Liebe, Sexualität und Reinheit - Gerlinde Mathias - E-Book

Liebe, Sexualität und Reinheit E-Book

Gerlinde Mathias

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Beschreibung

Liebe und Sexualität. Ein Thema, das auch viele junge Christen beschäftigt und viele Fragen aufwirft. Was ist Liebe? Was bedeutet Reinheit bzw. Keuschheit? Warum haben Christen keinen Sex vor der Ehe? Was sagt die Kirche über Masturbation und Pornografie? Wie kann ich die Zeit als Single sinnvoll nützen? Frau sein und Mann sein, was bedeutet das? Wie kann ich als Christ eine gute Liebesbeziehung führen? Wie können wir "kein Sex vor der Ehe" umsetzen? Mit einfachen, klaren Worten und aus einer sehr persönlichen Sicht beantwortet die Autorin diese und noch andere Fragen. Sie erklärt die Lehre der katholischen Kirche und gibt viele konkrete Tipps und Anregungen für das Leben als Single und für eine gelungene Liebesbeziehung. Die vielen Zeugnisberichte anderer Christen helfen zu erkennen, dass ein reines und keusches Leben glücklich und frei machen kann.

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Heiliger Johannes Paul II, bitte für uns

INHALTSVERZEICHNIS

Einleitung

TEIL 1 LIEBE, SEXUALITÄT, EHE UND KEUSCHHEIT

Einführung Teil 1

Eins. Zuerst geliebt

Zwei. Zur Liebe berufen

2.1 Zur Liebe berufen

2.2 Die Liebe zwischen Mann und Frau

2.3 Liebe und Sex

2.4 Die Ehe

Drei. Liebe und Reinheit des Herzens

3.1 Reinheit und Keuschheit

3.2 Unzucht und Unkeuschheit

3.3 Selbstbefriedigung

3.4 Pornografie

3.5 Cybersex, Sexting usw.

3.6 Homosexualität

3.7 Die Entscheidung

3.8 Die Entscheidung umsetzen

3.9 Wenn Spott und Hohn drohen

TEIL 2 DIE ZEIT ALS SINGLE

Einführung Teil 2

Vier. Frau sein und Mann sein

4.1 Frau und Mann – unterschiedlich und doch gleich

4.2 Die wichtigsten Unterschiede zwischen Mann und Frau

4.3 Finde deine Identität als Frau, als Mann

4.4 Frausein und Mannsein – was bedeutet das konkret?

4.5 Unsere Wunden

Fünf. Die Berufung finden

Sechs. In der Berufung wachsen

6.1 In der Berufung wachsen und reifen

6.2 Nütze die Zeit als Single

Sieben. Als Single fruchtbar werden

7.1 Bete

7.2 Engagiere dich in der Mission

7.3 Sei aufmerksam

Acht. Einen Partner suchen. Einen Partner suchen?

TEIL 3 IN EINER BEZIEHUNG LEBEN

Einführung Teil 3

Neun. Eine Beziehung beginnen

Zehn. Einander besser kennenlernen

10.1 In der Freundschaft wachsen

10.2 Gemeinsam Gott suchen

10.3 Romantik

10.4 Seid ehrlich zu euch selbst

Elf. Was in einer Beziehung wichtig ist

11.1 Werdet den Rollen von Frau und Mann gerecht

11.2 Kommunikation

11.3 Konflikte

11.4 Die sexuelle Enthaltsamkeit vor der Ehe leben

11.5 Gott

Zwölf. Sollen wir heiraten?

12.1 Wichtige Fragen klären

12.2 Die Vergangenheit

12.3 Vorbereitung auf die Ehe

Bibliografie

Dank

Anmerkungen:

Die Bibelzitate sind der Einheitsübersetzung 2016 entnommen. Übersetzungen aus nicht deutschen Quellen wurden von der Autorin vorgenommen, sofern nicht anders angegeben. Persönliche Berichte ohne Quellenangaben wurden von Personen verfasst, die die Autorin persönlich kennt.

Einleitung

Und die Wahrheit wird euch frei machen. Joh 8, 32

Einmal ging ich an einem Vormittag in eine Kirche, weil ich die Messe besuchen wollte. Zu meiner Überraschung war die Kirche gesteckt voll, weil eine Schulmesse gefeiert werden sollte. Bei der Predigt rief der Priester einen Schüler zu sich nach vorne. Ich glaube, der Junge war neun oder zehn Jahre alt. Der Priester fing an, ihm Fragen zu stellen.

Priester: „Was machst du, wenn dieses Schuljahr zu Ende ist?“ Schüler: „Ferien. Und dann steige ich in die nächste Schulstufe auf.“

Priester: „Und was machst du dann?“

Schüler: „Ich schließe die Grundschule ab.“

Priester: „Und dann?“

Schüler: „Dann gehe ich in die Mittelschule.“

Priester: „Und dann?“

Schüler: „Dann gehe ich in eine andere Schule und mache die Matura.“

Priester: „Und dann?“

Schüler: „Dann studiere ich Medizin.“

Priester: „Und dann?“

Schüler: „Dann lerne ich eine Frau kennen, heirate sie und bekomme Kinder.“

Priester: „Und dann?“

Schüler: „Dann arbeite ich als Arzt und sorge für meine Familie.“

Priester: „Und dann?“

Schüler: „Dann gehe ich in Pension.“

Priester: „Und dann?“

Ich weiß nicht mehr genau, wie lange er weiterfragte, aber ich war ganz berührt davon, dass dieses Kind so genaue Vorstellungen vom Leben hatte, sowohl beruflich als auch privat. Er wusste, dass er Arzt werden wollte, und er war davon überzeugt, dass er einmal eine wunderbare Frau heiraten würde, um mit ihr eine Familie zu gründen und Kinder zu haben.

Daraufhin habe ich mich auch dafür interessiert, welche Vorstellungen Jugendliche vom Leben haben. Was ist euch wichtig bezüglich eurer Zukunft?

Die Ergebnisse der Shell-Jugendstudie 2019 sind eindeutig: 94 % der Jugendlichen finden eine vertrauensvolle Partnerschaft überaus wichtig und 90 % wünschen sich ein gutes Familienleben.1 Das deckt sich also mit den Vorstellungen des Kindes aus der Messe. Und wenn du darüber nachdenken würdest, was wäre für dich wichtig bezüglich deiner Zukunft? Versuche einmal, daran zu denken, wie dein Leben in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren aussehen wird, zum Beispiel an einem gemütlichen Sonntagnachmittag. Nimm dir am besten ein oder zwei Minuten Zeit zum Nachdenken und lies dann weiter.

Wahrscheinlich kommt in deiner Vorstellung dein Ehemann bzw. deine Ehefrau vor und vielleicht krabbelt oder rennt auch das eine oder andere Kind herum. Das ist die Sehnsucht oder der Wunsch vieler: eine eigene Familie zu haben. Und dass das Leben in der Familie harmonisch verläuft. Trennung und Scheidung kommen in unseren Vorstellungen und Wünschen nicht vor. Weder in denen des neunjährigen Jungen noch in unseren.

In der heutigen Zeit, wo man so oft von Scheidungen hört, sie selbst aus unmittelbarer Nähe miterlebt oder man sogar in einer Patchworkfamilie aufwächst, ist es wirklich verwunderlich, dass trotzdem so viele junge Menschen tief in ihrem Inneren den Wunsch haben, eine Familie zu gründen und sich später NICHT scheiden zu lassen. Ich glaube, das liegt daran, dass es Gottes Wille ist, dass die meisten von uns heiraten. Er selbst legt uns diese Sehnsucht ins Herz, weil es sein Plan ist, dass wir als Erwachsene unsere eigene Familie gründen und Kinder bekommen. Und Er will auch, dass wir bis ans Ende unseres Lebens zusammenbleiben.

Aber ist das heutzutage nicht ein ziemlich unrealistischer Wunsch? Ich glaube nicht, denn wenn Gott will, dass wir unser Leben mit einem Ehepartner verbringen, dann werden wir es mit Seiner Hilfe schaffen.

Als ich 16 Jahre alt war, hat Gott mir ein wunderbares Geschenk gemacht: Er hat mir seine Liebe gezeigt und den Glauben an Jesus Christus, seinen Sohn, geschenkt. Ich durfte erkennen, dass Er mir ganz nahe ist und es immer sein wird und dass Er nur das Beste will für mein Leben. Also beschloss ich, von nun an mit Ihm zu leben. Ich fing an, jeden Sonntag bewusst zur Messe zu gehen, betete, fuhr zu verschiedenen Jugendtreffen, las Heiligenbiografien und andere christliche Bücher und versuchte auch, so manch Gelesenes in die Tat umzusetzen. Immer wieder stellte ich mir die Frage, was Gott von mir wollte, was genau ich tun und was ich lassen sollte. So verging die Zeit und ich kam zu der Schlussfolgerung, dass man nur wahrhaft glücklich und frei leben kann, wenn man sich an das hält, was uns die Kirche lehrt und zu tun bittet. Auch und besonders, was die Liebe und die Sexualität betrifft. Ich kann Daniel Ange nur zustimmen, wenn er sagt: „Die Kirche sieht das Beste in dir, und sie will es um jeden Preis schützen, ja selbst wenn sie dich gegen dich selbst schützen muß. Denn ihre Forderungen sind in Wahrheit die deines eigenen Herzens. Sie wagt, viel zu verlangen, denn sie weiß, daß du groß genug bist, um darauf zu antworten. Und ihre Forderungen entsprechen dem, was du an Großem in dir trägst. Sie schätzt dich um deiner selbst willen. Die Kirche strebt für dich das Maximum dessen an, wozu du fähig bist.“2

Aber wenn es um die Sexualität geht, hat man sehr oft das Gefühl, dass die Kirche uns einen riesigen Berg von Verboten auferlegt, an die sich sowieso keiner halten kann. Oder es ist ein Thema, über das nicht geredet wird, weil man eben nicht darüber spricht. Ein Tabuthema. Aber am meisten wird von den Verboten geredet. Genauso wie im Garten Eden, wo Adam und Eva die Früchte eines bestimmten Baumes nicht essen durften. Ich glaube jedoch, wir versteifen uns manchmal ein bisschen zu sehr auf diesen einen Baum, von dem sie nicht essen durften, denn eigentlich ist der Mensch „im Besitz einer sehr weitgehenden Freiheit, denn er darf ‚von allen Bäumen des Gartens‘ essen“.3 Das heißt, wir haben eigentlich eine sehr große Freiheit, wir können wählen zwischen Äpfeln, Birnen, Kirschen, Bananen, Trauben, Orangen usw. Der einzige „Baum“, von dem wir nicht essen sollen, ist der, wo man darüber entscheidet, was gut und böse ist. Diese Entscheidung gehört Gott allein. Nur Er hat die Macht, darüber zu entscheiden, was gut ist und was böse. Deshalb wird die Kirche niemals die 10 Gebote ändern oder abschaffen, sie wird auch nicht die Gebote bezüglich der Ehe oder Sexualität ändern, weil sie dazu einfach nicht befugt ist. Kein Bischof, kein Priester und kein Papst kann das ändern. Nur Gott. Wir sind also frei in dem Sinn, dass wir tun können, was wir tun wollen, auch wenn wir dabei sündigen. Aber wir können nicht darüber entscheiden, ob das, was wir machen, gut oder schlecht ist.

Das klingt jetzt ein bisschen negativ, ist es aber nicht. Denn die Freiheit, die Gott uns schenkt, hat nicht nur die Dimension, dass wir entscheiden dürfen, was wir tun oder lassen. Die Freiheit, die Gott uns schenkt in Jesus Christus und dem Heiligen Geist, ist eine Freiheit, die uns frei machen will vom Gesetz. Das heißt, je ernster wir versuchen, Jesus nachzufolgen, zu beten, fragen, was Er will für mich, desto freier werden wir innerlich und desto weniger empfinden wir die Gebote als eine Last oder einen Zwang. Je mehr wir Jesus bitten, dass Er in unser Leben kommt, in unserem Herzen wirkt und dass Er uns zeigt, was gut für uns ist, desto freier werden wir von den Geboten, weil wir immer weniger den Wunsch haben, sie zu brechen. Das ist eine Gnade, ein Geschenk, das Gott uns machen möchte. Bitten wir Ihn darum!

Mir ging es so: Je länger ich Jesus nachfolgte, desto freier wurde ich von dem Empfinden, dass gewisse Gebote schwer zu akzeptieren oder zu leben sind, auch was die Sexualität betrifft. Ich hatte immer mehr den Wunsch, so zu leben, wie Gott es uns durch die Kirche bittet. Schon einige Jahre bevor ich meinen Mann kennenlernte, hatte ich erkannt, dass Jesus von mir wollte, dass ich keinen Sex vor der Ehe habe. Ich traf die Entscheidung, den Willen Gottes diesbezüglich zu erfüllen, in Freiheit und Freude. Ich empfand es nicht als Last. Gott schenkte mir noch eine andere Gnade: Er hat mich auch von dem Gefühl befreit, mich vor irgendjemandem dafür rechtfertigen zu müssen deswegen. Ich konnte mit ganz einfachen, klaren und freundlichen Worten sagen, wie ich das sehe. Ohne Angst vor möglichen Reaktionen. Ich sehe das als Geschenk Gottes, weil ich merke, dass ich es von mir aus nicht geschafft hätte.

Für mich war und ist es auch eine große Freude, zu sehen, dass viele meiner Freunde dieselbe Entscheidung getroffen haben, in derselben Freiheit und Freude. Mit manchen von ihnen habe ich über verschiedene Aspekte der Sexualität gesprochen und festgestellt, dass sehr oft ähnliche Fragen auftauchen: Was ist Liebe? Was ist Sex? Gibt es einen Unterschied zwischen diesen beiden Sachen? Was heißt Keuschheit oder Reinheit? Ist Masturbation gut, so wie es alle Jugendzeitschriften schreiben? Was mache ich, wenn meine Freunde vorschlagen, dass wir einen Pornofilm sehen? Wie soll ich reagieren, wenn alle Leute um mich herum Nacktfotos per Snapchat verschicken? Was mache ich, wenn mir ein Freund erzählt, dass er homosexuell ist? Was bedeutet es, ein Mann oder eine Frau zu sein? Was macht einen Mann zu einem Mann und eine Frau zu einer Frau? Sind wir nur äußerlich oder auch innerlich verschieden? Was, wenn ich mit 18 noch keinen Freund bzw. keine Freundin habe? Kann ich mein Leben als Single irgendwie sinnvoll nützen? Hilft mir die Art mich zu kleiden dabei, schneller einen Freund zu finden? Was ist in einer Liebesbeziehung wichtig? Worauf soll man achten? Was können wir tun, damit unsere Ehe einmal gelingen kann? Warum sagt die Kirche, dass man keinen Sex vor der Ehe haben soll? Und was genau bedeutet das? Ist Küssen, Petting, Heavy Petting „erlaubt“?

Auf diese und noch mehr Fragen habe ich versucht, eine Antwort zu finden, besonders in der Zeit, in der ich eine Beziehung zu einem Mann hatte, aber auch als ich Single war, und noch jetzt, wo ich schon verheiratet bin. Die Antworten, die ich in diesem Buch zusammengetragen habe, beziehen sich einerseits auf die Lehre der Kirche zum Thema Sexualität, Liebe und Ehe, andererseits auch auf praktische Aspekte des christlichen Lebens als Single und wenn man in einer Beziehung steht.

Einige meiner Freunde haben ihre Erfahrungen mit mir geteilt, damit wir sehen können, wie Gott wirkt und dass wir nicht die Einzigen sind, die versuchen, nach den Geboten Gottes zu leben. So ist dieses Buch entstanden und ich bete, dass es dir und vielen Menschen eine Hilfe sein möge, um durch das Wirken Gottes zur inneren Freiheit von allen Geboten zu gelangen und die Liebe und Sexualität so zu leben, dass du dich dabei glücklich und frei fühlst. Möge Gott dein erster und wichtigster Helfer sein auf dem Weg der Liebe, hin zur Ehe und einem gelungenen Familienleben. Dafür bete ich.

Gerlinde Mathias

1 https://www.shell.de/ueber-uns/shell-jugendstudie/alleschaubilder-undgrafiken/_jcr_content/par/expandablelist/expandablesection_22031779.stream/1570991137592/89898c2dfde17e03414e5cb64f1f6241ea4de026/shell-youth-study-infographic-family-values-religion.pdf, aufgerufen am 18.11.2019.

2 Daniel Ange, Dein Leib geschaffen für die Liebe, Linz 2003, S. 41. Dieses Buch ist in der alten Rechtschreibung verfasst. Bitte das bei diesem und allen weiteren Zitaten daraus zu beachten.

3 Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden, Kompendium der Soziallehre der Kirche. Freiburg im Breisgau 2006, 136. Diese Schrift ist in der alten Rechtschreibung verfasst. Bitte das bei diesem und allen weiteren Zitaten daraus zu beachten.

TEIL 1 LIEBE, SEXUALITÄT, EHE UND KEUSCHHEIT

Das ist mein Gebot, dass ihr einander liebt, so wie ich euch geliebt habe. Joh 15, 12

Einführung Teil 1

Wir leben in einer Welt, die voll ist von Liebe und Sexualität. Es gibt keinen Kinofilm, wo nicht irgendein Mann eine Frau findet und mit ihr ins Bett geht, auch wenn es eigentlich ein brutaler Actionthriller ist. Sämtliche Jugendzeitschriften und Internetportale sind voll von Liebesratschlägen, den neuesten Liebesgeschichten der Stars usw. Selbst irgendein relativ unwichtiges Werbeplakat hat oftmals sexuelle Inhalte. Man kann dem Thema Liebe und Sexualität praktisch nicht entkommen. Manchmal habe ich das Gefühl, wir leben in einer übersexualisierten Welt.

Interessant ist, dass diese sexgesättigte Kultur, in der wir leben, erst in den letzten 50 Jahren entstanden ist. Früher gab es keine Werbeplakate mit halb nackten Personen, keine Sexszenen in Filmen, es gab auch nicht den sozialen Druck, dass man mit spätestens 16 einen Freund oder eine Freundin (gehabt) haben sollte, mit dem oder der man auch ins Bett geht, auch wenn man weiß, dass die Beziehung nicht allzu lange halten wird. Wenn man daran denkt, seit wie vielen Tausenden Jahren es uns Menschen schon gibt, dann sind diese 50 Jahre eigentlich gar nicht viel. Das, was heute „normal“ ist, war es die meiste Zeit unserer Geschichte nicht. Kannst du dir das vorstellen?

Ich will damit nicht sagen, dass früher alles besser war, und ganz sicher gab es auch genug Leute, die trotz der offiziellen Normen Sex hatten vor oder außerhalb der Ehe. Aber ich will uns nur klarmachen, dass vieles, was wir heute diesbezüglich sehen und erleben, erst vor kurzer Zeit so geworden ist. Christopher West sagt darüber: „Das Problem mit unserer sexgesättigten Kultur ist (...) nicht, dass sie Körper und Sex überbewertet. Das Problem ist, dass sie nicht erkennen kann, wie wertvoll Körper und Sex tatsächlich sind.“4 Genau das ist es: Unser Körper, unsere Sexualität, wir, wir sind wundervoll, überaus wertvoll, unendlich wertvoll! Und Gott hat einen Plan mit uns, mit unserem Körper und unserer Sexualität, einen wunderbaren Plan. Damit dieser Plan zu seiner vollen Entfaltung kommen kann, müssen wir uns bewusst sein, wie wertvoll die Sexualität ist, wie wertvoll wir als Person sind, unser Körper und unsere Seele. Dann werden wir auch besser verstehen können, warum uns Gott und die Kirche bitten, Sexualität in einer bestimmten Art und Weise zu leben und dabei auf manche Dinge zu verzichten.

Es geht also in erster Linie nicht darum, zu wissen, was man tun darf und was man lieber lassen soll, sondern wir müssen verstehen, was die Kirche und somit auch Jesus Christus unter Liebe verstehen, was die Ehe ist, was mit Liebe gemeint ist, dass es in der Liebe nicht nur auf das Körperliche ankommt, auf das Küssen und Schmusen. Liebe ist viel mehr. Wenn wir versuchen, die Größe und den Wert der Liebe und der Sexualität aus der Sicht der Kirche zu verstehen, wird in uns der Wunsch entstehen, danach zu leben und die ganze Welt davon zu überzeugen, wie wertvoll dieser Schatz ist. Möge der Heilige Geist uns dabei helfen und unseren Verstand und unser Herz mit Einsicht und Weisheit erfüllen.

4 Christopher West, Theologie des Leibes für Anfänger, Kißlegg 2005, S. 16.

Eins. Zuerst geliebt

Groß ist über mir deine Liebe Ps 86, 3

Die Liebe Gottes

Man kann nicht über die Liebe zwischen Mann und Frau, das Verliebtsein, eine Liebesbeziehung oder die Ehe reden, wenn man nicht zuerst über die größte Liebe spricht, die die Menschheitsgeschichte kennt: Gott.

„Gott ist Liebe.“ (1 Joh 4, 8)

„Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt.“ (Jer 31, 3)

„Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst, wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht.“ (Jes 49, 15)

Dieser wunderbare Gott, der „Ich bin“ (Ex 3, 14), ist ein persönlicher Gott, eine Person, die dir nahe sein will, um dich mit Frieden, Freude und Liebe zu erfüllen. Er ist ein Gott, den wir Vater, Abba, Papa nennen dürfen. Und diese Seine unendlich große Liebe wollte Er uns zeigen, erweisen, offenbaren. Damit wir den unsichtbaren Gott auch sehen können, hat Er aus Liebe Seinen Sohn Jesus Christus auf die Erde gesandt „als Sühne für unsere Sünden“ (1 Joh, 4, 10), „damit wir durch ihn leben“ (1 Joh 4, 9).

Der größte Liebesbeweis Jesu ist Sein Tod am Kreuz.

„Er [Jesus] war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.“ (Phil 2, 6–8)

„Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab.“ (Joh 3, 16)

Jesus hat für uns gelitten und wurde gekreuzigt, Er hat Sein Leben freiwillig hingegeben, damit wir nie wieder von Ihm getrennt werden können und damit Er uns unsere Sünden verzeihen kann.

„In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.“ (Eph 1, 7)

„Er hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, durch-gestrichen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn ans Kreuz geheftet hat.“ (Kol 2, 14)

Aber damit ist es nicht getan. Gott Vater hat Jesus auferweckt. Jesus ist auferstanden. Gott „hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, dass er vom Tod festgehalten wurde“ (Apg 2, 24).

„Wir wissen, dass Christus, von den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod hat keine Macht mehr über ihn.“ (Röm 6, 9)

Jesus lebt! Er ist lebendig wie du und ich. Noch mehr, Er hat dadurch auch uns das Leben geschenkt, das ewige Leben im Himmel. Jesus sagt:

„Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben.“ (Joh 11, 25–26)

Und: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ (Joh 14, 2)

Doch schon jetzt auf der Erde will uns Jesus glücklich machen, nicht nur im Himmel, wenn wir einmal sterben.

„Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10, 10)

Damit wir dieses Leben in Fülle tatsächlich erleben können, hat Er uns zwei wunderbare Mittel hinterlassen, nachdem Er in den Himmel aufgefahren war. Den Heiligen Geist und die Sakramente. Der Heilige Geist ist wunderbar, Er ist „wie eine heilende Salbe, wie lebendiges Wasser, wie (ein) brausender Sturm oder wie flammendes Feuer. Jesus Christus selbst spricht vom Beistand, Tröster, Lehrer und Geist der Wahrheit“5.

„Der Geist ist es, der lebendig macht.“ (Joh 6, 63)

Er macht unseren Glauben lebendig, Er ist das Feuer, das uns antreibt und uns den Wunsch ins Herz legt, das zu tun, was Jesus will. Und Er gibt uns auch die Kraft dazu!

Die Sakramente, und besonders die Eucharistie, sind ein weiterer Liebesbeweis Gottes an uns.

„Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. So aber ist es mit dem Brot, das vom Himmel herabkommt: Wenn jemand davon isst, wird er nicht sterben. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt.“ (Joh 6, 48–51)

In dem kleinen Stückchen Brot, das wir bei der Messe essen dürfen, ist Jesus wirklich gegenwärtig. Deshalb wird es auch mit besonderer Ehrfurcht behandelt, in einem schönen Tabernakel aufbewahrt oder in der eucharistischen Anbetung in eine goldene Monstranz gegeben. So können wir Jesus anschauen und Er uns. Auf geheimnisvolle und wunderbare Weise ist Er bei uns und will, dass wir Ihm ganz nahe sind, ob in der Messe, im Gebet vor dem Tabernakel oder in der eucharistischen Anbetung. Jeder Empfang der Kommunion in der Messe „verbindet mich tiefer mit Christus, macht mich zu einem lebendigen Glied am Leib Christi, erneuert die Gnaden, die ich in der Taufe und Firmung erhalten habe, und macht mich stark im Kampf gegen die Sünde“6. Die heilige Teresa von Kalkutta sagt: „Als wir mit der täglichen Anbetung begannen, wurde unsere Liebe zu Christus viel intimer, unsere Liebe zueinander verständnisvoller, unsere Liebe zu den Armen mitleidvoller, und die Anzahl der Berufungen hat sich verdoppelt.“7 Weil Jesus die Quelle der Liebe ist, schenkt Er uns Seine Liebe beim Empfang der Kommunion und in der eucharistischen Anbetung.

Die Liebe Gottes erfahren

Nicht immer ist es einfach, das alles zu glauben, und manchmal geben wir uns nicht damit zufrieden, am Sonntag in die Messe zu gehen. Zumindest ging es mir so. Als ich 15 oder 16 Jahre alt war, zweifelte ich an Gott. Ich wusste nicht, ob es Ihn und Jesus wirklich gibt. In der Messe dachte ich viel über die verschiedenen Gebete nach und fand nicht alles hundertprozentig schlüssig. So verging die Zeit und ich fand keine Antworten auf meine Fragen und Zweifel.

Der Youcat sagt uns: „Der Glaube ist ein reines Geschenk Gottes, das wir erhalten, wenn wir innig darum bitten.“8 Und dieses Geschenk wurde mir gegeben.

Trotz all der Zweifel, die ich hatte, sah ich bei einigen kirchlichen Veranstaltungen, dass die Gläubigen sich ehrlich um mich bemühten, was mir Vertrauen einflößte. Dann wurde ich zum Weltjugendtag nach Paris eingeladen. Da konnte ich trotz aller Zweifel nicht Nein sagen, denn ich hatte noch nie eine längere Reise ins Ausland gemacht. Ich fuhr also mit einer Jugendgruppe nach Paris. Dort war ich tief beeindruckt von der Freude der Jugendlichen. Alle waren fröhlich, lachten und tanzten für Jesus. Es war ehrlich, wirkte nicht künstlich und die Leute waren auch nicht betrunken. Das gefiel mir. Heute glaube ich, dass die Ursache dieser Fröhlichkeit der Heilige Geist war, den sie bewusst in ihr Leben aufgenommen hatten. Jedenfalls war ich dort und genoss die fröhliche Stimmung. An einem Abend fand ein Treffen statt, bei dem gesungen wurde und einige Leute von ihrem Leben mit Jesus erzählten. Am Ende wurde Jesus in der Monstranz in den Saal gebracht und wir beteten Ihn an. In diesem Augenblick durfte ich die Gegenwart Jesu und seine Liebe ganz stark spüren, fast körperlich. Es ist schwer, das zu beschreiben, aber ich wusste plötzlich, dass es Jesus wirklich gibt, dass er mich liebt und immer für mich da ist. Ohne dass irgendjemand etwas gesagt hätte, hatte ich diese Gewissheit plötzlich im Herzen.

Jesus hatte mir seine Liebe gezeigt, denn Er sagt ja selbst: „Und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.“ (Joh 14, 21) Jesus offenbart sich auch noch heute und Er will sich auch dir zeigen.

Manchmal geschehen diese Offenbarungen aber auch ganz anders:

Michael ging spazieren und sah einen ziemlich eigenartigen Mann an einer Kirchentür stehen. „Den seh ich mir genauer an“, dachte er und deshalb tat er so, als ob er in die Kirche hineingehen würde. Da sagte der Mann zu ihm: „Der Eingang ist auf der anderen Seite.“ Michael beschloss, zu der anderen Tür zu gehen und trotzdem hineinzugehen. Er erzählt: „Ich wusste nicht, dass in der Kirche gerade Messe gefeiert wurde und ich verstand auch nicht viel, weil ich die Landessprache noch nicht beherrschte. Aber plötzlich hatte ich das tiefe und sichere Gefühl, zu Hause zu sein, und es kamen Erinnerungen aus meiner Kindheit in mir hoch, als ich mit meiner Familie zur hl. Messe ging. Ich fing vor Rührung zu weinen an und spürte den Wunsch, mich vor der Größe Gottes niederzuknien.

Das war ein wichtiger Augenblick in meinem Leben, weil ich danach anfing, Gott mehr zu suchen, und ich fing nach einiger Zeit wieder an, in die hl. Messe zu gehen, die Sakramente zu leben und den großen Schatz zu entdecken, der uns im Glauben und in der Kirche geschenkt wird.“

Markus erzählt: „Ich bin in einer gläubigen Familie aufgewachsen. Wir haben am Abend als Kinder gemeinsam gebetet, auch gab es ein Tischgebet vor dem Mittagessen. Wir haben jeden Sonntag die hl. Messe besucht. Nach der Firmung haben uns die Eltern freigestellt, ob wir weiterhin die hl. Messe am Sonntag besuchen wollen.

Bei mir fing dann die Partyzeit an. Ich wollte überall dabei sein und ich habe (fast) keine Party versäumt. Auch der Alkohol ist reichlich geflossen. Generell hatte ich einen Lebensstil, der sehr auf Vergnügen ausgerichtet war. Erfolg war mir auch wichtig – ich hatte vor Kurzem mein Studium abgeschlossen, doch für mich waren Spaßhaben, Dazugehören, Überall-Dabeisein sehr wichtige Werte.

Mit 25 Jahren hatte ich einen Autounfall. Es war in einer lang gezogenen Kurve, die enger wurde. Ich war zu schnell dran. Ich habe bemerkt, dass mir ein Auto entgegenkommt. Mein Auto hat es geschleudert, ich habe gegengelenkt, doch es hat nicht geholfen. Ich hatte Angst, das entgegenkommende Auto ‚abzuschießen‘. Dann habe ich stark gegengelenkt. Das Auto fuhr in den Straßengraben. Mein Auto hat sich (gefühlt) mehrmalig überschlagen – so genau weiß ich das nicht mehr. Ich bin dann gegen die Fahrtrichtung auf dem Dach gelandet. Währenddessen sah ich mehrere Szenen aus meinem Leben. All das passierte für mich in Zeitlupe. Ich schrie laut: ‚Nein!!!!!!!‘, und hatte große Angst, dass ich den Unfall nicht überleben würde.

Glücklicherweise ist mir fast nichts passiert. Ich hatte 3 Tage ein steifes Genick – sonst war ich unverletzt.

Nach dem Unfall habe ich darüber nachgedacht, was der Sinn meines Lebens ist. Ist das, was ich bisher gelebt habe, wirklich alles? Oder gibt es noch andere Dinge, denen ich vielleicht bis jetzt zu wenig Bedeutung beigemessen habe? So hat sich für mich auch die Frage nach Gott gestellt.

Über Jugendgottesdienste habe ich mich dem Glauben angenähert. Bei einem großen Treffen von Gläubigen zu Pfingsten ging ich beichten. In einer Kleingruppe haben wir uns ausgetauscht und dann haben wir gelost, wer für wen beten soll. Ich habe eine junge hübsche Frau gezogen und mir gedacht: ‚Ok, für sie bete ich.‘ Nach mehreren Tagen haben wir aufgelöst, wer für wen gebetet hat. Ich habe mir gedacht: ‚Gebet ist gut, ich kann ja jetzt weiterbeten.‘ Ich hatte nämlich festgestellt, dass mich das Gebet stärkt und mir hilft, den Tag gut zu bewältigen. Und so ist mein Gebetsleben gewachsen. (Und die Dame von Pfingsten habe ich aus den Augen verloren.)

Im Laufe der Jahre habe ich Jesus besser kennengelernt: Gott ist die Liebe, ER ist immer gut und hat gute Pläne für mein Leben. Nur ER kann mich zu 100 % erfüllen und glücklich machen – sonst nichts und niemand. Ganz besonders habe ich das erfahren, als ich in Quarantäne war und von jedem direkten zwischenmenschlichen Kontakt abgeschnitten war. Da habe ich gerungen, gekämpft. Ich wollte das Glück in der Einsamkeit finden. Da wurde mir die Erkenntnis geschenkt, dass nur Gott die vollkommene Liebe ist. Kein Mensch kann so lieben wie Gott.

Auch wurde für mich das Wohl meiner Mitmenschen immer wichtiger, ich bin in der Nächstenliebe gewachsen und ich möchte, dass viele Menschen Jesus kennen und lieben lernen.“

Vielleicht könntest du hier ein ähnliches Erlebnis erzählen. Oder vielleicht nicht. Vielleicht kommt dir das alles ein bisschen spanisch vor und du weißt nicht so recht, was du damit anfangen sollst.

Kommen wir nochmals auf das zurück, was im Youcat steht: Der Glaube ist ein Geschenk, wenn wir darum bitten. Bitte Gott, dass Er dir hilft zu glauben, dass Er dir Gewissheit schenke. Er wird es tun. Vielleicht nicht sofort. Manchmal muss man ein wenig abwarten. Hör aber auf keinen Fall auf, Ihn darum zu bitten, selbst wenn du einige Wochen oder Monate auf eine Antwort warten musst. Gib nicht auf! Gott weiß, wann für jeden der perfekte Augenblick ist.

Oder du bist jemand, der eine ziemlich große Abneigung gegen Jesus, Gott oder die Kirche hat. Aber ist es vielleicht nicht so sehr Abneigung, sondern eher die Angst davor, etwas ändern zu müssen, wenn man jetzt anfinge, nach Gott zu fragen?

„Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir; hab keine Angst, denn ich bin dein Gott!“ (Jes 41, 10)

„Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Röm 5, 8)

Wir brauchen also wirklich keine Angst zu haben, auch wenn nicht alles in unserem Leben so ist, wie es Gott vielleicht gerne hätte. Er wird aber auch nie etwas von dir verlangen, was dir schadet. Wenn Jesus uns bittet, etwas in unserem Leben zu ändern, dann tut Er das immer so, dass wir erkennen, dass dies auch wirklich das Beste für uns ist. Er verlangt auch nichts, was unmöglich für uns ist.

„Fürchte dich also nicht und hab keine Angst; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir überall, wo du unterwegs bist.“ (Jos 1, 9)

Andere von uns haben in ihrer Vergangenheit Schreckliches erlebt und haben daher eine große Abneigung oder Zweifel Gott gegenüber.

Wer von uns hatte das Glück, in einer heilen Familie aufzuwachsen, in der sich die Eltern nicht scheiden ließen? Wo man sich nach einem Streit wieder versöhnte? Zu oft gibt es körperliche Misshandlungen, vielleicht sogar sexuellen Missbrauch. Auch so manche Kommentare hinterlassen Wunden im Herzen. Die einen werden oder wurden vielleicht ständig heruntergemacht oder mussten ständig hören: „Der oder die macht alles besser als du.“ Andere wachsen praktisch ohne Vater auf oder fühlen sich überbehütet, manche leiden, weil sie sehr schüchtern oder verschlossen sind usw. Es gibt unzählig viele Dinge, die dazu führen, dass es uns schlecht geht.

„Aber er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. (…) durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jes 53, 4–5) „Er heilt, die zerbrochenen Herzens sind, er verbindet ihre Wunden.“ (Ps 147, 3) „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken.“ (Mt 9, 12) Sei voller Zuversicht! Jesus kennt dich und weiß, wie es dir geht. Er wird dich mit Seiner Liebe heilen und neu machen.

Wir dürfen auch eine der wichtigsten Eigenschaften der Liebe Gottes nicht vergessen: die Treue. „Wenn wir untreu sind, bleibt er [Christus] doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen.“ (2 Tim 2, 13)

Wenn ich unseren Kindern beim Spielen zusehe, höre ich manchmal Sätze wie: „Wenn du mir das nicht gibst, lasse ich dich nicht mit meinem Auto spielen.“ Oder im Kindergarten: „Wenn du mich nicht mitspielen lässt, bin ich nicht mehr dein Freund.“ Gott ist nicht so. Auch wenn wir nicht mit Ihm leben wollen oder Seine Gebote nicht halten, wird Er uns immer treu sein, wird Er immer geduldig und voller Liebe auf uns warten. Wie der barmherzige Vater. Er nimmt seinen Sohn freudig wieder bei sich auf, obwohl er sein ganzes Geld verschleudert und sicher kein christliches Leben geführt hatte.

„Der Vater sah ihn schon von Weitem kommen und hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ (Lk 15, 20) Dann schlachtet er sogar sein bestes Kalb und gibt ein Fest, weil sein Sohn wieder da ist. So ist Gott. Er wartet geduldig auf uns und auf alle Menschen und ist uns treu.

Egal, wer du bist, wie es dir geht und was du machst – geh zu Jesus, geh in die Messe, in eine Kirche zum Gebet und frage Jesus nach der Wahrheit. Bitte den Heiligen Geist, dass Er zu dir kommt und dir die Wahrheit zeigt. Er wird deine Treue belohnen und es tun.

„Bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geöffnet! Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.“ (Mt 7, 7–8)

5Youcat Deutsch, München 2011, 115.

6Youcat, 221.

7 Heilige Teresa von Kalkutta. In: Youcat, S. 132.

8Youcat, 21.

Zwei. Zur Liebe berufen

Geliebte, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben. (...) Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns und seine Liebe ist in uns vollendet. 1 Joh 4, 11–12

2.1 Zur Liebe berufen

Papst Benedikt XVI. hat 2005 eine Enzyklika über die Liebe geschrieben. Gleich am Anfang schreibt er: „Zunächst aber steht uns diesbezüglich ein sprachliches Problem im Weg. Das Wort ‚Liebe‘ ist heute zu einem der meist gebrauchten und auch mißbrauchten Wörter geworden, mit dem wir völlig verschiedene Bedeutungen verbinden.“9 Geht es uns nicht allen so? Wo fangen wir an darüber zu reden und wo hören wir auf? Das Wort Liebe hat so viele Facetten ...

Aber grundsätzlich ist eines klar: Jesus will, dass wir einander lieben. Das ganze Neue Testament ist voll von Aufrufen, die Liebe in die Tat umzusetzen. „Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ (Gal 5, 14) „Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde (…) wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten?“ (Mt 5, 44–46) Und auch im Youcat steht: „Der Glaube ist unvollständig, solange er nicht in der Liebe wirksam wird.“10

Wenn wir einen Blick in die Bibel werfen, stellen wir fest, dass im griechischen Text für das Wort Liebe im Neuen Testament sehr oft der Ausdruck Agape verwendet wird. Agape bezeichnet die selbstlose, sich schenkende Liebe, auch die Liebe zu unseren Feinden, die Liebe, die in erster Linie das Wohl des anderen sucht.11 Sie ist eine „Grundhaltung des Lebens. (…) Die Agape blickt nicht auf sich selbst, lässt sich von Enttäuschungen nicht erschüttern, ist trotz heftiger Anfechtungen treu und konstant“12.

Wir Christen sind berufen zu dieser Grundhaltung des Lebens, wir sollen immer versuchen, so zu handeln, dass es den anderen gut oder besser als momentan geht. Wir sollen nicht nur auf uns selbst schauen, sondern bewusst so handeln, dass wir das Wohl unserer Mitmenschen nicht aus den Augen verlieren. Das gilt für alle Christen, egal ob jung oder alt, ob verheiratet oder nicht, ob Priester oder Ordensfrau.

2.2 Die Liebe zwischen Mann und Frau

Verliebtsein

Das Erste, was uns so einfällt, wenn wir an die Liebe zwischen Mann und Frau denken, ist das Verliebtsein. Dieses Gefühl, das einen einfach so überkommt, ohne dass man dagegen etwas tun kann. Es passiert einfach. Es ist die Liebe „zwischen Mann und Frau, die nicht aus Denken und Wollen kommt, sondern den Menschen gleichsam übermächtigt“13, wie Papst Benedikt XVI sagt. Ist das nicht wunderbar, wenn man verliebt ist? Wer es schon einmal erlebt hat, der kann sicher bestätigen, dass man tatsächlich nichts dagegen tun kann. Es kribbelt im Bauch, man wird nervös, wenn man den anderen sieht, man kann nicht aufhören an sie/ihn zu denken, man will möglichst viel Zeit miteinander verbringen, man freut sich unendlich, wenn der andere anruft oder eine nette Nachricht schickt usw.

Es soll auch schon mal vorgekommen sein, dass man gar nicht merkt, dass man verliebt ist, es ist einfach da, es geht einem gut, und dann braucht es einen mehr oder weniger auffälligen Wink mit dem Zaunpfahl, damit es einem bewusst wird. Bei mir war es so, als ich meinen Mann kennenlernte. Ich denke, ich kannte ihn erst zwei Wochen, als ich schon einigermaßen verliebt war. Nach ungefähr zwei Monaten ergab sich eine Situation, in der ich auf eine Frau eifersüchtig wurde. Wegen einer ziemlichen Kleinigkeit. Als ich darüber nachdachte, warum ich denn wegen so einer Lappalie eifersüchtig war, ging mir ein Licht auf: Ich muss wohl verliebt sein in diesen Mann, es gibt keine andere Erklärung für diese übertriebene Eifersucht. In anderen Fällen sagt es uns vielleicht jemand: „Ich glaube, X ist verliebt in dich.“ „Du bist verliebt in sie, oder?“ In den meisten Fällen ist es einem selbst ziemlich bald klar, dass man sich verliebt hat. Wie schön ...

Dieses starke Gefühl des Verliebtseins bewegt uns dazu, nicht bei uns selbst stehen zu bleiben, nicht nur um uns selbst, um unsere eigenen Probleme zu kreisen, sondern wir bekommen plötzlich den Wunsch, mit der geliebten Person Zeit zu verbringen, mit ihr zu reden, sie zu fragen, wie es ihr geht, was es Neues in ihrem Leben gibt, und wir wollen der Person Freude bereiten, dazu beitragen, dass es ihr gut oder noch besser geht. Es geht also auch um das Du, nicht mehr so sehr um das Ich. Oder anders ausgedrückt: Wenn es sich um authentische Liebe handelt, dann muss der Partner als Person geachtet werden, die Sehnsucht nach ihm soll nicht von (sexueller) Begierde bestimmt sein. Sie erfordert ein gewisses „Eintreten“ in das Geheimnis der Person, ohne dieses Geheimnis je zu verletzen.14 Oder anders ausgedrückt: „Je mehr man sich für die geliebte Person verantwortlich fühlt, desto mehr wahre Liebe ist vorhanden.“15

Wenn man verliebt ist, geht vieles wie von selbst. Man ruft die Freundin/den Freund regelmäßig an, man kocht sein oder ihr Lieblingsessen, bereitet eine kleine Überraschung vor, um dem anderen eine Freude zu bereiten. Er nimmt sich Zeit, um sie abzuholen, sie hilft ihm bei einer Arbeit, die er sonst alleine machen müsste usw.

Die Entscheidung zur Liebe

Nun ist aber wissenschaftlich erwiesen, dass das Verliebtheitsgefühl nach ca. zwei Jahren wieder verschwindet. Und man hört das auch oft genug, wenn sich Paare trennen: „Da ist keine Liebe mehr.“ „Wir lieben uns nicht mehr.“

Da müssen wir jetzt wieder zurück zur Agape.

„Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“ (1. Joh 3, 18) Es geht also darum, dass wir auch „in Tat“ lieben sollen, also mit Taten. Das sagt auch Christian Beaulieu: „Verliebt zu sein, ist ein Zustand. Lieben ist ein Akt, eine Handlung. Man erträgt einen Zustand, aber man entschließt sich zu einer Handlung.“16

„Die Agape gibt sich bedingungslos hin, ohne zu rechnen, ob sie etwas zurückbekommt. Sie ist eine Bewegung der Liebe, die dorthin zielt, wo noch nichts ist. (…) Es geht der Agape nicht um Gefühle, sondern um eine Grundhaltung des Lebens. (…) [Sie ist] besonnen, bescheiden und vernünftig: sie prüft, bevor sie sich hingibt.“17

Wer sich, selbst nach 50 Jahren Ehe, bewusst dazu entscheidet, etwas aus Liebe zu seinem Partner zu tun, ein romantischer Abend, mit dem man den anderen überrascht, oder was auch immer, der wird das Feuer der Liebe aufs Neue entfachen und die beiden werden sich wieder „verliebt“ fühlen wie am ersten Tag.

Wenn wir also wollen, dass unsere Liebesbeziehung und später unsere Ehe von Dauer sind, müssen wir die Agape pflegen. Diese Liebeshandlungen brauchen manchmal auch etwas Aufwand, Zeit, Geduld sowie Fantasie und Kreativität. Und vor allem die Entscheidung dazu. Das müssen keine großen Dinge sein! Eine nette Nachricht übers Handy, Interesse zeigen am Leben des anderen (z. B. einfach fragen: „Wie war dein Tag?“), eine witzige Überraschung, vielleicht einmal selbst gemachter Kuchen oder ein Essen. Manchmal einfach nur den Vorsatz, den anderen mehr reden zu lassen und nicht gleich die eigene Anekdote zu erzählen, noch bevor der andere fertig ist mit seiner Geschichte. Hilfsbereitschaft zeigen, bewusst Zeit miteinander verbringen, einen Spaziergang dorthin zu machen, wo es dem anderen gut gefällt, dankbar sein für das kleine Geschenk oder wenn er/sie dir geholfen hat. Die Agape beinhaltet auch das Annehmen so mancher Fehler oder Schwächen des anderen, die er oder sie, realistisch gesehen, nicht so schnell ablegen oder korrigieren wird.

Pflegen wir also die Agape, damit uns das Gefühl der Liebe immer begleitet.

Verliebtsein oder doch nicht?

Neben dem Verliebtsein und der gelebten Liebe (Agape) gibt es noch ein weiteres Gefühl, das auch einiges mit der Liebe zu tun hat: das Verknalltsein oder jemanden attraktiv zu finden. Das heißt, man lernt jemanden kennen, und findet sie oder ihn sehr attraktiv oder interessant und fühlt sich vielleicht auch sexuell zum anderen hingezogen.

Oft ist das der Anfang einer neuen Bekanntschaft, die dann in eine ernsthafte Beziehung mündet: Ein Bursche findet ein Mädel höchst attraktiv, ein Mädel findet einen Burschen cool, interessant und gut aussehend. Sie beginnen miteinander zu reden, lernen sich kennen und fangen dann eine Beziehung miteinander an.

Als ich auf die Pädagogische Hochschule ging, war dort ein junger Mann, der sehr gut aussah. Ich wusste auch, dass er Christ war. Das fand ich cool und ich dachte mir, dass sich vielleicht was ergeben könnte zwischen uns. Ich begann auch ein paar Mal ein Gespräch mit ihm, aber mehr ergab sich nicht. Nur in meinen Gedanken blieb er recht präsent. Des Öfteren war er Inhalt meiner Tagträume und ich dachte, was wäre, wenn ... Und so dachte ich mich in einen Strudel hinein, bis dahin, dass ich zu dem Schluss kam, dass ich in ihn verliebt war.

Lea ging es so ähnlich: „Als ich mit 14 Jahren anfing, regelmäßig auf Partys zu gehen, wollte ich, so wie die anderen in meinem Alter auch, einen Freund. Meine Motivation auf diesen Partys war, jemanden kennenzulernen, der mich liebte. Neue Freundschaften zu schließen, war für mich kein Problem, da ich ein sehr geselliger Typ bin. Viele Leute kannte ich durch Schulkollegen, Freunde vom Ort oder durch meine Brüder. Als ich ca. 16 Jahre alt war, ging ich manchmal einen Schritt weiter. Auf den Partys fingen meine Bekanntschaften ganz harmlos an: Ich redete und scherzte mit den Burschen und ab einem gewissen Maß an Alkohol merkte ich, dass Hemmungen auf beiden Seiten verloren gingen. Ich oder er suchte dann oft Körperkontakt, zum Beispiel ein leichtes Berühren oder Stupsen des anderen während des Gesprächs. So passierte es einige Male, dass wir den Partyraum gemeinsam verlassen wollten, um ‚frische Luft‘ zu schnappen, und dann landeten wir meist irgendwo küssend und eng umschlungen. Doch die meisten dieser Flirts endeten schon damit. Wenn ich die Burschen dann in der Schule oder sonst wo traf, konnten sie mir oft nicht einmal in die Augen schauen, geschweige denn mit mir ein paar Sätze reden.“

Noch ein Beispiel: Nehmen wir an, Sarah studiert im 4. Semester und geht auf Erasmus ins Ausland. Sie hat einen Freund, Klaus, mit dem sie seit vier Monaten beisammen ist. Er studiert auch, bleibt aber zu Hause, weil er sein Erasmus-Semester schon hinter sich hat. Sarah geht also weg und in den ersten Tagen ist sie sehr beschäftigt mit Wohnungssuche, Intensivsprachkurs, Überlegen, welche Vorlesungen sie besuchen wird, neuen Freunden, Erasmus-Partys usw. Sie hat nur wenig Kontakt mit Klaus und wenn sie mal kurz zur Ruhe kommt, stellt sie fest, dass sie ihn kein bisschen vermisst und auch nicht das Bedürfnis hat, mit ihm zu reden oder ihm zu erzählen, was sie alles erlebt.

Diese drei Beispiele haben alle etwas gemeinsam: Sarah, Lea und ich haben jemanden kennengelernt, den wir körperlich sehr attraktiv oder aufgrund seines Charakters interessant fanden. Wir waren alle mehr oder weniger verknallt in den anderen.

Und wahrscheinlich geht es vielen Leuten so. Man hat es echt lustig, wenn man mit einer bestimmten Person beisammen ist, vielleicht denkt man auch recht oft an sie oder ihn oder man fühlt sich auch sexuell zu ihm oder ihr hingezogen, was auch zu so mancher sexueller Erregung führen kann, wenn die betreffende Person anwesend ist oder man an sie denkt. Oder man beginnt eine Beziehung mit ihm oder ihr und wird auch auf der körperlichen Ebene aktiv: küssen, Umarmungen usw. Aber hier ist Vorsicht geboten! Nur weil ich jemanden attraktiv finde oder weil man verknallt ist, muss das nicht zugleich bedeuten, dass ich in diese Person verliebt bin. Wir dürfen diese beiden Dinge, Verknalltsein und Verliebtsein, nicht verwechseln. Wir müssen lernen zu unterscheiden, ob wir verliebt sind oder uns wegen anderer Gründe zu jemandem hingezogen fühlen. Das ist gar nicht so einfach. Wenn man eine Beziehung mit einer Person anfängt, in die man gar nicht ehrlich verliebt ist, belügt man sich in gewisser Weise selbst, weil sie ziemlich sicher bald zu Ende gehen wird. Das kann sehr schmerzhaft sein für die andere Person und auch für dich selbst, weil es Wunden hinterlässt.

In meinem Fall war die Sache bald erledigt, weil sich bis auf ein paar Gespräche nichts weiter ergab. Und die Gedankengespinste versuchte ich dann aus meinem Gehirn zu verbannen, damit ich für anderes frei sein konnte.

Lea erkannte später, dass Liebe mehr ist, als mit jemandem zu scherzen und dann zu kuscheln, und dass der Alkohol kein guter Freund war, weil sie nicht mehr ganz sie selbst war.

„Jedes Mal war Alkohol im Spiel. Meist nicht nur ein wenig, sondern oft so viel, dass ich schon merkte, dass ich mich nicht mehr ganz unter Kontrolle hatte. Ich redete noch leichter Leute an, war überdreht, eigentlich nicht mehr ganz ich.“

Sarahs Beispiel ist erfunden, aber sie sollte bei nächster Gelegenheit ein ungestörtes und ruhiges Gespräch mit Klaus führen, um ihm zu sagen, dass sie es für besser hält, die Beziehung zu beenden, weil keine ehrliche Liebe im Spiel ist und weil sie das Gefühl hat, dass sie sowohl sich selbst als auch Klaus in gewisser Weise anlügen würde, wenn die Beziehung weitergehen würde.

Seien wir also ehrlich zu uns selbst! Frage dich ganz ehrlich: Bin ich wirklich verliebt oder führe ich die Beziehung nur, weil ich ihn/sie attraktiv, anziehend, interessant, lustig, sympathisch usw. finde? Weil es sich gut anfühlt, mit jemandem zusammen zu sein? Oder habe ich mit jemandem eine Beziehung, weil es alle so machen und es irgendwie dazugehört, auch wenn ich nur ein bisschen verknallt bin?

„Aber na ja“, denkst du jetzt vielleicht, „so einfach ist das wirklich nicht zu unterscheiden.“ Vor Kurzem habe ich einen sehr interessanten Bericht von einem jungen Ehepaar gehört. Sie erzählten, wie sie sich kennenlernten: Kati und Pancho, beide aus Spanien, lernten sich in einem Surfcamp kennen und wurden sehr gute Freunde. Pancho sagte, dass er in diesem Sommer für Kati wie ein großer Bruder war. Sie hatte einige kürzere Beziehungen mit verschiedenen Männern, dann Liebeskummer usw. Diese Dinge besprach sie mit Pancho. Als der Sommer vorbei war, ging Pancho nach Panama und der Abschied war für beide sehr schwer, sie konnten aber ihre Gefühle nicht einordnen. Pancho verbrachte dann einige Jahre in Panama und sie hatten ein wenig Kontakt per Mail und ab und zu telefonierten sie miteinander. In dieser Zeit begann Pancho eine Beziehung mit einem Mädel aus Deutschland und nach einigen Jahren planten sie zu heiraten. Als Pancho schon in Deutschland war, ließ sie ihn plötzlich sitzen. Pancho beschloss aber, trotzdem in Deutschland zu bleiben.

Kati war zu der Zeit in Spanien und eine ihrer Freundinnen lebte in Berlin. Diese fragte sie, ob sie mit ihr zu einem Musikfestival in der Nähe von Mannheim fahren wolle. Kati sagte zu und als sie auf Facebook gepostet hatte, dass sie zu diesem Festival gehen werde, schrieb ihr Pancho, weil er dort in der Nähe wohnte. Sie trafen sich also nach einigen Jahren wieder und Pancho wurde in dem Moment klar, dass sie mehr war als nur eine Freundin und dass er eine Beziehung mit ihr anfangen wollte. Also führten sie nach dem Festival ein klärendes Gespräch und wurden ein Paar. Kati sagte während des Gesprächs: „Jedes Mal, wenn ich dich sehe, freue ich mich irrsinnig, und wenn du wieder gehst, muss ich weinen.“ Sie erzählte auch, dass da eine Vertrautheit und ein Friede waren, wenn sie mit Pancho zusammen war. So als ob sie zu Hause wäre.18 Der entscheidende Punkt ist hier, dass sie sich wie Schwester und Bruder fühlten, es war eine Vertrautheit zwischen ihnen, deren sie sich am Anfang gar nicht so bewusst gewesen waren. Sie konnte ihm sogar von Anfang an von ihrem Herzschmerz erzählen, den diverse Männer in ihr verursacht hatten.