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Die Autorin hat Frauen und Männer ab sechzig interviewt. Deren Biographien berichten vor dem Hintergrund des sozialen Wandels von alten und neuen Moralvorstellungen, von der Fluktuation der Partnerschaften und modernen Formen des Zusammenlebens auch im Alter. So individuell diese Geschichten auch sind, so sehr eint sie eine Erkenntnis: Die partnerschaftliche Liebe wird von älteren Menschen besinnlicher erlebt, mit mehr Zuwendung und Zärtlichkeit. Ihre Gefühle sind wie eh und je denn die Liebe bleibt jung. Über 40 Prominente, wie z.B. Erika Pluhar, Hannelore Elsner, Uschi Glas, Mario Adorf, Ulrich Wickert, Heiner Geißler, u.v.m., bereichern das Buch mit Meinungen zu den Themen Alter und Liebe.
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Seitenzahl: 368
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Anne Stabrey
Liebe bleibt jung
Geschichten um Sehnsucht und Partnerschaft
von Menschen über sechzig
Impressum:
Liebe bleibt jung
Deutsche Erstausgabe
Copyright © 2013 by Gatzanis Verlag, Stuttgart
www.gatzanis.de
Titelfoto:
© LWA-Dann Tardif/zefa/Corbis
Lektorat:
Tobias Büscher, Köln
Gestaltung und Satz:
Christine Meves, Berlin
Projektbetreuung:
Sabine Hellebrand, Stuttgart
eBook-Konvertierungen:
Nadine Werkmeister, Baienfurt
Alle Rechte vorbehalten, auch die der fotomechanischen und elektroniscen Wiedergabe sowie der Übersetzung auch einzelner Teile.
ISBN:
978-3-932855-53-5
Anne Stabrey, Jahrgang 1941, absolvierte 1973 ihr Regiestudium an der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR. Nach mehreren Jahren als Autorin und Regisseurin beim DEFA-Studio für Dokumentarfilme zog sie 1982 nach Westberlin. Dort arbeitet sie seitdem freiberuflich als Autorin und Politik-Journalistin. Zu ihren Veröffentlichungen im Printbereich zählen unter anderem „Das große Berlin für kleine Leute“ und „Courage ist weiblich“. Mit Anfang 60 begann sie - in Besinnung auf ihr eigenes Leben - sich mit dem Thema Liebe und Partnerschaft im Alter journalistisch auseinanderzusetzen. Daraus entstand ihr erstes Buch im Gatzanis Verlag „Liebe bleibt jung“.
Sie ist Herausgeberin von WOLKE 9 - dem Buch zum Film von Andreas Dresen.
Inhalt
Vorwort
Die Lebenssituation
Niemand ist gerne allein
Nicht mehr jung, aber auch nicht ›alt‹
Zwei Leben hat der Mensch
Die Tage werden länger, das Leben kürzer
Vital altern heißt Neues beginnen
Weiter leben ohne Partner
Mehr Trennungen, mehr Singles
Die Sexualität
Die christliche Moral und das Recht auf Lust
Oswald Kolle und die Antibabypille
Die Lust auf Sex
Wenn sexuelle Aktivität nachlässt
Die Entdeckung der Zärtlichkeit
Eine neue Art von Nähe
Die Partnersuche
Bindungswillig ja, bindungsfähig nein
Ist ›Starrsinn‹ ein Hindernis?
Single-Frauen in der Überzahl
Etwa lesbisch werden?
Heirat muss nicht sein
Den Partner pflegen?
Wo finde ich jemanden?
Vorsichtige Annäherung
Ältere geben schnell auf
Beate, 65
Wir haben unsere Falten lieben gelernt
Alois, 65
Lesen Sie Esther Vilar!
»Sagen Sie, haben Sie zufällig ein Kätzchen?«
Mogeln bei den Kontaktanzeigen
Eva-Maria, 74
Dieses Alleinsein ist Gift
Eine neue Liebe? Was würde Willi dazu sagen?
Hut ab vor diesem Herrn
Jens, 62
Ich hatte Angst vor der Sexualität mit einer anderen Frau
Werner, 79
»Was, du gehst noch mit einer ins Bett?«
Hedda, 64
Er war 29 und ich 53
Klaus, 71
Ich glaube nicht, dass es überzeugte Singles gibt
Karla, 65
Ich möchte mir das Seelische nimmer aufladen
Verehrer hatte ich noch und noch
Wenn mein altes Auto verreckt, dann kaufe ich mir kein neues
Britta, 62
Ich wusste gar nicht, was in mir schlummert
»Also, wenn Sie einer küsst, dann bin ich das«
Ein Professor M. fragt nur einmal
Josefine, 65
Weil ich blind bin, wollen sie mich gleich betätscheln
Christine, 64
Dass mir in diesem Alter noch mal so was Schönes passiert
Norbert, 77
Bis 35 habe ich wie ein Mönch gelebt
Claudia, 69
Von einer 60jährigen wird kaum einer sagen, die ist sexy
Quellen
Literatur-Empfehlungen
Vorwort
»Alles, was kommen wird, liegt im Ungewissen, darum lebe jetzt!«
SENECA
Das Zitat schrieb mir ein Freund zu meinem sechzigsten Geburtstag. Ich überprüfte mich. Tue ich das? Lebe ich? Mit allem, was mir möglich ist? Oder lasse ich mich von dieser schrecklichen Zahl beeindrucken? Sechzig! Ein Alter, von dem an es nur noch rasant bergab geht, wie viele meinen! Man sieht es doch! An Haut und Haaren. Schlaff und grau. Am Tempo. Als entdeckte man für sich die Langsamkeit. Es nagt eben der Zahn der Zeit an einem. Zu schweigen von all dem anderen, das man nicht auf den ersten Blick erspäht. Ich will das nicht weiter beschreiben, nicht den Finger auf all die Stellen legen. Das wäre schmerzhaft. Die anderen entdecken sie schnell genug, und dann ist das Stigma da: Alter. Und es ist nie wieder wegzukriegen. Ein Makel, der nur noch schlimmer wird. Freilich ist es zwecklos, sich dagegen zu wehren und sowieso dumm, es ignorieren zu wollen. So ist nun mal der Verlauf unseres Lebens, es kommt und vergeht. Dem müssen wir uns fügen.
Aber auf welche Weise wir dem Ende entgegengehen, darüber wollte ich nachdenken. Auf jeden Fall, so meine ich, – aktiv! Und jeder so individuell wie möglich, nach seinen eigenen Intentionen! Keinesfalls nach dem Diktat ›dem Alter angemessen‹! Wer definiert denn überhaupt, was Alter ist? Und wer schreibt vor, was man in dieser Lebensphase zu tun und zu lassen hat? Wer hat das Recht dazu? Irgendwelche religiösen oder gesellschaftlichen Moral-Institutionen?
In erster Linie steht das nur mir selbst zu! Nur ich weiß, was ich will und was ich kann. Dazu bin ich schließlich alt genug. Ich kenne meine Bedürfnisse und meine Sehnsüchte. Und wo ich an Grenzen stoße, werde ich es spüren. Nur so kann es gehen. Ich halte Ausschau und greife zu, wenn sich mir etwas Neues bietet, und sollte mir neuerdings irgend etwas zu schwer werden, dann lasse ich es eben sein. Vielleicht kommen mir sogar noch verrückte Ideen! Selbstverständlich realisierbare. So, wie der »unwürdigen Greisin« von Brecht, die ihre Umwelt schockiert mit einem Autokauf und einer jugendlichen Freundin.
Jedenfalls werde ich weiterhin hohe Absätze tragen, solange mir das nicht weh tut. Ich werde – vielleicht sogar mehr als früher – neugierig und tolerant auf andere zugehen. Auf keinen Fall darf ich stehen bleiben! Das wäre tödlich. Ich will offen sein für alles, was mir gut tut. Meinem Geist und meinem Körper. Und wenn mir danach sein sollte, werde ich mir auch wieder einen Mann suchen. Wenigstens ihn suchen. Denn ihn zu finden ist ja nicht leicht.
So viel zu mir.
Nun wollte ich auch wissen, wie andere darüber denken, insbesondere über eine neue Partnerschaft in unserem Alter. Eine Neugestaltung des Lebens! Deshalb habe ich mich mit vielen unterhalten. Mit Gleichaltrigen und Älteren, Frauen und Männern. Sie zu finden, war nicht leicht. Zuerst habe ich an Leute geschrieben, die eine Kontaktanzeige aufgegeben hatten. Immerhin haben mir davon einige wenige geantwortet. Manche von ihnen verhalfen mir dann zu einer weiteren Adresse. Und nachdem ich auch hier und da von meinem Projekt erzählt hatte, kamen schließlich rund vierzig Einzelgespräche zustande. Freilich wollten meine Interviewpartner anonym bleiben, die Namen sind deshalb geändert und die Berufe zumeist nicht näher bezeichnet.
Worauf ich allerdings gar nicht gern verzichtete, sind die vielen Gespräche, die ich nicht in das Buch aufnehmen konnte, hätten alle zusammen doch den Buchdeckel gesprengt. Um wenigstens auch einige von ihnen zu Wort kommen zu lassen, habe ich ihre interessantesten Zitate in meine einführenden Kapitel übernommen. So hat im übrigen jeder, auch wer seine Geschichte hier nicht gedruckt vorfindet, zum Buch beigetragen, zu meiner Meinungsbildung, zu meinem Text.
Diese Frauen und Männer haben mir aus ihrem Leben erzählt, von glücklichen und zerbrochenen Beziehungen, von Liebe, Schmerz und Verlust, von Hoffnungen und Sehnsüchten, und davon, ob sie zur Zeit erneut nach einem Partner suchen, auf welchem Weg, mit welchem Erfolg. Ein Schatz an Erfahrungen kam da zu Tage.
Man sagt, ältere Menschen scheuen sich, offen über Partnerschaft und Sex zu sprechen. Das mag allgemein stimmen. Denn sie sind in einer Zeit aufgewachsen, in der andere Vorstellungen galten, andere Normen von Ethik und Moral. Ich hatte wohl Glück, denn sie teilten sich mir gerne mit. Sie trugen mir ihre Geschichten vor wie aus einem offenen Buch. Sie haben dieses Buch gründlich gelesen, ist es doch eine der reizvollsten Beschäftigungen, wenn man älter wird, sein Leben zu reflektieren und darüber nachzudenken, wie es damit weitergehen könnte. Sicherlich finden sich viele Leser in diesen Geschichten wieder. Und vielleicht machen sie auch manchem Mut, in seinem Leben noch einmal etwas ändern zu wollen.
Auch Prominente kommen – mit Zitaten – zu Wort. Einige davon bekam ich persönlich zugeschickt, die meisten entnahm ich Sekundär-Quellen. Darunter sind Namen wie Alice Schwarzer, Udo Jürgens, Uschi Glas, Dieter Hildebrandt, Beate Uhse, Wolfgang Joop, Hans-Dietrich-Genscher, Gisela May und Gesine Schwan.
Allen, die sich beteiligt haben, gilt mein Dank!
Anne Stabrey
Die Lebenssituation
Niemand ist gerne allein
Jeder von uns weiß, wie sehr unser Wohlbefinden leiden kann, wenn wir längere Zeit allein sind. Und dennoch leben immer mehr Menschen als Singles, ungewollt oder gewollt. Sie riskieren, zu vereinsamen und depressiv zu werden. Denn Einsamkeit macht krank, nicht jeden, aber viele. Soziale Isolation ist ein sehr ernst zu nehmendes Symptom unserer Gesellschaft, das sich zusehends verschärft. Jeder Mensch braucht ein soziales Umfeld, in dem er sich austauschen kann und Bestätigung findet. Der Mangel an zwischenmenschlichen Beziehungen kann durch moderne Kommunikationsmittel ein wenig gelindert, aber nicht ersetzt werden. In seine Wohnung zurückgezogen, unterhält sich der Alleinlebende mit seinem Fernsehgerät. Besonders trostlos für ihn sind die Feiertage und Wochenenden, für den Ruheständler ist es jeder Tag.
Klaus (71): Es ist so, dass hier manchmal drei Tage lang kein Telefon klingelt. Der Song »Kein Schwein ruft mich an« trifft voll auf mich zu.
Gerd (63): Die Entwicklung der Menschheit hat doch gezeigt, dass keiner alleine bestehen kann. Eremiten sind Sonderlinge. Die sollen ihr Dasein pflegen, meinetwegen. Aber ansonsten ist der Mensch ein soziales Wesen.
Ich habe zweifellos mehr Frauen zum Freund. (wenn es um ›Freundschaft‹ geht!) Ich habe oft darüber nachgedacht, warum das so ist. Frauen können besser zuhören, Männer dagegen sind eigentlich immer mit sich selbst beschäftigt.
Mario Adorf
Fast alle meiner Gesprächspartner sagten, dass sie sich einen engen Vertrauten wünschen, mit dem sie reden und sich auseinandersetzen können. Dieser Wunsch nach Austausch wurde oft an erster Stelle genannt, vor allem von den Frauen und manchmal mit dem Hinweis, das müsse nicht unbedingt eine Liebesbeziehung sein, sondern auch reine Freundschaft sei willkommen. Sie alle wünschen sich das gemeinsame Erlebnis, von der Reise bis zum Kinobesuch. Sie wollen erfahren, was der andere dazu meint, ob er sich über etwas Bestimmtes ebenfalls freut oder ärgert.
Brigitte (59): Das denke ich durchaus, dass mir da etwas fehlt. Durch das Alleinsein. Das Diskutieren über eine Sache zum Beispiel. Sich austauschen in allen Fragen. Es bleibt so vieles auf der Strecke. Es versandet so manches. Und man bewegt sich nicht weiter.
Damit ist etwas sehr Wesentliches gesagt, was bei engen Freundschaften und mehr noch in einer guten Partnerschaft gegeben ist: Im Austausch mit dem andern erfährt man von dessen Sicht der Dinge und macht sich diese gegebenenfalls zu eigen. Das kann auf die Dauer eine wertvolle Bereicherung der eigenen Persönlichkeit bedeuten. Indem der Mensch kommuniziert, entwickelt er sich weiter.
Für das Gefühl geborgen zu sein in einer Zweierbeziehung mit Kindern gibt es keinen Ersatz.
Wolfgang Joop
Freunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen können einem zwar vieles, aber eben nicht alles geben. Ideal wäre eine enge, aber nicht einengende Bindung. Wer hat denn nicht wenigstens einmal im Leben von einer Beziehung geträumt, die möglichst harmonisch verläuft, weil in ihr Aufrichtigkeit, ein Austausch ohne Vorbehalte und absolute Intimität gegeben sind, trotz aller zu respektierenden Unterschiede? Eine solches Ideal verwirklicht sich leider viel zu selten. Aber gerade in unserer immer anonymeren Welt wächst die Sehnsucht, sich in eine Nische zurück zu ziehen, zu einem Partner, bei dem man sich sicher und geborgen fühlt, und wo man Liebe findet. Auch mit dem Älterwerden erlischt der Wunsch nach einem Partner keinesfalls.
Gudrun (59): Ich habe viele sehr gute Freunde, die ich über 30 Jahre kenne und die jeden Winkel meiner Seele kennen. Und trotzdem ist das was anderes als ‘ne Partnerschaft. Ich möchte einfach gern mit einem Mann zusammen sein.
Eva-Maria (74): Eine Freundin ersetzt keinen Freund. Das ist ... Ach, es ist so banal, darüber zu reden. Wir sind nun mal geschaffen als Männer und Frauen, das muss doch einen Sinn haben. Und ich mag auch noch die körperliche Nähe. Es ist nicht so, dass ich da nun ganz kalt bin, überhaupt nicht.
Insofern haben Menschen, die ohne Partner leben, ein besonderes Defizit. Es fehlt ihnen das Erotisch-Emotionale und Sexuelle in einer liebevollen Beziehung. Wem wäre denn die Liebe in einer Partnerschaft kein wesentliches Bedürfnis? Auch wenn jeder weiß, dass sie zu erlangen und zu erhalten nicht leicht ist. Die Sehnsucht nach dem anderen ist ewig, und die Zweierbeziehung kann durch nichts ersetzt werden, nicht in ihrer besonderen Erotik und Intimität.
Ich glaube, dass die Sehnsucht nach Liebe nie aufhört, und dass man auch, wenn man über 60 ist, eine intensive Liebe genießen kann.
Gesine Schwan
Luise (63): Ich glaube, wenn ich heute einen Mann treffen und mich in den verknallen würde, wär’ das wahrscheinlich nicht viel anders als vor 40 Jahren. Ich würde bestimmt genau so aufgeregt, so verrückt und überschießend und rot und rosa im Kopf herumlaufen.
Das ist auch für den 90-Jährigen nicht anders. Wenn Liebe Erfüllung findet, kann sie in höherem Alter sogar umfassender empfunden werden, als sie der jüngere Mensch wahrzunehmen vermag. Mit dem Älterwerden verändert sich die Gefühlswelt, wir werden besinnlicher, wir leben bewusster. Auch die Liebe nehmen wir intensiver wahr – und ganzheitlich, mit Körper, Seele und Verstand, mit unserer gesamten Lebenserfahrung.
Die Erotik wird intensiver mit den Jahren.
Peter Alexander
Gerd (63): Was ich bei einer Partnerin suche, ist Zusammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen und Zärtlichkeit, auch eben körperliche Nähe, – und um diesen Begriff mal zu benutzen, die ›Verschmelzung‹, also das Sexuelle. Und die geistigen Interessen sind wichtig. Dass man da auch Berührungspunkte hat und sich die Partnerschaft nicht nur auf das Gefühlsmäßige beschränkt.
Paracelsus sagte, Liebe sei die beste Medizin. Das ist sehr komplex zu verstehen, und trifft auf jede menschliche Beziehung und jedes Lebensalter zu. Schon allein eine zärtliche körperliche Berührung entspannt wohltuend und regt außerdem die Hormonproduktion an. Man hat festgestellt, dass bei Verheirateten das Krankheitsrisiko geringer und speziell das Risiko für einen Herzinfarkt nur halb so groß ist. Demnach lebt ein harmonisches Paar gesünder als Singles.1 Letztere sollten also, so Ihnen daran liegt, als Ausgleich besonders viel für ihre Gesundheit tun. Von meinen Gesprächspartnern achten tatsächlich die meisten darauf.
Zu einer Partnerschaft gehört nicht nur Liebe, sondern genauso auch Vertrauen, Toleranz und Verantwortung.
Vicky Leandros
Luise (63): Ich fahre Rad, schwimme und gehe zu einem KörperTraining. Es ist eine Mischung von Gesundheitsund Körperbewusstsein. Also, die Eitelkeit spielt auch eine wichtige Rolle. Es ist doch so, wenn dir dein eigener Körper noch gefällt, dann kuckst du anders in die Welt, wirst wiederum anders angekuckt, und hast dadurch auch einen Lustgewinn am Leben. Zu merken, du bist keine graue Maus, du gehst aufrecht und siehst gut aus.
Leistungsfähigkeit und gepflegtes Aussehen befördern die gegenseitige Anziehung zwischen Mann und Frau.2 Das kann jeder feststellen, der zum Beispiel an einem Fitness-Training teilnimmt. Grundsätzlich hemmt genügend Bewegung das Altern! Somit verfehlen öffentliche Gesundheitsauf klärung und Werbung ihre Ziele nicht. Ausgeschieden aus dem Beruf, haben Ruheständler ausreichend Zeit und oft auch das nötige Geld, um einige der vielfältigen Angebote wahrzunehmen: Ausdauersport, Yoga, Gehirnjogging, ausgewogene Ernährung und vieles mehr. Eine liebevolle Partnerschaft wäre natürlich die ideale Gesundheitsmaßnahme. Und außerdem macht Liebe bekanntlich schön! Bei älteren Menschen sieht man das besonders! Wenn sie aus ihrem Inneren heraus strahlen, ist es, als würden ihre Gesichtsfalten unsichtbar.
Erfüllte Liebe äußert sich körperlich als wohltuendes Lustgefühl mit Glühen und Strömen, mit Freude und wohliger Entspannung. Sie schafft Nähe, Vertrauen und ermöglicht Hingabe und Aufopferung
Hans-Joachim Maaz
Nicht mehr jung, aber auch nicht ›alt‹
Ab wann ist man eigentlich alt? Mit 60 oder erst mit 80? Darüber könnte man streiten. Denn da ist zum einen die offizielle Zuordnung und zum anderen die persönliche Sicht.
Mit der wachsenden durchschnittlichen Lebenserwartung haben sich die Relationen gewaltig verschoben. Vor 100 Jahren galt man mit 50 als alt, man befand sich ›im Alter‹. Heute kann man das nicht mehr so sehen. Was man Alter nennt, tritt erst später ein. Die Forschung hat sich auf folgende Definition geeinigt: 60- bis 80-Jährige gehören zum ›jungen Alter‹, danach gehört man zum ›hohen Alter‹.3
Was bedeutet Älterwerden? Mit dem Kopf hat es jedenfalls nichts zu tun.
Ulrich Wickert
Wie alt man ist, das ist aber auch eine sehr individuelle Sache. Die einen altern schneller, die anderen langsamer. Interessant ist, dass die meisten älteren Leute, sofern sie relativ gesund sind, sich als rund zehn Jahre jünger empfinden! Auch die, mit denen ich gesprochen habe.
Carl (90): Also, die 90 kommt an mich gar nicht ran, die kann ich einfach nicht wahrhaben. Ich fühle mich etwa wie Ende 70. Ich sehe ja auch nicht so alt aus.
Alter? Ein mühsamer deprimierender Prozess. Nichts ist schön daran.
Gisela May
Dieses subjektive Empfinden beziehen Alternsforscher durchaus in ihre Untersuchungen ein. Denn wie langsam oder wie schnell jemand altert, ist nur aus mehreren Befunden zu erkennen, und zwar anhand der körperlichen, seelischen, mentalen und auch sozialen Entwicklung. Wer Genaueres über sich wissen will, kann immerhin sein ›biologisches Alter‹ in medizinischen Instituten prüfen lassen. Ich jedenfalls spreche hier lieber von ›älteren‹ Menschen, vom ›Älterwerden‹ und von ›höherem‹ Alter. Diese relativierende Betrachtung scheint mir nicht aus Gründen der mangelnden Messbarkeit geboten, sie entspricht auch meiner persönlichen Abneigung, das vernichtende Wörtchen ›alt‹ zu früh zu gebrauchen. Das einzige, was wir als absolut und unabänderlich akzeptieren müssen, ist die Tatsache, dass wir altern.
Thorsten (62): Du merkst, dass du dich körperlich veränderst. Wenn ich in die Oper gehe, dann kann ich nicht mehr mit angewinkelten Knien anderthalb Stunden sitzen. Oder neuerdings, wenn ich aufstehen will, tue ich das nicht kraft meiner Beine, sondern stütze mich auch mal mit der Hand ab. Vergesslich bin ich auch manchmal. Und die berühmte Geschichte: die Suche nach der Brille!
So stellt man sich gemeinhin das Älterwerden vor. Aber es wäre ziemlich einseitig, nur noch von einem »kontinuierlichen Verfallsprozess« zu sprechen4, bei dem alle Fähigkeiten und Fertigkeiten, körperliche wie geistige, radikal nachlassen und zielsicher in Gebrechen und Demenz münden. Die Amerikanerin Betty Friedan5 hat mit diesem »Mythos Alter« gründlich aufgeräumt. Sie konnte nach umfassenden Befragungen feststellen, wie ältere Menschen neue Qualitäten und Stärken entwickeln. Freilich muss man unterscheiden, welche Veränderungen einerseits im körperlichen und andererseits im geistigen Bereich vonstatten gehen, wo also mit dem Altern die Verluste und wo die Gewinne liegen. Wissenschaftler haben festgestellt, dass ältere Menschen im Geistigen besonders gut abschneiden. Zum Beispiel sind sie auf dem Gebiet der emotionalen und sozialen Intelligenz meist besser als Jüngere. Das zeigt sich unter anderem in ihrem größeren Verständnis für menschliche Konflikte. Auch geht ihnen ihr Fachwissen kaum verloren, zumal, wenn sie geistig aktiv bleiben.
Das Alter ist nicht einfach gleichzusetzen mit Plage und Pflege. Intelligenz, auch Kreativität sind nicht länger Privilegien der Jugend. Mit Ende Zwanzig verfügt man wohl über eine erhebliche intellektuelle Beweglichkeit, doch die zunehmende Lebensund Berufserfahrung kommt erst mit fortschreitendem Alter eine wertvolle geistige Ressource. ... Ältere Menschen, die ihre Lebensneugier bewahrt haben, bieten den nachwachsenden Jüngeren einen Reichtum an Erfahrung und Ratschlägen. Und sie lernen von den Jungen, wie sich die Welt verändert, welche neuen Gesichtspunkte man berücksichtigen muss, wenn man sich ein haltbares Urteil bilden will.
Gesine Schwan
Und dennoch! Trotz aller Auf klärungsversuche gilt man in der Gesellschaft mit dem Eintritt in den Ruhestand prompt als ›alt‹. Diese Einstufung stößt vermutlichbei jedem der Betroffenen auf inneren Protest. Wer will denn schon als »der Alte« oder »die Alte« stigmatisiert werden!
Langsam haben wir Verhältnisse wie in Amerika: Da drehen die Frauen hysterisch durch und wollen sich am liebsten eine Kugel durch den Kopf jagen, weil sie über 40 sind. Was ist das bloß für eine verblödete Gesellschaft, in der nur noch Zwanzigjährige interessant sind!
Hannelore Hoger
Wenn man nicht alt werden will, muss man vorher sterben. So einfach ist das.
Hannelore Elsner
Auch wenn sie ihr Älterwerden realistisch sehen (vielleicht auch aus einer gewissen Protesthaltung heraus), umgeben sich viele ältere Menschen gerne mit jüngeren. Vorausgesetzt, diese verhalten sich ihnen gegenüber aufgeschlossen und tolerant. Die meisten fühlen sich unter Gleichaltrigen wohl. Es gibt aber auch besonders vitale ›Senioren‹, die ihr Alter nicht wahrhaben wollen und in eine Scheinjugend flüchten. Sie ignorieren das Altern, vertreten extrem jugendliche Trends und beteuern gern lauthals, wie wohl sie sich dabei fühlen. Das kann bis zum letzten Tag gut gehen, muss aber nicht. Sie erlegen sich mit diesem Verhalten einen gewissen Leistungszwang auf und verzichten damit auf die Gelassenheit, die ihnen das Alter bietet. So sind Konflikte zumindest vorprogrammiert. Konflikte mit sich selbst und möglicherweise mit dem Partner, insbesondere mit einem jüngeren. Das gegenseitige Verständnis und nicht zuletzt auch die sexuelle Beziehung können gestört sein. Einer Zeitungsnotiz zufolge haben britische Forscher entdeckt, dass die Lebenserwartung von Menschen mit einem wesentlich jüngeren Partner geringer ist. Der Jüngere verkürze die Lebensdauer des Älteren, indem er ihn – und derjenige sich selbst – permanent unter Druck setzt.
Ich stehe zu meinen Augenringen und Stirnfalten. Meine Haare färbe ich schon lange nicht mehr ... Es ist ungeheuer wichtig, sich das Altwerden zu gestatten. Furchtbar finde ich die Angst vor dem gelebten Gesicht und diese Versuche, sich durch chirurgische Eingriffe eine Scheinjugend zu verschaffen.
Erika Pluhar
Walter (77): Manche Männer sagen, sie sollte 25 sein! Das ist ja lachhaft. Ich sehe es doch, wenn ich mit Jüngeren zusammen bin. Es ist ‘ne andere Generation, ‘ne andere Denkweise, andere Erfahrungswerte. Und wir haben ja auch schon bestimmte Eigenarten. Und so kleine Beschwerden. Nein, ich sehe das ganz realistisch.
Auch die körperliche Beziehung zwischen Frau und Mann verändert sich mit dem Älterwerden. Der Geschlechtsakt wird weniger wichtig, dafür eröffnen sich der Erotik neue Bereiche (mehr dazu später). Dieser Entwicklung sollte vor allem der Mann ins Auge sehen, auch wenn es selten so drastisch endet, wie Jens erzählt:
Jens (62): Ich hab ‘ne Nachbarin, die hat ihren Lebensgefährten verloren. Der hat probiert, noch mal mit ‘ner Nutte zu schlafen. Das hat nicht geklappt, trotz Viagra, da hat er sich ‘ne Kugel durch den Kopf gejagt.
Zwei Leben hat der Mensch
Diejenigen, um die es in diesem Buch geht, befinden sich sozusagen in der zweiten Hälfte ihres Lebens. Denn gewöhnlich lässt sich unser Dasein in eine erste und in eine zweite Phase unterteilen. Es sind zwei Lebensabschnitte, die auf natürlichen wie sozialen Gesetzmäßigkeiten beruhen und die den Menschen vor jeweils besondere Aufgaben stellen.
In der ersten Hälfte ist eine Lebensform üblich, die man expansiv nennen kann: Der Mensch verlässt das Elternhaus, wird selbstständig und passt sich seinem gesellschaftlichen Umfeld an. In der Regel sucht er nach einer Erwerbstätigkeit und gründet eine Familie oder Partnerschaft. Kurz gesagt, er stellt sich ›auf eigene Beine‹.
Da die meisten von uns älter werden als unsere Vorfahren und auch durchaus nicht immer gebrechlich sind, sollten wir uns auf diesen 2. Lebensabschnitt freuen.
Gesine Schwan
In der zweiten Lebenshälfte muss man sich neu orientieren, weil die Aufgaben von früher nicht mehr gegeben sind. Zu einem zentralen Anliegen wird jetzt die Besinnung auf das Leben, wie es war, wie es ist und wie es noch werden könnte. Man kann sagen, der Mensch geht jetzt mehr nach innen. Das geschieht oftmals unbewusst und ohne absichtliches Bemühen. Wann etwa beginnt diese zweite Lebenshälfte? Für die Frau kann sich bereits eine Zäsur während der Menopause einstellen, zumal, wenn sie nicht erwerbstätig ist. Ab jetzt kann sie keine Kinder mehr gebären, und die, die sie aufgezogen hat, verlassen das Haus. Das leere Nest kann bei mancher Frau zu einer psychischen Krise führen. Andere sagen sich zukunftsorientiert: Jetzt beginnt das Leben! Zweifellos sind in jedem Fall neue Aktivitäten gefragt.
Scheußlich, wenn ich eine Idee für ein neues Projekt hätte, es aber nicht machen könnte, weil ich Pensionär bin. Ich mache weiter, bis ich nicht mehr kann.
Peter Ustinov
Für den Mann geht der expansive Lebensabschnitt meist in dem Moment abrupt zu Ende, wenn er aus dem Erwerbsleben ausscheidet. Auch die berufstätige Frau steht zu diesem Zeitpunkt endgültig vor einer sich auftuenden Leere. Diese muss nun mit neuen Inhalten gefüllt werden.
Der Verlust der Arbeit kann ein immenses Problem sein, besonders für diejenigen, die darin den Hauptsinn ihres Lebens sahen. Freilich gehen manche auch gern in den Ruhestand, zumal wenn sie sich finanziell ihren neuen Lebensabschnitt mit interessanten Aktivitäten ausfüllen können.
Amerika’s großzügige Art, Leute aufzunehmen und zu akzeptieren, machte es mir möglich, eine dritte Karriere mit Sechzig zu beginnen.
Armin Mueller-Stahl
Nach neuen Lebensinhalten sollte jeder rechtzeitig suchen! Es wäre fahrlässig, den Ruhestand unvorbereitet an sich herankommen zu lassen. Ist man erst in das ›tiefe schwarze Loch‹ gefallen, ist es schwer, sich daraus wieder zu befreien. Deshalb sollte man niemals damit auf hören, soziale Kontakte zu pflegen, denn aus dem Nichts heraus neue Fäden zu knüpfen ist nicht leicht.
Ich würde mir wie ein Fahnenflüchtiger vorkommen, wenn ich mich abmelden müsste.
Norbert Blüm
Singles haben es nach der Pensionierung besonders schwer. Vermochte der Beruf bislang eine fehlende Partnerschaft auszugleichen, wird jetzt ein doppelter Verlust spürbar. Wer keine Liebe und keine Arbeit mehr hat, dem fehlen zwei essentielle Dinge im Leben! Es drohen soziale Isolation und Depressionen. Grundsätzlich hilft, in Bewegung zu bleiben, geistig wie körperlich! Nichtstun kann der Anfang vom Ende sein.
Ich habe einen Beruf, der nicht ans Alter gebunden ist, Schauspielerin.
Gisela May
Gudrun (59): Es ist so, dass ich in diesem Sommer in Rente gehe. Und das ist für mich ‘ne Motivation, mich jetzt in Bewegung zu setzen und ‘ne Partnerschafts-Anzeige aufzugeben. Da ich viel zu tun habe, vermisse ich momentan nichts. Aber ich werde dann ab August mehr Zeit haben und da wär’s ganz nett, wenn ich jemanden hätte, mit dem ich vielleicht öfter in der Woche zusammen sein könnte.
Man darf sich nicht irgendwann in den Sessel fallen lassen und nur noch auf das Abendprogramm warten. Man muss sich Ziele setzen.
Hans-Dietrich Genscher
Brigitte (59): Ich möchte nicht gern alleine alt werden. Jetzt wird der Tag durch die Besuche bei meiner Mutter im Heim bestimmt. Diese Aufgabe füllt mich aus und ich bekomme auch was zurück, es ist nicht so, dass ich da nur gebe. Wenn das mal weg fällt, davor hab ich ein bisschen Angst. Es kann ja gut sein, dass das in einem Jahr schon ist, dann ist da eine Lücke, die ich eigentlich schon vorher einplanen und ausfüllen müsste. Und es wär’ schon schön, wenn da jemand wäre, mit dem man sein weiteres Leben planen kann.
Die Tage werden länger, das Leben kürzer
Wenn die Berufstätigkeit zu Ende geht, ist das zunächst eine Erleichterung. Man ist befreit von einer Last, von Verantwortung und Stress. Jeder einzelne Tag gehört einem selbst. Es gibt keinen Chef mehr, keine lästigen Verpflichtungen oder Konflikte. Der Ruheständler hat ein wunderbares Geschenk bekommen, nämlich Freizeit! Zeit, die er für sich selbst verwenden kann. Der Verlust der Arbeit birgt somit einen Gewinn.
Hedda (64): Und nun dieses Gefühl, morgens zu frühstücken und nicht weg jagen zu müssen, gemütlich die Zeitung zu lesen. Es hetzt dich niemand, du hast keine weiteren Termine!
Für manchen kann dieser Zeitgewinn aber auf Dauer zu einer schlimmen Belastung werden, besonders, wenn man allein lebt und seine Freizeit gern mit jemandem teilen möchte! Ein einziger Tag dauert dann schier unendlich lange.
Walter (77): Ich bin ja manchmal vier, fünf Tage allein und spreche dann mit mir selbst. Ein besonders schwieriger Moment ist, wenn man morgens wach wird und sich fragt, wozu ist eigentlich ein neuer Tag da.
Und noch in anderer Dimension erhält der Faktor Zeit jetzt stärkere Beachtung. Die Lebenszeit, die einem verbleibt, schrumpft zusehends. Während also die Tages-Freizeit größer wird, steuert die Lebenszeit auf das Ende zu. Das mag wie ein gerechter Ausgleich erscheinen. Wenn ich nun mein vergangenes Leben reflektiere, schaue ich der Endlichkeit meiner Existenz womöglich bewusster und gefasster entgegen. Und ich denke darüber nach, wie ich die verbleibende Lebenszeit gut ausfüllen kann.
Im Alter wird man geizig mit der Zeit.
Mario Adorf
Thorsten (62): Seit ein paar Monaten wird mir sehr bewusst, dass die Zeit endlich geworden ist. Ich frage mich, was kann ich noch machen, was kann ich noch erreichen, und ich bin etwas realistischer in meinen Zielen. Ich bin nicht mehr so auf alles bedacht, was los ist. Manche Dinge schränke ich ein bisschen ein, ich muss nicht mehr jeden Zeitungsartikel lesen. Wie ich das vor mir liegende Leben planen könnte, darüber mach ich mir keinen Kopf. Ich versuche, gesund zu bleiben, gehe jeden Tag spazieren, ernähre mich einigermaßen gut. Große Planung mache ich nicht. Vielleicht für das nächste halbe Jahr. Vielleicht auch für ein Jahr, das ist dann schon sehr viel.
Vital altern heißt Neues beginnen
Es ist ein Skandal, Millionen von Menschen auszugrenzen und früh zu pensionieren, die arbeiten wollen. Hier wird ein Krieg gegen die intelligenz geführt.
Hans-Dietrich Genscher
Das durchschnittliche Rentenalter liegt momentan bei 62 Jahren. Das ist ein Alter, in dem man normalerweise noch über eine respektable Leistungsfähigkeit verfügt. Was also fängt man nun damit an? Grundsätzlich sollte ich bemüht sein, ›vital‹ zu altern, mich also nicht einfach dem Alterungsprozess hinzugeben, sondern ihn aktiv zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um körperliches Training und ausgewogene Ernährung, also um körperliche Fitness. Es geht auch um Emotionen, um Wünsche und Sehnsüchte. Diese herauszufinden, dazu habe ich jetzt die Zeit. Und mit der Zeit stellt sich auch eine innere Ruhe ein. Wenn ich dann genauer in mich hineinschaue und entdecke, welche bisher nur erahnten Fähigkeiten und Kräfte in mir sind, die zu erproben ich bisher nie Gelegenheit hatte, wird mich das wahrscheinlich zu neuen Aktivitäten beflügeln.
Indem ich mich neu entdecke, mache ich zugleich Ordnung in mir und um mich herum. Wenn da irgendwelcher Ballast ist, mache ich mich frei davon. Von belastenden Unsicherheiten, Zweifeln, Fehleinschätzungen und Verbindlichkeiten. Damit wird vieles, was ich von jetzt an sage und tue, leichter und ehrlicher. Ich verstelle mich nicht mehr und zwinge mich seltener Dinge zu tun, nur weil mein Umfeld sie von mir erwartet. Dieses Zu-sich-selbst-finden kann wie eine Offenbarung sein. Ich überprüfe nicht nur mein Denken und Tun, sondern komme dabei auch dem Sinn meines Lebens auf die Spur.
Dies gelingt aber nicht so recht, wenn ich Angst vor dem Alter habe, wenn ich es verleugne und mir somit den Zugang zu meinem Inneren versperre. Ich darf das Älterwerden nicht als Belastung empfinden. Was ich brauche, ist ein positives Selbstbild: Wer bin ich, was kann ich, wo sind meine Grenzen?
Seit wir geboren sind, entwickeln wir uns weiter. Auch Ältere lernen täglich dazu, auch sie verändern sich weiterhin, wenn auch nicht mehr in allen Dingen und mit nachlassendem Tempo. Es ist wichtig, sich diesen Prozess bewusst zu machen und nicht zu denken, dass alles unabänderlich und festgelegt ist. Solange ich neugierig auf das Leben bin, werde ich mich täglich über Neuentdeckungen freuen können. Und wenn die körperliche Leistungsfähigkeit nachlässt, darf ich mich davon nicht abschrecken lassen, sondern sollte nach Alternativen suchen. Womöglich habe ich noch viel Zeit bis zum ›hohen Alter‹, wo dann endgültig nicht mehr viel geht. Aber bis dahin will ich, soweit möglich, das Leben genießen.
Als junger Mensch habe ich viel Sport getrieben und immer auf meinen Körper geachtet. Man muss immer selbst wissen, was kann ich machen, was muss ich lassen.
Johannes Heesters
›Vital zu altern‹ heißt vor allem, neue Herausforderungen anzunehmen, sich neuen Aufgaben zu stellen. Der Religionsphilosoph Martin Buber hat gesagt: »Altwerden ist ein herrlich Ding, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heißt«.
Luise (63): Neu anfangen kann man auch mit Kleinigkeiten. So sage ich mir manchmal, du gehst immer etwa zur gleichen Zeit ins Bett. Stell dir doch mal den Wecker und geh mal morgens früh um Sieben ums Karree. Das wäre schon eine Veränderung deiner Gewohnheiten. Und kuck mal, was mit dir dabei passiert. Einfach raus aus dem Trott. Es müssen nicht großartige, es können ganz kleine Sachen sein.
Eines kann jeder tun, egal, ob er allein ist oder zu zweit, ob er viel Geld hat oder wenig: Sich auf sein Leben besinnen, es rekapitulieren, Fotos und Briefe anschauen, Erinnerungen aufschreiben, Unerledigtes erledigen. Bei dieser Rückschau kann man herausfinden, was vielleicht noch zu ergänzen oder nachzuholen möglich wäre, ob man eine bestimmte Reise unternehmen, ein Studium aufnehmen oder eine frühere Freundschaft wiederbeleben will. Dabei können auch verwegene Ideen entstehen, bisher Ungewohntes oder für unmöglich Gehaltenes zu wagen, ehe es zu spät ist.
Etwas kann ich mir nicht vorstellen: So etwas ähnliches wie Ruhestand. Ich weiß gar nicht, was das ist. Zu Hause hinzusetzen und nur zu überlegen »Wo gehen wir denn heute spazieren?«. Das ist nicht meins.
Renate Schmidt
Klaus (71): Abenteuer jeder Art würde ich machen! Aber wo finde ich die Leute, die das mit mir zusammen machen? Ich kann doch nicht ne Annonce aufgeben: Suche Abenteuer. Da denken doch die Leute, der Opa tickt nicht mehr richtig. Wer will denn schon ‘nen 71-jährigen mitnehmen?
Nicht selten werden ältere Leute regelrecht auffällig, wenn sie sich, erfüllt von einem neuen Selbstbild und neuem Selbstbewusstsein, plötzlich ganz neu zeigen, wenn sie aussprechen, was sie denken und Forderungen stellen, wie sie es früher nicht gewagt hätten, wenn sie sogar über Legalitätsgrenzen hinaus gehen. Die Umwelt reagiert dann mit Kopfschütteln oder Verärgerung über die schrulligen Alten, die neugeborenen Querulanten oder gar Kriminellen. Befreiend kann sein, mitzuerleben, wie ältere Politiker sich mit einem Mal – bar jeden Karrieredenkens – auf ihr Gewissen besinnen und sich souverän sogar gegen die eigenen Reihen stellen.
Weiter leben ohne Partner
Es macht doch keinen Sinn, in Selbstmitleid zu versinken und sich gehen zu lassen. Das Einzige, was hilft: Die neue Lebenssituation aktiv angehen, sie akzeptieren und lernen, damit klar zu kommen. Es gibt immer einen Weg.
Uschi Glas
Mit dem Ruhestand kann man rechnen und sich darauf einstellen. Problematischer ist es sicherlich, wenn man unerwartet eine Liebe verliert, an der man eigentlich festhalten wollte.
Der Tod eines Menschen, mit dem man eng verbunden war, ist sicher besonders schwer zu verwinden.
Carl (90): Kurz vor dem 60. Ehejahr verstarb meine Frau. Den Verlust hab ich nur schwer verkraften können. Immer wenn ich daran dachte, kamen mir die Tränen. Die Kinder haben sich sehr um mich bemüht. Sie haben mit mir Ausflüge gemacht, Wanderungen und so was. Und dann, wie das Leben so spielt, begegnete mir öfter eine Dame mit Hund. Mit ihr bin ich nun schon acht Jahre zusammen. Meine Frau hatte gesagt, wenn ich mal nicht mehr bin, da hab ich keine Sorge, da wirst du bald wieder jemanden finden. Wenn ihr das also recht war, warum sollte ich dann alleine bleiben. Vielleicht hört sich das übertrieben an, aber ich denke, ich wär’ sonst eingegangen.
Ich habe mir verboten, zu fragen, warum das so sein musste. Ich fand es nur ungerecht, dass mein Mann seine Pension nur zwei Jahre lang genießen durfte, bevor er starb. ... Er ist noch nah, er ist in mir drin.
Dagmar Berghoff
Der Verlust kann den Betroffenen in eine tiefe Lebenskrise stürzen. Manche der Zurückgelassenen fühlen sich noch lange oder für immer an den Verstorbenen gebunden. Sie wollen in glücklicher Erinnerung allein bleiben. Noch haben auch manche die Vorstellung von ›ewiger Treue‹und würden ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie sich nach einem neuen Partner umschauen.
Eva-Maria (74): Wenn der Mensch allein bleibt, kann er kaputtgehen am Leben, oder er wird hart. Warum sollte ich denn nicht noch einmal jemanden mögen? Ich hab eingesehen, das Alleinsein ist nicht das Wahre, und Willi, mein verstorbener Mann, würde mir das nicht übel nehmen.
Weil Frauen länger leben und oft jünger sind als ihre Partner, kann es vorkommen, dass sie den gleichen Schicksalsschlag, den Verlust durch Tod, mehrmals im Leben erleiden. So auch Eva-Maria, die vor einigen Jahren einen neuen Mann liebgewonnen hatte.
Eva-Maria (74): Dann bin ich an sein Bett gegangen, und da war er gestorben. Herzschlag. Das war furchtbar. Und da hab ich gesagt »Nie wieder!« Man fühlt sich auch von allen und allem verlassen. Na ja, er war ja schon 80, und ewig lebt man nicht auf dieser Welt. Ich war mit ihm ein gutes Jahr zusammen. Es war eine schöne Zeit. Das war wirklich ein Glücksfall. Und einige Zeit danach sagte ich mir wieder, dieses Alleinsein ist Gift, ich darf nicht allein bleiben.
Laut Statistik heiraten Witwen seltener als geschiedene Frauen noch einmal. Ein Grund dafür mag auch sein, dass sie bei neuerlicher Heirat ihre Rente verlieren würden.
Mehr Trennungen, mehr Singles
Ich wollte einen Gutsbesitzer oder Großbauern heiraten, neun Kinder bekommen und im Königsberger Theater spielen.
Ingrid van Bergen
Nicht nur der Tod und andere Schicksalsschläge können zum Single-Dasein führen, viele trennen sich von ihrem Partner auf eigenen Wunsch. Es ist ein Verhalten, das sich vor Jahrzehnten in der Gesellschaft herausbildete. Die heute über 60-Jährigen hatten sich ihr partnerschaftliches Leben durchaus anders vorgestellt, als es dann tatsächlich verlaufen ist. Sie hatten angenommen, dass es lange Zeit Bestand haben würde. Als sie aufwuchsen, galten bestimmte Vorstellungen von Ehe und Sexualität. Man fand sich in jungen Jahren zusammen und ging davon aus, zu einer Partnerschaft zu verschmelzen, die im Alter unauflöslich sein sollte. »Bis dass der Tod uns scheidet.«
Noch trifft man in unserer Bevölkerung durchaus auf nicht wenige Paare, ältere wie auch jüngere, denen ein Zusammenhalt in Harmonie gelungen ist, beziehungsweise zu gelingen scheint.
Ich hätte mir gewünscht, mit einem Mann mein Leben zu verbringen. Aber ich hatte nicht das Glück, so einen Mann zu treffen.
Hannelore Elsner
Walter (77): Wir führten eine Ideal-Ehe. Es ist ja auch ein Glück, wenn zwei Personen sich treffen, wo die Interessenlage gleichmäßig gelagert ist. Ich wüsste keine Situation, wo es bedeutungsvolle, ernsthafte Eheprobleme zwischen uns beiden gab. Die gab’s nicht.
Wenn eine Ehe so lange hält, die unsere hält jetzt 62 Jahre -, ist das sicherlich in der Mehrheit der Fälle im wesentlichen das Verdienst der Frau.
Helmut Schmidt
Die Generation der 60-Jährigen hat eine einschneidende Entwicklung erlebt, eine Entwicklung, die sich bis heute vervollkommnet und verfestigt hat. Es sind die Veränderungen, die sich seit 1968 in der Gesellschaft vollzogen haben, – die Bestrebungen nach Emanzipation und Selbstverwirklichung, namentlich in der Frauenbewegung. Plötzlich drängten Mütter erwachsener Kinder oder Frauen nach der Scheidung in die Gesellschaft, in den Beruf, in ein autarkes Leben. Die Vorstellung von einem partnerschaftlichen Leben hat sich seit dieser Zeit radikal verändert. Das ehemals von der Kirche vorgeschriebene Paradigma der unauflöslichen Ehe wurde endgültig verworfen, die Ehescheidung gesellschaftsfähig.
In der damaligen DDR war die Scheidungsquote eine der höchsten weltweit. Das hatte allerdings eine andere wesentliche Ursache. Rund 90 Prozent der Frauen waren seit jeher voll berufstätig und somit materiell unabhängig, was ihr Selbstwertgefühl durchaus stärkte. Wenn der Ehemann sich als ewiger, vielleicht auch noch alkoholsüchtiger Macho erwies, warfen sie schnell die Flinte ins Korn und ihn aus der Wohnung. So wie damals in Ostdeutschland geht auch heute in Gesamtdeutschland in fast zwei Dritteln der Fälle die Scheidung von der Frau aus.
Frauen werden, wenn sie wirklich etwas ändern vollen, immer zuerst bei sich selbst anfangen müssen.
Alice Schwarzer
Nach 1968 begannen die Heiratsziffern zu sinken und die Scheidungsquoten zu steigen. Das hat erschreckende Ausmaße angenommen. 1960 kamen in der Bundesrepublik Deutschland auf hundert Eheschließungen zehn Scheidungen, 1992 waren es bereits über 30 und momentan sind es bundesweit mehr als 50. Die Novellierung des Eherechts 1976 schaffte auch für die Scheidung langjähriger Ehen (26 und mehr Jahre) eine rechtliche Grundlage. Die Scheidungsraten dieser Ehen verdoppelten sich von dieser Zeit an.6
Ich merke plötzlich, dass das Dasein als Single Vorteile hat. Plötzlich kann ich machen. was ich will. Ich kann einfach die Tür hinter mir zumachen oder mich mit Freunden treffen und auf Party’s gehen, wenn’s mir passt ich finde das ist ein großes Abenteuer, eine spannende Erfahrung. Ich endecke mich quasi selber wieder neu.
Uschi Glas
Die Individualisierung ist zu einem Kennzeichen unserer freiheitlichen Gesellschaft geworden. Partnerschaften werden schnell labil, Paare trennen sich, Menschen vereinzeln. Die einen leiden darunter, die anderen empfinden die gewonnene Freiheit als beglückend. Endlich sich selbst verwirklichen können! Die Euphorie darüber lässt irgendwann nach. Und dann kann es sehr ernüchternd sein, wenn man merkt, dass die gewonnene Unabhängigkeit auch Einsamkeit mit sich bringt.
Claudia (69): Ich hatte mir heimlich eine Wohnung besorgt, habe dann aber noch drei Wochen bei ihm ausgehalten. Erst als ich den Mietvertrag hatte, hab ich es ihm gesagt. Ich hätte das nicht gut gefunden, schnell meine Sachen zu packen und zu verschwinden, und wenn er dann nach Hause kommt, bin ich weg. Das war gar nicht so leicht, seinen Schmerz zu sehen, aber ich war mir so sicher, ich wollte bloß weg und meinen Frieden haben. Ich hab mich einfach nur gerettet.
Es gibt eine große Fremdheit zwischen den Geschlechtern, die mit Liebeskitsch und Leidenschafts-Tam tam übertüncht wird. Wie im Falle Bertrand Cantat gegen Marie Tritignant oder Gerd Bastian gegen Petra Kelly. Irgendwann wird dann totgeschlagen.
Alice Schwarzer
Nach einer Trennung wird man vorübergehend – oder für immer – zum Single und sucht nach einer neuen Liebe. Die Lebensphasen der Partnerschaft und der Partnersuche wechseln sich ab. Partnerbiografien werden bewegter. Es werden mehr Zweitund Dritt-Ehen, bzw. nacheinander mehrere Partnerschaften geschlossen. Man spricht in diesen Fällen von ›linearer Polygamie‹7, das heißt, jemand verhält sich in einer Beziehung monogam, also treu, und erst wenn diese beendet ist, beginnt er eine neue. In der gesellschaftlichen Dimension erkennt man, wie die Fluktuation unter den Partnern zugenommen hat. Viele von ihnen fragen sich später, warum es zu der Trennung kam.
Wenn meinem Mann nie eine Andere gefallen hätte, hätte ich das bedauerlich gefunden.
Nadja Tiller
Gerd (63): Also, ich war damals mit knapp 25 für die Eheschließung nicht reif genug und für die Beziehungen, für die davor schon gar nicht.
Treue? Ist schwierig einzuhalten für sich selbst, beim Partner möchte man sie, die Treue!
Gisela May
Gudrun (59): Ich hab ja doch einige Partnerschaften hinter mir. Und ich glaube, dass ich jetzt mit ‘ner neuen Partnerschaft vorsichtiger umgehen würde und manches überdenken würde, was ich früher nicht getan habe.
Die älteren Singles sind in der Mehrzahl Frauen, ob verwitwet oder geschieden. Sie haben keinen neuen Partner mehr gesucht oder gefunden. Die Hauptursache für die hohe Anzahl allein lebender älterer Frauen ist, wie gesagt, dass sie sehr viel länger leben als Männer. Momentan liegt die durchschnittliche Lebenserwartung der Frauen bei rund 81, die der Männer bei rund 75 Jahren. Von den über 65-jährigen Frauen sind nur 28 Prozent verheiratet, von den gleichaltrigen Männern dagegen sind es 75 Prozent.8 Dass sehr viel mehr Frauen in diesem Alter Singles sind, verstärkt sich noch dadurch, dass geschiedene oder verwitwete Männer häufig jüngere Frauen den gleichaltrigen Frauen vorziehen. Ein Drittel der Männer verhält sich so. Entsprechend gehen sehr viel mehr Frauen bei einer Partnersuche leer aus.
Kann man von einem Mann verlangen, dass er treu ist? Ich glaube, dass wir Frauen da ein bisschen schräg liegen. Treu sein ist, wenn jemand immer weiß, wohin man gehört, wenn man nie seine Familie verlässt und für sie sorgt. Es ist vieles zu kitten, auch so ein bisschen Untreue.
Maria Hellwig
Von den über 80-jährigen Frauen sind 80 Prozent verwitwet. Das Leben dieser Generation war meist noch nach dem einfachen Muster der Ehe bis zum Tode des Partners verlaufen, die Scheidungsquoten waren relativ niedrig. Wer in der Nachkriegszeit heiratete, blieb und bleibt meist zusammen.9
Am Schluss ist jeder froh, wenn die Familie erhalten bleibt.
Margot Hellwig
Die Tendenz zu einer zumindest vorübergehenden Vereinzelung der Menschen hat inzwischen alle Generationen erfasst. Eine Folge davon wird sein, dass der Anteil der allein lebenden älteren Menschen in Zukunft noch höher sein wird als heute.
Es gibt Menschen, für die Treue wahnsinnig wichtig ist und die bei einem einzigen Fehltritt sofort othellomäßig handeln, egal ob Mann oder Frau, und sagen, der guckt doch tatsächlich die Nackenhaare von einer fremden Frau an, der findet das Lächeln einer fremden Frau gut, der findet vielleicht sogar, dass die schöne Augen hat, wer weiß, was der sonst noch alles findet, damit ist jetzt Schluss, das war’s, nie wieder! Ich könnte es verknusen. Untreue. Ich könnte das durchstehen. Natürlich lässt diese große, rauschende, strohfeuerartig abbrennende Liebe etwas nach, das ist bei fast allen so. Aber bei dem, was danach kommt, spielt, glaube ich, Gewährenlassen eine wichtige Rolle. Hinnehmen, dass man zwei Menschen ist ... zwei Menschen mit verschiedenen Interessen. Das ist die Voraussetzung für eine Ehe, die nicht gleich platzt, wenn mal was wackelt.
Manfred Krug
Wenn Ehen in unserer Zeit nicht mehr so lange halten wie früher, hat das neben persönlichen immer wieder auch äußere Ursachen. Momentan finden sich solche ›Störfaktoren‹zum Beispiel im sozioökonomischen Bereich, von dem die Älteren allerdings nicht mehr betroffen sind. Arbeitslosigkeit und Finanzsorgen wirken sich destruktiv aus, sie können zu Brüchen und Verwerfungen in den Partnerschaften führen oder feste Partnerschaften gar nicht erst ermöglichen. Manches Paar bliebe vermutlich zusammen, wenn die äußeren Bedingungen besser oder anders wären.