Licht und Schatten im Wald der Gefühle - Ute Wittig - E-Book

Licht und Schatten im Wald der Gefühle E-Book

Ute Wittig

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Beschreibung

Ute Wittig erzählt in vielen kurzen Geschichten – ähnlich einem Tagebuch – aus ihrem Leben als Hochsensible (HSP = Highly Sensitive Person). Dabei beleuchtet sie Geschehnisse, Situationen, Empfindungen und hinterfragt ihre Gefühle und Reaktionen darauf. Damit gibt sie betroffenen und interessierten Menschen Einblicke und Hilfestellungen, die direkt aus dem gelebten Alltag kommen. Ehrlich, authentisch, empathisch – und dabei äußerst sympathisch und unterhaltsam – lässt sie die Leser teilhaben an den Aufs und Abs auf ihrem Lebensweg. Es ist deutlich spürbar, dass hier jemand schreibt, der niemanden belehren will, sondern der Möglichkeiten aufzeigen möchte, mit den eigenen intensiven Gefühlen klarzukommen. Nach "Wie ein Reh im Wald der Gefühle" ist es der Autorin erneut gelungen, ein hilfreiches Buch zu schreiben, besonders auch aufgrund ihrer eigenen Weiterentwicklung und bedingt durch neue Erkenntnisse, die sie nach intensiver Beschäftigung mit vielen Themen gewonnen hat. Vielfältig und lebendig beantworten Ute Wittigs Texte offene Fragen – mal amüsant und erfrischend, mal tiefgründig und analytisch. Damit hilft dieses Buch nicht nur hochsensiblen Menschen dabei, sich selbst besser zu verstehen, sondern bringt auch Normalsensiblen die Welt der Hochsensibilität etwas näher.

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Table of Contents
Vorwort
Entwicklung braucht ihre Zeit
Schutzmantel
Zwischen den Stühlen
Schweigen
Ruhepausen
Burnout
Burnout und Depression
Burnout – Gefühle fließen lassen
Burnout – Experimente
Burnout und Mobbing
Vergebung
Blockierte Gefühle
Weltschmerz
Weihnachtsblues
Silvester
Angst
Das New York Gefühl
Angsthund
Der hochsensible Hund
Die klare Sicht
Unterschiedliche Empfindsamkeiten
Schulungen
Ungerechtigkeiten
Der kleine Hunger …
Wenn es wackelt
Sicherheitsdenken
19.3.2020 / Unsichere Zeiten
25. März 2020 – Nichts ist selbstverständlich
Empathie, Gabe oder Fluch?
Bücher haben eine Seele
Die Seele der Musik
Alles hat seinen Preis
Empathie, die Gabe mit dem Fluch
Die Verbindung zum Tier
Golfo
Leonora
Wenn die Dramen kleiner werden
Die „Was-wäre-wenn-Dramen“
Einfach mal Kind sein
Meine ganz persönlichen Narren
Lob, Anerkennung, Er- und Entmutigungen und andere Spezialitäten
Arztbesuche
Spiritualität
Berührungsängste
Alzheimer
Ungerechtigkeiten
Das böse Wort ganz freundlich ausgesprochen
Ich rieche was, was du nicht riechst
Verständnis
Hochsensible Kleinigkeiten
Wenn die Gabe zum Fluch wird
Ein Blick zurück
Mut tut gut
Der persönliche Wert der Grenzen
Zeit zum Verarbeiten
Noch ein paar Gedanken
Zum guten Schluss
Und noch ein Nachschlag …
Ein Dankeschön
Über Ute Wittig
Eine Bitte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum:

Licht und Schatten im Wald der Gefühle Neue Kapitel aus dem Leben einer Hochsensiblen

Von Ute Wittig

Printversion: ISBN 978-3-946723-68-4 Ebook: ISBN 978-3-946723-69-1

Korrektorat: Gisela Polnik

Verlag Begegnungen, Schmitten

www.verlagbegegnungen.de

Erste Auflage Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Licht und Schatten im Wald der Gefühle

Neue Kapitel aus dem Leben einer Hochsensiblen

 

 

Von:Ute Wittig

 

 

 

 

 

 

 

 

Vorwort

Entwicklung braucht ihre Zeit

Schutzmantel

Zwischen den Stühlen

Schweigen

Ruhepausen

Burnout

Burnout und Depression

Burnout – Gefühle fließen lassen

Burnout – Experimente

Burnout und Mobbing

Vergebung

Blockierte Gefühle

Weltschmerz

Weihnachtsblues

Silvester

Angst

Das New York Gefühl

Angsthund

Der hochsensible Hund

Die klare Sicht

Unterschiedliche Empfindsamkeiten

Schulungen

Ungerechtigkeiten

Der kleine Hunger …

Wenn es wackelt

Sicherheitsdenken

19.3.2020 / Unsichere Zeiten

25. März 2020 – Nichts ist selbstverständlich

Empathie, Gabe oder Fluch?

Bücher haben eine Seele

Die Seele der Musik

Alles hat seinen Preis

Empathie, die Gabe mit dem Fluch

Die Verbindung zum Tier

Golfo

Leonora

Wenn die Dramen kleiner werden

Die „Was-wäre-wenn-Dramen“

Einfach mal Kind sein

Meine ganz persönlichen Narren

Lob, Anerkennung, Er- und Entmutigungen und andere Spezialitäten

Arztbesuche

Spiritualität

Berührungsängste

Alzheimer

Ungerechtigkeiten

Das böse Wort ganz freundlich ausgesprochen

Ich rieche was, was du nicht riechst

Verständnis

Hochsensible Kleinigkeiten

Wenn die Gabe zum Fluch wird

Ein Blick zurück

Mut tut gut

Der persönliche Wert der Grenzen

Zeit zum Verarbeiten

Noch ein paar Gedanken

Zum guten Schluss

Und noch ein Nachschlag …

Ein Dankeschön

Über Ute Wittig

Eine Bitte

 

 

 

 

Vorwort

Für meine Familie war der Schuldige für meine hohe Sensibilität schnell und leicht gefunden.

Mein Vater war´s!

Nicht nur, dass er mich zu sehr verwöhnte, nein, er ließ mich sogar beim „Mensch ärgere Dich nicht“ Spiel fast immer gewinnen – nicht etwa, weil er, wie man vermutete, mich nicht traurig sehen konnte, sondern weil er sich freute, mir zu zeigen, dass ich fast alles schaffen kann – wenn ich mich eben nicht über andere Menschen ärgere! Er wollte damit einzig und allein mein Selbstwertgefühl steigern!

Aber es ist, wie es ist. In Situationen, in denen ich in den Augen meiner Familie „zu sensibel“ oder „zu empfindlich“ reagiere, heißt es noch heute:

„Hätte dein Vater dich doch bloß nicht immer gewinnen lassen!“

So kam es, dass ich mir dazu auch immer mal wieder meine Gedanken machte. Bin ich so, wie ich bin, nicht richtig?

Wie oft habe ich mich schon gefragt, wie es wäre, nicht so empfindsam zu sein, nicht so nah am Wasser gebaut, nicht so sehr sensibel, wie ich halt nun mal bin.

Wie oft habe ich schon gedacht, ich wäre dann stärker ...

Aber ist es wirklich das, was Stärke ausmacht?

Wer wäre ich denn, wenn ich anders wäre?

Könnte ich dann noch so tief empfinden?

Könnte ich dann noch so tief lieben?

Könnte ich dann das Schöne überhaupt noch so intensiv wahrnehmen?

Es ist tatsächlich oft nicht leicht, wenn man “zu sensibel” ist.

Aber was würde mir alles entgehen?

Nein, ich möchte nicht kälter, härter oder anders sein.

Ich möchte meine Gefühle nicht verdrängen oder vor anderen verstecken. Ich könnte es auch gar nicht.

Ich bin stets bereit, mich oder auch meine Meinung zu ändern, solange es sich für mich richtig anfühlt.

Ich bin bereit zu verzeihen – mir selbst und auch anderen.

Aber ich bin nicht bereit, mich für andere zu verlieren, mich für andere zu verändern oder zu verbiegen, nur um in die Norm zu passen …

Diese Sätze schrieb ich vor einigen Jahren, als ich begann, mich mit meiner Hochsensibilität zu beschäftigen. Zu dieser Zeit dachte ich noch, man würde genau das von mir erwarten. Aber ich durfte lernen, dass die Menschen, die mich lieben, mich eigentlich genau wegen der Dinge lieben, die mich ausmachen, die zu meinem hochsensiblen Dasein einfach dazugehören.

Die Menschen, die mich lieben und wertschätzen, mögen mich vielleicht nicht immer verstehen und nicht immer alles nachvoll-ziehen können, was in mir vorgeht, aber dennoch haben viele von ihnen schon vor mir verstanden, dass dies alles „meine Normalität“ ist. Ich war doch nie anders …

Was sich für mich veränderte, ist mein Verständnis mir selbst gegenüber.

Die Erkenntnis, hochsensibel zu sein, brachte erst viele Dinge auf den Punkt! Sie brachte Erleichterung! Und auch ein Stück Freiheit!

Denn auch wenn sich die Empfindsamkeiten damit nicht in Luft auflösen, kann ich sie anders betrachten, ihnen ihren Raum geben und meine Stärken daraus entnehmen und entwickeln.

Ich darf so sein, wie ich bin!

Ich komme von keinem anderen Planeten, ich bin nicht anders, ich bin einfach „nur“ hochsensibel und lebe wie ein Reh im Wald der Gefühle …

 

Entwicklung braucht ihre Zeit

Wenn ich mich in meinem hochsensiblen Umfeld umschaue, treffe ich immer wieder auf zwei Varianten von hochsensiblen Menschen. Die einen empfinden ihre feinfühlige Veranlagung als Segen und die anderen empfinden sie als Fluch.

Für mich persönlich ist es weder Fluch noch Segen, es ist einfach, wie es ist. Ich war schließlich nie anders, es ist ein Teil von mir, den ich nun – Stück für Stück – besser verstehen lerne.

Wir Hochsensiblen haben so viele tolle Eigenschaften, die wir nicht aus den Augen verlieren sollten, auch wenn unser Leben oft sehr anstrengend zu sein scheint – insbesondere solange man noch nichts über dieses Thema weiß.

Das Wissen über die eigene Hochsensibilität weckt das Verständnis für sich selbst!

Es war im Jahr 2013, als ich von einer Freundin zum ersten Mal etwas über Hochsensibilität hörte, und erst Anfang 2018 wagte ich, ein Buch zu diesem Thema zu lesen.

Um mich tatsächlich selbst als hochsensibel zu erkennen, hat es noch einiges an Entwicklung gebraucht. Und nach einigen Büchern zu dieser Thematik ist dann mein erstes eigenes Buch dazu entstanden …

Und nun sitze ich hier und kann meine Gedankenflut zu diesem Thema immer noch nicht stoppen. Ich habe in der letzten Zeit vieles für mich erkannt und ich liebe es, mit neuen Erkenntnissen zu arbeiten – mich intensiv mit ihnen zu beschäftigen.

Darum möchte ich gerne ein paar Themen aus meinem Buch „Wie ein Reh im Wald der Gefühle – Aus dem Leben einer Hochsensiblen“ noch einmal aufgreifen, um sie weiter auszuführen.

Neue Gedanken und Erkenntnisse reiften im Austausch mit den hochsensiblen Menschen, die so nach und nach in mein Leben polterten, nachdem ich meine Hochsensibilität für mich angenommen hatte.

So wird auch dieses Buch wieder eine Art Tagebuch mit ganz persönlichen Eindrücken und kein „normaler“ Ratgeber sein.

Ob diese Dinge, über die ich schreibe, alle mit Hochsensibilität zu tun haben, kann und darf jeder für sich selbst entscheiden. Für mich sind sie Teil meines Lebens – und somit Teil des Lebens einer Hochsensiblen.

Mein Wunsch ist es, zu etwas mehr Verständnis zwischen normalsensiblen und hochsensiblen Menschen beizutragen.

Auch wenn es immer wieder heißt, dass alle Menschen unterschiedlich sind und niemand so wie der andere ist, bin ich der Meinung, dass wir gar nicht so einzigartig sind, denn es gibt immer jemanden, der ähnlich denkt oder fühlt oder aber auch Ähnliches erlebt hat …

Und wer weiß schon, wer sich alles in meinen Erzählungen wiederfindet oder jemanden kennt, der vergleichbare Eigenschaften hat wie ich?

Man schätzt, dass es ca. 15 - 20 % hochsensible Menschen auf unserem Erdball gibt, und das ist schließlich eine ganz beachtliche Zahl.

Eine ganze Weile später …

Wie vor beschrieben, reifen immer neue Erkenntnisse, denn das Leben ist immer in Bewegung.

Alles hat seinen Sinn und alles geschieht zu seiner Zeit. Eigentlich ist das Manuskript zu diesem Buch längst geschrieben und auch geplant, dass es irgendwann in den Druck gehen soll. Aber bis das tatsächlich so weit ist, wird es noch eine Weile dauern, denn natürlich hat der Verlag noch ein paar andere schöne Bücher, die auf Veröffentlichung warten.

Da seit dem Schreiben meiner Kapitel nun schon einige Zeit ins Land zog, kamen natürlich auch neue Erkenntnisse und Gedanken hinzu, für die ich die Zeit des Wartens nutzen wollte, um sie in die Texte einfließen zu lassen. Doch dann überlegte ich mir, meine Leser eben genau an dieser Entwicklung teilhaben zu lassen. So bleibt das bisher Geschriebene genauso wie es ist, denn ich schrieb es alles aus dem Herzen und aus dem Gefühl heraus. Für mich fühlte es sich falsch an, neue Erkenntnisse in den einst geschriebenen Text einfließen zu lassen bzw. ihn abzuändern. Deshalb beschloss ich, die Kapitel mit meinen neuen Gefühlen und Erkenntnissen mit der Überschrift „Eine ganze Weile später …“ zu erweitern.

 

Schutzmantel

Hochsensibel zu sein, bedeutet nicht immer auch tatsächlich, sensibel zu reagieren.

Lange Zeit habe ich es für mich gar nicht annehmen können, hochsensibel zu sein, denn es gibt immer wieder Situationen, in denen ich sehr unsensibel, gar kratzbürstig reagiere.

Heute weiß ich, woran es liegt – es ist ein Teil meiner Hochsensibilität.

Dieser „unsensible Schutzmantel“ kommt immer genau dann zum Einsatz, wenn ich gerade überreizt bin oder mich vor etwas fürchte.

Es heißt nicht umsonst, Wut entsteht immer aus einer Angst heraus …

Aber Wut entsteht bei mir auch, wenn einfach zu viele Eindrücke auf mich einprasseln. Wenn mir Menschenmengen zu groß sind, wenn es zu laut ist, wenn ein Raum schlecht belüftet ist etc.

Manchmal bekomme ich Atemnot, Angst zu ersticken, wenn zu viele Menschen um mich herum sind. Ist es in meinem Umfeld zu laut oder sprechen alle durcheinander, dann verliere ich die Konzentration und kann Gesprächen nicht mehr folgen. Ich fühle mich schlichtweg überfordert. In solchen Momenten bin ich nicht mehr Herrin der Lage, was oft verschiedene Ängste in mir weckt. So fürchte ich mich davor, mich zu blamieren, weil ich einem Gespräch nicht mehr so recht folgen kann. Auch könnte ich Dinge falsch verstehen oder Fehler machen usw. Ich fühle mich rundum unwohl.

Kann ich mich dann nicht zurückziehen, kann es sein, dass ich urplötzlich nicht mehr „ansprechbar“ bin oder auf Kleinigkeiten unwirsch reagiere.

Genauso ist es, wenn ich den Eindruck habe, wieder einmal nicht ernst genommen zu werden, oder wenn ich mich ungerecht behandelt fühle, weil ich irgendetwas zwischen den Zeilen gelesen habe. Ich werde zickig, oft auch unfair.

Ich könnte noch eine ganze Reihe Beispiele anführen, denn es gibt so vieles, worauf ich eben hochsensibel reagiere und dann unsensibel agiere.

Aber – auch das ist ein Teil meiner Hochsensibilität.

Jetzt, wo ich das weiß, kann ich auch diese unsensible Seite als eine Art Freund betrachten. Diese „Ausbrüche“ sind tatsächlich ein Schutzmantel. Auch wenn mein Gegenüber das in diesem Moment nicht verstehen mag, da er schließlich gerade angegriffen wird.

Ich persönlich kann mich in solchen Situationen auch selbst nicht leiden, oft fühle ich mich sogar komplett wertlos.

Aber dieser Schutzmantel zeigt Wirkung!

Denn endlich nehme ich wahr, wann und wo mein Fass eigentlich gerne überläuft. Nur so kann ich tatsächlich für mich erkennen, welche Dinge mir zu viel werden oder mich auf irgendeine Weise belasten. Und mit diesem Wissen kann ich arbeiten und gegebenenfalls rechtzeitig einen Schritt zurücktreten, innehalten oder komplett Abstand nehmen – je nach Situation.

Durch das Betrachten dieser unliebsamen Reaktionen meinerseits wird mir immer mehr bewusst, wodurch sie überhaupt hervorgerufen werden.

So lerne ich mich und meine Hochsensibilität besser kennen und kann vielleicht in Zukunft „besser“ reagieren!

Für mich bedeutet das dann oftmals, besonnener reagieren zu können, was natürlich auch für mein Gegenüber angenehmer ist …

Aber das Ganze ist natürlich ein Lernprozess und geht nicht von heute auf morgen.

Zudem gestehe ich mir auch zu, wie jedem anderen auch, einfach mal schlecht gelaunt zu sein!

Eine ganze Weile später …

Natürlich geht es bei diesen Geschichten gar nicht immer „nur“ um einen Schutzmantel, sondern auch darum, seine eigenen Grenzen kennenzulernen. Momente bewusst wahrzunehmen, in denen ich meine eigenen Grenzen überschreite oder jemand sie nicht respektiert, sind für mich extrem wichtig. Nur so kann ich meinen ganz eigenen Schutzmantel sensibilisieren. Darum ist es für mich immer wertvoll, einmal ganz genau hinzuschauen.

Warum habe ich gerade so unwirsch reagiert?

Lag es an mir, an meinen sensiblen Eigenschaften? Oder hat hier jemand oder sogar ich selbst, eine Grenze überschritten?

Was spiegelt mir diese Situation – gibt es vielleicht noch etwas aus der Vergangenheit für mich aufzuarbeiten?

 

Zwischen den Stühlen

Eine meiner Gaben wird mir auch manchmal zur Qual. Dabei heißt es doch, wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.

Mir geht es meistens so, dass ich beide Seiten verstehen kann, und gerade in einem Streitgespräch erweist sich das als schwierig. Ich habe schon sehr häufig in solchen Situationen schlichten bzw. vermitteln können, deshalb sehe ich es in der Regel als eine meiner Stärken an.

Aber es gibt auch immer wieder Situationen, in denen Schlichtung ganz und gar unmöglich ist.

Die Beteiligten sind oftmals so in Rage und sagen Dinge, die so tief verletzen, dass es letztendlich zu einem Bruch kommen wird.

Und meine ach so wundervolle Gabe befördert mich zwischen die Fronten.

Manchmal kann ich einfach zurücktreten und sagen, das ALLES gehört nicht zu mir, macht das weiter unter euch aus. Aber dann wiederum gibt es Momente, die mich selbst betreffen.

Kann ich nicht vermitteln, neige ich dazu, das auszusitzen, in der Hoffnung, die Dinge würden sich wieder beruhigen. Beruhigt es sich aber nicht, bin ich gezwungen, mich entweder von beiden zurückzuziehen oder zwischen den „Parteien“ zu wählen.

Ein furchtbares Spiel, bei dem immer irgendjemand auf der Strecke bleibt. So oder so wird jemand verletzt werden – und einer der Verletzten werde u. a. ich sein, denn solche Situationen hinterlassen immer irgendwelche Spuren!

Solche Momente kosten mich unendlich viel Kraft. Ich möchte helfen, kann aber bei den anderen keinen Sinneswandel herbeiführen, denn Verletzungen müssen heilen. Und manchmal gehen sie so tief, dass sie unheilbar sind …

Verlasse ich aber eine solche Situation, habe ich das Gefühl, die anderen im Stich zu lassen. Und schon kreisen die Gedanken – ohne Unterbrechung – Tag und Nacht.

Warum schaue ich immer wieder in denselben Spiegel? Was wollen mir diese Situationen sagen? Welches Muster liegt darin verborgen? Welche innere Aufgabe gibt es für mich zu lösen, um nicht immer wieder in solche Situationen zu geraten, in denen ich zwischen den Stühlen lande?

Dennoch sehe ich es als eine Gabe an, mich in beide Seiten einfühlen zu können. Nicht selten habe ich dadurch schon eine aufgebrachte Person beruhigen können. Oft konnte ich wieder Verständnis füreinander aufbauen. So manches Mal konnte ich eine „Explosion“ gerade noch verhindern …

Und für mich selbst ist wertvoll, keinen Groll gegen einen der Kontrahenten zu hegen. Denn meistens kenne und verstehe ich die Stärken und Schwächen der Beteiligten, sodass ich das Geschehen aus einer anderen Perspektive einordnen kann …

Eine ganze Weile später …

Nach solchen Geschichten bleibt oft ein großes Gefühl von Groll für viele der Beteiligten zurück. Es wird regelrecht nach den Fehlern des anderen gesucht und darauf rumgehackt. Es wird sich auch im Nachhinein noch immer wieder „beschossen“. Selbst wenn ich mich aus einer Situation, bei der ich zunächst zwischen den Stühlen saß, herausziehen konnte, schmerzt und bewegt es mich doch sehr, dabei zuzusehen, wie Menschen, die sich verletzt fühlen oder gar in eine Opferrolle schlüpfen, nicht mit einer Sache abschließen können.

Immer wenn ich dann auf solche Dinge stoße, spüre ich, wie sehr es mir die Kraft entzieht, mir meine komplette Energie raubt und mich selbst auch in diese Gedankenschleifen zieht. Das wiederum ist für mich aber auch Klärung meiner eigenen Situation. Denn gerade in solchen Momenten finden sich doch auch unsere ganz eigenen „Spiegelthemen“, also alte Muster wieder.

Aber auch hier bin ich wieder einmal dankbar für meine Sensibilität und für meine persönliche Stärke, diese Dinge mit Abstand betrachten zu können und nicht wie viele andere um mich schlagen zu müssen. Mir ist es wichtiger herauszufinden, was das wirklich alles mit mir zu tun hat. Denn wenn man genau hinschaut, ist die Schuld doch immer irgendwo auf beiden Seiten zu finden!

Vielleicht sollte man auch gar nicht immer von Schuld sprechen, sondern von der Erkenntnis, dass etwas einfach nicht mehr unter einen Hut passt!

 

Schweigen

Schweigen kann so viele Bedeutungen haben und deshalb bin ich der Meinung, man sollte ein Schweigen auch dann respektieren, wenn man es vielleicht gerade nicht versteht.

Schweigen kann respektvoll sein, weil sich durch Reden manche Situation nur verschlimmern würde.

Manches Schweigen entsteht, weil man Gefühlen folgt, die man vielleicht selbst noch gar nicht ganz einordnen und somit in Worte fassen kann.

Oft ist ein Schweigen aber auch einfach „nur“ ein Nein und es bedarf keiner Rechtfertigung.

So oder so ist es eine Entscheidung mit einem tieferen Sinn dahinter.

Ich sehe es als eine meiner Gaben, hinter das Schweigen vieler Menschen schauen zu können. Und gerade wenn man eine Verbindung von Herz zu Herz mit einem Menschen hat, kann man dieses Schweigen lesen wie geschriebene Worte ...

Auch ich schweige in sehr vielen Situationen, in denen andere Menschen gerne sofort lospoltern. Oft möchte ich mir erst ein Bild machen, bevor ich meine Meinung zu irgendetwas äußere. Aber in vielen Fällen hätte ich einfach nichts zu sagen, was zu einem friedvollen Miteinander führen würde. Damit meine ich nicht, dass ich mich böse äußern würde. In der Regel geht es dabei um Dinge bzw. um ein inneres Wissen, dass meine Worte in diesem Moment einfach nicht ankommen würden. Wenn verletzte Menschen gerade dabei sind, etwas auszudiskutieren und mit Meinungen, Urteilen etc. um sich werfen, sind sie für manche Anmerkungen nicht aufnahmefähig. Im Gegenteil, sie würden alles nur drehen und wenden, und es könnte einfach nichts Gutes daraus entstehen. So schweige ich lieber und/oder warte auf einen angemessenen Zeitpunkt, um mich zu Wort zu melden.

Schweigen kann mitunter auch recht anstrengend sein. Da ich ein Mensch bin, der regelmäßig zwischen den Stühlen landet, weil er beide Seiten versteht, könnte ich oft eine Meinung kundtun, die für den einen eine Wohltat wäre, aber für den anderen nur Schmerz bedeuten würde. Das passiert mir häufig in den Situationen, in denen ich den Schmerz eines geliebten Menschen nachempfinde und gerne dem „Verursacher“ die Meinung geigen möchte – es damit aber auch wieder nur für alle Beteiligten unerträglicher machen würde.

In solchen Momenten ersticke ich förmlich an meinen Gedanken. Und wenn ich ehrlich bin, sind dies meist keine netten Gedanken.

Das führt mich wiederum dazu, darüber nachzudenken, mit welchem meiner eigenen Muster ich gerade zu kämpfen habe, dass ich solch eine Wut in mir spüre.

Schweigen hat also viele Facetten.

So kann Schweigen sogar beschützend wirken. Manches Mal beschützt man sich selbst, wenn man über Dinge schweigt, oder aber man schützt andere, indem man nicht alles offenlegt.

Der „böse Bruder“ des Schweigens ist das Verschweigen.

Manchmal wäre es für alle Beteiligten besser, wenn man gar nichts sagen würde. Doch oft wird aus Verletzung heraus gehandelt und man gibt nur sein halbes Wissen preis, nämlich das, was einem selbst zugutekommt. Den Rest lässt man dann einfach weg, denn damit würde man sich „mitbelasten“. Das passiert oft aus einer unbewussten Opferhaltung heraus. Man möchte seine Verantwortung für die Situation entweder nicht tragen oder man nimmt sie tatsächlich gerade gar nicht erst wahr.

Hinter so manches Schweigen und Verschweigen blicken zu können hat den Vorteil, den Dingen offener gegenüberzustehen und sie dadurch besser verstehen zu können. Und das macht es mir möglich, besser mit solchen Situationen umzugehen. Dadurch ist mir eine Art von Draufsicht möglich, die mich davon abhält, einer Diskussion zu folgen und mich daran zu beteiligen.

Mein Schweigen ist in solchen Momenten mein Kraftpotenzial.

Ich kam auf dieses Thema durch einen Facebook-Beitrag auf einer Seite, die sich mit HSP (Highly Sensitive Person) beschäftigt. Aber eigentlich ging es in dem Beitrag um den Wunsch, verstanden zu werden, wenn man schweigt.

Nachdem ich kommentiert hatte, kam in Kürze ein „Gegenkommentar“, der aussagte, dass Schweigen nur zu Verletzungen und Unverständnis untereinander führt und Männer klare Ansagen brauchen, weil sie uns Frauen ansonsten nicht verstehen.

Für mich persönlich ging dieser Kommentar eigentlich komplett am Thema vorbei. Dennoch geht er mir nicht aus dem Kopf.

Ich habe in meinem Leben auch schon viel zu oft geschwiegen, um unangenehmen Dingen aus dem Weg zu gehen oder um vielleicht auch selbst besser dazustehen, oft auch aus Angst heraus, vor dem, was auf mich zukommen könnte, wenn ich mein Schweigen brechen würde.

Natürlich gibt es viele Dinge, die wir besser aussprechen sollten, anstatt davon auszugehen, unser Gegenüber würde unser Denken verstehen – es liegt immer an der Situation!

Das ist auch der Punkt, warum gerade hochsensible Menschen sich öfter wünschen, die Menschen um sie herum könnten ein Schweigen einordnen. Ich lebe so sehr in der Welt des Fühlens und kann mir manchmal gar nicht vorstellen, dass andere mein Denken und somit mein Schweigen nicht nachvollziehen können. Und das ist wieder einmal eine Erkenntnis, mit der ich arbeiten kann!

Sollte ich mich mal wieder verletzt fühlen, weil jemand nicht versteht, was ich denke oder fühle, brauche ich mich nur daran zu erinnern, dass mein Gegenüber doch eine komplett andere Gefühlswelt und auch Wahrnehmung haben kann. Was für mich offensichtlich erscheint, weil es in meiner Gefühlswelt eindeutig und logisch ist, ist für mein Gegenüber unverständlich bzw. nicht nachvollziehbar. Und das gilt im Umgang mit allen Menschen, egal ob normalsensibel oder hochsensibel.

Umso mehr freue ich mich natürlich auch darüber, dass mir immer mehr Menschen begegnen, die einen ähnlichen Blick wie ich auf die Dinge haben. Menschen, die auch zwischen den Zeilen lesen und ein Schweigen, selbst wenn sie es nicht verstehen, akzeptieren und respektieren können.

Aber leider gibt es noch eine ganz andere Art des Schweigens, dem ich gerade in meinem näheren Umfeld begegnete. Ein Schweigen, das sehr tief geht. Ein Schweigen des Rückzugs. Ein Schweigen aus einer tiefen Traurigkeit heraus.

Wenn Menschen sich schweigend zurückziehen, weil sie denken, alles, was sie zu sagen haben, sei für andere uninteressant, die eigenen Gefühle seien nicht erwähnenswert bzw. nicht wichtig genug, dann ist das ein Gedankengang, der mir große Angst macht.

Ein solcher Mensch fühlt sich genau in diesem Augenblick wertlos und ungeliebt. Er spürt gerade nicht einmal mehr Selbstliebe. Und sind diese Gefühle übermächtig und haben den Menschen fest im Griff und niemand kommt, der dieses Schweigen brechen kann, dann kann ein solches Schweigen fatale Folgen haben. Möglich ist dann ein Rückzug in die komplette Dunkelheit und Einsamkeit bis hin zu Gedanken der Todessehnsucht.

Dieser Gedanke beschäftigt mich momentan sehr, denn ich erlebe es gerade bei einem Menschen, der mir sehr am Herzen liegt, von dem ich dachte, er würde sich mir anvertrauen, weil er weiß, wie sehr ich ihn liebe. Und auch wenn ich gespürt habe, derjenige zieht sich zurück, habe ich erst einmal nicht gemerkt, warum. So ein Rückzug kommt nicht von heute auf morgen. Und in diesem Fall kam er sehr schleichend, sodass ich ihn fast wortlos akzeptiert hätte. Es fühlte sich wie eine Entfremdung an, wie Wege, die sich trennen. Und dennoch wusste ich, das kann es nicht sein …

Dieses Schweigen konnte ich jetzt brechen, indem ich einfach gefragt habe, warum derjenige in letzter Zeit so ruhig ist. Ich hatte, so denke ich, genau den richtigen Moment erwischt, in dem es aus dieser Person herausbrechen wollte. So hoffe ich, damit ist ein erster Schritt getan, um dieses Schweigen aus der Welt zu schaffen.

Aber auch etwas anderes hatte mich nicht mehr losgelassen: Die Suche nach meiner Schuld! Habe ich mich selbst in letzter Zeit nicht viel zu selten gemeldet? Habe ich vielleicht nicht auch zu wenig Interesse gezeigt? Habe ich mich so sehr um neue und andere Dinge gekümmert, sodass mir all das verborgen geblieben war? Ich könnte jetzt natürlich sagen, das liegt alles nicht in meiner Verantwortung. Aber ist das wirklich so? Habe ich nicht auch einen Anteil an der Gefühlswelt meiner Mitmenschen? Besonders bei engen Freunden?

Natürlich habe ich keine Schuld! Aber dennoch habe ich die Möglichkeit, den Menschen in meinem Umfeld Wertschätzung, Verständnis und Liebe entgegenzubringen. Mit dem Wunsch, sie können es für sich annehmen. Und doch, ein Stück weit gebe ich mir eine Schuld, denn ich hätte achtsamer sein sollen …

Aber es ist nie zu spät, das Ruder herumzureißen.

Und genau diese Situation, die mir gerade sehr zu Herzen geht, ist es, die mir zeigt, wie wichtig es sein kann, ein Schweigen stets gefühlsmäßig zu hinterfragen.

 

Ruhepausen

Immer wieder muss ich feststellen, wie schwer es mir immer noch fällt, einfach mal nur „faul“ zu sein. Dabei ist es wichtig, sich regelmäßig etwas Ruhe zu gönnen. Besonders hochsensible Menschen benötigen diesen Ausgleich, um sich von Überreizungen zu lösen und wieder bei sich anzukommen.

Es liegt wohl in unserer Natur, uns immer mit denen zu vergleichen, die immer energiegeladen wirken.

Oder liegt es an der Erziehung in unserer Leistungsgesellschaft? Du bist nur was, wenn du auch ständig etwas leistest? Ich jedenfalls wurde so erzogen.

Ich finde aber auch keine Ruhe, weil ich immer das Bedürfnis habe, auf alle Menschen einzugehen. Ich kann Leute, die schreiben oder erzählen wollen, nicht einfach so abfertigen. Oft sind es natürlich genau die Menschen, die ich sehr gerne mag und für die ich auch gerne da bin. Aber es ergibt sich auch sehr häufig, dass ich auf Facebook mit jemandem in Kontakt komme, den ich eigentlich gar nicht kenne. Und ich lasse mich in einen stundenlangen Schriftverkehr verwickeln, was mich unglaublich viel Kraft kostet, denn ich spüre genau, dass ich eigentlich etwas anderes tun wollte und ich mir diese Zeit rauben lasse. Es ist nicht selten, dass mein Kopf sich eigentlich schon längst durch eine Migräne verabschiedet hat und ich immer noch artig auf irgendwelche Nachrichten antworte, obwohl es mir hundeelend geht. Ich höre also nicht auf die Signale meines Körpers, weil ich dieses „Pflichtgefühl“ in mir trage, antworten zu müssen.

Ist das ab und zu so, dann ist das nicht schlimm, aber ist es ein Dauerzustand, bricht irgendwann das System zusammen.

Heute Morgen wachte ich mit ziemlichen Kopfschmerzen auf – zum dritten Mal in dieser Woche. Der Hund musste raus, also ging ich wie gewohnt spazieren. Unterwegs merkte ich, wie kraftlos ich doch bin und mich eigentlich kaum auf den Beinen halten konnte. Plötzlich kam mir ein Gedanke, der mich immer noch sehr traurig stimmt. Ich dachte, wenn du jetzt zusammenbrichst, hast du endlich mal Ruhe und brauchst nicht mal ein schlechtes Gewissen haben.

Mir wurde bewusst, dass ich zielstrebig auf den nächsten Burnout zusteuere, und das nur, weil ich keine Grenzen setze. Weil ich für jeden anderen da bin – außer für mich!!!

Es ist gerade eine sehr schwierige Zeit für einige Menschen, die mir sehr am Herzen liegen, und natürlich möchte ich für sie da sein, ihnen helfen, sie stützen. Aber ich vergesse mich komplett selbst dabei!

Ich muss also dringend etwas ändern! Ich muss lernen, nicht auf jede Nachricht sofort reagieren zu müssen, ich muss lernen, im Gespräch bzw. Schriftverkehr einen freundlichen Abschluss zu finden, wenn es mir zu viel wird! Aber vor allem muss ich lernen, dass ich nicht wirklich auf ALLES eingehen muss!

Und im Prinzip muss ich, um abschalten zu können, tatsächlich mal alle Geräte ausschalten! Handy aus, PC aus und die Nachrichten sind außer Sichtweite.

Habe ich das nicht schon mehrfach erlebt? Weiß ich das nicht eigentlich schon alles? Habe ich denn gar nichts gelernt?

Doch, ich habe etwas gelernt, denn ich erkenne, es ist kurz vor knapp, das spüre ich schon seit ein paar Tagen, aber ich hoffe, ich schaffe es, zu reagieren.

Beim Hundespaziergang kam dann noch eine weitere Erkenntnis. Ich war schon sehr oft genau an diesem Punkt, an dem ich dachte, wenn jetzt dieses oder jenes passiert, dann hast du Ruhe … Es ist fast wie die Sehnsucht danach, endlich zusammenzubrechen.

Und das erinnert mich an ein Gespräch mit einer Freundin über Todessehnsucht. Es ist nicht, dass man sterben möchte. Es geht vielmehr darum, die Entscheidung abgenommen zu bekommen, seine Situation zu verändern. Aber in erster Linie, einfach mal wirkliche Ruhe zu finden und die Seele baumeln zu lassen.

Wie oft kommt man wohl an diesen Punkt, an dem man noch reagieren könnte?

Ich weiß, ich habe ihn schon oft gestreift und auch schon überschritten. Und gerade bedanke ich mich bei meiner hochsensiblen Wahrnehmung, dass es mir dieses Mal ganz bewusst aufgefallen ist!

Ich weiß es! Ich muss genau JETZT Grenzen setzen! Und so hoffe ich, dass mich meine alten Muster nicht von dieser so wichtigen Entscheidung wegzerren …

Eigentlich ist es uns HSP doch gegeben, solche Momente zu erkennen. Wir spüren schließlich ganz genau, dass alles zu viel ist, wie müde wir sind oder wie gereizt wir gerade auf alles Mögliche reagieren.

So sollte es uns möglich sein zu reagieren, wenn wir nicht dieses Bedürfnis hätten, immer für alle da zu sein und alles richtig zu machen.

 

Burnout

Da mich dieses Thema gerade selbst wieder betraf und ich bemerkt hatte, mich dringend schützen zu müssen, beschloss ich, weitere Gedanken bezüglich des Burnouts aufzugreifen – denn gerade wir Hochsensiblen neigen dazu, immer und immer wieder über unsere Grenzen zu gehen und uns selbst zu schaden …

Kürzlich fragte mich eine Bekannte, was ich eigentlich gemacht habe, als ich von meinem Burnout erfuhr, und was mir damals geholfen hat. Eine Frage, die sich gar nicht so leicht beantworten lässt, denn es waren so viele Kleinigkeiten.

Einen großen Anteil hatten auf jeden Fall die Spaziergänge mit unserem Hund durch die Natur. Anfangs war ich oft nur zwischen 10 und 20 Minuten unterwegs und hatte das Gefühl, eine Weltreise gemacht zu haben. Es dauerte auch eine Weile, bis ich die Dinge um mich herum wieder wahrgenommen habe. Aber so nach und nach entdeckte ich wieder die kleinen, aber feinen Schönheiten am Wegesrand. Oft dank der schnüffelnden Nase an meiner Seite.

Auch das Lesen spiritueller Romane und Ratgeber begleitete mich auf meinem Weg. Das Ziehen von Vergleichen zu meinem Leben brachte mich Stück für Stück voran. Vor allem kam ich dadurch auf den Gedanken, dass alles so sein darf, wie es gerade ist.

Ich darf schwach sein, wenn ich mich schwach fühle! Ich darf mich hinlegen und den Tag verpennen, wenn ich seelisch so müde bin und denke, es würde mir guttun! Das habe ich zu Anfang ganz häufig getan, und mit der Zeit wurde dieser Drang, mich hinzulegen, immer weniger.

Vor allem der Gedanke, auch wertvoll zu sein, wenn ich nicht so viel leiste, wie andere es von mir erwarten, war für mich von besonderem Wert! Aber bis dahin ist es ein Weg, den man gehen muss, denn nicht jeder hat Verständnis dafür, wenn man sich zurückzieht, weil man müde und k. o. ist.

Ich legte damals viel zu viel Wert auf die Meinung anderer, fragte mich stets, was sie wohl von mir denken mögen. Aber im Vergleich schneidet man, wenn es einem nicht gut geht, IMMER schlechter ab als andere.

Heute denke ich, wenn die Leute das nicht verstehen, dann ist das halt so, ich kann es nicht ändern. Es ist viel wertvoller, sich mit Menschen zu umgeben, die Verständnis zeigen und einem Kraft schenken! Menschen, die einen so akzeptieren, wie man ist – auch wenn es einem einmal nicht so gut geht!

Aber selbst wenn man noch so große Fortschritte macht, wird es immer Zweifler geben. Mittlerweile weiß ich, gerade diese Zweifler sorgen für den Ansporn, meinen Weg zu gehen.

Auch ganz viele Kleinigkeiten brachten mich Stück für Stück weiter.

Phasenweise schrieb ich eine Art Glückstagebuch, in dem ich jeden Tag ein paar Dinge notierte, die an diesem Tag gut gelaufen sind. Ist mir dazu nichts eingefallen, führte ich ein Dankbarkeitstagebuch. Das Gefühl, für irgendetwas dankbar zu sein, hebt schon recht schnell die Stimmung. Und wenn man wirklich als Erstes an die ganz kleinen Dinge denkt, wird das schnell eine ganz lange Liste. Es beginnt doch schon mit Dingen, wie fließendes Wasser oder ein Dach über dem Kopf zu haben. Ich habe genügend zu essen, eigentlich sogar im Überfluss, und kann mir jederzeit einen Tee oder Kaffee kochen. Ich habe genug Kleidungsstücke, kann mir Bücher und CDs kaufen. Ich habe tolle Menschen um mich herum und ein paar wundervolle Hunde … An einer solchen Liste kann man stundenlang arbeiten und es fällt einem immer noch etwas ein.

Und es tut gut, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen.

Ich richtete meinen Fokus immer mehr auf schöne Kleinigkeiten und tankte neue Kraft. Vor allem achtete ich darauf, immer wieder Dinge zu tun, die mir Freude machen. Ich fing wieder mit dem Schreiben an, versuchte, ein wenig zu malen, was nicht von Erfolg gekrönt war, aber dennoch Spaß machte. Meine Bastelarbeiten sind oft „Kinderkram“ und trotzdem liebe ich es, mich damit zu beschäftigen. Gerade, weil ich dadurch lernen durfte, dass nicht immer alles perfekt sein muss.

Ich liebe es, zu fotografieren, und auch hier brauche ich nicht die Perfektion. Mir reicht es, wenn ich meine Freunde auf Facebook mit meinen Fotos „quälen“ kann …

Es geht für mich dann einfach nur darum, schöne Momente festzuhalten und weiterzugeben. Das waren nur ein paar der Dinge, die mich Schritt für Schritt aus dem Burnout führten. Aber ich glaube, das Wichtigste ist erst einmal, Abstand von der Meinung derjenigen zu nehmen, die diese „Müdigkeit“ nicht nachempfinden können und es für Faulheit halten, und Mitgefühl mit dem eigenen, momentanen Befinden zu haben.

 

Burnout und Depression

„Wenn du nichts Positives zu sagen hast, dann sag doch einfach mal gar nichts!“ Mit Themen wie Burnout und Depression sollte man viel sensibler umgehen! Für viele Menschen sind Burnout und Depression nur ein paar Wörter, die direkt in einer Schublade landen.

Mir begegneten einige Menschen, die sehr schnell damit waren, ihr Urteil zu fällen. Oft wird im Hintergrund gemunkelt, dass man sich nur aufraffen muss und sich nicht so anstellen soll.

„Geh wieder arbeiten, dann hast du keine Zeit zum Nachdenken!“ Das ist auch eine Aussage, die mich damals sehr getroffen hat.

Es ist verständlich, dass manch gesunder Mensch es nicht nachvollziehen kann, wie es ist, komplett kraftlos in einer grauen Welt gefangen zu sein. Dennoch finde ich es schade, dass auch heute noch, obwohl Burnout und Depression von der Gesellschaft als Erkrankung allmählich anerkannt werden, so vorschnell geurteilt wird.

So sagte damals jemand zu mir: „Wie kann es sein, dass gerade SIE einen Burnout haben?“

Das war eine sehr schmerzhafte Aussage. Der ausgeübte Beruf schien ausschlaggebend dafür zu sein, wem man einen Burnout zubilligt oder nicht.

Aber es kann jeden erwischen! Auch den Mitarbeiter mit der geringsten Verantwortung! Es liegt doch immer daran, wie sehr er sich für die Dinge einsetzt, wie er sich damit befasst, wie belastbar er ist etc. Eine Putzkraft kann genauso verbissen an die Arbeit gehen wie ein Manager.

Zudem ist es auch nicht nur die Arbeit, die zum Burnout führen kann. Einen Burnout kann man auch erlangen, wenn man zu Hause jedem Staubkorn hinterherrennt oder sich zu sehr in irgendwelche Dinge vertieft.

In einer Depression sind die eigenen Gedanken, die eigenen Ängste der Auslöser. Oft ist es mangelndes Selbstwertgefühl. Da gibt es tausend und eine Möglichkeit. Da ist es leicht zu sagen: „Stell dich nicht so an!“ Ist man erst einmal in diesem Kreislauf gefangen, kostet oft jeder Handgriff Überwindung. Häufig fehlt sogar für alles die Kraft. Man ist wie gelähmt. Da springt man nicht mal eben über den eigenen Schatten …

Und darum ist es für so viele Menschen auch immer noch ein Tabuthema.

Bei mir hat es auch Wochen gedauert, bis ich das Wort Burnout aussprechen konnte. Lange habe ich es mit „psychosomatischem Erschöpfungszustand“ und ganz vielen Erklärungen und ganz viel BlaBla beschrieben. Es war mir peinlich! Ich als eigentliches Arbeitstier wollte immer alles richtig machen, und auch nachts konnte ich die Gedanken rund um den Job meist nicht abstellen und lag stundenlang wach.

Ich war meine Arbeit! Für etwas anderes blieb gar keine Kraft mehr …

Und plötzlich ging nichts mehr? Wie konnte das sein? Doch nicht bei jemandem wie mir?

WAS SOLLEN NUR DIE ANDEREN DENKEN?

Irgendwann schaffte ich es, mich damit zu arrangieren, und lernte, mit all dem offen umzugehen. Eigentlich war fast vergessen, wie sich das anfühlte.

Und plötzlich steht diese Bekannte vor mir und spricht flüsternd – mit Tränen in den Augen – von ihrem Burnout und traut sich nicht, in normaler Lautstärke darüber zu reden. Sagt auch noch, wenn es mir unangenehm sei, können wir das Gespräch sofort abbrechen, denn sie würde es gut verstehen, da ja auch niemand für ihre Situation Verständnis habe.

Das Gespräch war dann für mich ein regelrechtes Déjà-vu und es tat mir unglaublich leid, dass auch sie mit diesen Reaktionen leben musste.

Nicht nur dass man sich gerade im Anfangsstadium einer solchen Krankheit minderwertig fühlt, nein, die „Gesellschaft“ gibt einem oft noch Wasser auf die Mühle …

Ich wünsche mir einfach mehr Verständnis – mehr Sensibilität! Denn wirklich jeder kann in eine solche Situation geraten!

Eine ganze Weile danach …

Mir sagte einmal jemand, dass, wenn man einmal einen Burnout hatte, man nie mehr der Mensch wird, der man einmal war – da kommt man nie mehr raus.

Ob man da tatsächlich nie mehr rauskommt, vermag ich nicht zu sagen. Denn: Ist nicht jeder anders? Dennoch muss auch ich sehr oft feststellen, dass ich immer wieder in Situationen gelange, bei denen ich denken: „Oh, da klopft „er“ wieder an, sei vorsichtig und nimm dich mal ein bisschen zurück!“

Auch wenn ich im Erkennen der Anzeichen wesentlich sensibler geworden bin, merke ich doch, wie sehr ich auf mich achtgeben muss, um nicht abermals in ein solches Loch zu stürzen. Und auch hier geht es in erster Linie darum, Grenzen zu setzen und selbst dafür zu sorgen, dass diese auch eingehalten werden – von anderen und natürlich am meisten von mir selbst.

 

Burnout – Gefühle fließen lassen

Ich bin ein Mensch, bei dem Gefühle recht oft in Form von Tränen fließen. Darauf habe ich auch keinen großen Einfluss. Die Tränen kullern von ganz alleine.

In der Zeit meines Burnouts widmete ich mich ganz bewusst meinem Gefühlsfluss. Wenn ich wütend war, setzte ich mich z. B. ins Auto und fluchte und schrie wie ein Weltmeister. Ich ließ die Wut einfach raus. Aber meistens äußern sich meine Gefühle tatsächlich über die Tränendrüse. Ich heule, wenn ich etwas ganz toll finde und gerührt bin, und genauso heule ich bei jeder traurigen Kleinigkeit. Immer habe ich versucht, das aufzuhalten, wenn auch erfolglos, aber ich versuchte es und das hat mich immer eine ganze Menge Kraft gekostet.

Warum? Klar, es war mir stets unangenehm, weil die Leute mich für schwach halten könnten. Aber diese Gefühlsintensität ist nun mal ein wichtiger Teil von mir. Und gerade als ich so entkräftet war, flossen die Tränen schneller als die Niagarafälle. Also habe ich sie immer wieder mal ganz bewusst fließen lassen.

Ich liebe Musik. Ich höre sie nicht nur, ich fühle sie und kann dabei zerfließen. Also suchte ich mir meine Lieblingslieder raus und hörte sie mir Stück für Stück ganz in Ruhe an, habe mich meinen Gefühlen hingegeben und ließ meinen Tränen freien Lauf.

Zu Anfang heulte ich mir regelrecht Kopfschmerzen, aber irgendwann tat es einfach nur noch gut, diese Emotionen freizusetzen. Und ich glaube, damit kann man dem Burnout eine Menge „Nahrung“ entziehen, wenn man seinen Gefühlen den Raum gibt und sie fließen lässt.

Bei mir war es die Musik von Klassik über Blues bis hin zum Heavy Metal. Bei anderen ist es der Sport, das Tanzen, die Meditation …

Da muss jeder seinen eigenen Weg finden. Und sei es auf einen Sandsack einzuprügeln!

Gefühle, die fließen können, nehmen eine Menge Druck. So kann manch geweinte Träne zum Geschenk werden. Haben gerade wir hochsensiblen Menschen nicht eine Menge Gefühle, die einfach nur gefühlt und gelebt, eigentlich sogar geliebt werden wollen?

 

Burnout – Experimente

Ich zog beim Lesen spiritueller Romane und Ratgeber Vergleiche und ließ mich dazu inspirieren, Dinge auszuprobieren. In Büchern findet man eine Menge guter Ratschläge, aber nicht jeder Ratschlag ist passend für jeden Leser.

Fast jeder Ratgeber fordert den Leser zum bewussten Atmen auf.„Atme in dein Herz! Atme in deinen Bauch! Atme in deinen dicken Zeh! Zähle bis 10 beim Einatmen und zähle wieder bis 10 beim Ausatmen! Atme bewusst bei jedem Schritt, den du gehst!“

Das habe ich gemacht, das wurde fleißig geübt – alleine für mich, im Bett, in der Badewanne, beim Spaziergang.

Zu Anfang fühlte sich das richtig albern an, aber dieses Üben hat sich später in Stresssituationen bewährt. Man wird tatsächlich ruhiger, wenn man sich auf seinen Atem konzentriert.

Ob ich das beibehalten habe? Nee, nicht wirklich. Solche Dinge verlaufen gerne wieder im Sand, sobald man sich besser fühlt.

Aber dennoch kann ich dieses Wissen nun jederzeit abrufen, wenn mal wieder alles drunter und drüber geht.