie wollen nächste Woche fahren, wenn wir auf Klassenfahrt sind.“
„Und was hat Miss Crawford damit zu tun?“, fragte Leonie. Sie kannte Grace’ jüngere Schwester Emily vom Reiten.
„Eigentlich natürlich nichts. Es ist nur so, dass meine Eltern meinen, dass die Reise für Emily vielleicht zu hart wird. Deshalb wollen sie sie nicht so gerne mitnehmen. Und so dachten sie, dass Emily vielleicht mit auf die Klassenfahrt kommen kann.“
„Aber sie ist doch gar nicht in unserer Klasse?“, sagte Leonie zweifelnd.
„Ich weiß, aber was sollen meine Eltern machen? Emily ist eine gute Reiterin und ich bin ja auch dabei. Es ist für sie sicherlich angenehmer, mit uns zu kommen, als tagelang am Krankenbett meiner Oma zu sitzen“, sagte Grace. In diesem Moment erreichten sie das Lehrerzimmer. Grace atmete tief durch, dann klopfte sie an die Tür.
Von der anderen Seite hörten sie Schritte. Ein älterer Lehrer öffnete die Tür. Er war eher klein und rundlich. Auf dem Kopf hatte er kaum noch Haare und auf seiner Nase prangte eine klobige Brille. Es war Mr Stuart, der Mathelehrer.
„Ja, was ist?“, fragte er mit seiner näselnden Stimme.
„Entschuldigen Sie, Mr Stuart, wir suchen Miss Crawford“, sagte Grace. Mr Stuart musterte die beiden Mädchen. Dann nickte er.
„Kommt mit“, sagte er kurz und drehte sich um. Mit schlurfenden Schritten ging er durch das Lehrerzimmer. An den Wänden standen hohe Regale, die über und über mit Büchern und Zeitschriften gefüllt waren. An manchen Tischen saßen Lehrer und unterhielten sich oder sie aßen. Manche nutzten die Pause auch, um ein Buch zu lesen. Durch die großen Fenster des Zimmers konnte man den Schulhof überblicken. Mr Stuart öffnete eine Tür und rief: „Miss Crawford, hier sind zwei Schülerinnen für Sie!“ Dann drehte er sich wieder um und ging zurück an seinen Platz. Kurz darauf stand Miss Crawford vor ihnen. Leonie wusste nicht genau, wie alt sie war, aber sie schätzte sie auf Ende zwanzig. Miss Crawford trug ein dunkelblaues Kleid mit Blumenmuster und darüber eine rote Strickjacke. Ihre dunklen Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
„Was ist denn los?“, fragte sie. Ihre Stimme klang besorgt. Leonie beobachtete ihre Freundin. Sie sah, dass es Grace schwerfiel, mit ihrer Bitte zu beginnen.
„Es ist so“, begann Grace zögerlich, „meine Eltern müssen zu meiner Oma. Sie ist sehr krank.“
„Das tut mir leid zu hören“, sagte Miss Crawford. Ihr Gesichtsausdruck verriet aber, dass sie nicht wusste, was sie damit zu tun haben könnte.
„Meine Eltern meinen, dass es für meine Schwester nicht so gut wäre mitzukommen“, sagte Grace zögerlich.
Miss Crawford nickte und sah kurz zu Leonie. Noch immer wusste sie nicht, welche Rolle sie dabei spielte.
„Und?“, fragte sie deshalb und warf Grace ein ermunterndes Lächeln zu.
„Nun meinten sie, ob Emily nicht vielleicht mit auf Klassenfahrt könnte.“ Die letzten Worte presste Grace heraus und Leonie spürte, dass sie nun erleichtert war.
„Sie soll mit uns auf Klassenfahrt fahren?“, fragte Miss Crawford überrascht.
Grace nickte. Miss Crawford machte einen Laut, der wie „puh“ klang. Es war nicht schwer zu deuten, dass sie mit einer solchen Frage nicht gerechnet hatte.
„Aber Emily ist ja gar nicht in unserer Klasse“, sagte Miss Crawford.
„Ich weiß“, antwortete Grace. „Es soll ja auch eine Ausnahme sein. Es ist wirklich wegen meiner kranken Oma.“
„Aber das ist nicht so einfach“, sagte Miss Crawford. „Weißt du, ich bin für euch verantwortlich. Es geht dabei auch um die Versicherung, wenn euch etwas passiert. Schließlich reitet ihr ja und das ist nicht ungefährlich.“
„Meine Eltern werden für alles die Verantwortung übernehmen“, beeilte Grace sich zu sagen. Miss Crawford überlegte. Man sah, dass ihr bei dem Gedanken nicht ganz wohl war.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte sie: „Na gut. Ich werde aber noch mit deinen Eltern sprechen müssen. Wenn sie wirklich bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen, dann können wir das machen.“
„Danke!“, sagte Grace erleichtert. „Das ist wunderbar. Ich verspreche Ihnen, dass Emily keinen Ärger machen wird.“
Miss Crawford nickte und lächelte milde.
„Ich muss nun wirklich zurück an meine Korrekturen“, sagte sie entschuldigend und verabschiedete die beiden Mädchen.
Kurz darauf gingen sie durch den Schulflur in Richtung des Haupteingangs.
„Ich freue mich schon auf die Abende“, sagte Grace und seufzte. „Ich meine den Moment, wenn die Pferde auf der Weide grasen, die Zelte aufgebaut sind, das Lagerfeuer knistert und …“
„… sich über uns ein funkelnder Sternenhimmel entlangzieht“, beendete Leonie den Satz.
„Stimmt!“, sagte Grace überrascht. „Und wir könnten eine Nachtwanderung machen!“
„Super“, stimmte Leonie ihrer Freundin zu. „Das habe ich noch nie gemacht.“
„Echt nicht?!“, fragte Grace verwundert. „Das kann man da im Tal richtig gut machen. Und wenn wir zurückkommen, sitzen wir am Lagerfeuer und erzählen uns Gruselgeschichten. Aber das Beste ist: wir sind nicht weit vom Strand und können dann am Meer reiten!“
Leonie konnte ihr Glück kaum fassen. Das klang alles so toll. Sicher war sie auch in Deutschland schon auf Klassenfahrt gewesen, aber da waren sie mit einem Bus in ein Ferienlager gefahren. Jeden Tag hatten sie dort stundenlang durch den Wald wandern oder sich alte Burgen ansehen müssen. Es war kein Vergleich zu der Klassenfahrt, die sie nun machen würden. Dieses Mal klang es wirklich nach Freiheit und Abenteuer. Zudem gefiel Leonie die Vorstellung, dass sie die drei Tage ununterbrochen mit Silver Cloud zusammen sein würde. Der Appaloosahengst würde sicherlich auch seine Freude an einer solchen Klassenreise haben.
„Meinst du, dass alle mitmachen? Können überhaupt alle aus unserer Klasse reiten?“, fragte Leonie.
„Keine Ahnung“, sagte Grace und zuckte mit den Schultern. „Aber alle waren dafür, dass wir reiten. Selbst Tiffy!“
Richtig, dachte Leonie, selbst Tiffy, die kein Geheimnis daraus machte, dass sie Pferde nicht ausstehen konnte.
„Warum glaubst du, dass Tiffy dafür war?“, fragte Grace. „Sie hätte doch bestimmt lieber eine ausgedehnte Wandertour gemacht.“
„Oder vielleicht eine Radtour“, sagte Leonie nachdenklich. Und dann fiel ihr plötzlich etwas ein: „Oh Mann, ich habe gar kein Zelt. Daran hab ich gar nicht gedacht!“
Grace lachte: „Das macht nichts. Ich habe ein Dreimannzelt. Da können du, Tiffy und ich zusammen schlafen. Das wird toll!“
In diesem Moment näherte sich ein Junge den beiden Mädchen. Er war einen halben Kopf größer als Leonie, hatte dunkle, gewellte Haare und auffallend hellblaue Augen. Er trug ein schwarzes Hemd, Jeans und nagelneue Turnschuhe. „Tiffy? Die kommt doch gar nicht mit“, sagte er beiläufig und warf den beiden Mädchen einen herausfordernden Blick zu. Der Junge war Josh. Leonie kannte ihn kaum, obwohl er in ihre Klasse ging.
Leonie war verwirrt. „Was sagst du da? Wer kommt nicht mit?“
Josh kaute bedächtig auf seinem Kaugummi. Dabei sah er Leonie ausdruckslos an. Dann sagte er ganz langsam: „Tiffy kommt nicht mit, verstanden?“
„Warum soll Tiffy denn bitte nicht mitkommen?“, erwiderte Grace empört. „Sie hat doch selbst dafür gestimmt, dass wir den Reitausflug machen! Natürlich ist sie dabei.“
Über Joshs Gesicht huschte ein schelmisches Grinsen. Es schien Leonie, als würde er nun noch langsamer auf seinem Kaugummi herumkauen.
„Meinst du, dass sie keine Lust hat?“, fragte Leonie vorsichtig. Josh rührte sich nicht, sondern grinste nur. Leonie fand, dass das dämlich aussah.
„Keine Lust?“, fragte Josh amüsiert. „Quatsch, die hat kein Geld!“