Liebe und Lippenstift - vier Schwestern zwischen Erfolg und Leidenschaft (4-teilige Serie) - Kat Cantrell - E-Book

Liebe und Lippenstift - vier Schwestern zwischen Erfolg und Leidenschaft (4-teilige Serie) E-Book

Kat Cantrell

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Beschreibung

In dieser Serie begleiten Sie vier beste Freundinnen, die nicht nur ein erfolgreiches Kosmetikunternehmen führen, sondern dabei auch noch die große Liebe finden.

HEIßE KÜSSE - GEFÄHRLICHE NÄHE
Mit zitternden Händen schließt Cassandra die Bürotür - Gage ist wieder hier! Genauso attraktiv wie damals, genauso charismatisch und genauso unverschämt erotisch! Er will rein geschäftlichen Kontakt, aber sie weiß, wie schnell daraus mehr werden kann. Und Cassandra darf seinem Charme nicht erneut erliegen - schließlich hat er ihr schon einmal das Herz gebrochen. Auch wenn sie seitdem jede Nacht von seinen Händen auf ihrer Haut träumt: Gage Branson hat sich nicht geändert - seine Nähe kann für sie nur gefährlich sein …

ZWISCHEN MACHT UND LEIDENSCHAFT
Karriere ist für ihn alles, und Gefühle sind bestenfalls Nebensache! Gerade jetzt, da das Präsidentenamt zum Greifen nahe ist, kann Phillip Edgewood keine Ablenkung gebrauchen. Auch nicht, wenn sie so sexy ist wie Alex. Zwar bittet er sie nach einer heißen Nacht um ihre Hand, aber nur, damit er für den Wahlkampf eine Frau an seiner Seite hat. Alex sagt Ja, weil sie sich von dieser Ehe offensichtlich etwas anderes verspricht. Doch sie muss verstehen, dass Liebe nichts für ihn ist. Oder nach der Wahl wieder aus seinem Leben verschwinden …

ICH DARF DICH NICHT BEGEHREN
Harpers Leben ist in Aufruhr: Ihre Kosmetikfirma steht vor dem Ruin, und sie ist schwanger - von einem Samenspender. Jetzt soll ihr Doktor Dante Gates, seit vielen Jahren ein guter Freund, bei der Schwangerschaft zur Seite stehen. Was sie nicht ahnt: Sie ist seine Traumfrau, und er begehrt sie über alles. Als er sie unerwartet küsst, ist sie entsetzt, doch ihr Körper spricht eine ganz andere Sprache. Sind das nur die Hormone, oder ist er der Mann, mit dem sie glücklich werden kann?

VERFÜHR MICH TROTZDEM, LIEBLING!
Um ihre Kosmetikfirma zu retten, würde Trinity Forrester alles tun - und den gut aussehenden Logan vor laufenden Kameras zu küssen, scheint ihr kein großes Opfer zu sein. Wenn ihr Plan aufgeht, bekommt sie damit genau die PR, die sie so dringend braucht. Womit sie nicht gerechnet hat: Aus dem Kuss für die Kamera wird eine leidenschaftliche Affäre. Verblüfft stellt Trinity fest, dass sie sich in Logan verliebt hat. Dabei sind sie beide wie Feuer und Wasser. Und sie wollte nie wieder ihr Herz an einen Mann verlieren …

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Seitenzahl: 813

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Kat Cantrell

Liebe und Lippenstift - vier Schwestern zwischen Erfolg und Leidenschaft (4-teilige Serie)

IMPRESSUM

BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2016 by Kat Cantrell Originaltitel: „The CEO’s Little Surprise“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1975 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Susann Rauhaus

Abbildungen: Goran Bogicevic / 123RF, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 05/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733723712

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Als Gage Branson in seinem dunkelgrünen Hummer endlich die Stadtgrenze von Dallas erreichte, fing sein Hund Arwen an, zur Melodie im Radio laut mitzuheulen. Seit er Austin verlassen hatte, fragte Gage sich immer wieder, ob es eine gute Idee gewesen war, die kleine Hündin mit auf Geschäftsreise zu nehmen.

Natürlich war das hier kein normaler Geschäftstrip – es sei denn, man würde es für normal halten, unangekündigt und ohne Einladung vor dem Bürogebäude seiner Exfreundin aufzutauchen. Und Arwen war auch kein normaler Hund. Sie war sein bester Kumpel. Das einzige Mal, als Gage sie in einer dieser Hundepensionen untergebracht hatte, hatte sie ihn danach eine Woche lang keines Blickes gewürdigt.

Genau wie er liebte Arwen die Weite der Landstraße, und Gage hatte nichts gegen ihre Gesellschaft, während er nach Dallas fuhr, um die längst überfälligen Schulden von der Geschäftsleitung von Fyra Cosmetics einzutreiben.

Seine eigene Firma, GB Skin for Men, die jährlich inzwischen über eine Milliarde Umsatz machte, hatte sich an die Spitze der Kosmetikunternehmen vorgearbeitet. Die Produkte wurden von modernen, anspruchsvollen Männern gekauft – von Profisportlern und Naturburschen jeglicher Art – sogar von dem einen oder anderen Holzfäller.

Außerdem hatte Gage Millionen investiert, um ein neues Produkt zur Wundheilung zu entwickeln. Promotet von einer bis ins Kleinste durchdachten PR-Kampagne, war es vor einem Monat auf den Markt gekommen und hatte eingeschlagen wie eine Bombe. Doch jetzt war die Firma seiner Exgeliebten im Begriff, ein eigenes Produkt auf den Markt zu bringen und ihm seinen Erfolg streitig zu machen. Das durfte nicht passieren.

In diesem Moment dröhnten die Heavy-Metal-Töne von AC/DC durch die Lautsprecher, und Arwen jaulte noch lauter.

„Arwen! Also wirklich, halt jetzt endlich die Klappe!“

Das Tier neigte den rötlich braunen Kopf und sah Gage schräg an.

„Na gut, wie du meinst“, sagte er gutmütig und stellte die Musik ab.

In diesem Moment tauchte die Ausfahrt zur Autobahn auf, und Gage bog mit dem Hummer in Richtung Norden ab. Nach ein paar Meilen hatte er schließlich das Hauptquartier von Fyra Cosmetics erreicht und fuhr auf den Parkplatz.

Hübsch. Natürlich hatte er die Firma gegoogelt, bevor er sich von Austin aus auf den Weg gemacht hatte. Denn er wollte mehr über das Unternehmen erfahren, das Cassandra Claremont gemeinsam mit ihren Geschäftspartnerinnen beziehungsweise ihren Freundinnen aufgebaut hatte, nachdem sie ihren Abschluss an der Universität von Texas gemacht hatte. Aber die Bilder im Internet konnten es mit der Wirklichkeit des ultramodernen fünfstöckigen Gebäudes aus Glas und Stahl nicht aufnehmen. Innerhalb dieser Mauern befand sich Cass’ Multimillionen-Dollar-Kosmetikfirma, wie sich unschwer am dunkellila Fyra-Logo erkennen ließ, das über dem Eingang prangte.

„Du bleibst hier und lässt die Pfoten vom Schaltknüppel, okay?“, sagte Gage streng zu Arwen, bevor er ausstieg. Es war ein kühler Tag, daher ließ er den Hund im Auto zurück.

Cass hatte ihren Erfolg ihm zu verdanken. Acht Monate lang war Gage ihr Mentor gewesen, deshalb war es jetzt auch nur fair, dass sie ihm etwas zurückgab. Ja, sie schuldete ihm etwas. Und er war entschlossen, ihr das begreiflich zu machen, indem er sie daran erinnerte, wie er ihr dabei geholfen hatte, unbeschadet durch das Haifischbecken der Kosmetikindustrie zu schwimmen.

Wenn er Glück hatte, würde sie neugierig genug sein, um ihn zu empfangen, auch wenn er keinen Termin mit ihr vereinbart hatte. Er wollte das Überraschungsmoment nutzen, um an die Geheimformel ihres neuen Produkts zu kommen.

Sie war so geheim, dass er eigentlich gar nichts darüber wissen durfte, denn das Produkt war ja noch gar nicht auf dem Markt. Aber seine Quellen hatten ihm verraten, dass in den Labors von Fyra offensichtlich an einer Wunderformel gearbeitet wurde, die die Selbstheilungskräfte des Körpers dabei unterstützte, Falten und Narben zu eliminieren. Sein Spion hatte sogar steif und fest behauptet, dass dieses Produkt besser als sein eigenes war, und Gage wollte es haben.

Natürlich konnte er Cass deswegen nicht einfach anrufen, zumal sie ja seine Exfreundin war. Sie hatten sich mindestens acht Jahre lang nicht mehr gesprochen. Vielleicht sogar neun oder zehn Jahre.

„Gage Branson. Wie komme ich denn zu dieser Ehre?“, erklang da plötzlich eine leicht raue weibliche Stimme hinter ihm. Abrupt drehte er sich um und zuckte zusammen. „Cass?“

„Immer noch dieselbe.“ Eine große Sonnenbrille verdeckte ihre Augen, aber ihr Ton verriet einen Hauch von kühler Belustigung. „Habe ich mein Gesicht etwa wieder in meiner anderen Tasche gelassen?“

„Nein, dein Gesicht ist genau so, wie ich es in Erinnerung habe.“ Unglaublich attraktiv, genau wie der Rest von dir.

Allerdings hatte diese überschicke Erscheinung in High Heels und perfekt sitzendem Businesskostüm in keiner Weise Ähnlichkeit mit der Cassandra Claremont von damals. Nicht einmal ihre Stimme klang wie sie. Nur ihre Haltung kam ihm irgendwie vertraut war. Sie wirkte sehr selbstbewusst, und ihre Ausstrahlung schien zu sagen, dass man sie zwar anschauen, nicht aber anfassen durfte. Das war schon immer Teil ihrer Attraktivität gewesen.

Offensichtlich schien er sich nicht besonders verändert zu haben, wenn sie ihn auf Anhieb erkannte.

„Bist du jetzt ins Hundetransportwesen übergewechselt?“, fragte sie ihn fröhlich.

Er warf einen Blick auf den Hummer. „Du meinst wegen Arwen? Nein, natürlich nicht. Sie leistet mir nur auf der Fahrt Gesellschaft. Ich bin aus Austin gekommen, um dich zu sehen. Es sollte eine Überraschung sein.“

„Hast du einen Termin?“

Da ihr Tonfall alles andere als fragend gewesen war, schien sie die Antwort bereits zu kennen. Und sie hatte offensichtlich keine Lust, ihren Tagesablauf umzuschmeißen, nicht einmal für einen alten Freund wie ihn. Nun, er würde dafür sorgen, dass sich das bald änderte.

„Ich hatte gehofft, dass du mich trotzdem empfangen würdest.“ Er lächelte. „Du weißt schon, der guten alten Zeiten wegen.“

Sein Lächeln vertiefte sich, als er an genau diese alten Zeiten dachte. Sie hatten oft bis tief in die Nacht hinein diskutiert. Er hatte sich viele kreative Möglichkeiten einfallen lassen, um Cass dazu zu bewegen, sich auszuziehen. Und der Sex, wenn sie sich dann endlich in das Unvermeidliche gefügt hatte, war spektakulär und sehr heiß gewesen.

Sie schürzte die Lippen. „Was könnten wir beide uns schon zu sagen haben?“

Eine ganze Menge. Vielleicht sogar sehr viel mehr, als er ursprünglich hatte sagen wollen. Jetzt, da er hier war und die neue, erwachsene Cassandra betrachtete, dachte er plötzlich an ein spätes Dinner und ein paar Drinks mit seiner früheren Geliebten.

Schließlich waren sie erwachsen und durchaus in der Lage, Geschäft und Vergnügen voneinander zu trennen.

„Also, zuerst einmal möchte ich dir gratulieren. Das ist absolut überfällig“, schmeichelte er ihr. „Ich habe deine Entwicklung aus der Ferne beobachtet. Was du erreicht hast, ist wirklich bemerkenswert.“

Als der Name ihrer Firma als mögliche Konkurrenz aufgetaucht war, hatte er im Netz nach Details recherchiert. Zunächst, weil er sehen wollte, wie sie seine Ratschläge umgesetzt hatte, und schließlich, weil er nicht mehr damit aufhören konnte. Komischerweise gefiel es ihm, ihr Foto zu betrachten, wahrscheinlich weil er gern an ihre Beziehung zurückdachte. Sie war eine der wenigen Frauen, an die er immer noch mit Zuneigung dachte. Für einen Mann, der in seinem Leben praktisch an nichts hing, bedeutete das eine ganze Menge.

„Ich danke dir.“ Anmutig neigte sie den Kopf. „Das haben wir gemeinsam geschafft, als Gruppe.“

Gage wartete darauf, sie sagen zu hören, dass sie seinen unternehmerischen Ratschlägen gefolgt war. Er hätte auch nichts dagegen gehabt, wenn sie ihm zum Erfolg seiner eigenen Firma gratuliert hätte. Oder dazu, dass er in diesem Jahr zum Unternehmer des Jahres gekürt worden war. Denn er ging davon aus, dass die Firmenchefin von Fyra die Konkurrenz genauso im Auge behielt, wie er es tat.

Aber – nichts dergleichen geschah. War sie denn überhaupt nicht neugierig darauf, zu erfahren, was er in den letzten Jahren gemacht hatte? War ihr ihre gemeinsame Zeit wirklich so egal?

Andererseits hatte ihre Affäre ja absichtlich nicht lange gedauert. Nachdem Gage seinem erdrückenden Elternhaus entkommen war, hatte er sich geschworen, sich nie mehr die Flügel stutzen zu lassen. Seinem Bruder Nicolas schuldete er es, ein wildes Leben ohne Reue zu führen. Und all die Dinge zu tun, die Nicolas dank eines betrunkenen Autofahrers nie erleben würde. Mit nur einer Frau zusammen zu sein passte nicht zu dieser Philosophie, und obendrein war Gage seine Freiheit wichtiger als die Frauen. Das bedeutete, dass von Anfang an klar gewesen war, dass Cass und er nicht lange zusammenbleiben würden. Keiner von beiden war dabei zu Schaden gekommen, aber er konnte es ihr auch nicht verübeln, dass sie keine Lust hatte zurückzuschauen.

„Ach, komm schon.“ Diesen Kommentar ließ er nicht gelten. „Du bist die Chefin. Wir wissen beide, was das bedeutet. Du sagst, wo’s langgeht.“

Cass verschränkte die Arme vor ihrer sexy Kostümjacke und lenkte seine Aufmerksamkeit damit auf ihre Brüste. Trotz der kühlen Brise schien die Temperatur plötzlich um ein paar Grade anzusteigen.

„Stimmt. Weil einer das Sagen haben muss. Aber Trinitiy, Harper, Alex und ich führen die Firma gemeinsam. Sie gehört uns allen zusammen.“

Er war nicht überrascht, das zu hören. Die vier Frauen waren schon auf dem College unzertrennbar gewesen, und es fiel ihm nicht schwer, sich vorzustellen, dass sie diese enge Freundschaft auch auf die gemeinsam gegründete Firma ausgedehnt hatten. Glücklicherweise war er immer mit allen vieren gut ausgekommen, aber Cass hatte er ganz besonders im Blick. Denn sie war diejenige, von der dieser Deal abhing, der ihm so viel bedeutete.

„Können wir vielleicht reingehen?“, fragte er und trat etwas näher an sie heran. „Ich würde gern mehr erfahren.“

„Gage.“

Ihre leicht raue Stimme ging ihm durch und durch, während sie ihn durchdringend anschaute. Ein Hauch von Jasmin erregte seine Sinne. „Ja, Cass?“

„Du kannst dir das ganze Vorgeplänkel sparen“, sagte sie direkt. „Ich weiß, dass du hier bist, weil du von unserer sensationellen Formel erfahren hast und weil du sie haben willst.“

Aha, sie waren also wieder auf geschäftlicher Ebene.

Er grinste und versuchte, seinen Puls etwas zu beruhigen. Cass turnte ihn an, er hatte schon immer eine Schwäche für Frauen gehabt, die ebenso sexy wie smart waren und denen man nichts vormachen konnte. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“

Sie war ihm jetzt ganz nah und lachte in sein Ohr, was ihn noch mehr erregte. „Ich fürchte, ja. Tut mir leid, aber du verschwendest nur deine Zeit. Die Formel steht nicht zum Verkauf.“

Sie brauchte anscheinend ein bisschen Nachhilfe, um zu erkennen, dass sie es nur durch seine Führung in die erste Liga geschafft hatte. Das hatte er bereits vorausgesehen.

„Natürlich steht sie nicht zum Verkauf. Jedenfalls nicht für den Rest der Welt. Aber ich gehöre nun mal nicht zur Masse der Menschheit“, erinnerte er sie. „Und ich erwarte auch nicht, dass du sie mir schenkst. Ich werde dir einen fairen Preis zahlen.“

Sie waren sich jetzt so nahe, dass sich ihre Lippen fast berührten. Die Anziehungskraft zwischen ihnen war geradezu magisch, und für den Bruchteil einer Sekunde vergaß Gage fast, dass er Cass nur angemacht hatte, um seinem eigentlichen Ziel näher zu kommen – der Formel.

Cass zuckte nicht einmal mit der Wimper. „Du glaubst, du hast besondere Rechte, weil wir mal eine kurze Affäre hatten? An deiner Stelle würde ich noch mal darüber nachdenken.“

Offensichtlich hatte sein Überraschungsmoment nicht ausgereicht, um sie aus der Fassung zu bringen, und aus irgendwelchen Gründen erhöhte das für ihn noch ihre Attraktivität. Aber vielleicht erfreute ihn ihre unerwartete Reaktion auch deshalb so sehr, weil sie sich jetzt auf Augenhöhe begegneten. Damit hatte sich das Gleichgewicht zwischen ihnen unerwartet verlagert.

Okay, dann würde er halt noch einen Zahn zulegen. Er hatte bisher noch keine Frau getroffen, die seinem Charme gewachsen gewesen wäre. Wenn er etwas wollte, bekam er es für gewöhnlich auch.

„So redet man aber nicht mit einem alten Freund“, erklärte er.

Wenn er sich jetzt nur noch einen Zentimeter auf sie zubewegte, würden sie sich berühren. Ob sie sich immer noch so anfühlen würde wie früher – weich, aufregend und warm? Leider hatte er den Eindruck, dass es Cass inzwischen nur noch ums Geschäft ging, nicht ums Vergnügen. Und dass sie nicht die Absicht hatte, beides zu vermischen.

„Sind wir das? Alte Freunde?“, gab sie zurück.

Erneut lachte sie auf diese sexy Weise, die ihre Wirkung auf seinen Unterleib nicht verfehlte. Fast ärgerte es ihn, dass er sie so attraktiv fand und sein Überrumpelungsversuch fehlgeschlagen war. Aber Gage wusste, dass er alles dafür tun würde, damit er ihr genauso unter die Haut ging wie sie ihm.

„Freunde. Ehemalige Liebhaber. Einst Mentor und Studentin.“

„Stimmt.“ Sie neigte den Kopf. „Du hast mir eine Menge beigebracht. So viel, dass ich inzwischen eine erfolgreiche Firma leite, um die ich mich jetzt kümmern muss. Bitte entschuldige meine Direktheit, aber ich rate dir, einen Termin zu vereinbaren. Wie jeder andere auch, der mit mir übers Geschäft reden will.“

Damit wandte sie sich von ihm ab und marschierte auf den Eingang des Gebäudes zu. Gage fühlte sich düpiert, er war für sie offenbar nur einer von vielen.

Okay, er würde sie gehen lassen. Jedenfalls für den Moment.

Doch er würde sich von einer ehemaligen Studentin nicht auch nur ein Prozent Marktanteil abjagen lassen. Dafür würde er sorgen und war auch gewillt, tief in die Tasche zu greifen. Doch ihm war klar, dass er dabei mit größerer Raffinesse vorgehen musste.

Erinnere sie daran, was du alles für sie getan hast. Ruf ihr noch einmal ins Gedächtnis, wie gut es mit euch beiden war.

Die innere Stimme war vermutlich sein Gewissen. Manchmal hatte er allerdings das Gefühl, als würde sie Nicolas gehören, der ihn von der anderen Seite aus führte und leitete. Der Rat seines großen Bruders, der ihn normalerweise dazu brachte, das Leben in vollen Zügen zu genießen. Einfach weil Nicolas es nicht mehr konnte.

Er hatte immer darauf gehört und war damit gut beraten gewesen. So auch jetzt, zumal es ja seinen eigenen Wünschen entsprach. Cass musste eindeutig daran erinnert werden, wie nahe sie sich einmal gestanden hatten. So nahe, dass er jeden Zentimeter ihres Körpers genau kannte.

Deine beste Strategie kann nur darin bestehen, das Geschäftliche durchs Vergnügen zu beeinflussen.

Das war Nicolas, der gesprochen hatte. Und damit standen Gages nächste Schritte fest. Ja, er wollte Cass. Und ihre Formel. Wenn er es richtig anstellte, würde das eine zum anderen führen.

Er gab Cass gute fünf Minuten, bevor er ihr folgte.

Eine Wende herbeizuführen war nur fair – sowohl in der Liebe als auch in der Kosmetikbranche.

Mit zitternden Händen betrat Cass ihr Büro und knallte die Tür hinter sich zu. Auf keinen Fall wollte sie, dass jemand merkte, wie aufgewühlt sie war. Sie konnte sich auch nicht erklären, warum sie noch am ganzen Körper bebte – vor Adrenalin … und anderen Dingen, die sie jetzt nicht näher ergründen wollte.

Aber sie wusste natürlich, dass sie sich selbst belog. Gage Branson war die Antwort darauf. Doch warum sie sein Anblick nach all den Jahren immer noch derart berührte, konnte sie sich wirklich nicht erklären.

Verdammt, sein Lächeln war ihr durch und durch gegangen. Auch sein Körper war immer noch fantastisch, selbst unter seiner Freizeitkleidung, und hätte eigentlich gut auf einen Pin-up-Kalender gepasst. Sein kurzes, leicht strubbeliges Haar stand ihm ausgezeichnet, genau wie früher. Ja, er war noch immer so sexy und charismatisch wie eh und je, und sie hasste es, dass ihr das auffiel. Hasste es, dass er Schmetterlinge in ihrem Bauch flattern ließ – nach allem, was er ihr angetan hatte.

Tief durchatmen. Gage war schließlich auch nur ein Typ, den sie einmal gekannt hatte. Das musste sie sich nur immer und immer wieder sagen, und irgendwann würde sie es hoffentlich glauben. Doch leider stimmte es nicht. Er war nicht nur irgendein Typ aus dem College, und genau da lag das Problem.

Gage Branson hatte ihr das Herz gebrochen.

Nicht nur das Herz, er hatte sie zerstört. Ihren Geist, ihren Körper und ihre Seele. Sie war damals so rettungslos in ihn verliebt gewesen, dass sie es gar nicht gemerkt hatte. Bis er ihr wie nebenbei gesagt hatte, dass jetzt Schluss war und ob sie ihre Sachen zurückhaben wollte, die noch immer in seiner Wohnung waren.

Inzwischen waren neun Jahre vergangen, und sie war noch immer nicht dazu in der Lage, ihn zu vergessen oder ihm zu vergeben. Deshalb zitterten ihre Hände, und das war einfach nur peinlich.

Das einzig Positive daran war, dass sie fest davon überzeugt war, dass ihm ihre Verwirrung nicht aufgefallen war. Der Himmel mochte verhüten, dass er es merkte. Für Gefühle war hier kein Platz, weder im Business noch in ihrem Privatleben. Kein Platz. Das war die wichtigste Lektion, die sie von ihrem früheren Mentor gelernt hatte. Glücklicherweise schien er ihren Rat, einen Termin bei ihr zu machen, ohne Protest angenommen zu haben, was ihr Zeit gab, sich zu erholen.

In diesem Moment klingelte ihr Handy und erinnerte sie an ihr nächstes Meeting in fünf Minuten. Fünf Minuten, in denen sie darüber nachdenken konnte, wie Fyra mit dieser Informationslücke umgehen sollte. Fünf Minuten, in denen sie sich auf das Treffen mit ihren Partnerinnen vorbereiten konnte. Eigentlich hätte sie dazu eine Stunde gebraucht, aber auf ihrem Weg ins Büro hatte es einen Unfall gegeben, der ihr Eintreffen verzögert hatte. Und dann war auch noch überraschend der Mann aufgetaucht, der ihr seit fast zehn Jahren Albträume bescherte.

Und vielleicht auch ein paar feuchte Träume. Doch davon musste er ja nichts erfahren.

Na super. Genau das brauchte sie jetzt. Cass wusste, dass sie gar keine andere Wahl hatte, als ihre Emotionen unter Kontrolle zu bekommen. Und das sofort. Wenn sie daran dachte, dass Einzelheiten bezüglich ihrer Geheimformel durchgesickert waren, wurde ihr übel, und sie war fest entschlossen, die Informationsquelle ausfindig zu machen. Denn eins stand fest: Wenn es jemandem gelungen war, etwas über die geheime Formel zu erfahren, konnte es auch gut sein, dass er oder sie gewillt war, sie zu stehlen.

Leider waren fünf Minuten nicht genug, um ihren Herzschlag zu beruhigen, bevor sie den Konferenzraum betreten würde, wo ihre besten Freundinnen auf sie warteten. Natürlich würden sie sofort bemerken, dass etwas passiert war. Und dass es mit einem Mann zu tun hatte.

Schließlich hatte sie keine Geheimnisse vor den anderen, mit denen sie zusammen aufgewachsen war. Meistens war Cass darüber sehr froh, heute jedoch nicht.

Im Badezimmer spritzte sie sich kaltes Wasser ins Gesicht und besserte ihr Make-up nach, das zu ihrem Outfit gehörte und zugleich wie ein Schutzschild für sie war.

Niemand konnte sie durchschauen, wenn sie ihr offizielles Gesicht aufsetzte, das richtige Make-up verdeckte jedes Leid. Dank dieser Maskierung war es ihr gelungen, ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen aufzuziehen. Doch sich so vorteilhaft wie möglich zu präsentieren war nicht nur das Motto ihrer Firma, sondern auch ihr persönliches.

Keinem Mann sollte es je mehr gelingen, einen Riss in diese Maske zu bringen.

Gestärkt setzte Cass ein kühles Lächeln auf und verließ das Bad. Auf dem Flur lief sie Melinda über den Weg, ihrer Empfangsdame. Sie wirkte etwas verstört und stieß hervor: „Da ist ein ziemlich hartnäckiger Mann, der glaubt, dass du einen Termin mit ihm hast.“

Gage. Als sie ihm gesagt hatte, er solle einen Termin machen, hatte sie natürlich an einen späteren Zeitpunkt gedacht. Einen sehr viel späteren.

Ihre Nerven fingen erneut an zu flattern. „Ich habe kein Treffen mit ihm und muss jetzt in ein Meeting.“

„Ja, das habe ich ihm auch gesagt. Aber er insistiert, dass du Zeit mit ihm eingeplant hast und er deswegen den ganzen Weg von Austin hierhergefahren ist.“ Melinda senkte die Stimme. „Ich muss allerdings sagen, dass er sehr nett und freundlich ist. Er meinte sogar, es könnte vielleicht sein, dass du dich im Datum geirrt hast.“

Der Mann hatte wirklich Nerven!

„So etwas passiert mir nie.“

„Ja, ich weiß. Aber er … na ja, er meinte, ich sollte dich noch einmal fragen, und er wirkte so ehrlich …“

„Warum steht Gage Branson bei uns am Empfang?“, mischte sich Trinity Forrester, die Marketingleiterin der Firma, in das Gespräch ein und funkelte Cass wütend an. Da sie ihre beste Freundin auf dem College gewesen war, war sie natürlich auch im Bilde und nicht gut auf ihn zu sprechen.

Cass stieß einen tiefen Seufzer aus. „Er will uns ein geschäftliches Angebot machen. Ich kümmere mich darum.“

„Gute Idee“, erwiderte Trinity nickend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Schmeiß ihn einfach raus. Der Typ hat hier nichts verloren.“

Fasziniert sah Melinda von einer zur anderen. „Aber warum? Was stimmt denn nicht mit ihm?“

„Er hat schreckliche Bindungsängste und eine starke Abneigung gegen alles, was Sitte und Anstand gebieten. Cass wird ihn hochkant rausschmeißen, und ich freue mich schon darauf. Darf ich zuschauen?“

Entschieden schüttelte Cass den Kopf. Das hier war ihr Kampf, dabei brauchte sie keine Zeugen. „Am besten, ich spreche in meinem Büro mit ihm. Bist du so nett und sagst Alex und Harper, dass ich mich ein paar Minuten verspäten werde?“

Trinity zögerte und nickte dann widerstrebend. „Na gut. Aber später will ich alle Details hören, okay?“

Cass straffte die Schultern und marschierte an ihr vorbei zum Empfang.

Tatsächlich, dort lehnte Gage am Tresen, als würde der Platz ihm gehören. Bei ihrem Anblick leuchteten seine Augen auf, und sein anzügliches Lächeln verfehlte erneut nicht seine Wirkung auf sie.

Ohne mit der Wimper zu zucken, herrschte sie ihn an: „Fünf Minuten, Mr. Branson. Ich bin schon zu spät für die Vorstandssitzung.“

„Mr. Branson, das gefällt mir“, sagte er amüsiert und folgte ihr in ihr Büro.

Auf dem Weg dorthin fragte Cass sich, ob das überhaupt eine gute Idee war. Sie hätte Melinda bitten sollen, ihn rüde abzufertigen, und sich dann zu ihrem Meeting begeben sollen.

Doch sie kannte Gage – er würde nicht lockerlassen und sie so lange bedrängen, bis sie ihm einen Termin gab.

Daher sollte sie es am besten gleich hinter sich bringen, um ihn ein für alle Mal loszuwerden.

2. KAPITEL

Sie blieben vor Cass’ offener Bürotür stehen, und Gage zog die Augenbrauen hoch, als er die dunkellila Plakette neben der Tür sah. „Vorstand Geschäftsentwicklung?“

Sein amüsierter Ton nervte Cass, aber sie lächelte nur. „Ja, hier geht es um das Branding. Wir kümmern uns bis aufs letzte Detail um alle Aspekte unseres Geschäfts. Schließlich hatte ich mal einen Mentor, der mir darüber das eine oder andere beigebracht hat.“

Er schmunzelte. Ihr Sarkasmus schien ihm nichts auszumachen, und er beschloss, sie bei Laune zu halten, indem er ihrem ausgestreckten Arm folgte. Jedoch nicht, ohne sie dabei flüchtig zu streifen. Cass wollte sich nicht eingestehen, wie sehr ihre Haut dabei prickelte.

„Ich kann mich noch erinnern, dass wir in der Tat ein paar angeregte Diskussionen über Geschäftsstrategien hatten“, sagte er. „Branding ist übrigens auch der Grund dafür, dass ich einen grünen Hummer fahre.“

Cass hatte ihr Büro in dem Dunkellila streichen lassen, das das Markenzeichen von Fyra war. Selbst ihr Schreibtisch mit der Oberfläche aus Glas und der moderne Teppich auf dem Boden waren fliederfarben. Interessiert sah Gage sich um.

„Weil du damit allen vermitteln willst, dass es bei GB Skin auf keinen Fall um die Umwelt geht und dass der Firmenchef ein Widerling ist?“, fragte Cass zuckersüß, noch bevor Gage eine abfällige Bemerkung über die Farbe machen konnte.

Eine teure, trendbewusste Firma hatte die Inneneinrichtung übernommen, was Fyra einiges gekostet hatte, aber das Ergebnis hatte den Preis gerechtfertigt. Dieses Unternehmen gehörte ihr. Vom Fußboden bis zur Decke war alles ihr Eigentum, und das gefiel ihr. Vor drei Jahren waren sie in dieses Gebäude eingezogen, als Fyra zum ersten Mal den Rekordumsatz von fünfzig Millionen Dollar erreicht hatte. Ab diesem Moment hatte sie gewusst, dass sie es schaffen würden.

Sie würde alles tun, was in ihrer Macht stand, um ihrer Firma zum Erfolg zu verhelfen.

Gage lachte, als er es sich in einem lila Sessel gemütlich machte, und betrachtete sie eindringlich. „Du kennst also den Namen meiner Firma. Ich dachte schon, das wäre dir egal.“

„Ich bin gut in dem, was ich tue“, erwiderte Cass kühl. „Natürlich kenne ich die Namen meiner Konkurrenten.“ Sie selbst setzte sich nicht, sondern blieb neben der Tür stehen, die sie bewusst offen ließ. „Jetzt hast du deinen Termin. Er dauert genau drei Minuten, in denen du mir erklären kannst, warum du mein Nein von vorhin nicht akzeptiert hast und nach Austin zurückgefahren bist.“

Anstelle einer Antwort klopfte er nur mit der Hand auf den Sessel neben sich. „Setz dich hin, dann können wir reden.“

Aber sie rührte sich nicht. Denn sie hatte keine Lust, sich in seine Nähe zu begeben und erneut die Fassung zu verlieren. Solange sie bei der Tür stehen blieb, konnte ihr nichts passieren. „Nein, danke. Ich bin okay.“

„Aber du kannst auf keinen Fall dort stehen bleiben. Vergiss nicht, diese Taktik funktioniert nur bei jemandem, der sie dir nicht beigebracht hat, so wie ich.“

Die Tatsache, dass er sie durchschaute, machte alles nur noch schlimmer.

„Also wirklich, Gage“, sagte sie ärgerlich. „Der gesamte Vorstand wartet auf mich. Nun komm endlich auf den Punkt. Warum bist du hier?“

Sein Ausdruck veränderte sich nicht. „Die Gerüchte, was deine Formel betrifft, stimmen also, ja?“

Cass verschränkte die Arme vor der Brust. „Das hängt davon ab, was du gehört hast.“

„Das Adjektiv, was es wohl am besten beschreibt, ist revolutionär“, erwiderte er und zuckte die Achseln. „Ich habe gehört, ihr wollt Stammzellen dazu benutzen, Haut regenerieren zu lassen, um so Wunden zu heilen und Falten verschwinden zu lassen. Das ist Nanotechnologie auf höchstem Niveau.“

Ungerührt sah sie ihn an. „Das kann ich weder bestätigen noch dementieren.“

Cass ließ es sich nicht anmerken, aber innerlich war sie sehr erschrocken darüber, dass nach außen so viel durchgesickert war. Als Trinity gestern wütend in ihr Büro gestürmt war, um ihr die Notiz in einem Online-Magazin zu zeigen, hatte sie entsetzt die wenigen Zeilen über ihr neues Produkt, das bald auf den Markt kommen sollte, gelesen. Aber schließlich hatten sie sich versichert, dass es noch wesentlich schlimmer hätte kommen können. Denn der kurze Text enthielt nur wenige Details, daher hofften sie, die Notiz würde untergehen.

Doch offenbar hatten sie sich geirrt.

Es war ein Desaster. Ein riesiges Desaster, das durch Gages Erscheinen nur noch schlimmer wurde.

Er beobachtete sie scharf, ihm entging nichts. „Wenn meine Quelle richtig liegt, müsste eine solche Formel um die hundert Millionen Dollar wert sein. Die ich bereit bin, dir zu zahlen.“

Oh nein, er konnte doch gerade nicht wirklich eine solche Summe genannt haben! Gequält schloss Cass die Augen. Das war richtig viel Geld, und als die Firmenchefin würde sie gezwungen sein, ihren Partnerinnen davon zu erzählen.

Aber sie kannte ihre Freundinnen. Bestimmt würden sie übereinstimmen, dass die Formel unbezahlbar war. „Ich habe dir doch bereits gesagt, dass du sie nicht kaufen kannst.“

Abrupt stand Gage auf und ging schnellen Schrittes auf sie zu. Je näher er ihr kam, desto heftiger schlug ihr Puls, aber sie sah ihn unerschrocken an, so als hätte sie es jeden Tag mit einem so mörderisch attraktiven Mann zu tun.

„Es ist gute Geschäftspolitik, alle Möglichkeiten in Betracht zu ziehen“, sagte Gage und blieb ein paar Schritte vor ihr stehen. „Wenn ihr verkauft, müsst ihr euch nicht um die Lizensierung, die Produktionskosten und die Honorare für die Patenanwälte kümmern. Ihr könnt euch einfach in euren Millionen suhlen und die harte Arbeit anderen überlassen.“

Plötzlich stieg Cass der holzige Duft von Wald in die Nase.

„Ich habe keine Angst vor harter Arbeit“, erklärte sie fest und unterdrückte den Impuls zurückzuweichen. Hier ging es darum, wer von ihnen den stärkeren Willen hatte. Und wenn sie vor Gage flüchtete, würde er genau wissen, welch starken Einfluss er auf sie hatte.

Er streckte die Hand aus und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dabei verharrten seine Finger ein bisschen länger als unbedingt nötig.

„Wovor hast du eigentlich Angst?“, fragte er unerwartet zärtlich.

Vor dir. Cass schluckte. Woher kam das? Gage machte ihr keine Angst. Sie war nur erschrocken darüber, welch starke Gefühle seine Anwesenheit in ihr auslöste.

Dieses Katz-und-Maus-Spiel nahm eine gefährliche Wendung.

„Vor der Steuer“, erwiderte sie und ignorierte ihren schnellen Pulsschlag.

Wie lange war es jetzt her, dass ein Mann sie berührt hatte? Viele, viele Monate. Inzwischen war sie in Dallas schon als männerverschlingende Frau verschrien, was sie sogar noch populärer zu machen schien. Aber Cass wies alle zurück, denn die ganze Sache nervte sie.

Das hatte allerdings einen Grund, und der stand jetzt direkt vor ihr. Plötzlich wurde ihr schlagartig klar, dass sie Gage völlig falsch behandelte.

Schließlich war sie nicht mehr auf dem College und er nicht mehr ihr Mentor. Sie begegneten sich jetzt auf Augenhöhe. Und er befand sich auf ihrem Terrain. Das bedeutete, dass sie das Heft in der Hand hatte.

Wenn er spielen wollte, würde sie mitziehen.

„Gage“, erklärte Cass mit der leicht heiseren Stimme, bei der es ihm immer heiß den Rücken hinunterlief, „die Formel steht nicht zum Verkauf. Ich habe jetzt eine Vorstandssitzung. Damit sollten wir eigentlich durch sein … es sei denn, du hast noch ein besseres Angebot.“

Ihre Lider senkten sich, und sie rührte sich nicht. Aber ihre sinnliche Ausstrahlung erreichte ihn und zog ihn unwiderstehlich an. Er sehnte sich danach, sie zu berühren, und allein bei dem Gedanken wurde ihm ganz anders.

„Vielleicht“, erwiderte er unbestimmt und räusperte sich. Verdammt, ihre Anwesenheit wirkte sich sogar auf seine Stimme aus.

Entspann dich, Junge. Erinnere sie daran, warum die Formel zum Verkauf steht … aber nur für dich.

Ja, er musste sich wieder auf sein Ziel konzentrieren und durfte sich nicht von ihr ablenken lassen. Er musste den Spieß umdrehen.

„Ihr leistet hier wirklich tolle Arbeit, Cass. Ich bin stolz darauf, was du alles erreicht hast.“

Sie nickte steif. „Vielen Dank. Ja, ich auch. Die Mädels und ich haben die Firma ganz allein aufgebaut.“

„Kannst du dich noch an das Projekt für die Klasse von Dr. Beck erinnern, bei dem ich dir damals geholfen habe?“, fragte er plötzlich.

Cass sah ihn misstrauisch an, überrascht von dem Themenwechsel. „Du meinst das Projekt, bei dem ich eine komplett neue Firma auf dem Papier entwerfen sollte, komplett mit Marketingplan, Logo und allem anderen?“

Er nickte. „Ja, genau das. Dafür hast du damals eine Eins bekommen, wenn ich mich recht erinnere. Aber du hast es nicht allein geschafft. Ich habe dir bei jedem Schritt geholfen und dir gezeigt, was es heißt, eine Firma zu leiten.“

Anscheinend hatte er damals einen so guten Job gemacht, dass er jetzt in der komischen Lage war, ihr ein Produkt abkaufen zu wollen, was besser war als sein eigenes. Darin lag eine gewisse Ironie, die Gage nicht entging.

„Was willst du mir damit sagen?“, fragte sie ihn mit hochgezogenen Augenbrauen.

„Dein Erfolg hier …“ Er deutete auf das stylishe Büro. „… ist wirklich unglaublich. Aber du verdankst ihn zu einem großen Teil mir.“

„Da kann ich dir nur recht geben“, erwiderte sie schnell. Zu schnell. „Du hast mir einige der wertvollsten Lektionen meines Lebens erteilt. Fryas Geschäftsphilosophie stammt zu hundert Prozent aus meinen Erfahrungen mit dir.“

Sie blinzelte, und die Luft zwischen ihnen war plötzlich zum Schneiden dick. Gage war zufrieden mit seiner Strategie. Auf ein solches Eingeständnis von ihr hatte er gehofft.

„Freut mich, dass du das auch so siehst. Genau deshalb bin ich hier. Um deine Schulden einzutreiben.“

„Ach, wirklich?“ Spöttisch sah sie ihn an. „Erläutere mir das doch mal ein bisschen näher.“

„Du weißt, wovon ich spreche. Ohne mich würde es Fyra wahrscheinlich gar nicht geben. Ohne mich hättest du deine Ziele nie erreicht. Glaubst du nicht, es ist an der Zeit, mir etwas zurückzugeben?“

„Hmm …“ Sie strich sich leicht über die Wange. „Du glaubst, ich schulde dir was? Das ist ja ein sehr interessantes Konzept. So ähnlich wie Karma.“

„Ja, so ungefähr.“

Aber irgendwie gefiel ihm der Vergleich nicht. Ein Wort wie Karma wurde nur selten im Zusammenhang mit Belohnung verwandt. Es hieß mehr, dass man bekam, was man verdient hatte.

„Alles, was ich sagen will“, fuhr er fort, „ist, dass ich eure Formel kaufen möchte. Und meine Rolle bei deinem Erfolg sollte ein wichtiger Faktor bei eurer Entscheidung sein. Aber ich bin schließlich fair und bitte dich nicht darum, sie mir einfach zu schenken. Einhundert Millionen Dollar, das ist schließlich ein stolzer Preis dafür.“

Er sah sie gespannt an und hatte keine Ahnung, was sich hinter ihrer Stirn abspielte.

„Hör mir jetzt gut zu, Gage“, sagte sie schließlich und lehnte sich nach vorn. Ihr weiblicher Duft stieg ihm in die Nase. „Du hast mir eine Menge beigebracht, und dafür bin ich dir dankbar. Aber eins musst du wissen: Ja, ich bin die Chefin von Fyra, aber ich besitze nur ein Viertel der Aktien. Die anderen drei Viertel gehören meinen Partnerinnen. Ich werde dem Vorstand dein Angebot unterbreiten und verspreche dir, dass wir darüber reden werden. Nicht mehr und nicht weniger. So funktioniert Business nun mal.“

Sie wirkte sehr entschlossen, und er verspürte den verrückten Impuls, sie zu küssen. Aber natürlich hielt er sich zurück.

„Gut, dann erwarte ich von dir, dass du die anderen davon überzeugst, dass es im Interesse eurer Firma ist, an mich zu verkaufen. Oder was glaubst du, was deine Partnerinnen davon halten würden, wenn die Chefin von Fyra ihre Schulden nicht bezahlt?“

Stirnrunzelnd sah Cass ihn an, wirkte ansonsten aber weiterhin ziemlich unberührt.

„Soll das eine Drohung sein?“, fragte sie schließlich und lachte. „Willst du mich bei den anderen verpetzen?“

Er dachte nicht daran, auf ihren provokanten Ton einzugehen.

„Ach, so würde ich es nicht nennen“, erwiderte er und trat noch einen Schritt auf sie zu. „Aber du wirst doch wohl kein schlechtes Gewissen haben wollen, oder?“

„Mein Gewissen könnte nicht reiner sein, vielen Dank“, entgegnete Cass und holte tief Luft. Dann nickte sie. „Also gut, ich werde den anderen dein Angebot unterbreiten. So, kann ich dich jetzt zum Ausgang bringen, oder findest du den Weg selbst hinaus?“

„Danke, das schaffe ich allein“, sagte Gage und machte Anstalten, das Büro zu verlassen.

Aber Cass stand immer noch an der Tür und rührte sich nicht. Er trat vor sie hin, bis er die kleinen goldenen Flecken in ihren blauen Augen sehen konnte. Er beugte sich vor, und sein warmer Atem streifte ihr Ohr. Sie hielt die Luft an, und er hätte sie am liebsten in die Arme genommen.

„Sag den Mädels Hallo von mir“, meinte er stattdessen und trat einen Schritt zurück. Woher er die Willenskraft nahm, war ihm schleierhaft.

Sie nickte nur, ihr Gesichtsausdruck verriet nichts. Gage freute sich jetzt schon darauf, ihrem neuen Eisprinzessinnen-Image bei ihrem nächsten Treffen ein paar Kratzer zu verpassen.

3. KAPITEL

Nachdem Gage weg war, atmete Cass tief durch. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihr Puls raste.

Ihre Unterredung mit Gage war nicht ganz so verlaufen, wie sie gehofft hatte. Nur sein Verschwinden kam ihr wie ein kleiner Sieg war.

Aber jetzt musste sie zur Vorstandssitzung. Trinity hatte den anderen bestimmt schon von ihrem Treffen erzählt. Und das bedeutete, sie müsste ihnen die ganze Geschichte erzählen, einschließlich des lächerlichen Angebots für die Formel.

Der Mann hatte wirklich Nerven! Anzudeuten, dass sie ihm einen Gefallen schuldete, nur weil er ihr damals hin und wieder ein paar Tipps gegeben hatte. Ja, sie schuldete ihm allerdings etwas, allerdings eher in Richtung eines Boxhakens. Fyras Erfolg hatte nichts mit Gage zu tun.

Nur das gebrochene Herz, mit dem er sie zurückgelassen hatte, hatte sie noch lange beschäftigt.

Wenn sie tatsächlich beschließen sollten, die Formel zu verkaufen, dann nur, weil es geschäftlich Sinn machte. Genau, wie sie es ihm gesagt hatte. Dieser Gedanke stärkte Cass. Sie richtete sich auf, verließ ihr Büro und begab sich in den großen, luftigen Konferenzraum am Ende des Flurs.

Um den Tisch herum saßen bereits ihre drei anderen Geschäftspartnerinnen. Diesem Umstand verdankte die Firma ihren Namen, denn Fyra war das schwedische Wort für „vier“. Alex Meer war die Chefin der Finanzen, Frau Dr. Harper Livingston leitete die Entwicklungsabteilung mit den Laboren, und Trinity Forrester überzeugte in ihrer Eigenschaft als PR-Chefin die Kunden davon, ihre Produkte zu kaufen. Cass war die Vorstandsvorsitzende und hielt die Zügel in der Hand.

Bei ihrem Eintreten sahen ihre Freundinnen sie erwartungsvoll an.

„Er ist weg. Lasst uns anfangen“, sagte sie, legte ihr Handy auf den Tisch und nahm am Kopfende Platz.

„Nicht so schnell“, meinte Trinity. „Wir sitzen hier schon die ganze Zeit und warten auf pikante Einzelheiten.“

Sie waren alle seit Ewigkeiten miteinander befreundet. „Pikante Einzelheiten“ bedeutete also, dass sie wissen wollten, wie es ihr mit dem Wiedersehen mit Gage ging. Ob sie ihm am liebsten eine Ohrfeige geben oder sich in die Ecke verziehen würde, um zu weinen. Aber da sie nicht nur Freundinnen, sondern vor allem Geschäftspartnerinnen waren, konzentrierte Cass sich auf das Wichtigste.

„Er will die Formel 47 kaufen und hat uns dafür hundert Millionen Dollar geboten“, sagte sie geradeheraus. „Ich habe ihm erklärt, dass die Formel nicht zum Verkauf steht. Mehr ist nicht passiert.“

Harpers Lächeln erlosch. Man konnte geradezu sehen, wie ihre Gedanken sich überschlugen. „Aber das kann ja noch nicht alles sein. Wie groß ist das Ausmaß des Schadens? Hat er durch die Notiz in dem Online-Magazin von der Formel erfahren?“

Cass schüttelte den Kopf. „Nein, er wusste leider sehr viel mehr. Und das heißt, es ist mehr durchgesickert, als wir gedacht haben.“

„Und?“, fragte Trinity, die nicht so leicht aufgab. „Was ist passiert? Ist er dir unter die Haut gegangen?“

Verdammt – ihr konnte sie wohl nichts vormachen. Dazu kannten sie sich schon zu lange. Doch sie schüttelte nur den Kopf.

„Ich mache mir nur Sorgen wegen des Informationslecks. Das ist alles. Gage könnt ihr vergessen. Ich habe es bereits getan.“

Trinity kniff zwar die Augen zusammen, hakte aber nicht nach, worüber Cass froh war. In Wirklichkeit hätte sie Gage umbringen können. Was fiel ihm ein, gerade jetzt aufzutauchen, wo ihnen eine derart große geschäftliche Katastrophe drohte?

Alex, die in ihren üblichen Jeans und dem T-Shirt immer wie ein Junge aussah, spielte mit ihrem Kuli herum und sagte nachdenklich: „Über hundert Millionen Dollar sollten wir schon nachdenken, findet ihr nicht?“

Harper schüttelte heftig den Kopf, und Trinity und Cass sahen Alex böse an, die unter ihren Blicken in sich zusammenzusinken schien.

„Sollten wir nachdenken?“ Cass’ Magen zog sich zusammen. Die Vorstellung, die Formel zu verkaufen, war für sie so undenkbar, wie ihr eigenes Kind zu verhökern. „Bist du verrückt?“

„Aber das wäre doch ein schöner Posten für unsere Bilanz“, hielt Alex dagegen. „Eine so große Finanzspritze kann man nicht kategorisch ausschließen.“

Das konnten sie schon, wenn sie vom Konto jenes Mannes stammte, der Cass zerstört hatte. Spielte das denn gar keine Rolle?

„Warte mal eine Minute, Ms. Moneypenny“, erhob Harper Einspruch. „Die Formel 47 ist mein Baby, nicht deins. Ich habe zwei Jahre meines Lebens damit verbracht, sie zu perfektionieren – unter der Prämisse, dass wir unsere gesamte Produktpalette von nun an mithilfe von Nanotechnologie erzeugen. Wenn wir sie verkaufen, bekommen wir dafür nur eine einmalige Geldsumme, und die wäre alles andere als ausreichend.“

Alex klopfte mit dem Stift auf den Tisch. „Aber wenn wir die Lizenzrechte behalten und den Deal so strukturieren, dass wir …“

„Niemand strukturiert irgendwelche Deals“, unterbrach Cass sie. „Ich habe euch nur über das Angebot informiert, weil das meine Pflicht ist. Viel wichtiger aber ist herauszufinden, wo die undichte Stelle ist.“

„Was hat denn unser Anwalt dazu gesagt?“, fragte Trinity.

„Na ja, er glaubt, dass es noch zu früh ist, um deswegen die Polizei einzuschalten. Dafür enthält der Artikel dann auch wieder nicht genug Informationen, die vor Gericht Bestand hätten. Aber er hat uns geraten, die Formel so schnell wie möglich lizenzieren zu lassen, um weiteren Missbrauch zu verhindern. Und bis dahin müssen wir eben sehr vorsichtig sein.“

„Ich bin mit der Entwicklung aber noch nicht so weit“, widersprach Harper. „Das Produkt muss ja vor allem auf dem Markt Bestand haben. Es bringt nichts, die Sache übers Knie zu brechen.“

„Was steht denn heute sonst noch auf der Tagesordnung?“, wollte Trinity wissen.

„Nur die Informationslücke“, erwiderte Cass.

Scharf sah Alex sie an. „Was willst du deswegen unternehmen?“

„Ich arbeite noch daran.“

„Du arbeitest noch daran.“ Alex’ sarkastischer Ton drückte all ihre Skepsis aus. „Willst du damit sagen, du hast noch keinen Plan?“

Cass erstarrte und versuchte, ihre Worte nicht zu sich durchdringen zu lassen.

Natürlich hatte Alex recht. Sie sollte einen Plan haben, hatte ihn jedoch noch nicht. Aber das würde sie den anderen gegenüber nicht zugeben, schließlich betrachteten sie sie als Leitfigur. „Ich habe ein paar Ideen, die erst noch reifen müssen.“

„Ideen?“, wiederholte Trinity fassungslos.

Sie und Alex sahen sich an, und ein kalter Schauer rieselte Cass’ Rücken hinunter. Sie wusste, dass sie im Begriff war, das Gesicht zu verlieren, denn in Wirklichkeit hatte sie keinen blassen Schimmer, wie sie dieses Problem lösen sollte.

„Wie ich bereits sagte, ich werde mich darum kümmern“, erklärte sie barsch. Doch dann biss sie sich auf die Lippe und flüsterte eine Entschuldigung.

Sie hatte keine Ahnung, wie dieses Treffen so schnell den Bach hatte runtergehen können. Und besonders schmerzte es sie, dass Alex sich ihr entgegenstellte. Offensichtlich gab es doch mehr Schwachstellen bei Fyra, als sie für möglich gehalten hätte. Risse in der Beziehung zu ihren Freundinnen und Geschäftspartnerinnen, die ihr Angst machten. Wagte Alex, ihr zu widersprechen, weil sie nicht mehr an ihre Führungsqualitäten glaubte?

Und warum hatten sie und Trinity sich diesen Blick zugeworfen? Wussten sie etwa, wie sehr Gages plötzliches Auftauchen sie aus der Fassung gebracht hatte? Außerdem hatte Trinity sie nicht verteidigt, als Alex sie angegriffen hatte.

All das rührte an der Wunde, die Gage wieder aufgerissen hatte.

Cass räusperte sich und setzte erneut das coole Gesicht der Firmenchefin auf. Gefühle hatten hier im Konferenzraum keinen Platz. Trotzdem musste sie dem Ganzen jetzt Einhalt gebieten, wenn sie nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren wollte.

„Leute, ich habe das im Griff“, sagte sie daher ruhig. „Vertraut mir! Nichts ist jetzt wichtiger, als herauszufinden, wie diese Informationen durchsickern konnten.“

Trinity nickte. „Lasst uns uns am Freitag wieder treffen. Dann kannst du uns berichten, wie du weitergekommen bist.“

Cass sah zu, wie die Ladys aufstanden und eine nach der anderen den Konferenzraum verließ. Keine sagte ein Wort, aber das unausgesprochene Misstrauensvotum hing noch immer in der Luft.

Als der Raum leer war, legte Cass entnervt die Stirn auf den Tisch.

Sie brauchte einen Plan, so viel stand fest.

Gage hatte sie durcheinandergebracht, und er war auch der Grund dafür, warum sie das Meeting nicht im Griff gehabt hatte. Warum war er nur ausgerechnet heute aufgetaucht und hatte ihr die Maske vom Gesicht gerissen?

Sie richtete sich wieder auf. Es konnte ja auch gut sein, dass sein Erscheinen kein Zufall war. Vielleicht steckte er ja hinter dem Ganzen und hatte jemand in ihrem Unternehmen bestochen, ihm Informationen zu liefern.

Aber warum hätte er so etwas tun sollen? Er war ja selbst sehr erfolgreich und hatte zudem angeboten, einen stolzen Preis für die Formel zu zahlen. Ein Maulwurf bei Fyra hätte ihm also gar nichts genutzt.

Oder doch?

Nun, sie musste es herausfinden. Sie würde sich selbst nie vergeben, wenn sie dieser Sache nicht auf den Grund ging.

Und vielleicht hatte Gage ja sogar recht – es konnte wirklich sein, dass sie ihm etwas schuldete. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, diese Schuld zu begleichen.

Gage hatte sie damals benutzt, und möglicherweise sollte sie dasselbe jetzt mit ihm tun.

Was auch immer er für ein Spiel spielte, sie würde es aufdecken und konnte dabei möglicherweise gleichzeitig Rache nehmen.

Gage ging um seinen Hummer herum und schlug den Weg zum Eingang von Fyra Cosmetics ein. Vergnügt pfiff er vor sich hin, denn nach ihrem gestrigen ersten Treffen hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, wie er Cass zu einem zweiten Termin überreden könnte. Als sie dann von sich aus angerufen hatte, war er positiv überrascht gewesen.

Noch mehr hatte ihn jedoch verblüfft, dass sie das Meeting für neun Uhr morgens angesetzt hatte. Offensichtlich hatte er oberste Priorität an diesem Tag. Möglicherweise hatte sie ja schon über sein Angebot nachgedacht und war gewillt, ihm entgegenzukommen. Oder ihre Partnerinnen hatten sie davon überzeugt, dass es eine gute Idee war, die Formel zu verkaufen. So oder so schien das Schicksal sich zu seinen Gunsten gewendet zu haben.

Gage war fest entschlossen, nicht eher wieder nach Austin zurückzufahren, bis er sein Ziel erreicht hatte. Arwen war über den Aufenthalt im Hotel zwar alles andere als glücklich gewesen, aber das konnte er im Moment nicht ändern. Er freute sich auf den Schlagabtausch mit Cass, denn bisher hatte er noch keine Frau getroffen, die ihm Paroli bieten konnte.

Als hätte er sie durch seine Gedanken herbeigerufen, erschien sie in diesem Moment im Empfangsbereich. Sie sah umwerfend aus in ihrem Businesskostüm mit dem engen Rock, diesmal in grellem Pink, und hatte sich das Haar zu einem Knoten gebunden, der von chinesischen Stäbchen zusammengehalten wurde. Am liebsten hätte er sie ihr sofort herausgezogen. Warum turnte ihn das nur so an?

Damals hatte sie eher bequeme Kleidung wie Hoodies und Yogahosen getragen. Auch das hatte ihm gefallen, aber der Businesslook war eine andere Klasse. Er brannte darauf, die neue Cass kennenzulernen.

„Guten Morgen, Mr. Branson“, begrüßte sie ihn frostig. „Hier entlang!“

Ihr kühler Ton und der Gebrauch seines Nachnamens brachten ihn zum Lächeln. Cass schien entschlossen zu sein, das Schwert mit ihm zu kreuzen. Großartig!

Dieses Mal zögerte er nicht an der Schwelle zu ihrem Büro, denn er wusste, dass er gute Karten hatte. Selbstbewusst betrat er den Raum, marschierte zielstrebig auf einen der lilafarbenen Sessel zu und ließ sich darin nieder. Das war zwar offensichtlich ihr Stuhl, denn er befand sich direkt hinter dem Schreibtisch, aber Gage spekulierte, dass dieser Affront reichen musste, um sie zum Eintreten zu bewegen.

So war es auch. Ohne zu zögern, ging sie hinter ihm her und ließ sich auf dem Schreibtisch nieder. Dabei rutschte ihr Rock ziemlich hoch, und Gage bekam bei diesem Anblick sofort einen trockenen Mund. Sie lächelte anzüglich, schlug die Beine übereinander und ließ die High Heels baumeln.

Das war also die Strafe dafür, dass er ihren Sessel gestohlen hatte. Nun, dann hatte sie wirklich keine Ahnung von geschäftlichen Gepflogenheiten.

„Schön, dass du es so früh einrichten konntest“, schnurrte sie, und ihr Ton verfehlte nicht seine Wirkung auf ihn.

„Danke, dass du mich eingeladen hast“, erwiderte er mit belegter Stimme und räusperte sich. Vielleicht wusste sie ja doch mehr über dieses Spiel, als er angenommen hatte. „Wo liegt der Haken?“

„Nirgendwo.“ Verführerisch beugte sie sich vor und gewährte ihm einen Blick auf ihren Ausschnitt, was ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

„Nenn mir deinen Preis, Cass“, sagte er rau. „Ich gehe davon aus, dass dir hundert Millionen nicht reichen?“

„Nicht ganz. Du musst mir zuerst helfen aufzudecken, wer die geheimen Informationen ausgeplaudert hat.“

Verblüfft sah er sie an. „Ich soll dir helfen? Willst du damit sagen, dass du den Spion noch nicht erwischt hast?“

Das war völlig inakzeptabel. Hatte sie denn gar nichts bei ihm gelernt? Gestern hatte er noch einen ganz anderen Eindruck von ihr gehabt, aber er hatte sich offensichtlich geirrt.

Doch Cass ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe einen Plan“, erwiderte sie gefasst. „Und der hängt mit dir zusammen. Solange wir den Maulwurf nicht gefunden haben, können wir keine Entscheidungen darüber treffen, ob und – falls ja – an wen wir die Formel verkaufen. Das wirst du doch gewiss verstehen.“

Natürlich tat er das. Aber wenn sie wollte, dass er ihr bei der Aufdeckung dieses Skandals behilflich war, würde er länger in Dallas bleiben müssen, als er vorgehabt hatte. Schließlich hatte er eine eigene Firma zu leiten. Außerdem müsste er Arwen irgendwie nach Hause bringen lassen, was sie ihm bestimmt nie verzeihen würde.

„Du hättest die undichte Stelle längst finden müssen“, sagte er streng.

„Ja, ich weiß.“

Weder ihre Stimme noch ihr Ausdruck veränderten sich bei diesem Satz. Doch Gage erkannte plötzlich, dass ihr dieses Gespräch nicht leichtfiel. Aber das wollte sie anscheinend nicht zugeben.

Verblüfft sah er sie an, und sein Herz schlug plötzlich schneller. Im Grunde war es ganz einfach – Cass bat ihn um Hilfe, wollte das aber nicht so direkt sagen.

„Arbeite mit mir zusammen, Gage. Wie in guten alten Zeiten.“

Wie in guten alten Zeiten? Als sie jedes seiner Worte wie ein Schwamm aufgesogen hatte? Wo er ihr Mentor und Held gewesen war? Durch ihre Bewunderung hatte er sich damals unbesiegbar gefühlt. Aber das war lange her, und sie waren inzwischen keine Kinder mehr.

Außerdem dachte er nicht eine Sekunde daran, Cass zu unterschätzen. Sie führte etwas im Schilde, dessen war er sich sicher. Aber was? Ihm war klar, dass er sie wollte. Wenn er ihr wirklich helfen konnte, würde ihm das vielleicht die Gelegenheit bieten, sie wieder ins Bett zu bekommen.

Erwartungsvoll sah sie ihn an, und er schluckte. Verdammt, sie hatte ihn am Haken. Das war wirklich ein meisterlicher Zug von ihr. Er konnte zu diesem Angebot nicht Nein sagen, und er wollte es auch gar nicht. Daher nickte er.

„Okay, wir haben einen Deal. Ich helfe dir. Aber nur bis Sonntag. Am Montag habe ich ein wichtiges Meeting, das ich nicht verschieben kann.“

Sie lächelte ihn an, doch ihr Lächeln verblasste, als er die Hand ausstreckte und sie auf den Schreibtisch legte. Nur wenige Zentimeter von ihrem Rocksaum entfernt. Es wäre ihm jetzt eigentlich ein Leichtes, ihr unter den Rock zu fassen und … seine Gedanken überschlugen sich, doch er beherrschte sich.

„Du musst allerdings auch etwas für mich tun“, sagte er und merkte dabei, dass ihm ihre Nähe zu Kopf stieg.

„Ich habe mit den anderen schon darüber gesprochen, dass du die Formel kaufen willst“, sagte sie und nickte. „Vorausgesetzt, wir finden den Maulwurf.“

„Wenn ich dir dabei helfe, hast du noch mehr Schulden bei mir. Das ist dir doch wohl klar, oder?“

„Was willst du von mir?“

Oh, wo soll ich da anfangen? „Nichts, was du nicht bewältigen könntest.“

Ein Funken glomm in ihren Augen auf und verriet ihm, dass sie sehr wohl wusste, was hier auf dem Spiel stand. Sie sahen sich einen langen Moment an, dann gab er sich einen Ruck.

„Du musst mich zum Dinner einladen.“

4. KAPITEL

Bei diesen Worten lachte Cass vergnügt und überrascht zugleich auf. „Was? Das ist alles? Du willst mit mir essen gehen? Ist das wirklich dein Ernst?“

Sie war auf alles gefasst gewesen, aber nicht darauf. Wie hatte sie nur glauben können, sie wäre im Vorteil, wenn sie sich auf dem Schreibtisch niederließ? Sie hatte all ihre weiblichen Waffen eingesetzt, aber Gage war als Gegner nun einmal nicht zu unterschätzen.

Karma, Baby.

Plötzlich war sie sich nicht mehr sicher, ob sie nicht doch auf sein Kaufangebot eingehen sollten. Wenn er ihr wirklich dabei helfen konnte, den Spion ausfindig zu machen, würde sie jedenfalls mit den anderen Mädels noch einmal darüber sprechen.

Vielleicht würde am Ende jede Seite davon profitieren.

Er legte sich die Hand aufs Herz und grinste. „Mein totaler Ernst.“

„Dinner? So wie ein Date?“

„Nein, nicht so wie ein Date. Das ist ein Date. Und du bezahlst.“

Ein richtiges Date? Das klang ja fast zu schön, um wahr zu sein. Es war eine wunderbare Vorstellung, mit Gage an einem schön gedeckten Tisch zu sitzen, ein oder zwei Gläser Wein zu trinken und sich angeregt zu unterhalten. Besonders wenn er sie dabei so anschaute wie jetzt.

Sie schüttelte den Gedanken ab. Unmöglich – sie konnte sich nicht auf ein Date mit Gage Branson einlassen. Die Idee war geradezu lächerlich. Hatte sie etwa schon wieder vergessen, wie er ihr damals das Herz gebrochen hatte?

„Was machst du, wenn ich für heute Abend schon Pläne habe?“

Die hatte sie allerdings. Sie hatte vor, bis in die Puppen zu arbeiten und spät am Abend in ihr Haus am White Rock Lake zurückzukehren. Dort würde sie eine Flasche Wein öffnen und eine Tiefkühlpizza essen. Aber konnte man das wirklich Pläne nennen?

„Sag sie ab“, befahl er ihr. „Den Maulwurf zu finden sollte für dich jetzt an erster Stelle stehen. Du solltest dich nur mit jemandem treffen, der das auch versteht und dem gegenüber du dich ohne Angst öffnen kannst.“

„Wie kommst du darauf, dass ich das überhaupt will?“, fragte sie stirnrunzelnd. Woher hatte er gewusst, dass sie sich rund um die Uhr Sorgen machte?

Sein leises Lachen irritierte Cass. Was fiel ihm ein, sie so zu bedrängen?

„Hast du vergessen, dass ich Gedanken lesen kann?“, gab er zurück. „Ich sehe doch, dass ihr ein Riesenproblem habt. Es muss schrecklich für euch sein, zu erfahren, dass ihr einen Maulwurf in der Firma habt. Hier geht es ja auch nicht nur um dich, sondern um viele Millionen Dollar und um das Wohl eurer Angestellten. Als Chefin bist du diejenige, die allen anderen das Gefühl vermitteln muss, dass du die Sache unter Kontrolle hast. Aber mir gegenüber brauchst du das nicht zu tun. Ich verstehe das.“

Mit offenem Mund sah Cass ihn an. Wie war es ihm gelungen, hinter ihre Fassade zu schauen? Langsam rutschte sie von der Schreibtischkante hinunter.

„Bitte, erspar mir deine Küchentischpsychologie, Gage“, sagte sie ruhig. „Du weißt nichts über mich. Nicht mehr.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Trotzdem habe ich recht.“

Eine Sekunde lang schloss sie die Augen. Vielleicht würde sie seinen Vorschlag mit dem Dinner ja doch annehmen müssen, ob es ihr nun gefiel oder nicht.

Wenn er tatsächlich für diese Industriespionage verantwortlich war, würde sie ihn in flagranti erwischen müssen. Nur so konnte sie ihre Partnerinnen davon überzeugen, dass sie wirklich die Zügel in der Hand hielt und in der Lage war, Fyra durch diese schwierigen Zeiten hindurchzubringen. Und Gage loszuwerden natürlich.

Und zwar für immer. Dann konnte sie endlich mit ihrem Leben voranschreiten und würde nicht mehr jeden Mann, den sie traf, an ihm messen müssen. Hatte sie das nicht verdient?

„Mit mir auszugehen macht nicht so viel Spaß, wie du vielleicht glaubst“, sagte sie. „Außerhalb dieser Mauern führe ich ein ziemlich langweiliges Leben. Wenn ich mich auf dieses Dinner einlasse, dann nur, um mit dir über die undichte Stelle zu sprechen. Rein geschäftlich.“

Ob er ihr das abnehmen würde? Sie wusste ja selbst nur zu gut, wie viel mehr auf dem Spiel stand.

„Ach ja?“, fragte er spöttisch. „Willst du das wirklich, Cass? Tut mir leid, aber in meinen Ohren klingt das so, als würdest du dringend einen Freund brauchen.“

Damit hatte sie nicht gerechnet. Noch vor einer Woche hätte sie sofort erwidert, dass Trinity ihre beste Freundin sei. Sie kannten sich jetzt seit fast fünfzehn Jahren. Es tat ihr zwar immer noch weh, dass Trinity auf dem Meeting nicht Partei für sie ergriffen hatte, aber am meisten hatte Cass ihr Schweigen geschmerzt.

Und Alex war ihr geradezu in den Rücken gefallen.

Sie hatte damals vier Monate gebraucht, um ihre Freundin dazu zu bewegen, als Finanzchefin in die Firma einzusteigen. Deshalb war sie jetzt auch so erschüttert über ihr mangelndes Vertrauen.

Vielleicht waren die Risse in Fyras Fundament in Wirklichkeit ja ihre persönlichen. Und der letzte Mensch, dem sie davon erzählen würde, war Gage Branson. Widerwillig musste sie jedoch zugeben, dass er anscheinend auch der Erste war, der ihre Schwäche entdeckt hatte.

Daher musste sie alles tun, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen.

„Man kann immer einen Freund mehr gebrauchen“, fuhr er in diesem Moment unbeirrt fort. „Weißt du was, ich habe mich anders entschieden. Lass mich dich zum Essen einladen, damit du dich mal ein bisschen entspannen kannst. Zieh dir was Nettes an, und wir lassen alles Formale außen vor.“

Das war wieder einmal typisch für ihn. Er wusste genau, wie er sie einwickeln konnte. Cass musste zugeben, dass die Vorstellung ziemlich verlockend war. Bis auf die Tatsache, dass er ein Teil dieses Plans war. „Wieso glaubst du zu wissen, was ich brauche?“

„Weil ich dich kenne. So sehr kannst du dich in all den Jahren gar nicht verändert haben. Das hoffe ich jedenfalls.“

Geschmeidig stand er auf, und noch bevor sie wusste, wie ihr geschah, hielt er schon ihre Hand in seiner. Es war eine überraschend weiche Hand für einen Mann, der viel Zeit mit Sport im Freien verbrachte. Das lag wahrscheinlich an der Qualität der Kosmetikprodukte von GB Skin.

Cass starrte ihn an, betrachtete lange sein energisches Kinn, die wunderschönen haselnussbraunen Augen und sein Haar, das schon immer ein bisschen zu lang gewesen war. Dabei zog sich etwas in ihrer Brust zusammen.

Als er damals mit ihr Schluss gemacht hatte, war sie deshalb so am Boden zerstört gewesen, weil sie ihm ihre Seele geschenkt hatte.

Und es war kein Zufall gewesen. Sie hatte sich wissentlich in Gage verliebt. Durch ihn hatte sie sich komplett gefühlt, denn er verstand sie, glaubte an sie. Brachte ihr Dinge bei, förderte und beeinflusste sie.

All dies ging ihr durch den Kopf, und ihr war ein wenig schwindelig, als sie erkannte, wie wichtig ihr die Beziehung zu ihm gewesen war.

„Bitte, sag Ja“, bat er sie und drückte ihre Hand. „Ich verspreche dir auch, nicht zu erwähnen, wie langweilig du bist.“

Gegen ihren Willen musste sie lachen und nickte schließlich. „Also gut. Aber wir teilen uns die Rechnung, okay?“

„Tut mir leid, dieser Punkt ist nicht verhandelbar. Ich bezahle, denn schließlich habe ich dich ja dazu genötigt.“

Cass lächelte. „Warte ab, bis ich einen unglaublich teuren Wein bestelle. Dann wirst du es bereuen.“

„Ich hole dich um acht Uhr ab.“ Er schien sich wirklich sehr darüber zu freuen, dass sie nachgegeben hatte. Der Grund dafür war Cass schleierhaft. Wahrscheinlich verfolgte er einen Plan, den sie nicht durchschaute.

Sie sah ihm nach, wie er den Raum verließ. Jetzt blieben ihr noch etwa zehn Stunden, in denen sie sich eine Strategie ausdenken musste, wie sie ihn einerseits auf Distanz halten und andererseits aushorchen konnte. Und dabei durfte er ihre eigenen Motive nicht erraten.

Vor allem aber zehn Stunden, in denen sie einen Plan ausarbeiten musste, wie sie Antworten aus ihm herauskitzelte, ohne sich erneut in ihn zu verlieben. Aber wenn sie sich nur auf seine charakterlichen Schwächen konzentrierte, dürfte das eigentlich kein Problem sein.

Kurz vor acht klopfte Gage an Cass’ Tür.

Es war ein schönes Haus. Ein bisschen zu modern für seinen Geschmack, zu viel Glas und Stahl, dafür aber mit einem wunderbaren Blick auf den nahe gelegenen See. Auch sein Haus in Austin befand sich in der Nähe eines Sees. Das hatten sie also schon mal gemeinsam.

Nach wenigen Sekunden öffnete Cass die Tür. Sie trug ein atemberaubendes Spitzenkleid, das all ihre Kurven zur Geltung brachte. Es war brombeerfarben und damit sehr viel interessanter als ein rotes. Gage sah sie mit offenem Mund an. Er hatte sie zwar gebeten, etwas Nettes anzuziehen, aber mit so etwas hatte er nicht gerechnet.

„Du bist ein bisschen früh“, sagte sie und zog amüsiert die Augenbrauen hoch. „Offensichtlich kannst du es gar nicht erwarten. Das gefällt mir.“

Ihm stieg das Blut ins Gesicht, dann verspürte er plötzlich ein vertrautes Ziehen in seinem Unterleib.

Eins stand fest – sie war keine Studentin mehr. Obwohl Gage das wusste, war er noch immer komplett davon überwältigt, wie sehr sie sich verändert hatte. Cassandra Claremont, die Vorstandsvorsitzende von Fyra Cosmetics, war wahrscheinlich die faszinierendste Frau auf dem Planeten. Vor allem aber stellte sie eine große Herausforderung dar, weil sie sich offenbar einen Schutzpanzer zugelegt hatte.