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Würdest du deinen Ehemann verteidigen, wenn er angeklagt ist, seine Geliebte getötet zu haben? Sarah Morgan ist eine erfolgreiche und einflussreiche Anwältin in Washington D.C. Mit 33 Jahren ist sie Partnerin in ihrer Kanzlei und das Leben verläuft genau so, wie sie es geplant hat. Dasselbe kann man von ihrem Ehemann Adam nicht behaupten. Er ist ein unbeachteter Schriftsteller, der bisher wenig Erfolg hatte, und frustriert ist von der Beziehung mit Sarah, die mehr Zeit in der Kanzlei verbringt, als mit ihm. Um dem ehelichen Frust zu entfliehen, geht Adam eine leidenschaftliche Affäre mit Kelly Summers ein. Dann ändert sich eines Morgens alles: Adam wird wegen Mordes an Kelly festgenommen, die erstochen in Adams und Sarahs Zweitwohnung aufgefunden wurde. Sarah tritt vor Gericht als Verteidigerin ihres eigenen Mannes auf. Aber ist Adam wirklich unschuldig? Der Mega-Bestseller und TikTok-Erfolg aus den USA mit über 2 Millionen verkauften Exemplaren wird mit seinen undurchsichtigen Charakteren und überraschenden Wendungen auch das deutsche Publikum umhauen! "Liebe stirbt leise – The Perfect Marriage" ist Jeneva Roses unverzichtbares Debüt. Es ist die perfekte Lektüre für Leser*innen von domestic noir, aber auch für Fans von Autorinnen wie Louise Jensen, B. A. Paris und K. L. Slater.
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JENEVA ROSE
LIEBE STIRBT LEISE
JENEVA ROSE
LIEBE STIRBT LEISE
LAGO
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen
Wichtiger Hinweis
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
1. Auflage 2024
© 2022 by LAGO, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Die englische Originalausgabe erschien 2020 bei Bloodhound Books unter dem Titel The Perfect Marriage. © 2020 by Jeneva Rose. All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Veronika Dünninger
Redaktion: Silke Panten
Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch
Umschlagabbildung: Shutterstock.com/Engkuuuy
Satz: Christiane Schuster | www.kapazunder.de
eBook by tool-e-byte
ISBN E-Book (PDF) 978-3-95761-246-5
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95762-320-1
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.lago-verlag.de
Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de
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INHALT
PROLOG
1. SARAH MORGAN
2. ADAM MORGAN
3. SARAH MORGAN
4. ADAM MORGAN
5. SARAH MORGAN
6. ADAM MORGAN
7. SARAH MORGAN
8. ADAM MORGAN
9. SARAH MORGAN
10. ADAM MORGAN
11. SARAH MORGAN
12. ADAM MORGAN
13. ADAM MORGAN
14. SARAH MORGAN
15. ADAM MORGAN
16. SARAH MORGAN
17. ADAM MORGAN
18. ADAM MORGAN
19. SARAH MORGAN
20. ADAM MORGAN
21. SARAH MORGAN
22. ADAM MORGAN
23. SARAH MORGAN
24. ADAM MORGAN
25. SARAH MORGAN
26. ADAM MORGAN
27. SARAH MORGAN
28. ADAM MORGAN
29. SARAH MORGAN
30. ADAM MORGAN
31. SARAH MORGAN
32. ADAM MORGAN
33. SARAH MORGAN
34. ADAM MORGAN
35. SARAH MORGAN
36. ADAM MORGAN
37. SARAH MORGAN
38. ADAM MORGAN
39. SARAH MORGAN
40. ADAM MORGAN
41. SARAH MORGAN
42. ADAM MORGAN
43. SARAH MORGAN
44. ADAM MORGAN
45. ADAM MORGAN
46. SARAH MORGAN
47. ADAM MORGAN
48. SARAH MORGAN
49. ADAM MORGAN
50. SARAH MORGAN
51. SARAH MORGAN
52. ADAM MORGAN
53. SARAH MORGAN
54. ADAM MORGAN
55. SARAH MORGAN
56. ADAM MORGAN
57. SARAH MORGAN
58. ADAM MORGAN
59. SARAH MORGAN
60. ADAM MORGAN
61. SARAH MORGAN
62. SARAH MORGAN
63. ADAM MORGAN
64. SARAH MORGAN
DANKSAGUNG
ÜBER DIE AUTORIN
Hat er sie geliebt? Er hat die Art geliebt, wie sie ihn ansah — die Art, wie ihre Unterlippe bebte und ihr Fuß zuckte, wenn sie zum Höhepunkt kam. Er hat die Art geliebt, wie ihre langen, kastanienbraunen Locken vor ihre Rehaugen fielen, während sie ihn ritt, und die Art, wie ihr schlanker Rücken sich zu einem Halbmond krümmte, wenn er von hinten in sie eindrang. Hat er sie geliebt? Er hat Teile von ihr geliebt. Aber die Frage ist nicht, ob er sie geliebt hat oder nicht. Die Frage ist ... hat er sie getötet?
»Nicht schon wieder.«
Die Enttäuschung in seiner Stimme füllt das Zimmer aus und hängt dort wie ein leichter Nebel, der uns voreinander verhüllt. Ich hole tief Luft, entferne den Dunstschleier und stoße die Luft ebenso schnell wieder aus, mache den Weg zwischen uns wieder frei. Ich muss ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass sein Blick ernüchtert ist und seine Lippen fest zusammengepresst sind. Ich kann es ihm nicht verdenken. Ich habe Adam enttäuscht, wieder einmal. Ich fahre mit den Händen über mein goldblondes Haar, bändige alle fliegenden Strähnen. Meine Haare sind fest zu einem perfekten Knoten gebunden. Sie sind immer fest zu einem perfekten Knoten gebunden. Ich streife einen weißen Blazer über eine smaragdgrüne Bluse und streiche meinen Bleistiftrock glatt. Mein Blick fängt seinen auf, nagelt uns wieder fest.
»Es tut mir leid.« Ich neige den Kopf, weiche seinem Blick aus, um ihn zu mir zu locken. Er beißt auf den Köder an, kommt auf mich zu, und seine knapp ein Meter neunzig große Gestalt ragt über meinem zierlichen Körper auf. Er legt mir eine Hand an die Wange, hebt mein Kinn an und küsst mich sanft auf die Lippen. Jedes Härchen an meinem Körper stellt sich auf. Nach zehn Jahren Ehe macht Adam das noch immer mit mir. Nach zehn Jahren Ehe mache ich das noch immer mit ihm — ihn enttäuschen, meine ich.
»Wir wollten schon gestern zum Seehaus fahren. Du hast gesagt, du würdest es heute schaffen.«
Ich löse mich aus unserer Umarmung und beginne, meine Aktentasche zu packen; mein Verantwortungsbewusstsein überwiegt meine Gefühle. »Ich weiß, ich weiß. Es ist nur ... ich habe noch so viel Arbeit und ein riesiges Schlussplädoyer vorzubereiten.«
Adam geht zum Türrahmen unseres Schlafzimmers und lehnt sich dagegen. Er verschränkt die Arme vor der Brust. In diesem Augenblick will ich nichts lieber, als von seinen Armen in Beschlag genommen zu werden anstatt von einem vertrackten Gerichtsprozess, aber es gibt ein paar Dinge, die nicht einmal ich unter Kontrolle habe.
»Du hast immer so viel zu tun. Es gibt immer irgendeinen großen Prozess, an dem du arbeitest.« Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an, auf eine verspielte, aber irgendwie vorwurfsvolle Art, als wäre ich es, die jetzt vor Gericht steht.
»Jemand muss die Rechnungen bezahlen.« Ich schenke ihm ein kleines Lächeln. Das sitzt. Er schüttelt den Kopf so leicht, dass ich es fast nicht bemerke, aber ich muss es zur Kenntnis nehmen. Ich lege ihm die Hände auf die Schultern. Er tut, als würde er sich nicht gleich hinunterbeugen, um meinen Lippen zu begegnen, aber ich weiß, dass er es tun wird. Er kann mir nicht widerstehen, genau wie ich ihm nicht widerstehen kann.
Er lächelt, aber sein verspieltes Tauziehen hält nur ein paar Sekunden an, bevor sein Körper sich zu mir neigt. Unsere Lippen begegnen sich wieder — diesmal leidenschaftlicher. Diesmal öffnen sich unsere Münder, unsere Zungen umspielen einander, seine Hände gleiten auf meinem Rücken auf und ab. In diesem Moment spiele ich mit dem Gedanken, alles hinzuschmeißen. Ich werde aus der Kanzlei ausscheiden. Wir werden dieses Haus verkaufen und wir werden in unser Seehaus in Virginia ziehen, nur wir beide, und Hand in Hand in unser ganz eigenes Märchen laufen.
Aber dann holt mich die Wirklichkeit ein.
»Ich muss los«, flüstere ich ihm ins Ohr, während ich mich von ihm löse. Ich bin immer die Erste, die sich löst. Eines Tages werden wir all das sein, von dem ich immer wusste, dass wir es sein würden, aber eines Tages ist nicht heute.
»Aber morgen ist unser zehnter Hochzeitstag.« Er runzelt die Stirn. Er hat noch immer diesen jungenhaften Charme, in den ich mich damals verliebt habe, und es wäre aufreibend, wenn ich nicht auch so hingerissen davon wäre.
»Ich werde versuchen, es morgen dorthin zu schaffen.« Ich weiche einen Schritt von ihm zurück, betrachte seine enttäuschte Miene, den Schaden, den ich angerichtet habe.
Er schnaubt verärgert. »Nach zehn Jahren würde man meinen, ich bin es gewohnt, dass du das tust ... aber das bin ich nicht.« Adam reibt sich das Kinn, als würde er darüber nachgrübeln, was er als Nächstes sagen soll. »Ich bin das einfach gründlich leid, Sarah.« Er neigt den Kopf und schüttelt ihn.
Ich schließe den Abstand zwischen uns und vergrabe das Gesicht an seiner Brust. »Es tut mir leid. Ich weiß, ich habe dich enttäuscht. Aber wie auch immer, wenn dieser Prozess vorbei ist, nehme ich mir eine Woche von der Arbeit frei. Ich habe schon mit Kent geredet.« Ich sehe mit Rehaugen zu ihm hoch, in der Hoffnung, dass er mit dieser Neuigkeit glücklich sein wird.
Er schenkt mir ein dünnes Lächeln. »Ist das ein echtes Versprechen oder ein Sarah-Versprechen?«
Ich klopfe ihm leicht auf die Brust. »Ach, hör schon auf.«
Er nimmt meine Hände und zieht mich zu noch einem Kuss an sich. »Ich werde aufhören, wenn du aufhörst.« Er grinst. Ich küsse ihn wieder.
»Oh, fast hätte ich’s vergessen.« Ich hole eine kleine, verpackte Schachtel aus dem Wandschrank und halte ihm mein Geschenk hin. »Ich habe etwas für dich.«
Er sieht erst die Schachtel und dann mich an. »Das hättest du nicht tun müssen«, sagt er, während er das sorgfältig verpackte Geschenk entgegennimmt. Nach unserem fünften Hochzeitstag hatten wir uns darauf geeinigt, uns nichts mehr zu schenken, aber ich konnte es mir nicht verkneifen. Ich weiß, ich habe ihn vernachlässigt, und das hier war meine bescheidene Art, es bei ihm wiedergutzumachen. Er hält einen Moment inne, dann packt er das Geschenk vorsichtig aus. Er nimmt den Deckel von der Schachtel, bringt eine Grandes-Complications-Uhr von Patek Philippe mit einem Alligatorarmband und einem goldenen Zifferblatt zum Vorschein. Sein Mund klappt auf.
»Ich wünsche mir diese Uhr seit Jahren ... aber das, das ist zu viel«, protestiert er, während er die Feinheiten und das Design des Zifferblatts bewundert.
»Nein, das ist es nicht. Es steht für zehn Jahre Ehe.« Ich nehme die Uhr heraus. »Sieh dir die Gravur an.«
Er dreht sie um, und auf der Rückseite ist eingraviert: 5 256 000.
Adam sieht mich an. »Was bedeutet das?«
»Das ist die Anzahl der Minuten in zehn Jahren.« Ich drücke ihm einen leichten Kuss auf die Lippen.
»Du hast gezählt?«
»Ich zähle immer.« Ich lache, während ich ihm helfe, die Uhr umzulegen.
Er streckt das Handgelenk aus, um sie zu bewundern. »Ist das, damit ich es jedes Mal mitverfolgen kann, wenn du dich verspätest oder mich versetzt?«, neckt er mich. Ich verdrehe die Augen.
»War nur ein Witz.«
»Nein, das war es nicht.« Ich lege den Kopf auf die Seite. Ich weiß, dass es kein Witz war.
Er lässt den Arm sinken und wendet seine Aufmerksamkeit wieder mir zu, legt mir die Hände auf die Schultern, lässt sie dann an meinen Armen hinuntergleiten. »Du hast recht, aber ich liebe dich trotzdem, Sarah.« Er küsst mich hart.
Nachdem wir uns von einem leidenschaftlichen Kuss gelöst haben, gehen wir in die Küche hinunter, einen großen und modernen Raum mit Edelstahlgeräten, cremefarbenen Küchenschränken und Granittresen. Ich lege meine Aktentasche auf der Kücheninsel ab und durchstöbere den Kühlschrank nach etwas Obst und Wasser. Ich nehme ein paar Ananasscheiben und eine Glasflasche San Pellegrino heraus, was mir über die Runden helfen sollte, bis ich meine Assistentin zum Lunchholen schicke.
Adam schenkt zwei Tassen Kaffee ein und stellt eine neben meine schwarze Bottega-Aktentasche. Er nimmt den benutzten Kaffeefilter aus der Maschine, geht zum Mülleimer und tritt auf das Pedal, um den Deckel zu öffnen. Als er den Abfall eben in den Eimer werfen will, fällt ihm etwas Silbernes auf, das kurz aufblitzt.
»Was ist das denn?« Adam greift in den Mülleimer, zieht die Quelle des Schimmers heraus. Einen zerrissenen Umschlag mit einer Karte darin.
»Deine Mom hat uns eine Karte zu unserem Hochzeitstag geschickt«, antworte ich, ohne von meinem Handy aufzusehen.
»Und du hast sie einfach ... weggeworfen?« Er legt das Gesicht in Falten.
»Ich habe sie gelesen. Zur Kenntnis genommen. Verdaut. Was soll ich denn noch damit tun?«
Er zieht die Karte aus dem aufgerissenen Umschlag und liest sie laut vor: »Ich kann nicht glauben, dass ihr zehn Jahre durchgehalten habt! Alles Gute zum Hochzeitstag, Adam und Sarah, meine Lieben! PS: Wo bleiben meine Enkelkinder? Alles Liebe, Mom.«
Er lächelt und geht zum Kühlschrank. »Das war nett von ihr.« Er beginnt, in Schubladen nach einem Magnet zu suchen, um seine Trophäe an der Tür unseres Edelstahlkühlschranks zu befestigen. Ich verdrehe die Augen, während ich zusehe, wie er ein Stück Abfall an den Kühlschrank heftet.
»Was hast du heute vor?«, wechsele ich das Thema. Ich werde ihm das hier einfach durchgehen lassen, und mit das hier meine ich seine Mutter. Ich nehme die Tasse Kaffee und führe sie mir an die Lippen. Es brennt, aber es ist eine gute Art Brennen, wie die kleinen Feuer, die wir manchmal in unserem Leben brauchen, um uns in Erinnerung zu rufen, dass wir am Leben sind.
»Na ja, jetzt, wo ich jede Menge Zeit zur Verfügung habe ...«, sagt er kichernd mit einem Blick auf seine neue Uhr. Ich stoße ein leises, höfliches Lachen über seinen schrecklichen Witz aus. »Vermutlich werde ich hoch zum Seehaus fahren und ein bisschen schreiben. Daniel braucht noch mehr Seiten, bevor er das Buch pitchen kann.«
Ich nicke und nehme noch einen Schluck. »Die letzten, die du geschickt hast, waren wundervoll. Dein Agent wird sie lieben. Denk dran, mir deine neuesten zu schicken.«
»Meinst du das ernst?« Er zieht skeptisch eine Augenbraue hoch.
»Ich meine alles, was ich sage, ernst ... vor allem was dich betrifft«, sage ich augenzwinkernd.
Er stellt seine Kaffeetasse hin und schließt den Abstand zwischen uns, stellt sich hinter mich, beide Hände auf den Tresen gestützt. Er küsst und liebkost meinen Nacken, presst sein Becken gegen mein Gesäß. Ich kichere wie ein Schulmädchen.
»Komm morgen. Nur für den Tag.«
»Ich werd’s versuchen, auch wenn ich nur ein paar Stunden mit dir verbringen kann.«
»Versuch es nicht nur. Wir haben das Seehaus seit über einem Jahr, und du hast nicht mehr als eine Nacht dort oben verbracht.«
»Ich habe doch gesagt, ich werd’s versuchen.« Ich nehme noch einen Schluck von meinem Kaffee.
Er stöhnt in meinen Nacken. »Bitte.«
»Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um morgen dort zu sein, und dann können wir beide dieses Seehaus endlich einweihen.« Ich drücke mich verspielt gegen ihn. Er zieht mich fest an sich und küsst meinen Nacken.
»Na ja, das ist ein Plan, hinter den ich mich stellen kann.« Adam dreht mich zu sich herum und gleitet mit den Händen über meinen ganzen Körper.
»Danke für deine Geduld mit mir.« Ich hebe das Kinn an, damit sich unsere Blicke treffen können, schenke ihm meinen verschämtesten Welpenblick, um so viel Aufrichtigkeit zu vermitteln, wie ich mit meinen Worten zum Ausdruck bringen will. Sein Blick verharrt auf meinem.
»Ich würde ein Leben lang auf dich warten, und noch länger.« Er küsst mich auf die Stirn, die Nasenspitze und dann die Lippen. »Oder zumindest noch einmal 5 256 000 Minuten ...« Er grinst. »Und jetzt fahr schnell zur Arbeit, damit du schnell zu mir fahren kannst.« Er gibt mir einen verspielten Klaps aufs Gesäß, als würde ich zu einem Fußballspiel laufen.
Ich schnappe mir meine Tasche und wende mich zur Tür. Ich sage ihm, dass ich ihn liebe.
»Ich dich noch mehr«, sagt er.
Meine Finger klopfen noch ein paarmal auf die Tastatur, während die Sonne ihren letzten Streifen Licht auf diese Seite der Welt schickt. Der Wind raschelt in den Bäumen, schüttelt ihre herbstfarbenen Blätter ab, während Wellen von Seewasser sanft gegen das Ufer klatschen. Ich speichere meine Arbeit dieses Tages ab und klappe meinen Laptop zu — dreitausend Wörter werden genügen müssen. Ich werfe meine schwarz umrandete Lesebrille auf den Schreibtisch und fahre mir mit den Händen durch mein aschbraunes Haar, streiche es mir aus der Stirn. Ich reibe mir ein wenig die Schläfen, um einen anhaltenden Spannungskopfschmerz zu lindern, und seufze einmal tief auf. Während ich die Arme strecke und den Nacken hin und her drehe, erregt ein schwarzes Eichhörnchen, das über den Hof huscht, meine Aufmerksamkeit. Es ist nicht so, dass ich noch nie ein schwarzes Eichhörnchen gesehen habe, aber es ist ein seltener Anblick, und es verlangt, beobachtet und bemerkt zu werden. Ich starre aus dem großen Fenster hinter meinem Schreibtisch, während das Geschöpf hierhin und dorthin springt und nach Futter sucht, erfüllt von seinem Gefühl von Sinn und Richtung.
Das Seehaus ist etwas mehr als eine Stunde entfernt von unserem Zuhause am Rande von D.C., und es könnte genauso gut auf einem anderen Planeten liegen. Es ist umgeben von grünem Land, das unsere Vorfahren tatsächlich wiedererkennen würden, im Gegensatz zu dem Monstrum aus Beton und dröhnendem Hupen, das die Rolle der Hauptstadt unserer Nation spielt. Das Haus ist weit genug entfernt von der Großstadt, um sicherzustellen, dass keine unerwarteten Besucher vorbeikommen, aber nah genug für mich, um dorthin zu fahren, wenn ich allein sein muss — oder nicht allein, um genau zu sein.
Eine abgelegene Hütte am Lake Manassas, umgeben von Wald, in Prince William County, Virginia, war genau das, was meine Schriftstellerkarriere brauchte. So verkaufte ich zumindest Sarah die Idee. Ich hatte damit zu kämpfen, Worte zu Papier zu bringen, bis wir vor etwas über einem Jahr diesen Zweitwohnsitz kauften. Es eröffnete mir eine andere Welt, eine Welt, in der ich schreiben könnte, eine Welt voller erreichbarer Wünsche, eine Welt, in der ich leben könnte, ohne den ständigen Druck zu verspüren, nicht gut genug zu sein. Die natürliche Schönheit meiner Umgebung könnte sich in meiner Arbeit spiegeln, und in dieser Welt fühlte ich mich wie neugeboren.
Hartholz ist ein solch prägendes Element in unserem Seehaus, dass es sich anfühlt, als würde man in einen Baum klettern, nicht wie eine menschliche Behausung. Der weite, offen angelegte Wohnbereich besitzt große Erkerfenster mit Blick auf den See und einen massiven Kamin, der mit verschiedenen bunten Steinen verziert ist. Ein riesiger Bärenfell-Vorleger rundet den Sitzbereich ab und dient als zentraler Punkt, der ihn von der Küche trennt.
Waldgrüner Marmorgranit bedeckt sowohl die Kücheninsel als auch die Arbeitsflächen, und darüber und darunter befinden sich Kiefernküchenschränke, die zu einem kräftigen, fast karamellfarbenen Holz gebeizt wurden. Gleich neben dem Sitzbereich, keine drei Meter vom Kamin entfernt, nahe der Erkerfenster, steht mein Schreibtisch. Das gestattet mir die perfekte Aussicht auf alles, was die Natur in dieser Gegend zu bieten hat, und gibt mir die Freiheit, mich nicht in irgendeinem kleinen Büro gefangen zu fühlen.
Es brauchte nicht viel, um Sarah zu überzeugen, dass wir dieses Zuhause fernab von unserem anderen Zuhause kaufen sollten. Ich glaube, sie konnte spüren, dass ich dabei war, wegzudriften — mental, emotional ... Vielleicht wollte sie mir auch einfach nur zeigen, dass sie es kaufen konnte. Um mir, wieder einmal, in Erinnerung zu rufen, dass sie mich finanziell in der Hand hatte, wie eine Art Machtdemonstration. Was immer der Grund sein mag, ich habe das Haus bekommen. Also wen zum Teufel kümmert es?
Es sollte unser zweites gemeinsames Zuhause sein, aber wie sich gezeigt hat, ist es nur mein Zuhause. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft Sarah versprochen hat, sie würde für ein Wochenende mitkommen, aber später abgesagt hat. Dieses Wochenende war keine Ausnahme, sie schaffte es nicht einmal an unserem zehnten Hochzeitstag. Ich hatte gehofft, sie würde es wenigstens für diesen einen Tag hierher schaffen, aber vorhin hat sie angerufen und mir gesagt, dass sie noch einmal ins Büro fahren muss. Sie hat mir auch gesagt, dass sie mich liebt. Sie sagt mir ständig, dass sie mich liebt. Ich strecke das Handgelenk aus, bewundere meine neue Uhr. Sie ist mehr als teuer. Ganz abgesehen von den Kosten war es ein aufmerksames Geschenk. Aber das ist eben Sarah. Sie ist aufmerksam, selbst wenn sie nie da ist.
Ich hatte schon immer das Gefühl, dass Sarah die Welt eroberte, während ich einfach nur darum kämpfte, darin zu leben. Das ist die Frau, die sie sein wollte, ein Kraftwerk, eine One-Woman-Show, bei der ich nur zufällig als Komparse ausgewählt wurde. Es war nicht immer so. Wir lernten uns kennen, als ich in meinem dritten Studienjahr auf der Duke war und sie in ihrem ersten. Sie studierte Politikwissenschaften, und ich Literatur. Damals träumten wir beide von Größe. Sarah wollte eine erfolgreiche Anwältin werden, und ich wollte mir als einer der wahrlich großen Schriftsteller unserer Generation einen Namen machen. Fünfzehn Jahre später wartet einer von uns noch immer.
Na ja, ich nehme an, der Erfolg flackerte für mich einen Moment lang auf, verschwand dann ebenso schnell wieder und muss erst noch wiederkommen. Das ist das Witzige an Träumen. Irgendwann wacht man immer aus ihnen auf. Mein erstes Buch war ein Erfolg, nicht von einem Mainstream- oder kommerziellen Standpunkt aus, aber aus literarischer Perspektive. Ein Kritiker nannte mich sogar »den nächsten David Foster Wallace«, was mir gefiel. Das Buch besitzt bis heute einen ganz netten Kultstatus, und ich dachte, ich würde diesen Erfolg wiederholen, aber die Bücher zwei und drei sind nach allen Maßstäben, literarischen eingeschlossen, durchgefallen. Ich wundere mich, dass mein Agent mich behalten hat, und ich bin sicher, wenn das Buch, an dem ich im Moment arbeite, kein Erfolg wird, werde ich bald vor die Tür gesetzt werden.
Ich habe eine kleine Kostprobe des Triumphs genossen, aber ich habe nicht gerade meine Träume ausgelebt. Sarahs Traum war es, Strafverteidigerin zu werden, eine der besten. Sie ist nicht eine der besten — sie ist die beste. Ich wusste immer, dass sie das eines Tages sein würde. Ich dachte nur nie, dass ich es ihr so sehr übel nehmen würde.
Aber wie ich bereits sagte, es war nicht immer so, und wenn ich das sage, dann meine ich damit, dass ich bei jeder Gelegenheit, die ich kriege, zu unserem Zweitwohnsitz flüchte, während sie sich praktisch in ihrem Büro häuslich niedergelassen hat. Schließlich wird man nicht die beste Strafverteidigerin, indem man den eigenen Ehemann liebt.
Man würde glauben, in Einsamkeit zu leben und mich in Selbstmitleid zu ergehen, würde mich zu einem der großen Schriftsteller machen, wie ein moderner Thoreau oder Hemingway. Aber bislang habe ich zwar den ganzen Alkoholkonsum von Hemingway, nur nichts von dem Erfolg, der damit einhergehen sollte.
Sarah hat ihre Arbeit, und ich habe meine, und es gab einmal eine Zeit, als wir einander hatten, aber diese Zeit ist vorbei.
Wir hatten uns auf einer Party kennengelernt, ein absoluter Glücksfall, da es für Sarah völlig außerhalb der Norm war, feiern zu gehen, wie sie mir später an diesem Abend gestand. Sie steckte weitaus lieber die Nase in ein Buch, als von klebrigen, hormongesteuerten Körpern im Keller eines Collegewohnheims umgeben zu sein. Aber da war sie, stand in einer Ecke, schlürfte beiläufig billiges Bier aus einem Plastikbecher und sah mehr fehl am Platz aus als eine Nonne in einem Bordell. Sie hatte ein halbes Lächeln aufgesetzt, in einem Versuch, ihre Beklommenheit zu verschleiern, aber ihre Körpersprache verriet ihr Unbehagen. Sie lehnte an einer Wand, ein Bein vor dem anderen gekreuzt, und hielt den Plastikbecher in der Nähe ihrer Lippen in der Schwebe, während sie sich auf der Party umsah, einen Arm über die Brust gelegt und unter den anderen gesteckt. Sie versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, mit dem Hintergrund zu verschmelzen, unbemerkt zu bleiben. Aber für mich war sie die einzige Person in diesem Raum.
Ihr schulterlanges blondes Haar leuchtete praktisch unter den Schwarzlichtern, einem Grundbestandteil jeder Collegeparty Mitte der 2000er-Jahre. Ihre grünen Augen, mit gelben Punkten gesprenkelt, enthielten das ganze Geheimnis der Welt. Ihr schlanker Körper steckte in einem figurbetonten weißen T-Shirt und ausgestellten Bluejeans. Zwei Zentimeter ihrer Taille schauten dazwischen hervor, und ich konnte mich nicht von dem Anblick losreißen. Ein einziger Streifen ihrer entblößten, milchig weißen Haut erregte mich mehr, als es der völlig nackte Körper meiner Ex je getan hatte. Ich betrachtete sie. Ich studierte sie. Noch bevor ich auch nur ein einziges Wort an sie gerichtet hatte, hatte ich mir jede Kurve, jede Linie und jede Sommersprosse eingeprägt, auf die mir in diesem schmuddeligen Keller ein Blick gewährt wurde. Ich malte mir aus, wie sie unter ihrer Kleidung wohl aussah, und später fand ich heraus, dass meine Vorstellung völlig falsch gewesen war. Ihr Körper überstieg die Grenzen meiner eigenen Fantasie. Sie war perfekt, etwas, das ich mir weder vorstellen noch verstehen konnte.
Erst eine Stunde später, als ihr Blick meinen endlich auffing, brachte ich den Mut auf, zu ihr zu gehen und sie anzusprechen. Ich überragte ihren zierlichen Körper, aber sie fühlte sich trotzdem von Anfang an größer an als ich, und ich wusste, sobald sie das erkannte, würde sie eine unaufhaltsame Kraft sein.
Anfangs war sie ein wenig reserviert, gab einsilbige Antworten. Ich fragte sie nach ihrem Namen. Sie sagte, er sei Sarah. Ich fragte sie, mit wem sie hier sei. Sie zeigte auf eine betrunkene Brünette, die sich auf der Tanzfläche an irgendeinem Typen rieb. Ich fragte sie, ob sie tanzen wolle. Sie sagte Nein. Ich sagte ihr, sie sei schön. Sie zuckte die Schultern. Ich sagte ihr, mein Name sei Adam. Sie nahm einen Schluck von ihrem Bier. Ich fragte sie, was sie studierte. Sie tippte an ihr Bier, um zu signalisieren, dass sie Nachschub brauchte, und wandte sich zum Gehen. Ich schnappte mir ihren Becher und schenkte den Inhalt meines vollen Bechers mit Bier in ihren. Sie lächelte zu mir hoch, nahm ihren Becher wieder an sich und kehrte zu ihrem Posten an der Wand zurück.
»Geschmeidig«, sagte sie, während sie einen Schluck nahm.
Ich lehnte mich neben ihr an die Wand, und wir standen gefühlte Stunden schweigend da. Von Anfang an fühlte sich die Zeit mit Sarah immer nach einer Ewigkeit an. Sie schlürfte beiläufig ihr Bier, während sie den Blick über die Party schweifen ließ und ihre betrunkene Freundin im Auge behielt. Ich tat, als würde ich mit ihr zusammen den Raum beobachten, aber mein Augenmerk galt ausschließlich ihr. Um 0.19 Uhr sagte Sarahs Freundin zu ihr, sie würde mit dem Typen nach Hause gehen, an dem sie sich den ganzen Abend gerieben hatte. Ihre Worte waren lallend, ihr Blick glasig, und die Haare fielen ihr vors Gesicht, während sie die Hand des Mannes hielt, für den sie bald die Beine breit machen würde. Sarah schien nicht erfreut, aber sie sagte ihr, sie solle sich amüsieren und sie am nächsten Morgen anrufen. Das war der längste Satz, den ich sie den ganzen Abend sagen hörte. Sarah blieb gefasst und schlürfte weiterhin beiläufig ihr Bier.
Um 0.20 Uhr leerte sie ihr Getränk, warf den Becher auf den schmutzigen Kellerboden und kickte ihn in eine Ecke. Sie blieb noch ein bisschen länger dort stehen, und ihr Blick huschte über die Party und dann von der Seite zu mir. Sie verlagerte ihre Haltung ein wenig unbehaglich, und ich war mir nicht sicher, ob sie sich auf mich zu- oder von mir wegbewegte.
Um 0.21 Uhr beschloss ich, es herauszufinden, und fragte sie, ob sie von hier verschwinden wolle. Sie sagte Ja. Nachdem ich sie sicher zurück zu ihrem Wohnheimzimmer gebracht hatte, rechnete ich damit, ihr einen Kuss auf die Wange zu geben und ihr eine gute Nacht zu wünschen. Sarah schien nicht die Art Mädchen zu sein, das seinen Impulsen nachgab. Als ich mich zu einem leichten Kuss auf ihre Wange hinunterbeugte, zog sie mich ins Zimmer und riss mir die Kleider vom Leib, bevor sie für den Rest jener Nacht immer wieder laut Ja stöhnte und keuchte.
Drei Jahre später bat ich sie, mich zu heiraten, und sie sagte wieder Ja. Und auch wenn sie seitdem unzählige Male Ja zu mir gesagt hat, glaube ich doch, dass das das letzte Mal war, dass sie es wirklich ernst gemeint hat. Wenn sie nicht so besessen von ihrem Jurastudium und dann ihrer Anwaltstätigkeit gewesen wäre, ich glaube, dann hätten wir ...
Der Wind schlägt die Haustür mit einem lauten Knall zu. Ich schrecke nur für einen Sekundenbruchteil zusammen, denn ich weiß, dass sie es ist. Ohne sie auch nur zu sehen, weiß ich, dass ihre Sommersprossen dunkler sind von einem Tag, an dem sie auf der Außenterrasse des Cafés gearbeitet hat. Ich weiß, dass ihre braunen Rehaugen leuchten — erfüllt von Hoffnung und Freude. Ich weiß, dass ihre langen, wuscheligen Haare unter einer Mütze stecken, die sie in diesem Herbst selbst gestrickt hat. Ich weiß, dass sie, wenn sie diese Mütze abnimmt, noch immer mühelos schön aussehen wird, mit zerzausten Haaren und allem. Ich weiß, dass sie keinen BH tragen wird, nur ein figurbetontes Oberteil und einen dunklen, oberschenkellangen Rock. Ich weiß, dass die Taille ihrer Bluse an der Stelle zerknittert sein wird, an der den ganzen Tag ihre Schürze war. Ich weiß, dass sie lächeln wird, wenn sie mich sieht, und ich werde keine sechzig Sekunden brauchen, um in ihr zu sein.
»Schatz, ich habe uns ein paar übrig gebliebene Gebäckstücke aus dem Café mitgebracht«, ruft sie aus der Diele.
Ich höre, wie sie aus ihren Schuhen, ihren Kniestrümpfen und ihrer Jacke schlüpft. Ich hole zwei Gläser von der Hausbar. Ich gieße Scotch in jedes Glas, und in dem Augenblick, in dem sie hereinkommt, halte ich ihr einen Drink hin. Mit einem leicht federnden Gang nimmt sie das Glas von mir entgegen, leert es in einem Zug und stellt es auf der Bar ab. Die Hitze des steinernen Kamins wärmt ihre Haut, und ich bemerke, dass die Gänsehaut auf ihren Armen nachlässt.
Noch bevor ich einen zweiten Schluck nehmen kann, öffnet sie den Knopf und den Reißverschluss meiner Hose. Sie sinkt auf die Knie und sieht mit einem verschlagenen Grinsen zu mir hoch.
Ich werfe ihre Beine von mir aufs Bett und gehe ins Bad, schließe hinter mir die Tür.
Ich kann sie noch immer auf der anderen Seite der Tür keuchen hören, während sie versucht, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Ansonsten macht sie kein Geräusch, und ich nehme an, dass sie noch immer dort liegt. Ich hoffe, dass es vor Ekstase ist und nicht vor Schmerz. Manchmal treibe ich es ein bisschen zu weit — es ist, als ob ich einen Blackout hätte, und wenn ich wieder zu mir komme, begreife ich meinen Fehler. Ich kann nicht anders. Kelly macht das einfach mit mir. Wenn ich mit ihr zusammen bin, übernehmen meine animalischen Instinkte.
Sarah hat das früher auch mit mir gemacht. Aber jetzt bin ich in ihrer Nähe kaum noch ein Mann, geschweige denn irgendetwas anderes.
Am Waschtisch betrachte ich mich im Spiegel. Ein Bartschatten hat sich über mein Gesicht gelegt, und meine Haare sind zerzaust. Meine ansonsten blauen Augen sind leicht gerötet. Ich kann nur ein paar Sekunden dastehen und mich ansehen, bevor ich den Blick abwenden muss. Ich schäme mich nicht dafür, wer ich bin, aber ich bin auch nicht stolz darauf. Ich spritze mir etwas Wasser ins Gesicht, dann auf Brust, Bauch und Schwanz. Ich bin zu müde, um zu duschen. Ich tupfe mich mit einem Handtuch trocken.
»Schatz?«, ruft Kelly aus dem anderen Zimmer.
»Ja, Süße?«, antworte ich, während ich anfange, mir die Zähne zu putzen.
»Deine Frau hat dir eine SMS geschickt.«
Ich spucke die Zahnpasta ins Waschbecken und spüle mir den Mund aus, wische mir mit einer Hand die Lippen ab. Als ich ins Schlafzimmer zurückkomme, brennt dort jetzt Licht, und Kelly sitzt im Bett, im Nachthemd, mein Handy in der Hand. Sie sieht lächelnd zu mir hoch.
»Was schreibt sie?« Ich schlüpfe in eine Ralph-Lauren-Pyjamahose.
»Sie will wissen, was du machst.«
Ich setze mich zu ihr aufs Bett, streiche ihr ihre langen braunen Haare nach hinten. Ich küsse sanft ihren Hals und ihre Schulter.
»Schreib ihr, dass ich im Begriff bin, das Mädchen meiner Träume noch einmal zu vögeln«, flüstere ich. Kelly lacht und beginnt zurückzuschreiben.
»Dein Wunsch ist mein Befehl.« Sie kichert. Ich reiße ihr das Telefon verspielt aus der Hand und stehe vom Bett auf. Ich schreibe rasch zurück.
Da du es nicht zu mir geschafft hast, komme ich heute Abend zurück, um dich zu sehen. Du musst nicht aufbleiben. Liebe dich.
Noch bevor ich das Telefon hinlegen kann, schreibt Sarah zurück.
Ich liebe dich auch. Ich hatte beim Lunch die Gelegenheit, die neuen Seiten zu lesen, die du mir geschickt hast, und sie sind unglaublich. Ich bin so stolz auf dich. XOXO.
Ich lächele kurz, bevor eine Welle von Schuldgefühlen über mich hinwegschwappt. Ich stoße einen Seufzer aus.
Du bist die Beste, Schatz. Lass dich morgen Abend von mir zum Dinner ausführen. Sag Ja.
Mein Handy vibriert.
Ja.
Manchmal erhasche ich einen kurzen Blick auf die Leute, die wir früher waren, und dann denke ich, dass wir dieses Paar wieder werden können. Aber ich habe zu viel Mist gebaut, als dass das je passieren könnte, und Sarahs Karriere kam immer an erster Stelle — vor mir, vor einer Familie, vor allem. Ich kann nicht erkennen, dass sich das je ändern wird.
Ich dachte, wenn wir Kinder hätten, würde sie einen Gang zurückschalten, aber vor fünf Jahren hat sie mir gesagt, dass sie keine Kinder will. Ich dachte, ich würde sie umstimmen können. Ich konnte es nicht.
Ich lege mein Handy auf die Kommode und schließe es an das Ladegerät an. Ich sehe hinüber zu Kelly, die mir einen Schlafzimmerblick schenkt. Sie kann nie genug von mir kriegen, und ich kann nie genug von ihr kriegen. Aber ich weiß, dass es nicht immer so sein wird. Es gab eine Zeit, als Sarah und ich auch nicht genug voneinander kriegen konnten. Diese Zeit ist lange vorbei. Hin und wieder kommen diese Gefühle wieder an die Oberfläche, aber sie sind kurzlebig und im Allgemeinen von Alkohol oder zeitlicher Trennung ausgelöst. Es ist nicht so, dass ich Sarah nicht liebe. Wenn ich sie nicht lieben würde, hätte ich sie längst verlassen. Es ist diese Liebe, an der ich festhalte — nicht an dem Geld, der Sicherheit oder den Häusern. Kelly schenkt mir die Liebe, die Sarah mir nicht mehr schenken kann. Sie beide füllen mich aus. Es ist krank, ich weiß, aber es ist die Wahrheit. Ich brauche sie beide.
»Wirst du deiner Frau je von uns erzählen?«
»Wirst du deinem Mann je von uns erzählen?«, halte ich dagegen.
Sie schnaubt und verschränkt die Arme vor der Brust. »Das ist nicht dasselbe.« Ihre Worte sind leise.
Ich gehe und komme mit zwei vollen Gläsern Scotch wieder, reiche ihr eines davon und setze mich. Ich lege einen Arm um sie, ziehe sie nah an mich und sage ihr, dass ich sie liebe. Sie stößt einen sanften, leisen Schluchzer aus, und ebenso rasch, wie er ihren Körper verlassen hat, zieht sie ihn in sich zurück, gewinnt ihre Fassung wieder. Sie nimmt einen kräftigen Schluck von dem Scotch und zuckt nicht einmal bei seinem Brennen. Sie schmiegt sich an mich. Wir sitzen schweigend da und trinken unsere Gläser mit Scotch, beide gefangen in lieblosen Ehen, in denen wir für die Leute, die wir lieben, an zweiter Stelle kommen. Wenn Kelly und ich zusammen sind, kommen wir an erster Stelle. Ich schenke uns noch zweimal nach, und dann haben wir wieder Sex. Diesmal vögele ich sie nicht — ich liebe sie.
Ich brüte über Fallakten, die Papiere gleiten über den Schreibtisch wie der Schnee einer frisch abgegangenen Lawine. Ich hatte vor, nur für ein paar Stunden ins Büro zu fahren, um mich auf die Woche vorzubereiten, aber hier sitze ich und schlürfe an meinem zwölf Stunden alten Kaffee mit den Ölringen, die darauf schwimmen und mich daran erinnern, wie alt er ist. Mein Eckbüro ist im vierzehnten Stock, so hoch, wie man in D.C. kommen kann, ohne einen Phallus zu errichten, der höher ist als Mr Washingtons. Es hat deckenhohe Fenster und ist eines der größten in der Kanzlei, und niemand würde infrage stellen, warum ich es bekommen habe.
Mit mehreren hochkarätigen Fällen und mehr gewonnenen Prozessen als jeder andere Anwalt hier habe ich mir meinen Platz als namentliche Partnerin bei Williamson & Morgan mehr als verdient. Ich reibe mir mit den Fingerspitzen die Stirn, massiere langsam meine Schläfen, wie um mich in einen Zustand von Frieden und Normalität zurückzuzaubern. Ich nehme meine Lesebrille ab und werfe sie mit einem lauten Scheppern auf den Schreibtisch, um meiner Frustration Luft zu machen. Die Uhr auf meinem Handy zeigt 20.04 Uhr. Ein entnervtes Schnauben entfährt mir, um das nicht anwesende Publikum in meinem Büro wissen zu lassen, wie gestresst ich bin.
Ich schicke Adam eine rasche SMS:
Tut mir leid, ich wollte heute wirklich mit dir zusammen sein. Ich vermisse dich.
Ich werfe das Telefon zurück auf den Schreibtisch. Ich schnappe mir die Gabel, die auf dem Styroporcontainer liegt, und steche damit in das chinesische Essen, das seit ein paar Stunden hier herumsteht. Ich nehme rasch ein paar Bissen, dann schiebe ich das ganze Ding in den Abfalleimer. Meine Haare sind im Nacken zu einem Knoten gebunden, jede Strähne perfekt an ihrem Platz, obwohl ich die letzten dreizehn Stunden gearbeitet habe. Ich streiche meine hochwertige schwarze Bluse glatt und straffe meinen maßgeschneiderten Rock. Ich räume meinen Schreibtisch auf, der in völliger Unordnung versinkt und absolut nicht typisch dafür ist, wie ich mein Leben lebe. Zwischen Gerichtsterminen und eidesstattlichen Aussagen, die sich im Moment über mir zusammenbrauen, werde ich mit ein bisschen Chaos einfach leben müssen. Ich sehe aus den Fenstern meines Büros, bewundere die Lichter der Großstadt, die Autos, die sich im Einklang bewegen, die Leute, die auf den Straßen unterwegs sind und die letzten Stunden ihres Wochenendes genießen.
»Anne, sind Sie noch da?«, rufe ich.
Die Tür zu meinem Büro geht auf, und meine süß aussehende Assistentin steckt den Kopf ins Zimmer. Sie ist eine zierliche Frau mit schulterlangen braunen Haaren, und auch wenn sie kein Hingucker ist, ist sie auf eine bescheidene Weise dennoch hübsch. Ihre Augen, wenn auch matt, leuchten auf, und sie lächelt mich an, bereit und bemüht zu gefallen. Obwohl ich im Moment die einzige andere Person im Büro bin, ist es nicht ungewöhnlich für Anne, zur Arbeit zu stürzen, sobald sie sieht, dass ich berufliche E-Mails verschicke.
»Ja, Mrs Morgan.«
Ich lege die Hände auf den Schreibtisch und schenke ihr ein mitfühlendes Lächeln. »Anne, wie oft muss ich Ihnen das noch sagen? Nur weil ich selbst lächerlich lange arbeite, heißt das nicht, dass Sie es auch tun müssen. Und was soll das mit ›Mrs Morgan‹?«
»Entschuldigung, Mrs ...«, beginnt sie und bricht dann ab, als ich eine Hand hebe und aufstehe. Ich gehe auf Anne zu. Das Büro hat einen Plüschteppichboden, den ich selbst ausgewählt habe, da er sich unter meinen nackten Füßen so unglaublich weich anfühlt. Ich habe darauf geachtet, es so einzurichten, dass es sich wohnlich anfühlt, mit einem Plüschsofa und einem Ruhesessel, einem Couchtisch, Kissen, einem Bücherregal voller Bücher sowohl für die Arbeit als auch fürs Vergnügen und wunderschönen Kunstwerken an den Wänden. Dieses Büro ist mein zweites Zuhause, obwohl ich hier in den vergangenen acht Jahren deutlich mehr Zeit verbracht habe als in meinem eigentlichen Zuhause. Ich habe mir aus diesem Grund sogar ein kleines Laufband besorgt, das in der Ecke mit Blick auf das Washington Monument steht.
Ich trete auf Anne zu und lege ihr eine Hand auf die Schulter. »Anne, Sie arbeiten jetzt seit fünf Jahren für mich. Wir essen jeden Freitag zusammen zu Mittag. Wir gehen hin und wieder nach der Arbeit etwas trinken. Sie verreisen mit mir geschäftlich. Sie waren unzählige Male bei mir zu Hause. Sie sind in erster Linie meine Freundin und in zweiter meine Angestellte. Bitte, bei der Liebe Gottes, nennen Sie mich nie wieder ›Mrs Morgan‹.«
Anne schüttelt den Kopf und lächelt. Sie schlüpft an mir vorbei und lässt sich aufs Sofa fallen, entspannt sich. »Gott, Entschuldigung. Ich schiebe Doppelschichten für Bob, seit seine letzte Assistentin gegangen ist. Er besteht darauf, dass ich ihn Mr Miller nenne. Es ist einfach die Macht der Gewohnheit.« Sie reibt sich die Stirn.
Ich setze mich neben Anne. Ich lege die nackten Füße auf den Couchtisch, stoße einen Seufzer aus und löse meine Haare aus ihrem festen Knoten. Anne kickt ihre Heels von sich und legt die Füße ebenfalls auf den Tisch. Wir tauschen einen Blick von Solidarität und Verständnis. Auch wenn sie und ich in fast jeder Hinsicht verschieden sind, sind wir in einer Sache doch gleich: zwei Frauen, die versuchen, sich in einer Männerwelt durchzusetzen. Wir arbeiten doppelt so hart wie unsere männlichen Kollegen, nur um ihnen eine Nasenlänge voraus zu sein.
»Das ist, weil Mr Miller ein Arschloch ist. Ich werde dafür sorgen, dass er bis zum Ende der Woche eine neue Assistentin hat, und wenn es mit der nächsten nicht klappt, werde ich dafür sorgen, dass es mit ihm hier auch nicht mehr klappt«, sage ich lachend, obwohl ich es völlig ernst meine. Bob ist ein ganz ordentlicher Anwalt, aber er hat ein Riesenego und keinen Respekt vor irgendjemand anders, außer vor denen, die mehr Geld oder mehr Macht haben als er.
»Danke, Sarah. Sie sind zu gut zu mir.«
»Nein. Sie sind zu gut zu mir.«
»Wissen Sie, wer nicht zu gut für irgendjemand ist?«, fragt Anne.
»Wer?«
»Bob.«
Wir lachen beide, und es fühlt sich gut an. Ich hatte den Kopf eine Ewigkeit in Fallakten vergraben. Ich vermisse das hier. Ich vermisse es, einfach nur abzuhängen, ohne das Gewicht der Welt auf meinen Schultern oder irgendjemandes Leben und Zukunft in meinen Händen zu tragen.
»Oh, die hier wollte ich Ihnen zeigen.« Anne zückt ihr Handy. Sie öffnet ihre Foto-App und wischt ein paarmal mit dem Finger über das Display.
Ich nehme das Handy von ihr entgegen und betrachte jedes Foto — ein Mann, der die Straße überquert, eine Frau, die die Stufen des Lincoln Memorial hochsteigt, ein Falke, der über einem See tief herabstößt, ein Kind, das zum Washington Monument hochsieht. »Die sind wunderschön, Anne. Sie haben ein solch gutes Auge«, sage ich, während ich jedes Foto bewundere.
»Danke, es ist nur ein kleines Hobby von mir.«
»Es sollte mehr als nur ein Hobby sein. Sie sind sehr talentiert.«
Sie errötet und presst die Lippen fest zusammen, während ich ihr das Handy wiedergebe.
Mein eigenes Handy vibriert. Ich stehe auf und gehe zu meinem Schreibtisch, schreibe Adam rasch zurück. Ich vermisse ihn. Ich vermisse uns. Wir schreiben uns noch ein paar SMS, und als ich erfahre, dass er erst spät zurückkommen wird, ist es entschieden. »Lassen Sie uns auf ein paar Drinks ausgehen«, sage ich.
»Sind Sie sicher? Sie müssen morgen früh Ihr Schlussplädoyer halten.« Ich kann die Hoffnung in ihren Augen vom Standpunkt einer Freundin aus sehen, die das Beste für mich will, und die Beklommenheit aus der Sicht einer Angestellten, die auch das Beste für mich will.
»Ja, ganz sicher.« Ich grinse.
Anne klatscht in die Hände. »Ich rufe uns ein Uber.« Sie steht auf, schlüpft wieder in ihre Heels und geht mit einem leicht federnden Gang auf meine Bürotür zu.
Das Zuschlagen einer Wagentür weckt mich aus meinem Schlummer. Drinnen und draußen ist es stockfinster, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wie meine Nacht mit Kelly geendet hat, aber ich nehme an, mit noch mehr hartem Sex, denn mein Schwanz fühlt sich an, als wäre er über eine Gehsteigplatte geschleift worden. Ich werfe einen Blick auf die Uhr auf dem Nachttisch. In großen roten Leuchtziffern steht dort: 0.15 Uhr.
»Scheiße«, flüstere ich.
Ich hätte inzwischen zu Hause bei Sarah sein sollen. Ich reibe mir mit den Händen über Stirn und Gesicht, versuche, wieder Leben in meine Nerven zu massieren. Wie zum Teufel bin ich so schlimm geworden? Ich kann nicht weiter als ein paar Zentimeter vor meinem Gesicht sehen, aber ich kann Kelly neben mir spüren. Ich kann sie immer neben mir spüren. Ich rutsche näher an sie heran, streiche mit einer Hand über ihre Wange. Sie schläft tief und fest. Ich flüstere ihren Namen, versuche, sie wach zu rütteln, aber der Scotch hat auf sie eine stärkere Wirkung als auf mich.
»Kelly«, flüstere ich etwas lauter, aber sie rührt sich nicht. Das anhaltende Vibrieren und Piepsen ihres Handys lenkt mich von ihr ab, aber ich habe entschieden, dass ich sie, wenn sie so müde ist, schlafen lassen will. Ich drücke ihr einen sanften Kuss auf die Wange und schwinge mich auf meiner Seite lautlos aus dem Bett. Ich schleiche auf Zehenspitzen zu ihrer Seite des Betts und nehme ihr Handy vom Nachttisch. Ich verlasse das Zimmer, will das Handy nur stumm schalten, damit es sie nicht stört — aber die SMS-Nachrichten springen mir ins Auge. Ich sehe zurück in das dunkle Zimmer und dann wieder auf das Handy. Ich gebe 4357 als PIN ein, um ihr Handy zu entsperren. Die neueste SMS ist von jemandem namens Jesse.
Sie lautet:
Es tut mir leid.
Ich scrolle an Jesses neuester SMS vorbei zu denen davor. Sie sind alle von Scott, ihrem Ehemann. Ich lese sie der Reihe nach, angefangen mit der frühesten um 22.17 Uhr.
Ich wünschte, du würdest zu mir nach Hause kommen.
Warum muss es so sein?
Schatz ... würdest du mir bitte antworten?
Verdammt, ich liebe dich so sehr. Warum kapierst du das nicht?
Ich habe nichts von alledem gemeint. Das musst du mir glauben. Es wird nicht wieder vorkommen. Versprochen.
Bitte sag mir, wo du bist.
Wenn du einfach antworten würdest, würde ich dich heute Abend in Ruhe lassen.
Fick dich, du verdammte, bescheuerte Schlampe.
Verdammt, du hast mich belogen. Du bist nicht immer noch in der Arbeit. Ich habe eben im Café angerufen.
Wenn ich dich finde, wirst du dir sogar die Qualen der vergangenen Nacht zurückwünschen. Du wirst mich anflehen bei dem, was ich für dich auf Lager habe, du nichtsnutzige Schlampe.
Meine Muskeln verkrampfen sich vor Wut, aber ich scrolle trotzdem weiter. Das hier ist ihre Angelegenheit, und sie wollte mich da nie hineinziehen, aber ich würde dieses Stück Scheiße in diesem Moment umbringen, wenn ich die Chance dazu hätte.
Zu spät. Du bist jetzt nur noch eine verdammte Erinnerung.
Das ist die letzte SMS von Scott, um 23.45 Uhr. Mein Gott. Was für ein verdammter Psycho. Ich will sie aus diesem Bett hochraffen und sie an mich drücken und ihr versichern, dass wir nicht alle ein solches Stück Scheiße sind wie ihr Ehemann. Ich bin halb in Versuchung, ihm zurückzuschreiben, aber ihn noch weiter aufzustacheln, ist das Letzte, was Kelly braucht. Stattdessen schleiche ich zurück ins Schlafzimmer, stelle den Wecker auf ihrem Handy auf 8.00 Uhr und lege es auf den Nachttisch. Ich beuge mich hinunter und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Im ersten Moment denke ich, dass sie gleich für mich aufwachen wird. Aber sie rührt sich nicht. Ich will in jeder nur erdenklichen Hinsicht für sie da sein — physisch, mental und emotional. Ich gehe leise aus dem Zimmer.
Draußen schalte ich kein Licht an, und ich gestatte es meinen Augen, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, so gut sie es können. Die Kohlen vom Kamin helfen mir, mich im Wohnzimmer zurechtzufinden, und der Bärenfell-Vorleger lässt mich wissen, dass ich außerhalb des offen angelegten Wohnzimmers bin. Die Glut sorgt für einen sanften Schimmer, während ich über den Hartholzboden schlurfe. Ich durchquere die Küche, halte mich an den Granittresen fest, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das trübe Licht eines fahlen Monds bildet einen trostlosen Hintergrund zu der vorderen Glasfront des Hauses. Ich finde einen Notizblock und einen Stift und schreibe:
Kelly,
du bist es. Du warst es nicht immer, aber du wirst es immer sein. Du bist die Worte zu einer Geschichte, die ich mein Leben lang zu schreiben versucht habe, und heute Abend habe ich das Ende beschlossen.
Liebe dich, liebe mich, Adam
PS: Die Putzfrau wird um 9.00 Uhr hier sein. Bitte stell sicher, dass du bis dahin gegangen bist.
Ich lasse die Nachricht auf dem Tresen liegen und gehe zum Eingang, nehme meine Sachen und schließe die Tür leise hinter mir. Ich werfe einen Blick auf mein Handy, bevor ich in meinen schwarzen Range Rover steige. Es ist 0.30 Uhr. Scheiße, ich bin halb in Versuchung, bei Kelly zu bleiben, aber ich habe Sarah versprochen, heute Abend nach Hause zu kommen, und auch wenn ich erst kurz vor zwei Uhr zurück sein werde, werde ich wenigstens neben ihr aufwachen.
Über eine Stunde später fahre ich vor unserem Zuhause im Washingtoner Stadtteil Kalorama vor. Das riesige Tudor-Backsteinhaus mit sechs Schlafzimmern und dreieinhalb Bädern ist viel zu groß für Sarah und mich allein und für meinen Geschmack ein bisschen zu protzig. Aber für Sarah war es Liebe auf den ersten Blick. Es waren der weitläufige, umzäunte Garten und die atemberaubende, riesige Terrasse, bei denen sie ins Schwärmen geriet. Ich war mir sicher, wenn sie ein solch großes Haus auswählte, dann deshalb, weil sie hinsichtlich unserer Familiengründung ihre Meinung geändert hatte. Wir gestalteten zwei der Schlafzimmer zu Büros um, eines für sie und eines für mich. Ein drittes Schlafzimmer wurde in ein Bibliotheks- und Lesezimmer umgewandelt, ein viertes in einen Fitnessraum und das fünfte in ein Gästezimmer. Sie hatte ihre Meinung nicht geändert.
Ich biege in den Hof ein und parke neben Sarahs baugleichem weißen Range Rover. Ich gehe ins Haus, durch die große Eingangsdiele mit dem Marmorboden, vorbei an der geschwungenen Treppe und weiter in die Gourmetküche. Ich lege meine Tasche auf dem Tresen ab und schalte ein Licht ein. Ich nehme mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und gehe hoch in das große Schlafzimmer im ersten Stock. Alle Lichter in unserem Schlafzimmer sind ausgeschaltet, bis auf eine Lampe auf Sarahs Seite des Betts.
Ich drücke die Tür auf und sehe Sarah tief und fest auf dem Bauch schlafen, völlig entspannt. Sie trägt ein dünnes schwarzes Tanktop und einen schwarzen Spitzentanga, nicht ihre übliche Schlafbekleidung. Ich habe erwartet, sie im Nachthemd zu sehen. Will sie mich scharf machen? Begehrt sie mich? Oder ist sie nach einem Wodka Soda — ihrem bevorzugten Drink — zu viel einfach weggetreten? Ihr seidig blondes Haar ist feucht und zu einem niedrigen Pferdeschwanz gebunden — jede Strähne ordentlich an ihrem Platz. Selbst wenn sie schläft, ist sie perfekt zurechtgemacht. Mein Blick folgt der Wölbung ihres Rückens und der Glätte ihres straffen Gesäßes, gleitet an ihren wohlgeformten Beinen hinunter. Im Laufe der Jahre hat sie vielleicht mich vernachlässigt, aber ihren Körper hat sie nie ignoriert. Sie regt sich ein wenig, wacht aber nicht auf.
Ich schlüpfe auf meiner Seite des Betts aus Hose und Hemd. Ich wende den Blick dabei nicht von ihr ab. Sie ist der Grund, weshalb ich mich so verdammt elend fühle, aber gleichzeitig so glücklich. Verdammt, ich hasse sie ebenso sehr, wie ich sie liebe. Weiß sie das? Kümmert es sie? Was bin ich für sie?
Ich lasse meine Uhr ein wenig zu hart auf den Nachttisch fallen, und sie macht ein schepperndes Geräusch, laut genug, um Sarah zu wecken. Ihre Augen gehen rasch auf und entspannen sich dann, als ihr bewusst wird, dass nur ich es bin. Ich erwarte, dass sie sich herumrollt und wieder einschläft, aber das tut sie nicht. Ihre Augen verengen sich, und ihre Lippen verziehen sich zu einem leichten Lächeln. Sie sieht auf den Wecker auf meinem Nachttisch. 1.45 Uhr. Sie sieht zu mir zurück, sagt aber nichts zu meiner späten Heimkehr. Ihre Augen locken mich zu ihr.
»Ich weiß. Es tut mir leid, dass ich so spät komme.« Ich schlüpfe neben ihr ins Bett.
»Schon gut«, flüstert sie und klopft auf die Stelle neben ihr.
Ich ruschte näher an sie heran, drücke ihr einen Kuss auf die Wange. Sie macht ein gurrendes Geräusch.
»Ich habe dich vermisst«, sage ich.
Sie sieht zu mir hoch, als ich sie an mich ziehe, sie fest an mich drücke. »Ich dich auch.«
Ich küsse sie auf die Stirn. Sie schmiegt sich näher an mich, verhakt ihre Beine mit meinen und legt den Kopf an meine nackte Brust. Sie gleitet mit den Fingern über meinen Bauch.
»Wie war die Arbeit?«
»Lang«, sagt sie.
Das Schweigen zieht sich hin, und ich frage mich, was sie denkt. Grübelt sie über Fallakten nach? Denkt sie über mich nach? Über uns? Kann sie die Risse in unserer Ehe sehen? Will sie sie kitten oder weiterhin so tun, als ob sie nicht existieren? Als ob ich nicht existiere. Als ob wir nicht existieren.
»Lass uns ein Baby bekommen.« Ihre Augen leuchten auf, und sie sieht zu mir hoch, wartet auf meine Reaktion. Ich kann nicht anders. Meine Miene hellt sich auf, und ich grinse zu ihr zurück.
»Ist das dein Ernst? Bist du sicher, dass du wirklich bereit dafür bist? Nach allem, was ... na ja ... passiert ist. Ich dachte, du würdest niemals Kinder haben wollen.« Ich forsche in ihrem Gesicht nach irgendeinem Hinweis, der die Worte, die ihr über die Lippen gekommen sind, Lügen straft. Ich hatte immer gehofft, sie würde eines Tages Kinder haben wollen, aber ich hatte mich irgendwann damit abgefunden, dass dieser Tag vielleicht niemals kommen würde, angesichts dessen, was ihr passiert war ...
»Ja.« Sie nickt, und ich glaube, sie meint es ernst. Ich stoße ein Lachen aus, vermischt mit einem Aufschrei, und dann küsse ich sie. Ich kann meine Aufregung nicht im Zaum halten. Meine Hände sind überall auf ihr, und ihre Hände überall auf mir. Meine Lippen wandern an ihrem Hals hinunter. Ich ziehe ihr das schwarze Tanktop aus und küsse jeden Quadratzentimeter ihrer Brüste und ihres Oberkörpers. Ich sehe zu ihr hoch, und sie lächelt, als ich ihr den Slip ausziehe. Ich küsse und lecke und sauge, bis sie zum Höhepunkt kommt, und dann finde ich den Weg in sie. Sie keucht und stöhnt unter mir. Ihre Augen verharren auf meinen, groß und voller Hoffnung.
»Ich liebe dich, Sarah.«
»Ich liebe dich auch, Adam.«
Und dann explodiere ich in ihr. Ich werde Vater, denke ich. Eine einzelne Träne kullert mir aus dem Auge, als ich auf ihr zusammenbreche, atemlos und hoffnungsvoll. Ich kann ihr das nicht antun. Ich muss mit Kelly Schluss machen. Sarah ist meine Frau, meine Familie, mein ganzes Herz. Sie hat nichts getan, außer mich zu lieben — selbst wenn es aus der Ferne ist, hat sie mich immer geliebt. Ich rolle mich von ihr herunter, bleibe aber neben ihr liegen. Ich reibe sanft über ihren Bauch. Sarah ist die Mutter meines ungeborenen Kindes. Sie hat mehr verdient, und das werde ich ihr geben.
»Danke«, flüstere ich.
Sie küsst mich auf die Stirn und schlingt die Arme um mich, drückt mich fest an sich. »Ich will das hier für uns. Ich will, was du willst.« Sie schließt die Augen und schläft langsam wieder ein, in meine Arme gekuschelt.
Adam schläft tief und fest neben mir. Ich lächele und gleite mit einer Hand über sein Gesicht, während ich mich frage, ob ich das Richtige tue. Aber so ist das mit richtig und falsch — es ist subjektiv. Er hat das hier verdient, rufe ich mir in Erinnerung, während ich mit einer Hand über meinen Bauch streiche, in der Hoffnung, dass unsere Bemühungen erfolgreich waren.
Ich hatte die Erkenntnis vor einer Woche, und gestern Abend, als ich mit Anne etwas trinken gegangen bin, wurde sie gefestigt. Ich will mehr von diesem Leben als einen Titel und meinen Namen an einem Gebäude. Ich will Liebe. Ich will eine Familie. Ich will Sinn. Ich schlüpfe aus dem Bett, wickele mich in einen weißen Seidenmorgenmantel und binde ihn an der Taille locker zusammen. Als ich einen Blick auf mein Handy werfe, sehe ich eine ungelesene Nachricht von Anne.
Sind Sie gut nach Hause gekommen?
Ich schreibe rasch zurück:
Ja. Bis bald.
Anne schreibt:
Tut mir leid wegen gestern Abend.
Ich erinnere mich an den Moment, als es zwischen Anne und mir ein bisschen seltsam wurde, und ich schiebe ihn rasch beiseite.
Schon gut. Wir alle machen dumme Sachen, wenn wir betrunken sind.
Ein paar Stunden später begrüßt mich Anne mit einer Tasse Kaffee und einem Lächeln im Büro. Sie ist munter ... ein bisschen zu munter, wenn man bedenkt, wie betrunken sie gestern Abend war.
»Fröhlichen Montag!«, grinst sie.
»Ja, Montag, allerdings. Ist Bob in seinem Büro?«
»Leider«, spöttelt sie.
»Ich werde mich um unsere kleine Bob-Situation kümmern.« Ich nehme meinen Kaffee in die Hand.
Anne nickt mir zu und nimmt mir meine Tasche ab, während ich auf Bobs Büro zustürme. Bobs Büro befindet sich zwei Türen weiter. Seines ist nett, aber nicht annähernd so nett wie meines. Er hat ungefähr zur selben Zeit wie ich hier angefangen, aber im Gegensatz zu ihm bin ich zur Partnerin aufgestiegen, und ich weiß, dass er deswegen Komplexe hat. Ich nehme an, das ist der Grund, weshalb er versucht, mir Anne auszuspannen. Als wir angefangen haben, hat er mich nicht einmal als Konkurrenz angesehen. Jetzt tut er es. Dafür habe ich gesorgt. Ich trete ein, ohne anzuklopfen, und sehe Bob an seinem Schreibtisch sitzen, wo er völlig unbekümmert ein Eiersandwich isst. Er sieht durchschnittlich aus, mit einem etwas düsteren Einschlag, dank seiner dunklen Augen und Haare, seiner Körpergröße und seines kantigen Kiefers.
»Morgen, Bob.« Ich nehme vor seinem Schreibtisch Platz.
Er nickt, richtet sich auf und legt sein Sandwich hin. »Was verschafft mir das Vergnügen, Sarah?« Ein Funkeln liegt in seinen mahagonibraunen Augen.
»Hör zu, Bob. Du wirst aufhören, Anne zu bitten, deine Besorgungen zu erledigen oder Kopien für dich anzufertigen oder dir zu jeder Zeit des Tages etwas zu essen zu holen. Anne ist meine Assistentin, und nur weil du Assistentinnen verschleißt wie Unterwäsche, heißt das nicht, dass du ständig meine in Anspruch nehmen kannst. Verstanden, Bob?« Ich kneife die Augen zusammen und schürze die Lippen.
»Anne wird von der Kanzlei bezahlt. Sie ist für alle da.« Er nimmt noch einen feuchten Bissen von seinem Eiersandwich. Er kaut und lächelt, zufrieden mit sich.
»Um genau zu sein, täuschst du dich da. Ein Teil ihres Gehalts wird von der Kanzlei bezahlt, der andere Teil wird von mir bezahlt.«
»Ha, das ist doch lächerlich. Warum solltest du das tun?« Er lacht.
»Weil ich Leute wie richtige Leute behandle.«
»Was für ein Haufen Schwachsinn.« Er schüttelt den Kopf und kaut weiter seinen viel zu großen Bissen.
»Bob, ich werde dir was sagen. Wir haben demnächst ein Partnermeeting. Wenn du mit deinen kleinen Spielchen nicht aufhörst und weiterhin versuchst, mir meine Assistentin auszuspannen, werde ich mich dafür aussprechen, dich gehen zu lassen. Wir brauchen hier kein Totgewicht.« Ich erhebe mich, sodass ich über ihm aufrage.
»Wenn hier jemand ein Totgewicht ist, dann ja wohl du.« Er kneift die Augen zusammen.
»Sehr witzig, Bob. Hör zu, ich bin nicht in der Stimmung für deinen lächerlichen Machtspielquatsch, also leg dich hier einfach nicht mit mir an und tu ausnahmsweise einmal, was man dir sagt. Verstanden?« Ich nehme einen Schluck von meinem Kaffee.
Bob sieht mich verächtlich an, sagt aber kein Wort. Er wirft den Rest seines Eiersandwichs in den Abfalleimer und schlägt mit der Faust auf den Tisch. Ich finde selbst aus seinem Büro und kehre zurück zu meinem eigenen. Anne wimmelt an ihrem Schreibtisch Anrufe ab. Ich werfe ihr ein Zwinkern und ein Nicken zu, und sie antwortet mit einem Lächeln. Ein riesiger Strauß roter Rosen steht in einer Vase auf dem Couchtisch. Ich beuge mich hinunter und schnuppere tief an ihnen. Ich lächele unwillkürlich. Ich sehe auf die Karte, die daran steckt. Darauf steht:
Sarah, du warst es immer. Alles Liebe, Adam
»Die sind wunderschön.« Anne steht im Türrahmen, bewundert die Blumen.
Ich lege die Karte hin und wende mich zu ihr um. »Danke, sie sind von Adam.«
»Na ja, ich will doch hoffen, dass sie von Ihrem Ehemann sind. Wer sonst sollte Ihnen denn Blumen schicken? Was ist der Anlass?«
»Ach nichts. Wir versuchen nur, ein Baby zu bekommen.« Ich schenke ihr ein verschämtes Lächeln.
»Was! Oh mein Gott!« Anne kreischt fast, stürzt durch das Büro auf mich zu und umarmt mich.
»Ein Baby ... meinst du nicht einen Firlefanz?«, sagt eine Stimme vor meinem Büro. Ich erkenne sie auf Anhieb. Matthew steht im Türrahmen, in einem J.Crew-Strickpullover und einer Chinohose. Er sieht aus wie ein schmalerer Brad Pitt, mit vollem, dunkelblondem Haar, das auf eine Art wuschelig ist, die man nur mit einem Zweihundert-Dollar-Haarschnitt erzielen kann. Er hat mattblaue Augen, die dich langsam in ihren Bann ziehen, anstatt dich auf einen Schlag zu treffen, sodass du den Zauber, den sie ausüben, genießen kannst.
Matthew stolziert mit der ganzen Anmut eines Laufstegmodels durch den Raum auf mich zu. Er verwandelt jeden Raum, den er betritt, in eine Bühne. Das ist die Art, wie er einen Raum beherrscht. Das ist der Grund, weshalb er ein Vermögen als Lobbyist für Pharmaunternehmen verdient, die immer wieder einmal wechseln, je nachdem, wer ihm am meisten bezahlt. Matthew und ich sind seit unserem Jurastudium in Yale befreundet, aber es ist über ein Jahr her, seit ich ihn zuletzt gesehen habe.