Oh, wie schön ist Caracas - Christian Mörken - E-Book

Oh, wie schön ist Caracas E-Book

Christian Mörken

4,8

Beschreibung

Manchmal muss man weit reisen, um am Ende bei sich selber anzukommen. Diese Erfahrung macht auch Christian Mörken, als er Gabriela aus Venezuela kennen lernt. In der Folge entwickelt sich eine tiefe Freundschaft und schließlich Liebe. Mit viel Humor und irrwitzigen Anekdoten beschreibt er das Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen, Gabrielas etwas "exzentrische" Familie und was Gott mit alledem zu tun hat. Eine kurzweilige Beziehungsgeschichte, die zeigt: Wenn Sie eine Südamerikanerin heiraten, heiraten Sie nicht nur die Frau - Sie heiraten die ganze Familie!

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Christian Mörken

Oh, wie schön ist Caracas

Ich heirate eine südamerikanische Familie

© 2008 R. Brockhaus Verlag im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten Umschlag: krausswerbeagentur.de Satz: Christoph Möller, Hattingen Druck: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm ISBN 978-3-417-26241-4 (Print)

ISBN 978-3-417-21015-6 (E-Book) Best.-Nr. 226.241

1. Kapitel

Kennen Sie diese Momente, in denen Sie zu einer längst durchgelesenen Zeitschrift greifen? In denen Sie durch die Seiten blättern, nur um festzustellen, dass Sie alles, was Sie interessieren könnte, schon gelesen haben? Trotzdem suchen Sie weiter nach Lesbarem. Meistens geht es mir so, wenn ich stundenlang im Wartezimmer eines Arztes hocke, auf irgendeinem Flughafen festhänge oder in einem hoffnungslos verspäteten Zug sitze. In solchen Momenten entwickele ich dann auf einmal Interessen für die seltsamsten Dinge. Zum Beispiel für Artikel über quantenphysikalische Forschungseinrichtungen in Kasachstan. Natürlich im Wissenschaftsteil. Liest überhaupt jemand den Wissenschaftsteil in Magazinen? Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen Leserbrief zum Wissenschaftsteil gelesen zu haben.

Wissenschaftsredakteure haben es schwer. Ich bin der festen Überzeugung, dass es wesentlich dankbarer ist, Lokalredakteur einer Kleinstadtpostille zu sein und über die Eröffnung einer Schlachterei oder das Sommerfest der freiwilligen Feuerwehr zu schreiben, als Wissenschaftsredakteur eines großen Magazins zu sein. Wissenschaftsberichte sind meist Artikel, die mit der Spannungskurve eines Testbildes daherkommen.

Aber es gibt ja die erwähnten Momente der Verzweiflung, in denen man eben diese Artikel liest. Und in diesem Moment erahne ich instinktiv, dass mich eine solche Verzweiflung in Kürze ereilen könnte. Also klemme ich mir die durchgelesene Zeitschrift unter den Arm und warte im Gang des Flugzeugs, das mich gerade Tausende Kilometer über den Atlantik gebracht hat. Gemeinsam mit Hunderten anderer Passagiere warte ich auf den Moment, in dem sich die Tür öffnet und ich aus dieser stickigen, feuchtwarmen Röhre entlassen werde.

Dann ist es so weit. Langsam schiebt sich die Passagiermasse wie eine Schnecke durch den schmalen Gang in Richtung Tür. Als auch ich dort ankomme, nickt mir die Flugbegleiterin freundlich zu, und ich betrete erstmals – wie 508 Jahre vor mir Christopher Kolumbus – den amerikanischen Kontinent. Was für ein erhebendes Gefühl! Na gut, Kolumbus und seine Mannen landeten an schneeweißen Stränden, ließen das glasklare Wasser der Karibik ihre Beine umspülen und blickten auf Palmen voller Kokosnüsse, während meine Füße auf dem abgetretenen braunen Veloursteppich eines stickigen Gates landen, an dessen Decke eine Neonröhre flackert. Ich befinde mich in Caracas, der Hauptstadt Venezuelas. Genauer gesagt an deren Flughafen Maiquetía.

Venezuela empfängt mich mit einem Schlag ins Gesicht. Einem Hitzeschlag. Kaum setze ich meinen Fuß aus der Flugzeugtür, ändert sich die Temperatur von stickigen 22 Grad auf unerträgliche 38 Grad mit gefühlten 100 Prozent Luftfeuchtigkeit. Richtig, das würde bedeuten, dass ich schwimmen müsste, und so komme ich mir auch vor. Denn von einem Moment auf den anderen klebt meine Kleidung wie eine zweite Haut an mir und Schweißtropfen laufen unablässig über mein käsiges Gesicht. Mühselig hechelnd ziehe ich meinen kleinen Koffer durch den dunkelbraunen Gang, an dessen Wänden Werbeplakate aus einer Zeit hängen, als Prilblumen und Plateausohlen noch Avantgarde waren. Auf einem Poster strahlt mich eine sonnengebräunte junge Schönheit an und heißt mich in Venezuela willkommen. Was für eine nette Geste. Nach dem Alter des Plakates zu urteilen, sitzt diese junge Schönheit mittlerweile umgeben von ihren Enkelkindern im Schaukelstuhl und lässt allabendlich ihre »Dritten« in das Glas auf dem Nachttisch sinken. Dabei ist der Flughafen von Caracas im eigentlichen Sinne nicht alt. Anfang der Achtzigerjahre wurde er eingeweiht. Aber herabhängende Kabel, offene Decken und ein welliger Fußboden – all das steht symbolisch für einen Niedergang, der in Venezuela seit den Siebzigerjahren unablässig vorangeschritten ist. Der Flughafen ist hierbei wie das Einfallstor zum stetigen Verfall. Als wäre es seine Aufgabe, dem Besucher gleich bei der Ankunft deutlich zu machen: Sie befinden sich in einem armen Land der sogenannten »Dritten Welt«! Nichts ist wirklich fertiggestellt worden; was kaputtgegangen ist, bleibt kaputt. Man improvisiert, bessert notdürftig aus und wurstelt sich so durch. Bei den Computern, die ich sehe, frage ich mich zweifelnd, ob man auf denen wohl schon Pacman spielen kann. An der gegenüberliegenden Wand hängt ein Bild, auf dem ein dicker Mann mit rundem Gesicht und einem verschmitzten Lächeln zu sehen ist. Ich gehe hinüber, um es mir genauer anzusehen. Der Mann trägt einen dunklen Anzug und hat die Fahne Venezuelas als Schärpe um die Schulter gehängt. Unter dem Bild steht: »Hugo Chávez Frias, Presidente de la Republica Bolivariana de Venezuela«. Der Präsident, denke ich. Irgendwie ist er mir auf Anhieb unsympathisch.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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