Liebe mich, wenn du stirbst - Kathrin Peters - E-Book

Liebe mich, wenn du stirbst E-Book

Kathrin Peters

0,0

Beschreibung

Seit Koras achtzehntem Geburtstag zur Sonnenwende 2010 ereignen sich merkwürdige Dinge: Sternschnuppen regnen herab, ihre hintersinnige Großmutter Liese sorgt sich um sie und ein Oldtimer folgt ihr von der Schule zu ihrem neuen Ferienarbeitsplatz, dem Planetarium in Hamburg, vor dem sie in Ohnmacht fällt, angenehmerweise gehalten von einem schönen Fremden, der sich neben ihr aufrappelt und der sie unangenehmerweise zu kennen scheint. Ähnliches widerfährt ihrer besten Freundin Freya, Tochter zweier Ägyptologen. Robert, ein den beiden anvertrauter Schüler aus Ahrensburg, verschwindet spurlos, ein geheimnisvoller neuer, Sobek, lädt sie in das ehemalige Haus ihrer Großmutter Liese. Was das alles zu bedeuten hat und was es mit Koras und Freyas Leben zu tun hat, erfährt sie auf einer Lichtung im Ahrensburger Tunneltal, gefesselt in einem Sechseck, das nur zu sehr demjenigen auf der Himmelsscheibe von Nebra und auf dem eiszeitlichen Schädel aus dem Tunneltal gleicht, doch akzeptieren will sie es noch lange nicht: Die Welt ist eine andere, als wir glauben, und ob sie bestehen bleibt, hängt an - ein paar Jugendlichen, die keine Lust haben aufs Heldenspielen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 605

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Liebe mich, wenn du stirbst Kathrin PetersCopyright 2011 Kathrin Peters published at epubli GmbH, Berlin www.epubli.de ISBN: 978-3-8442-2594-5

Die Liebe ist stärker

als die Götter

und der Tod

Ahrensburger Tunneltal 22.9.2009

„Pssst! Kommt her,“ zischte Robert den aufgeregten Kindern zu, „jetzt zünden wir sie an.“

Sie umrundeten den Elftklässler der Heimgartenschule mit ihren Stangen und Seilen und ließen ihn eine Schleuder nach der anderen in Brand setzen. Die Flammen sogen gierig an den  Tampen und fauchten um die Brandsätze herum nach oben in die Erlenkronen. Fasziniert wichen die Jungen und das Mädchen zurück und beschleunigten die lodernden Poi- Pois zu anmutigen Achten, Spiralen und Kreisen um ihre Körper.

Robert folgte den flammenden Figuren seiner jungen Schüler voller Stolz. Noch nie hatte er seine Gruppe mit brennenden Schleudern üben lassen. Erst nach einem halben Jahr hatte er gewagt die Kinder in das sumpfige Naturschutzgebiet am Stadtrand mitzunehmen. Für ihn hatten sie sich heimlich von zu Hause fortgestohlen um die erste verbotene Nacht mit den Großen zu verbringen.

Aus den Augenwinkeln suchte er nach den wirbelnden Feuern seiner älteren Freunde. Sicher nutzten sie diesen letzten Samstag des Sommerhalbjahres  für Spiele mit ihren selbst gebauten Brennkörpern. Er wollte, dass sie über die Fertigkeiten seiner Schüler staunten. Ihr Eifer hatte seine Erwartungen übertroffen, denn schon nach kurzer Zeit, besessen vom Spiel mit den Tennisbällen an Gummibändern, hatten die Kinder ihn gebeten noch einen geheimen Treff anzubieten, auf dem sie mit den Poi- Pois der Großen üben konnten, mit Schalen und Brennkörpern, im Wald mit Feuerschluckerbenzin entfacht.

Das Verbotene an dieser Aktion forderte Robert zweifach, denn zum einen verantwortete er, dass die Zwölfjährigen sich  in seine Obhut begaben, zum anderen trieb er sich mit ihnen in dem moorigen, halbwilden Naturschutzgebiet herum, in dem das erste frei lebende Kranichpaar in Ahrensburg Heimat gefunden hatte. Es wimmelte hier von Tierschützern, die die Tiere vor nächtlichen Ruhestörern bewahren wollten.

Robert schlich um die Lichtung und spähte im Licht  der Mondsichel nach Gefahren. Der Mangel an Sinnesreizen schärfte sein Gehör, sodass er nach einigen Schritten ein regelmäßiges, dumpfes Stampfen vernahm, das nicht in den Wald gehörte. Er bahnte sich den Weg in dessen Richtung. Bald stolperte er über bemooste Baumstämme, knickte mit den Beinen im nassen Sumpf ein, fiel auf die Knie und schrammte sich die Handflächen an herumliegenden Aststücken. Je näher ihm das monotone Stampfen schien, zu dem sich metallisches Klicken gesellte, umso leiser arbeitete sich Robert durch den lichten Auenwald. Seine Schützlinge hatte er vergessen, so ungewöhnlich waren die Geräusche, die aus dem dunklen Dickicht vor ihm kamen. Jemand stöhnte, Metall schabte auf Stein oder Metall, Erde und Holz fielen auf weichen Boden.

Schließlich stachen Scheinwerferstrahlen durch das spärliche Laub und Robert bewegte sich auf eine frisch geschlagene Lichtung zu. Mehrere Männer gruben ächzend im Morast und hatten um sich einige Haufen aus Matsch und Geäst aufgeschichtet. Eine Weile sah Robert auf die unerwartete Szene, bis ihm der rot gekleidete Mann mit dem breiten Hut auffiel, der nicht arbeitete, sondern genau in seine Richtung blickte. Roberts Magen krampfte vor Erschrecken, als der Hutträger den Kopf hob, sodass sein grauer Bart im Schlaglicht aufschien.  Da wandte er sich von ihm ab.

In diesem Moment spiegelte sich das Licht des Scheinwerfers in dem kurzen Lauf eines modernen Gewehrs, das der Bärtige locker in der Armbeuge hielt. Roberts Herz tobte wie ein gefesseltes Tier in seiner Brust. Langsam schob er sich zurück und stand erst auf, als er weit außerhalb des Lichtkegels des Strahlers war. Auf dem Weg zu seinen Kindern verirrte er sich, musste ein Stück zurückgehen und stolperte über liegendes Totholz in Moortümpel, bis ihm kreisende Lichter und Kinderstimmen die Richtung wiesen.

Es kostete ihn einige Kraft, sich einen Vorwand für einen möglichst schnellen Rückzug mit den Kindern auszudenken. Enttäuscht löschten die fünf ihre Brandsätze und folgten ihm zur Kreisstraße gegenüber dem Ahrensburger Friedhof, wo sie auf dem Gehweg Richtung Stadtmitte liefen. Robert brachte jedes Kind nach Hause und verstaute die Poi- Pois in der Garage seiner Eltern. Entgegen seiner sonst so zuverlässigen Art kam er zu dem Schluss, dass er der Polizei nicht von der irrwitzigen Idee erzählen würde die Kinder mit in den Wald zu nehmen. Ohne seine eigene Schuld zu erwähnen rief er bei der Polizeiwache in Ahrensburg an und berichtete, was er gesehen hatte.

Am frühen Morgen meldete sich eine Polizistin, man habe die von ihm beschriebene neue Lichtung gefunden und hastig zugeschüttete Löcher entdeckt, aber keine Spuren bewaffneter Männer. Sie riet ihm noch, sobald er seinen Rausch ausgeschlafen habe vorbeizukommen, damit sie seine Aussage protokollieren könne.

Es ärgerte ihn, dass sie ihn nicht ernst genommen hatte. Über den Sonntag wuchs seine Neugier herauszubekommen, was die Männer im Moor gesucht hatten, sodass er beschloss, nachts zum Grabungsort zurückzugehen.

Sowohl am Sonntag als auch am Montag war er der einzige, der sich im Tunneltal herumtrieb. In der dritten Nacht lag er gelangweilt an der Stelle, von der aus er die Männer beobachtet hatte und schaute in den Sternenhimmel wie in den klaren Nächten zuvor. Vor Verzweiflung hatte er sich sogar mit den Sternbildern beschäftigt, um sich beim Warten die Zeit zu vertreiben. Durch die dünnen Stämmchen der Erlen ging Sirius, der hellste Stern, auf. Nach einer Weile konnte Robert rechts darüber die drei Gürtelsterne des Orion erkennen. Orion, eines der größten Sternbilder des Himmels, der Jäger, begleitet vom Sternbild des Großen Hundes, zu dem Sirius gehört. Er war Teil des Winterhimmels und im Sommer nicht zu sehen.

An diesem zweiundzwanzigsten September waren Tag und Nacht genau gleich lang und Robert fröstelte bei dem Gedanken, dass der Sommer in wenigen Minuten vorbei sein sollte. Die Kälte des feuchten Bodens kroch ihm in die Jacke, die er nach der ersten kalten Nachtwache mitgebracht hatte. Gelegentlich knackte und raschelte es im Gehölz und eine Eule rief in der Nähe.

Plötzlich nahten leise Stimmen. Dem folgenden Rascheln und Stampfen nach, das sich durch den moorigen Boden bis zu der Stelle übertrug, an der Robert lag, kamen etliche Männer durch den Wald auf ihn zu. Jetzt, wo es geschah, fürchtete er doch, dass sie ihn entdecken könnten. Erneut lautes, monotones Stampfen, aber weil sie diesmal keinen Strahler aufgebaut hatten, sah er nicht, was sie taten. Nach einer Weile der Stille bemerkte er einen schwachen Lichtschein, der die Stämmchen und Blätter der Erlen erahnen ließ, die die Lichtung säumten. Vorsichtig robbte Robert näher. Er hatte so lange in den dunklen Sternenhimmel gesehen, dass ihn der schwache Schein der Fackeln blendete, die am äußeren Rand der engen Lichtung in den Boden gesteckt waren. Mit Mühe konnte er zwölf rote Umhänge zählen, im Kreis stehend in Vorsprechen und Antworten vertieft. Als sie für eine kurze Zeit ihre fremdartige Liturgie unterbrachen, blickte der Vorsprecher in den Himmel und hob die Arme. Robert erstarrte beim Anblick des grauen Bartes und der buschigen grauen Augenbrauen. Der Hutträger vom Sonnabend senkte den Kopf und trat wie die anderen einen Schritt zurück.

Was Robert dann sah, veränderte sein Leben.

Und meines auch.

Dies ist kein Tagebuch eines jungen Mädchens. Jedenfalls nicht mehr.

Was ist ein Tag? Nur ein Schritt auf einem ungewissen Weg.

Was ist ein Buch? Wenn du willst, ein Leben.

Viel zu spät habe ich verstanden, dass ich nicht mein eigenes Buch schrieb, dass jeder Tag, den ich festhielt, einen Prozess beschrieb, einen bestimmten Weg, den wir glaubten zum ersten Mal zu gehen.

Leben beginnt und endet, Glück und Leid geschieht, Ordnungen entstehen und zerfallen.

Geschichte ist ein Spiel im Kreis, die ewig selben Karten werden  gemischt, schwarz, rot und weiß, bis wir begreifen.

Wenn du dies liest, bin ich fort. Aber es gibt dich. Lass den Menschen gewinnen.

„Sie hat wirklich alles aufgeschrieben“, stellte der Mann andächtig fest. „Du hattest Recht wie so oft, meine Liebe.“

Vorsichtig reichte er der alten Frau die schmutzigen Papierfahnen, die sie sorgfältig in ihrem Schoß aufeinander legte und glattstrich. „Sie war ein nachdenkliches Mädchen, da lag es nahe, dass sie schreibt. Diese losen Blätter lagen unter ihrem Lager, nachdem sie gegangen waren. Daraus schloss ich, dass es ein Tagebuch geben musste.“

„War sie nicht eher stark und selbstbewusst?“, vergewisserte sich der Mann. „Einige hatten sogar Angst vor ihr“, fügte er hinzu und zog seine zerlumpte Decke dichter um beider Schultern, obwohl nur er fror. Die alte Frau schmiegte sich an seine Schulter und genoss die Wärme seines Körpers an ihrer kalten Haut, bevor sie entgegnete: „Wie es wirklich in ihr ausgesehen hat, weiß wohl niemand.“

Beide senkten die Köpfe und hingen ihren Gedanken nach.

Es wurde schnell kalt in der Wüste, wenn die Sonne im Westen der Berge versunken war. Der Mann entfachte ein Feuer aus Kameldung und ließ die Plastikplane im Eingang der Höhle herunter. Durch ein Loch in der Decke entwich der Teil des Rauches, der sich nicht in einer stickigen Wolke um die beiden legte.

Sie schwiegen.

Der Kopf der alten Frau war gegen die Schulter des Mannes gefallen, doch sie saß sofort kerzengerade, als sie nahende  Schritte hörten. Es dauerte lange, bis sich die Erwarteten zur Höhle emporgearbeitet hatten, zwei junge Männer und eine Frau. Niemand sprach. Die Frau legte ihren Rucksack ab und riss unter den angespannten Blicken der anderen die Reißverschlüsse auseinander. Der blonde junge Mann zog vorsichtig eine Plastiktüte heraus, der schwarzhaarige entnahm ihr ein schlichtes schwarzes Buch mit verbogenen Ecken und gewellten Seiten. Er reichte es der alten Frau.

„Du siehst müde aus. Ihr anderen auch. Setzt euch, nehmt euch Wasser“, forderte sie die jungen Leute auf.

Diese schüttelten die Köpfe und der Angesprochene lächelte matt, doch der alte Mann ging in den Hintergrund der Höhle. In langen Zügen trank er aus einem schmutzigen Plastikkanister.

„Habt ihr noch Wasser für die Kamele?“, fragte der Blonde.

Der alte Mann schüttelte resigniert den Kopf. „Schon lange nicht, Onuris“, sagte er. „Östlich von Al Balyana haben sie eine kleine Armee zusammengezogen. Schwarze, Weiße, kaum Ägypter. Sie schießen sofort, wenn sich jemand von Westen nähert.“

„Dann müssen die Kamele noch bis Neumond durchhalten“, sagte der Schwarzhaarige leise.

„Und?", brach die Alte das Schweigen, das sich zwischen ihnen ausgebreitet hatte.

„Ich habe noch nicht hineingesehen. Mach es auf und lies vor“, entgegnete die  Angesprochene. Die drei setzten sich um das Feuer und blickten die alte Frau erwartungsvoll an.

Sie schlug den Buchdeckel auf, als würde das Werk gleich zerfallen und begann zu lesen.

Tangstedt, 21.6.2010

Ich hatte immer geglaubt, dass es einen großen Knall geben und alles anders sein würde, wenn ich achtzehn bin. Es würde sich besser anfühlen, das Leben wäre leichter und mir wäre alles klar, als hätte mir jemand einen Schleier vom Gesicht gezogen.

Es musste einen Grund haben, warum ich als Sonntagskind geboren war, am längsten Sonnentag im Jahr 1992 und dann auch noch genau bei Sonnenaufgang, als würde eine Königin geboren. Nur hatte ich bislang wenig davon gemerkt. Ich war sozusagen stinknormal, hatte mit Waltraud und Wolfgang die normalsten Durchschnittseltern Tangstedts und im Abi extrem normale Noten, konnte mit meinen Hobbys nicht angeben und war nicht gerade eine Sportskanone.

Die schräge Holzdecke über meinem Kopf sah aus wie jeden Morgen, wenn der Wecker mich aus der verwickelten Decke klingelte. Diesmal war sie noch verschwitzter als sonst, weil ich wild geträumt hatte von einem langen Weg in ein unheimliches Dunkel, in das ich unbedingt hineinmusste, warum, wusste ich nicht mehr. Ich blinzelte den Rest meiner Traumpanik weg und ließ das unerhört fröhliche Amselflöten in meine Ohren fließen, das durch das offene Fenster hereindrang. Merkwürdig. Erst jetzt, wo ich langsam wach wurde, fiel mir auf, dass in meinem Traum ein heller Stern über mir geleuchtet hatte. Nein, eigentlich waren es mehrere Sterne. Einer in der Mitte und die anderen im Kreis drumherum.

Die aufgehende Sonne färbte mein Dachzimmer orange. Gähnend stützte ich mich nackt wie ich war mit den Ellenbogen aufs Fensterbrett, blinzelte in den schmalen Sonnenrand, der sich über den Buschsaum rund um unseren Garten erhob und genoss die erdige Morgenluft.

Was für ein Auftritt für einen Geburtstag, auch wenn er ein Montag war und ich mir seit den mündlichen Abiprüfungen vor eineinhalb Wochen das frühe Aufstehen schon abgewöhnt hatte. Es gab in diesen letzten Wochen vor den Ferien so viel zu tun, dass ich wohl jeden Tag in die Schule fahren musste. Keine Ahnung, wie ich das mit dem neuen Job hinbekommen würde.

An diesem einundzwanzigsten Juni stand ich nach einer langen Dusche unten bei meiner Oma Liese in der Wohnküche und suchte nach Müsliresten für ein schnelles Frühstück, als sie mich zu sich rief und mir zum Geburtstag gratulierte. „Kora, du bist etwas ganz Besonderes“, sagte sie und sah mir so bedeutsam in die Augen, dass es mir peinlich war, „Pass auf dich auf!“

Ich fühlte mich zwar von ihr vorbehaltlos und ganz besonders geliebt und wohnte schon deshalb gern mit ihr zusammen, aber manchmal übertrieb sie es schon. Zum Glück vergötterten mich meine Mitschüler nicht die Bohne und die meisten ignorierten mich, weil ich einfach uninteressant war. So auch die kleine Gruppe, die schon an der Bushaltestelle wartete.

Diesmal war nicht nur ich außen vor. Auf der anderen Straßenseite stand ein großer, breitschultriger Junge, den ich hier noch nie gesehen hatte. Er war nachlässiger gekleidet, als es am Rand des Hamburger Speckgürtels üblich war. Statt in schicken Marken steckte er in einem schwarzen Sweatshirt mit  einer weißen Aufschrift von einer Band, die ich nicht kannte. Er hatte wie ich keine Schultasche und zwirbelte ein dünnes Kinnbärtchen, das unter seinen blonden Dreadlocks kaum auffiel.

Zwei Jungen aus der Nachbarschaft trafen kurz darauf ein und waren von seinem direkten, herausfordernden Blick sichtlich genervt. Sie blieben in meiner Nähe stehen und spuckten ab und zu auf die Straße. Dabei musterten sie den Fremden verstohlen. Als der eine, Jan aus meiner Schule, laut durch Nase und Rachen hochzog und seinen ekelhaften Rotz in Richtung des Blonden spuckte, stand der plötzlich direkt vor ihm und hielt ihm die Faust vor die Nase.

„Wenn du das morgen machst, wirst du das auflecken.“

Mir gefiel das Bild trotz der Situation und mein Lachen musste lauter gewesen sein als gedacht, denn der Junge sah flüchtig zu mir. Ertappt schlug ich die Augen nieder, doch zum Glück drehte er sich wortlos um und nahm wieder seinen Platz ein, bis der Bus kam und er als erster einstieg.

„Scheiß- Metler.“ Jan machte sich im Bus Luft und flüsterte auf seinen Kumpel Philipp ein. „Sowas gehört nicht hier her. Soll er bleiben, wo er herkommt.“

„Woher denn?“

„Sein Vater soll der Produzent von Crusado sein. Er macht auch selbst Musik. Oder was der Krach sein soll. Die laufen alle so rum. Asoziales Pack.“

„Weißt du, wo er wohnt?“

„Am Waldrand im alten Haus von Hardenbergs.“

„Das so lange leergestanden hat?“

„Genau da. Meine Mutter hat gesehen, wie sie aus dem Umzugswagen einen schwarzen Flügel geschleppt haben. Die sollen wochenlang die Handwerker im Haus gehabt haben um ihnen einen schalldichten Keller zu bauen, mit diesen Eierpappenwänden und so.“

„Und mit einem Verlies, wo sie sich kopfüber zum Schlafen aufhängen.“ Philipp lachte hämisch.

Der merkwürdige Neue war also ins ehemalige Haus von Oma Liese und meinem Opa Georg gezogen, das sie nach seinem Tod verkauft hatte. Mit diesem Geld hatten meine Eltern das Haus gebaut und die Steuerkanzlei aufgemacht. Ich fühlte, wie der Ärger in mir hochstieg, als ich mir kreischende Metal- Rocker in Lieses Haus vorzustellen versuchte.

Im Bus fand ich einen Platz in der Mitte. Der merkwürdige Neue hatte sich nach hinten verzogen und saß lässig schief auf zwei Sitzplätzen.

Das Schulzentrum Süd in Norderstedt sah mit seinen bunten Wandplatten so hässlich aus wie immer, nur dass heute die Sonne heller schien als sonst. Nein wirklich, das kam mir nicht nur so vor, weil ich jetzt erwachsen war. Es war gleißend hell und wohlig warm. Ich liebte die Sonne, es konnte gar nicht hell und warm genug sein.

Der Oberstufentrakt war wieder sauber. Nach der letzten Prüfung hatten wir vor den Abistreichen ganz schön gebechert und den Nadelfilzteppich unter Konfetti und Partyschlangen begraben. Dann hatte Lisa vom Hof ihres Vaters einen ganzen Laster Sand anfahren und ins Forum kippen lassen. Wir hatten Palmen und Sonnenstühle darauf verteilt und mit den Lehrern Sommerspiele veranstaltet. Herr Vollmer hatte das Rennen mit Flossen, Rettungsring und Schnorchel gewonnen und Frau Lämmer mit Schulleiter Rossmann im gefüllten  Babybecken „Die Wanne ist voll“ singen müssen. Brav wie wir waren, hatten wir erst unsere Hände in ein Betonbett gedrückt, das den Betonplatten im Oberstufenhof hinzugefügt wurde, und anschließend alles gereinigt. So waren wir.

Jetzt stand Lisa neben Freya Gemin, zugezogen im September vorigen Jahres und seit Neuestem meine Freundin, und lächelte. „Du strahlst ja wie die Morgensonne! Wie geht´s dem Geburtstagskind?“ Ich bekam Küsschen links und rechts und fühlte mich richtig gut. Glücklich wie ich war, hätte ich Freyas besorgten Gesichtsausdruck selbst dann nicht bemerkt, wenn sie sich nicht bemüht hätte, ihn zu verbergen.

Sie drückte mir ein weich eingepacktes Geschenk in die Hand. „Pack aus!“ Es war ein T-Shirt mit Sternenhimmel darauf. „Für deinen neuen Job“, erklärte sie.

Nun war ich an der Reihe.

Theatralisch nahm ich sie mit lautem „Herzlichen Glückwunsch, du Sommersonnenwendenkind!“ in die Arme. Sie bekam einen Skarabäus an einem Armreif, weil sie wie ihre Eltern ein großer Fan des alten Ägypten war.

Erst vor Kurzem hatten wir entdeckt, dass wir am selben Tag Geburtstag hatten. Mehr noch, wir waren zur selben Stunde geboren. Das schweißte uns noch mehr zusammen als unsere Vorliebe für Pferde.

Nachdem sie die verschlampten Bücher der letzten drei Jahre abgegeben hatte, warfen Freya und ich uns in die dreckigen Sofakissen im Oberstufenraum. „Was liegt an? Gehen wir trotzdem mal baden?“ Freya gähnte und sah auf die Uhr. „Wie konnte ich nur die nächsten drei Wochen hier herumhängen wollen!“  Ich bekam ein wenig Gewissensbisse, schließlich hatte ich sie dazu überredet, mit mir in den Tagen nach dem Abi der Schule etwas Gutes zu tun und die Lehrer dafür zu entschädigen, dass sie uns im letzten Jahr viele Extrawürste braten mussten. Vor allem waren wir dankbar, weil sie uns kaum noch aufgeschrieben hatten, wenn wir zu spät kamen. Dorfkinder kommen oft zu spät, besonders bei Schnee und  Eis. „Es ist ja nicht jeden Tag“, tröstete ich Freya.

„Habt ihr einen Moment Zeit?“ Frau Hunger war schon eingetreten, bevor wir „nein“ sagen konnten und machte Platz um den Blick auf einen mageren Jungen freizumachen, dem das Ganze sichtlich peinlich war. „Dies ist Robert Rost. Er wohnt eigentlich in Ahrensburg, aber er musste kurzfristig die Schule wechseln. Könnt ihr ihn ein wenig herumführen und ihm Bücher organisieren? Vielen Dank, ich wusste, auf euch kann ich mich verlassen!“ Weg war sie.

Als ich begriff, dass ich wohl so verdutzt aussah wie Freya, musste ich lachen. Sie lachte mit und wir wurden albern, sodass mir das Zwerchfell schmerzte und ich keine Luft mehr bekam. Robert hatte nicht mitgelacht. Er sah sogar ziemlich traurig aus. Während wir den pickelverzierten Hungerhaken herumführten, versuchte ich deshalb, ein wenig Konversation zu machen. „Warum bist du an unserer Schule, wenn du so weit weg wohnst?“

Erst dachte ich, er würde nicht antworten. „Ich habe ein paar Leute bei der Polizei gemeldet. Danach haben sie mich bedroht“, drückte er heraus.

Freya musterte ihn angewidert. Schmal und kraftlos stand er als echtes Opfer mit hängenden Schultern zwischen uns und hielt den Blick auf die Zehenspitzen gesenkt. „Vielleicht musstest du ja auch nicht petzen“, sagte sie kalt. Roberts Gesicht lief rot an, aber er blieb stumm.

Mich beschlich das Gefühl, dass er viel zu zurückhaltend war um jemanden ohne sehr triftigen Grund anzuschwärzen. Wenn ihm etwas Schlimmes geschehen war, braucht er Hilfe. Neben meinem Mutterinstinkt weckte Roberts Verhalten etwas anderes: Neugier.

Es war nicht ganz fair gegenüber Freya wie Robert, aber ich musste beide allein lassen und den Bus zur U- Bahn Richtung Stadtpark nehmen. Um zwei Uhr sollte ich mich in der Sternwarte melden und meine Einweisung für was auch immer erhalten. Das hatte mir niemand gesagt, aber ich wollte es auch nicht wissen, Hauptsache, es gab Geld für mein Hobby. Reiten ist teuer.

Vor der Schule stand ein sehr altmodischer Mercedes, schwarz mit viel Chrom. Der Fahrer trug eine Mütze wie ein Chauffeur. Ich wunderte mich, dass wir an der Schule reiche Kinder haben sollten, dann konzentrierte ich mich auf den Weg zum Stadtpark.

Das Planetarium lag mitten im großen Park und ich ging von der U- Bahnhaltestelle Sengelmannstraße direkt durch den Wald, bis ich an der Seite der großen Sichtachse herauskam, die das Planetarium mit dem Stadtparksee verband. Zwischen den beiden breiten Kieswegen lief ein Grasstreifen mit Rosenbeeten bis zum Platz vor dem flachen Brunnen, aus dem sich die backsteinbraune Protzfassade aus den dreißiger Jahren erhob. In einem der Beete lag ein blaues Band auf den Rosen und ich nahm es heraus und wickelte es um mein Handgelenk, einfach so. Ein Blick auf die Uhr zeigte: Es war fast halb zwei, also noch reichlich früh. Mein Magen knurrte. Obwohl ich wusste, dass es hier weit und breit keinen Laden gab, drehte ich mich einmal im Kreis und dachte nach, ob die Zeit reichte, bis zur Bahn zurückzugehen und dort etwas zu holen.

Als ich den schwarzen Oldtimer bemerkte, war es zu spät, mir darüber Gedanken zu machen, wie der Wagen von der Schule hierher gekommen war. Ein heller Schmerz zerriss mein Herz und presste die Luft aus meiner Brust. Dunkler Nebel füllte meinen Kopf.

Ich sah in den blauen Himmel und kniff die Augen zusammen, bis ich erkannte, dass sich neben mir ein junger Mann aufrappelte. Er hielt sich die Seite und atmete kurz durch, dann kniete er neben mir nieder. Ganz oberflächlich registrierte ich, dass das Gesicht unwirklich schön, aber auch unheimlich war. Schwarze Haare und Augenbrauen ließen die großen, türkisfarbenen Augen merkwürdig hervorstrahlen.

Als mein Kopf klar wurde, geriet ich in Panik.

„Ich muss ins Planetarium!“, japste ich und versuchte aufzustehen. Er half mir dabei und lachte, ließ mich aber nicht los. Auf meiner Uhr konnte ich nichts erkennen, ich sah alles verschwommen. „Wie spät ist es?“ Das sagte ich eher zu mir selbst, eigentlich war ich noch nicht ganz da.

„Du kommst noch rechtzeitig“, sagte der Mann grinsend und half mir die breite Treppe hoch, die links um die Sternwarte herumführte. Oben angekommen, war ich wach genug, um „Danke“ zu stammeln. Er ließ mich vorsichtig los und ich eierte in die Eingangshalle, wo ich meinen Namen nannte und gebeten wurde, auf der Bank vor der Rezeption Platz zu nehmen. An der gegenüberliegenden Wand war eine große digitale Zeitanzeige angebracht, die ich wenigstens lesen konnte: Es war zwanzig vor zwei.

Was war mit mir geschehen? Ich blickte zur Eingangstür und dachte an den Mann, der mir geholfen hatte, aber er war schon fort. Ich hatte seit dem Frühstück nichts gegessen. Sicher war mir flau geworden und ich war zusammengeklappt. Der Mann musste in der Nähe gewesen sein, sonst wäre er nicht so schnell bei mir gewesen. Ich konnte mich nicht daran erinnern hingefallen zu sein und stellte fest, dass mir nichts weh tat. Vorsichtshalber sollte ich einmal nachsehen, beschloss ich, suchte die Toiletten links neben der Rezeption auf und sah in dasselbe langweilige, gesunde Gesicht wie immer: schwarze, wellige Haare, tiefgrüne Augen, zwei Grübchen, eine Nase, zwei Ohren.

Als ich zurückkam, wartete schon ein freundlicher Mann mit langem Pferdeschwanz und streckte mir die Hand entgegen. „Kora Heller? Ich bin Georg. Wir beide bringen die Nachmittagsvorstellung über die Bühne. Komm mit, ich zeige dir erst einmal, was du tun sollst. Den Vertrag können wir hinterher schreiben.“

An die Führung konnte ich mich schon auf dem Weg nach Hause nicht mehr erinnern, nur daran, dass einige Familien und ein paar Touristen sich in die breiten Kinosessel pflanzten, die rund um die Projektionsanlage auf ansteigenden Rängen angebracht waren. Ich riss Eintrittskarten ab und wischte einmal die Toiletten durch. Irgendwie musste ich nach Hause gekommen sein, aber die Bahnfahrt hatte ich sicher verschlafen. Im Bus kam ich wieder zu mir und als ich zu Hause ankam, war mit meiner kleinen Welt alles in Ordnung, außer dass der alte Dormanns seinen fahrbaren Tante- Emma- Laden direkt vor unserem Haus geparkt hatte.

Mein Versuch, unbemerkt hinter der noch verschlossenen hinteren Verkaufstür herum zum Eingang unseres Grundstücks zu kommen, misslang. „Hallo Kora!“, rief er übermäßig erfreut aus der Fahrertür, die sich so weit geöffnet hatte, dass er seinen schwabbeligen Schweißkörper den Tritt herunterwuchten konnte und mir in dem Moment den Weg abschnitt, als ich fast an der rettenden Gartenpforte angekommen war. „Wat büst du groß worden! Ne richtige Deern, wat?“ Über dem Zigarrenstummel zwischen den bräunlichen Zähnen leckte sein Blick mich von oben bis unten ab.

Es gab nichts Ekligeres, als dem alten Dormanns in die Finger zu kommen. Er wohnte in der oberen Dorfstraße und besaß dort einen Resthof, ließ seine Schwester Martha den elterlichen Krämerladen in der Hauptstraße führen, fuhr selbst lieber seine tägliche Tour über die umliegenden Dörfer und verkaufte abgelaufene Konserven, hoffentlich frisches Brot und alles, was in seinem alten Kühlschrank im hinteren Teil des begehbaren Busses Platz fand. Für einige alte Leute, die ohne Auto hier aufgeschmissen waren, stellte sein Besuch eine wichtige Versorgungsmöglichkeit dar. Seiner Bedeutung bewusst, atmete der Dormanns Waren aus und Informationen jeder Art ein, die er nutzte, um überall seine Strippen zu ziehen. Um ihm zu entkommen, log ich: „Ick mutt rin, hab‘ s eilig, Wiedersehen!“

Aber so leicht ließ er mich nicht davonkommen. Er guckte hochdeutsch und holte Luft: „Deine Großmutter hat bei mir etwas bestellt. Pass mol op“, knurrte er durch die Zigarre und machte sich am Hintereingang des Wagens zu schaffen. „Kümm rin, ick bün glieks soweet!“.

Natürlich ging ich nicht hinein. Den Fehler hatte ich einmal gemacht, als ich noch klein und blauäugig gewesen war. Er hatte mich am Arm gegriffen und in ein Gespräch verwickelt, während er mit dem Rücken eines Fingers an meinem noch nicht vorhandenen Busen entlanggestrichen war. Zum Glück hatte ich erst Jahre später begriffen, dass das kein Versehen war. Waltrauds Rufen hatte mich gerettet. Danach war meine Lehrzeit beendet, was freundliche, stinkende Männer betraf.

„Hier“, sagte er und drückte mir missmutig ein Päckchen in die Hand, „giff dat to Liese und sech eer, se künn anner mol betolen.“

Wortlos ging ich durch die Pforte und schloss sie hinter mir.

Meine Eltern, die im Haupthaus vorn wohnten, waren nicht da, das Auto fehlte. Als ich dem schmalen Plattenweg links um das Haus folgte, fingerte ich nach dem Schlüssel und rief nach dem Aufschließen gleich: „Ich bin‘ s, Oma!“, damit Oma Liese nicht „Wer ist da?“ brüllen musste. Das erste winzige Zimmer links war unser Bad. Meine Eltern hatten die Badewanne herausreißen lassen und eine behindertengerechte Dusche für meine Oma eingebaut. Trotzdem war es ganz schön eng. Rechts ging es zur Küche, die ohne Wand mit dem kleinen Wohnzimmer verbunden war. Der Esstisch bot Platz für zwei Personen und einen Gast, dahinter stand das Sofa vor dem Fernseher. An der Wand klebte ein schmaler Wohnzimmerschrank, in dem sich unsere gemeinsamen Reichtümer stapelten: Vinylschallplatten neben DVDs, Pralinen neben Kartoffelchips.

Aus dem Wohnzimmer führte eine zweite Tür hinaus auf den Flur. Genau gegenüber schlief meine Großmutter in einem quadratischen Raum, den ihr Pflegebett dominierte.

Im Flur zwischen dem Bad und ihrem Zimmer führte eine enge, knarrende  Raumspartreppe in mein Reich voller Dachschrägen und kleiner Erker. Weil meine Großmutter einen leichten Schlaf hatte und ich nicht immer die enge Treppe hochklettern wollte, hatte ich von außen eine Leiter an die Hauswand gelehnt. Das Fenster ließ ich meist offen, besonders jetzt im Sommer. So konnte ich unbemerkt kommen und gehen, wie ich wollte, und das war das Beste an unserer gemeinsamen WG.

„Hallo Kora! Das Essen ist fertig. Beeil dich, sonst wird es kalt!“

Das war reine Koketterie. Ich hatte meine Oma noch nie kochen sehen, auch früher nicht, als Opa noch lebte. Unser Mittagessen war von „Essen auf Rädern“. Am Wochenende kochte ich oder meine Mutter Waltraud.

Ich zog meiner Großmutter, die schon aufrecht im Bett saß und die Füße aus dem Bett baumeln ließ, eine Strickjacke und dicke warme Strümpfe an und holte dann den Rollstuhl. Sie reichte mir ihre Hände, obwohl sie sich sehr gut allein in den Stuhl setzen konnte. Als ich beide gefasst hatte, drückte sie sie mit ihren zarten Händen und sah mir spitzbübisch grinsend in die Augen. Ich wusste, wie sehr sie sich nach Berührungen sehnte. Als sie sich gesetzt hatte, legte ich von hinten beide Arme um ihre Schultern. So standen wir eine Weile da. „Ab jetzt wird sich dein Leben verändern“, sagte sie versonnen. Ich wunderte mich, dass auch sie der Volljährigkeit solche Bedeutung beimaß, wo sie doch schon so alt war.

Beim Essen versuchte ich der klassischen Eröffnungsfrage „Na, wie war‘ s in der Schule?“ zuvorzukommen und erzählte Liese, wie der Tag verlaufen war. Den Zwischenfall mit meiner kleinen Ohnmacht verschwieg ich. Oma Liese hatte ein merkwürdiges Verhältnis zu Krankheit und ich wollte vermeiden, dass sie mich eingehend untersuchte. Früher hatte es mir gefallen, wenn sie zunächst meine Augen gründlich untersuchte, mir die Hand auf den Kopf legte und eine Diagnose stellte, bevor sie meine Wehwehchen wegblies, mit der Hand fing oder absaugte. Ich war mir damals sicher, dass es hilft.

Ich nahm unsere Teller und Gläser, stopfte sie in die winzige Geschirrspülmaschine, rollte meine Oma vor den Fernseher und reichte ihr die Fernbedienung. Sie konnte stundenlang Serien anschauen und lebhaft mit den Schicksalen der Helden mitgehen. Manchmal sprach sie auch mit den Schauspielern. Und gelegentlich hörte ich sie, auch ohne dass der Fernseher lief, mit Leuten sprechen, die nicht da waren.

So früh war ich noch nie ins Bett gegangen. Ich fühlte in mich hinein, ob von der Ohnmacht nicht doch etwas geblieben war und entdeckte tief in meinem Innern ein leichtes Ziehen. Es fühlte sich an wie Sehnsucht oder Hunger, obwohl ich gerade gegessen hatte. Schon merkwürdig, wie unsensibel ich war, dass ich solche Gefühlte nicht unterscheiden konnte. Dann nickte ich ein, bis Waltraud, meine sonst so hektische Mutter, mich ungewöhnlich sanft weckte, mir zum Geburtstag gratulierte und mich einlud, mit meinem Vater Wolfgang und Oma Liese noch ein wenig auf der Terrasse zu feiern. Sie nahm Oma Liese gleich mit nach vorn und ich kam nach, als ich wach genug war.

Waltraud, Oma Liese und Wolfgang peten mit Sekt auf meine Volljährigkeit und schoben mir einen Umschlag zu. Sie hatten zusammengelegt und waren stolz auf die zweitausend Euro, die der Führerschein kosten würde, mein Ticket in die Freiheit. Wer in Tangstedt lebte und kein Auto hatte, kam nach zehn Uhr nirgendwo hin. Am Wochenende erreichte der letzte Bus Tangstedt um Mitternacht, obwohl hier alle in meinem Alter mindestens am Wochenende nach Hamburg fuhren, wo die meisten Läden erst um elf Uhr öffneten und ab zwei Uhr Stimmung aufkam. Waltraud bot mir an, ich dürfe am Wochenende ihr Auto mitbenutzen.

Glücklich ließ ich das alles erst einmal sacken und sah in die Sterne, die sich langsam gegen den Abendhimmel durchsetzten und einer nach dem anderen aus dem  Dunkelblau auftauchten, als hätte jemand am Dimmer gedreht. Zu behaupten, ich hätte wenigstens eine entfernte Ahnung von den Sternen, war übertrieben, daher erkannte ich nur die schmale Mondsichel, die ein paar Fingerbreit über dem Fliederbusch stand. Den großen Wagen, den ich auch noch erkannt hätte, konnte ich nicht entdecken. Da begann es, Sternschnuppen zu regnen. Immer wieder leuchtete eine auf und ich überlegte, ob ich mir etwas wünschen sollte, auch wenn ich nicht daran glaubte, dass Sternschnuppen irgend eine Bedeutung hatten.

Waltraud, die mich beobachtet und dann mit mir in die Sterne gesehen hatte, sagte verträumt: „ Heute war Sonnenwende, der längste Tag im Jahr. Früher haben wir das mit Fackelläufen und einem großen Feuer gefeiert.“

Ich erinnerte mich daran, wie Waltraud einmal erzählt hatte, ihre Familie habe diese alten Bräuche nur zur Zeit der Nazis beschämt aufgegeben und danach wieder aufgenommen.

Bald wurde es zu kalt, um draußen zu sitzen und wir gingen jeder in seine Wohnung, als der Mond schon über der Terrasse stand. Ich half Oma Liese beim Umziehen und wünschte ihr eine gute Nacht, dann kroch ich unter meine Decke und begann zu grübeln.

Warum hatte der Mann, der mir geholfen hatte, gewusst, dass ich noch rechtzeitig zum Planetarium kommen würde? Warum hatte er mich geduzt? Und warum hatte der alte Mercedes vor der Sternwarte gestanden, als habe er mich von der Schule dorthin begleitet?

Je länger ich darüber nachdachte, umso misstrauischer wurde ich. Vielleicht war mir doch nicht einfach so flau geworden und der Schöne kein Retter, sondern jemand, der mir gefolgt war. Sobald der Gedanke auftauchte, verwarf ich ihn jedes Mal, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, dass jemand mich verfolgte. Es gab keinen Grund dafür.

Nach stundenlangem Grübeln kam ich auf die Idee, mich wieder anzuziehen und nachzusehen, ob der Mercedes vielleicht auf der Straße stand. Dann hätte ich mir wenigstens sinnvoll Sorgen gemacht. Die Treppe knarrte leise und ich schlich so leise hinunter wie möglich, um Oma Liese nicht zu wecken und schloss die Haustür hinter mir mit dem Schlüssel, damit niemand hineingehen konnte, während ich vorne war. Auf dem Weg am Haus vorbei fühlte ich mich beobachtet und drehte mich mehrmals um, besonders als es im Busch an der Terrasse raschelte. Der Wind strich leise über die Birkenwipfel am Zaun. Direkt über stand der fahle Mond. Auf der Straßenseite gegenüber parkten die üblichen Autos: Der Polo, der verbeulte Toyota, der alte BMW und der Lieferwagen. Hier kannte jeder jeden und ein neues Auto erregte sofort Aufsehen. Hinter der Ausfahrt von Familie Strunz bemerkte ich ein schwarzes Motorrad, das dort sonst nicht stand, aber der Mercedes war nirgendwo zu sehen. Beruhigt ging ich wieder hinein und konnte endlich schlafen.

Sie ließ das Buch sinken und starrte in die dunkle Glut des verlöschenden Feuers. „Mein Gott, wie ahnungslos sie war“, flüsterte sie.

Der Mann nahm ihr vorsichtig das Buch aus den Händen und schloss es. Dann legte er seinen Arm um sie, aber sie reagierte nicht. „Wir sollten auf die anderen warten, bevor wir weiterlesen.“

Die beiden jungen Männer und die Frau legten sich auf provisorische Lager rund um das Feuer. Der Mann stand auf und wollte die alte Frau aufheben.

„Ich kann selbst ins Bett gehen.“

Er lächelte im Dunkel. „Daran habe ich mich noch immer nicht gewöhnt.“

Sie schlief nicht, ebenso wenig wie die jungen Leute, sodass die vier den tiefen Atemzügen des Mannes lauschten und dem Geheule der wilden Hunde, die in den Bergen jagten.

In den Tiefen der Höhle zirpten und kreischten Fledermäuse, die durch die kleinen Eingänge oberhalb des großen Gewölbes von der ersten Jagd zurückkehrten, um ihre Jungen zu füttern.

Tamer hörte die Angekündigten zuerst und sprang lautlos auf, gefolgt von den anderen. Nur der alte Mann schlief noch, als sie vor die Höhle traten und ins Dunkel lauschten, wo das Mondlicht  aus der vor ihnen sich ausbreitenden Ebene die Geröllfelder, die Ruinen und die Straße grau  hervorhob.

Sie waren acht, die nacheinander die alte Frau in den Arm nahmen und die anderen grüßten. Inzwischen war der alte Mann erwacht und kam hinzu.

„Sie bewachen die Nagaa Al- Ghabat rund um die Uhr“, berichtete ein junger Mann mit Narben im Gesicht, „wir mussten von der Al Giza- Luxor nach Nordwesten durch das Gebirge wandern.“

„Wie kommen wir nun an Wasser?“, überlegte die junge Frau, die mit Tamer gekommen war.

„Wir könnten im Schutz des Gebirges nach Norden ziehen und auf die Sandpiste westlich von Araba el Madfuna stoßen. Dort liegen ein paar einsame Gehöfte“, schlug einer der Männer vor.

Eine farbige junge Frau, die mit den acht gekommen war und sich seitdem an Tamers Seite gehalten hatte, widersprach mit einem französischen Akzent, der so schön war wie sie selbst: „Seit die große Flut nag‘ der Sprengung des Assuan- Staudamms abgeklungen ist, ‘aben die Bauern dort keinen Strom mehr. Es ist alles vertrocknet und vergiftet. Das näg‘ste nicht verseug’te Wasser fließt in dem Kanal vor der Karet Yaakoub- Al Blena.“

„Wir senden Wasser vom Himmel nach Maßen, und Wir lassen es in der Erde versickern; und wahrlich, Wir können es   wieder hinwegnehmen“, zitierte Tamer.

„Menschen haben den Damm gesprengt, Tamer“, erklärte die schöne Frau lahm.

„Allah lenkt alle Dinge vom Himmel bis zur Erde“, widersprach dieser und lachte wie irre. „Das habe ich mal geglaubt, Amadée.“

Die angesprochene seufzte und sah sich um. „Was steht nun in dem Bug‘?“

Wortlos reichte der Alte ihr den schwarzen Band und sie las.

„Lies vor“, forderte der Narbige sie auf.

„Das ‘örst du dir keine fünf Minuten an, Schesmu“, sagte Amadée und reichte das Buch an die junge Frau weiter, die mit der ersten Gruppe die Höhle erreicht hatte.

„Clara, lies du.“

Clara überflog die Seiten, dann vertiefte sie sich in eine Stelle.

Offensichtlich enttäuschte sie, was dort stand.

Dienstag, 22.6.2010

Am nächsten Morgen verschlief ich den frühen Bus, aber das war egal. Ich konnte in die Schule fahren, wann ich wollte, schließlich war ich nur noch freiwillig da und machte bei den Sachen mit, die mir Spaß machten wie das Rock- Theater der „Zauberflöte“. Bis die Proben anfingen, hatte ich noch Zeit, mich um Freya zu sorgen, die auch noch nicht aufgetaucht war, und rief sie an.

Freyas Mutter Gaby meldete sich und sagte, Freya sei an ihrem Geburtstag  zusammengeklappt und heute zu erschöpft um zur Schule zu kommen. Das erklärte einiges: Vielleicht hatten wir einen Virus? Ich konzentrierte mich noch einmal auf mein Inneres und stellte fest, dass das leise Ziehen noch immer da war, es war sogar stärker geworden, ohne dass ich seinen genauen Ort feststellen konnte, und mischte sich mit einer inneren Unruhe, die ich sonst nicht kannte.

Die Probenbesprechung für die „Zauberflöte“ war kurz. Wir bekamen jeder ein Manuskript und ich nahm das für Freya gleich mit. Weil ich nicht mitspielte, sollte ich bei den Proben soufflieren und bei der Bühnenbild- Gruppe mithelfen.

Als ich die Schule verließ, sah ich mich nach dem Oldtimer um, aber die Straße war leer und die Fahrt in den Stadtpark verlief ereignislos, sodass ich diesmal etwas aufmerksamer Georgs Erklärungen zur aktuellen Vorstellung der Sternwarte folgte.

„Wir zeigen seit Anfang 2009, dem Jahr der Astronomie, unsere Show „Die Macht der Sterne“, in der wir verdeutlichen, wie die Menschen der Bronzezeit vor über fünftausend Jahren und wohl sogar der Steinzeit vor etwa dreizehntausend Jahren ihre Beobachtungen über die Erscheinungen am Himmel festgehalten und genutzt haben, um Ereignisse im Jahr festzulegen oder vorherzusagen.“

Das kam mir merkwürdig vor. „Ich dachte, ihr macht hier Astronomie und nicht Astrologie.“ Mit der Sternendeuterei hatte ich nichts am Hut.

Georg lachte. „Wir sind Wissenschaftler und interessieren uns ausschließlich für die echten Phänomene am Himmel, das ist wahr. Nur können wir jetzt dank der Himmelsscheibe von Nebra und des Schädels der Ahrensburger Kultur beweisen, dass schon die Jäger der Eiszeit, denen wir nicht das Lesen und Schreiben zugetraut hatten, wussten und festhielten, wann die Tage länger oder kürzer wurden oder wann sie den Zug der Rentiere durch das Tunneltal erwarten konnten.“

Ich verstand nicht, was daran sensationell sein sollte. Es gab vier Jahreszeiten, da merkte man doch, wann es warm wurde. Und es gab die Mondphasen; wenn man die zählte, wusste man, wie viele Monate es waren bis zum nächsten Jahr um dieselbe Zeit. Aber egal, ich hatte ja auch nur den einfachen Job - Karten abreißen und Hygienefachkraft spielen.

Während der Film lief, blieb ich im Rundumkino und konnte der kuppelförmigen Projektionsmaschine bei ihrem Spektakel zusehen, das sie auf die große Kuppel über uns projizierte. So viel verstand ich von der Vorstellung:

Am 4. Juli 1999 fanden Raubgräber bei Nebra in Sachsen- Anhalt  in einem Grab aus der Bronzezeit Schwerter, Beile und diese merkwürdige Scheibe aus Bronze mit goldenen Einlegungen, die wie Sonne, Mond, Sterne und drei bananenförmige Boote aussahen. Ein Museumsmensch gab sich als Hehler aus und kaufte den Jungs in einem Hotel die Scheibe ab, dann griff die Polizei zu und die Ausgräber bekamen hohe Strafen. Anschließend beschäftigte diese tellergroße Scheibe jahrelang die Forscher vieler Museen, Institute und etliche Kriminalwissenschaftler, bis klar war, dass sie schon etwa dreitausendsechshundert Jahre alt sein musste. Anschließend gingen die Bilder des Fundes an Astronomen und Historiker, die herausfanden, wozu die Himmelsscheibe diente: Ganz früher enthielt sie die Schaltregel vom Mond- zum Sonnenkalender, denn in der Entstehungszeit der Scheibe konnte in dieser Region noch niemand schreiben. Dann wurde sie verändert: Zwei Bögen wurden an den Seiten angebracht. Wenn die Scheibe in Nebra wie ein Teller auf einem Tisch so hingelegt wurde, dass man dicht über sie hinwegsehen konnte, musste man nur noch diesen Diskus drehen, bis das Heck des einen goldenen Bootes genau mit der Silhouette des Brocken, des höchsten Harzberges, den man von Nebra aus sehen konnte, zusammentraf. Das war der Punkt des Sonnenuntergangs zur Sommersonnenwende, von dem aus die Tage wieder kürzer wurden. Wenn die Sonne sich nach ihrer Bogenfahrt von rechts nach links- denn der Betrachter stand auf der nördlichen Halbkugel und blickte nach Norden- auf der Bergspitze niederließ, hatte die Sonne den längsten Tag geherrscht. Der Bug des Bootes lag ein Scheibenviertel weiter rechts herum genau auf dem Abendpunkt der Wintersonnenwende. Das goldene Boot fuhr also von links nach rechts. Zwischen beiden Punkten, sozusagen dort, wo der Mast aufragen würde, war die Tag- und Nachtgleiche. Von hier ab begann die Herrschaft der Nacht über den Tag.

Auf der anderen Seite der Scheibe lag das zweite Boot genau gegenüber, sodass man dort den Sonnenaufgang zur Sommer- und Wintersonnenwende vorhersagen konnte. Damit hatte man das Jahr zeitlich sauber geviertelt und konnte Saat- und Erntefeste feiern. Wer die Scheibe besaß, war der Herr über die Zeit, denn Mondphasen zählen, wie ich gedacht hatte, funktionierte nicht, weil das Mondjahr elf Tage kürzer ist als das Sonnenjahr. Ich hatte vergessen, dass die Erde um die Sonne, aber der Mond in Schlaufen um die Erde kreist.

In einer dritten Bearbeitung bekam die Scheibe einen engen Bogen aufmontiert, der ein Boot darstellen könnte.  

Georg war stolz darauf, dass die Scheibe etwa zweihundert Jahre früher hergestellt war als die ersten Himmelsdarstellungen im alten Ägypten und dass sein Institut in Hamburg das mit der Sonnenwende herausbekommen hatte. Noch aufgeregter war er, als er mir im Büro vom Fund des Schädels in Ahrensburg erzählte.

„Du musst unbedingt einmal zur Abendvorstellung kommen. Da zeigen wir, was die Steinzeitmenschen bei Hamburg vor dreizehntausend Jahren vom Himmel wussten- nämlich dasselbe! Im letzten Sommer hat ein Junge im Tunneltal von Ahrensburg eine Sekte bei einer schwarzen Messe im Wald entdeckt, die einen Totenschädel auf einem Pfahl verehrten. Der Kleine holte die Polizei und die nahm ihnen den Schädel ab. Erst untersuchten ihn die Rechtsmediziner, weil sie glaubten, es handele sich um einen Ritualmord, und die konnten nicht glauben, was ihre Instrumente ihnen sagten: Der Schädel war elftausend vor Christus mit diesen merkwürdigen Kreisen und Strichen markiert worden.“ Georg zeigte auf ein Plakat an der Wand, das einen kohleschwarzen, wie gelackt glänzenden Schädel von oben zeigte, auf dem zwei Kreise eingeritzt waren, ein großer äußerer und ein dicht darin verlaufender innerer. Beide waren an drei Stellen unterbrochen. Es sah aus wie ein von oben gezeichneter Mauerkreis mit drei Durchlässen oder wie ein Murmelspiel, das ich früher mit meinem Sandkastenfreund Björn gespielt hatte. Im Kreis und darum herum waren Zeichen eingeritzt, die Sonne, Mond und Sternen ähnelten und der Mauerkreis war an vielen regelmäßig voneinander entfernten Stellen mit kleinen Querstrichen versehen wie mit Markierungen auf einer Uhr, nur dass es viel mehr waren.

„Wenn man diesen kieferlosen Schädel auf einen Pfahl steckt und ihn mit dem Blick zum Sonnenuntergangspunkt zur Wintersonnenwende ausrichtet, zeigt die eine Öffnung des Kreises auf den Sonnenaufgang und die andere auf den Sonnenuntergang der Sommersonnenwende. Und die dritte Markierung ist dann genau Norden.“ Georg fuhr aufgeregt über das Plakat und ignorierte mein demonstratives Gähnen. Es wurde mir zu viel und ich wollte nach Hause.

„Diese Striche passen genau auf die Punkte der Sommersonnenwenden und das beweist, dass unsere Steinzeitmenschen schon kannten, was die Anlagen in Stonehenge vor fünftausend, in Goseck vor mehr als siebentausend und in Göbekli Tepe vor vielleicht elftausend Jahren in Großanlagen dargestellt haben. All diese Leute hatten die Macht des Wissens über die Zeit, den genauen Jahreskalender, die Macht der Sterne.“

Unhöflich, aber bestimmt stand ich auf. „Ich muss jetzt nach Hause. Bis morgen.“ Georg folgte mir bis zum Ausgang. „Wenn es dich interessiert, komm doch am Sonnabend um acht Uhr hierher. Da gibt es einen riesigen Medienrummel mit Fernsehen, Stars und Zeitungen. Das Museum für Hamburgische Geschichte leiht den Schädel aus, erst zeigen wir den Film vom Ahrensburger Fund und seiner Bedeutung und dann richten wir ihn auf der Sichtachse zum Freibad aus auf die Sterne. Da gibt es nämlich noch viel mehr, das man anhand des Schädels erklären kann.“

Es interessierte mich nicht und ich war froh, nach Hause zu kommen.

Obwohl meine Füße nach dem langen Tag platt waren, schob ich Oma Liese nach unserem gemeinsamen Essen spazieren und registrierte auf dem Rückweg, dass ein Fremder auf dem schwarzen Motorrad saß, das schon einmal vor der Ausfahrt der Strunzens gestanden hatte, und sich gerade einen Helm überstülpte. Nur stand das Motorrad genau vor unserem Haus. Für einen Moment glaubte ich, das Gesicht des Mannes zu kennen. Dann sagte ich mir, dass wir viel zu weit entfernt waren.

Im Haus angekommen, war ich froh, endlich in mein Zimmer zu kommen und brachte Liese ins Wohnzimmer, wo sie noch fernsehen wollte.

Etwas musste ich ihr noch sagen, aber ich wusste nicht, wie. Sie sah mir das an der Nasenspitze an und wartete. „In dein altes Haus sind Leute eingezogen.“ Sie sagte nichts, sondern räumte das Geschirr für morgen früh auf den Tisch. Als sie fertig war, schob sie die Teller und Tassen so lange auf dem Tisch hin und her, bis ich den Faden gefunden hatte.

„Die Leute sind merkwürdig.“

„Ach so.“

„Sie machen schräge Rockmusik.“

„Wie interessant.“

Das alte Haus war ihr vollkommen egal. Materielle Dinge waren ihr nie  wichtig gewesen. Nur die Erinnerungen an die Menschen, mit denen sie ihr Leben geteilt hatte, waren ihr sehr wichtig, und die verwahrte sie in allen Details in ihrem Herzen.

Beim Gedanken daran, dass ich wahrscheinlich die letzte sein würde, mit der Oma Liese ihr Leben teilen würde, zog sich mein Magen zusammen. Es war nicht fair, dass gute Menschen wie sie krank im Rollstuhl saßen. Es war ungerecht, dass die Guten starben und Leute wie der Dormanns reich und wichtig tun konnten.

Mittwoch, 23.6.2010

Freya saß am Mittwoch im Eingang zum Forum und winkte mich zu sich, als die Busschüler in den unförmigen eckigen Schulbau aus den siebziger Jahren strömten, eine Bausünde aus Zeiten, als Ökologie noch mit der Landschaftspflege durch den Bulldozer verwechselt wurde. „Ich war krank“, sagte sie beiläufig, „und hatte Zeit, den Dachboden zu inspizieren.  Sieh mal, ich habe in Opas alten Sachen einen Pieker für das Ringreiten gefunden.“ Sie holte eine metallene Speerspitze aus ihrem Rucksack, die an einen pistolenähnlichen Handgriff geschmiedet war. Ich hatte selbst einen deutlich kleineren Pieker, der aus einfachem Draht gefertigt war.

Dass wir beide Pferde mochten, war nicht gerade originell für Mädchen im Hamburger Speckgürtel. Als Freya nach Wakendorf gezogen war, hatte ich sie zum Ringreiten eingeladen, das jährlich zu Pfingsten im Nachbardorf Wilstedt veranstaltet wurde. So hatten wir uns angefreundet. In diesem Jahr war das Ringreiten, das ein sehr kleiner Verein organisierte, wegen Erkrankung der Veranstalter auf das erste Wochenende im Juli verlegt worden. Das kam mir sehr entgegen, weil mein Pflegepferd Stine noch immer nicht rechts galoppieren konnte. Wenn sie in der Ringreitgasse, die immer rechts herum führte, wegen dieser Balanceschwäche strauchelte oder in Trab fiel, würde der Durchritt nicht gewertet, selbst wenn ich den Ring gestochen hätte.

„Zu Anfang könnte ich den großen Pieker benutzen und in den Endläufen, wenn sie kleinere Ringe aufhängen, meinen eigenen. Hast du vielleicht auch Lust zu starten?“

Sie schaute bekümmert. „Ich habe kein Pferd.“

„In Tangstedt gibt es mehr Pferde als Einwohner. Wir können in einigen Ställen fragen und Zettel aufhängen.“

Dankbar sagte Freya: „Kora, du bist eine echte Freundin.“

Frau Hunger fing uns schon im Forum ab. Sie ging zielstrebig auf uns zu, winkte und schien besorgt. „Ihr habt doch gestern den Robert  herumgeführt. Hat er euch da irgend etwas davon gesagt, dass er heute nicht zur Schule kommt?“ Freya und ich zuckten mit den Schultern. „Hat er auf euch einen ängstlichen Eindruck gemacht, oder ist euch etwas aufgefallen? Er ist nämlich gestern nach der Schule verschwunden.“ Wieder konnten wir nur mit dem Kopf schütteln. „Der ist merkwürdig“, murmelte Freya, als Frau Hunger sich hektisch entfernt hatte, „der zieht so etwas an.“

Nachdem wir bei den Proben zur „Zauberflöte“ geholfen hatten, wollte ich zur Arbeit gehen, doch Freya fing mich ab. „Ich muss mit dir in Ruhe reden“, sagte sie und wir gingen in den verwaisten Oberstufenraum. Sie schloss die Tür sorgfältig, setzte sich auf das alte Sofa und zog mich mit hinunter. „Am Montag bin ich zusammengeklappt, wie du weißt“, begann sie. „Ja, ich auch, um halb zwei, direkt vor dem Planetarium“, platzte ich heraus. Sie riss die Augen auf. „Genau um die Zeit ist es mir auch passiert“, staunte sie, „Es war, als ob mir das Herz zerreißt. Dann bekam ich keine Luft mehr und alles wurde schwarz. Zum Glück hat mich jemand aufgefangen, sonst wäre ich direkt vor dem Haus meiner Eltern auf den Bürgersteig geschlagen.“ Ich drückte ihre Hand wohl zu fest, denn sie zog sie zurück und sah mich entgeistert an. „Au! Was hast du denn?“

„Ganz genau so war es bei mir“, japste ich, „und mich hat auch jemand gehalten, als ich aufwachte. Und vorher war mir ein Auto aufgefallen, das schon an der Schule gestanden hatte.“ „Ein roter Sportwagen?“, krächzte Freya und quetschte mir ihrerseits die Hand. Es stellte sich heraus, dass die Parallelen zu zahlreich waren, als dass wir an einen Zufall glauben konnten. Bis ins kleinste Ziehen fühlten wir gleich, waren von ungewöhnlichen Autos beschattet und von jungen Männern aufgefangen worden. Je mehr wir uns austauschten, umso merkwürdiger schien unsere Lage. Wir waren Teile eines Spiels, das wir nicht verstanden.

„Es gibt noch einen Grund, sich zu sorgen“, sagte Freya. „Ich habe geträumt, wie du in ein Loch fällst; ich stehe am Rand und sehe dir zu.“ Bedrückt sah sie auf den löchrigen Teppich. „Ich weiß nicht, warum ich da oben stehen bleibe und dir nicht helfe.“

„Ich habe nichts geträumt“, tröstete ich sie, „und auch kein schlechtes Gefühl. Das war wohl wirklich nur ein Traum.“

„Aber ich träume das seit unserem Geburtstag“, sagte sie nachdenklich, „immer wieder.“

Im Planetarium schwitzte ich mit wenigen Gästen vor mich hin und Georg bat mich nach der Vorstellung in sein Büro. „Du siehst ja, wie die Hitze die Leute von der Straße hält“, begann er, „bei dem Wetter gehen sie lieber baden, was ich gut verstehen kann. Morgen wird auch kaum jemand herkommen. Was hältst du davon, wenn du zur Abendvorstellung kommst? Da könnte ich deine Hilfe eher gebrauchen, zumal das Thema der Schau aktueller ist.“ Ich überlegte eine Weile, denn bislang war es praktisch gewesen, direkt von der Schule in Norderstedt nach Hamburg zu fahren. Zur Abendvorstellung zu erscheinen würde mich fast zwei Stunden kosten. Georg sah mir beim Nachdenken zu und bot mir schließlich an, die verlängerte Anreise zu bezahlen. So verabredeten wir uns für Donnerstag Abend um halb acht. Erst auf der Rückfahrt fiel mir auf, dass es unvernünftig von Georg war, mir so viel Geld für die Fahrt zu geben. Stattdessen hätte er einfach eine andere Hilfskraft einstellen können.

Zu Hause gab ich mir alle Mühe die verstörenden Fremden zu vergessen und blätterte ein wenig in Lieses Plattensammlung. Obwohl ich schon alle Stücke mehr als einmal durchgehört hatte, fiel mir jetzt Franz Schuberts „Der Tod und das Mädchen“ zum ersten Mal auf. Oma Liese hatte die Platte von Opa zum Einzug in das Hardenbergsche Haus bekommen, weil das Gedicht, wie ich dem Plattencover entnahm, von ihrem Lieblingsdichter stammte, Matthias Claudius. Während ich dem kurzen, traurigen Lied lauschte, bemerkte ich verwundert, dass der Tod im Lied eigentlich sehr zärtlich zu dem Mädchen sprach, nicht lockend, sondern verliebt, als sei er nur ein einfacher Junge und der Faszination am Mädchen erlegen.

Die Vorstellung, dass der Tod sich für das Mädchenhafte interessieren könnte wie ein Junge, fesselte mich. Warum hieß es im Deutschen „der Tod“, nicht „die Tod?“ Als ich über die Verteilung der Artikel nachdachte, fiel mir auf, dass es zwar „das Leben“, aber „die Liebe“ heißt. Also sind in der Grammatik nicht Tod und Leben, sondern der Tod und die Liebe spannungsgeladene Gegensätze und ich überlegte, wie das Leben grammatisch dazu passen sollte. Inzwischen hatte ich auf drei Zettel „Der Tod“, „Die Liebe“ und „Das Leben“ geschrieben, während ich an Lieses Sofatisch saß und immer wieder „Der Tod und das Mädchen“ auflegte. Ich schob die Zettel in möglichen Kombinationen hin und her. Stand das Leben über Tod und Liebe? Oder war es eine Folge von Tod und Liebe wie ein Kind, gezeugt von Vater und Mutter? Es gab noch eine dritte Möglichkeit: Zwischen Tod und Liebe schob ich das Leben, als Phase zwischen den Extremen.

Wenn wie im Lied der Tod das Mädchen liebte, würden beide auf meinen Grammatikzetteln nur zusammenkommen, wenn ich „das Leben“ vom Tisch nahm.

Damit wollte ich mich nicht abfinden, es war nicht logisch und es gefiel mir nicht. Schon hatte ich vergessen, dass ich mir dieses Rätsel mit den Karten selbst aufgegeben hatte und ich verlor mich im Abstrakten, dabei hatte ich bei praktischen Problemen noch nie einfach aufgegeben. Das Leben war für mich etwas, das ich ergriff und festhielt, das in mir pulste und mir gehörte. Ich fühlte mich stark und lebendig, abgesehen von dem einen schwarzen Loch.

Als ich zwölf Jahre alt war, hatten meine Eltern mich für reif genug gehalten, mir von meinem vor der Geburt gestorbenen Zwilling zu erzählen. Er hätte Max geheißen. Max und Kora. Kora und Max. Seitdem konnte ich mir immer dann, wenn ich traurig war, mein Gefühl der Leere mit dem Tod meiner anderen Hälfte erklären.

Waltraud hatte mir als Kind erzählt, Max habe sich schlafen gelegt und sei nicht mehr aufgewacht. Oft hatte ich mir vorgestellt, wie es wäre, zu sterben, besonders wenn Waltraud mir mein Nachtlied vorsang:

Der Mond ist aufgegangen, die gold‘nen Sternlein prangen

Am Himmel hell und klar.

Der Wald steht schwarz und schweiget und aus den Wiesen steiget

Der weiße Nebel wunderbar.

Seht ihr den Mond dort stehen? Er ist nur halb zu sehen

Und ist doch rund und schön.

So sind wohl manche Sachen, die wir get belachen,

weil unsre Augen sie nicht seh‘n.

So legt euch denn, ihr Brüder in Gottes Namen nieder,

kalt ist der Abendhauch.

Verschon‘ uns, Gott, mit Strafen und lass‘ uns ruhig schlafen

Und unser‘n kranken Nachbarn auch.

Ich weiß nicht, warum ich die Tränen laufen ließ, bis ich einschlief.

Kein Wesen kann zu Nichts zerfallen. Das Ewige regt sich fort in allem. (Goethe)

Donnerstag, 24.6.2010

Weil ich erst am Abend arbeiten musste, hatte ich den ganzen Donnerstag Zeit für Freya. Eine Frau aus Norderstedt hatte sich gemeldet und Freya ihr Pferd angeboten. Der Wallach Lengo stand in einem Stall nicht weit von dem, in welchem mein Pflegepferd Stine untergebracht war. Freya verliebte sich sofort in das ruhige, sanfte Tier, das einmal auf große Turniere gegangen war und jetzt so langsam aufs Altenteil ziehen sollte. Nachdem auch die Besitzerin mit Freyas Reitkünsten überaus zufrieden war, durften wir die Pferde gemeinsam reiten. Wir beschlossen, bei dem schönen Wetter schon am frühen Nachmittag mit einem gemeinsamen Ausritt in das große Reitwegenetz der Tangstedter Wälder zu beginnen.

Lengo führte, Stine folgte. Wir überquerten eine Straße und erreichten eine breite Schneise, auf der wir nebeneinander im Schritt gehen konnten. Gut gelaunt planten wir die nächsten Wochen mit unseren Pferden. Am Ende der Schneise verengte sich der Weg wieder zu einem schmalen Waldweg und wir ritten automatisch wieder hintereinander. Nach einigen Minuten schlugen mir Fichtenzweige ins Gesicht und ich musste mich unter einigen Ästen ducken. Dadurch hatte ich verpasst, dass Freya angetrabt war. Stine gab einfach ohne meine Erlaubnis Gas und folgte Lengo. Ich nahm das als Zeichen, dass die Pferde sich schon aufeinander eingespielt hatten und genoss den Wind, der mir sanft das Gesicht umspielte und meine Haare wehen ließ.

Plötzlich scheute Lengo. Stine versuchte nicht in ihn hineinzulaufen und sprang seitwärts in die tiefhängenden Zweige, die mir gegen das Bein drückten. Beide Pferde sahen schnaubend nach rechts und suchten die vermeintliche Gefahr.

Was wir dann sahen, ließ Freya und mich gleichzeitig nach Luft schnappen. Unser Zusammenfahren übertrug sich auf die Pferde, die ebenfalls zuckten und mit den Köpfen schlugen. Ich ließ die Zügel nur stehen und setzte mich so schwer in den Sattel, wie ich es bei der Aufregung vermochte, damit Stine nicht rückwärts ausscheren und mit mir davonjagen konnte. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie auch Freya mit ihrem Lengo zu kämpfen hatte.

Mitten auf einer kleinen Lichtung stand der Neue von der Bushaltestelle mit freiem Oberkörper. Er trug lediglich eine schwarze Jeans und Turnschuhe. Was uns am meisten verblüffte, war jedoch, was er tat: Er hielt in jeder Hand eine Art Gummiband mit einem Griff, an dessen Ende ein Tennisball mit einem angehefteten Tuch befestigt war. Die Bälle wirbelten anmutig vor seiner Brust und über seinem Kopf, hinter seinem Rücken und um seine Beine herum, ohne sich zu berühren.

Wir hätten mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass dieser dunkle Neue einer so harmlosen Beschäftigung nachging. Ich hätte mir eher vorgestellt, ihn mitten im Wald über ein armes totes Reh gebeugt zu erwischen.

„Hallo ihr beiden.“ Er kicherte, wahrscheinlich darüber, dass wir unsere Pferde nicht im Griff hatten. Seine Augen folgten den fliegenden Bällen.

„Hallo- äh-“     

„Sobek.“

„Äh, also, ich bin Kora. Und das ist- äh- Freya.“ Wir sahen ihn wohl ziemlich dämlich an, denn er lachte leise.

„Ähm- Sobek ist aber nicht dein richtiger Name?“

„Nicht wirklich. Wenn du dich entwickelst, solltest du den Namen finden, der zu dir passt, oder?“ Das war nicht unbedingt die Antwort, die ich erwartet hatte.

„Und dein Nachname?“

„Seid ihr nicht erst einmal dran?“ Natürlich hatte er Recht, aber ich hatte das Gefühl, dass er uns eher Auskunft schuldig war als wir ihm, so merkwürdig wie er sich kleidete und benahm.

„Ich bin Kora Heller und das ist Freya Gemin. Und du?“

Er seufzte. „Meine Familie heißt Schulze.“ Man konnte ihm ansehen, dass ihm dieser Name fast körperliche Schmerzen bereitete. Ich konnte mein Grinsen nicht verbergen und war erstaunt, dass er zurückgrinste und die Augen verdrehte. Ein Teufelsanbeter mit Humor war etwas Neues.

„Ihr seid in das Haus meiner Großmutter eingezogen.“ Jetzt hielt er die fliegenden Bälle geschickt an, indem er mit schnellem Kreisen der Hände die Gummibänder um seine Handgelenke wickeln ließ. Mit einem Tennisball in jeder Hand blickte er mich an und zog die Augenbrauen erstaunt hoch.

„Ich dachte, du wohnst im Steinweg.“ Er schien nachzudenken und sah mich dann ernst an: „Das mit deiner Großmutter tut mir Leid.“

Erst verstand ich nicht, was er meinte. Dann musste ich lachen.

„Meine Oma erfreut sich relativ guter Gesundheit. Sie wohnt jetzt bei uns.“

Er blickte erleichtert: „Dann ist ja gut.“

Ich druckste ein wenig herum und wusste nicht, wie ich anfangen sollte.

„Ihr habt viel umgebaut, habe ich an der Bushaltestelle gehört.“

„Soso, an der Bushaltestelle.“ Er sah mich belustigt an, wurde dann aber wieder verbindlich. „Dann möchtest du deiner Großmutter vielleicht gern erzählen, was sich alles verändert hat?“

Das Angebot kam so plötzlich und war so verlockend. Ich stellte mir vor, dass Liese sich zwar nicht die Finger nach solchen Neuigkeiten lecken würde. Aber ich musste zugeben, dass ich selbst vor Neugier brannte, dieses Haus, in dem ich einen Großteil meiner Kindheit verbracht hatte, wiederzusehen.

„Das wäre wirklich toll. Aber...“

„Man geht nicht zu Metlern nach Hause?“