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Eine Frau, die plötzlich verschwindet. Eine Frau, die an einer namenlosen Krankheit leidet. Eine Frau, die sich in sich selbst verirrt hat: In 'Liebeslauf', dem neuen Roman von Andreas Dalberg, führen die Begegnungen mit der Liebe den Protagonisten auf verschlungene, nicht-kartographierte Lebenswege. Erzählt wird eine außergewöhnliche Liebesbiographie, auf ebenso außergewöhnliche Weise. Denn Andreas Dalberg mischt in seinem Roman, in romantischer Tradition, die Gattungen und verwebt Prosa und Poesie zu einem vielschichtigen Textganzen, um die Verwicklungen, Sackgassen und Fluchtwege des Liebeslaufs zu verdeutlichen. Ein unkonventioneller und fesselnder Roman, bisweilen rätselhaft, wie die Liebe selbst.
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Seitenzahl: 174
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Inhaltsverzeichnis
Start
pro(mono)log
taubenschlag
luftsprung
flamingo
liebesläufe
sommertag
silvester
muckefuck
asphalt
gärtnerhilfskraft
epi(dia)log
Impressum
Andreas Dalberg
L I E B E S L A U F
Roman
discothekenlärm im hades ge
lächter auf dem styx komm jetzt
Du schließt die Augen – und siehst.
Menschen, unfassbar.
Wie Schnee lösen sie sich auf, wenn du die Hände ausstreckst und nach ihnen greifst.
Nichts bleibt.
Nur das Bild, das du dir von ihnen machst.
Nichts bleibt.
Außer das, was du siehst, in ihnen. Schemen,
die dich umgeben, die du wahrzunehmen suchst.
Musst dulden, dass sie undeutlich bleiben, musst
ihre Kälte ertragen, und sie deine.
Berühren kannst du nicht, geschweige denn festhalten.
Begegnungen verflüchtigen sich, bevor sie Beziehung werden,
Gestalt erhalten. Du
denkst an Schneeflocken auf der Hand.
Vielleicht liegt es ja an dir, dass nichts bleibt?
Vielleicht fehlt dir die passende Temperatur?
Indes, all deine Versuche,
dich neu zu temperieren −
vergeblich.
Diesen einen Körper berühren.
Lässt die Ahnung eigener Existenz Gewissheit werden.
Lässt den andern gewiss werden: ein Mensch. Ein
Atmen, Fühlen, Sprechen. Gewiss,
erst Berührung lässt aus Wahrnehmung Empfindung werden, Erlebnis, vielleicht sogar Erfahrung, Sicherheit: Du. Bist nicht allein.
Genau das vergisst du immer wieder. Nach jeder Zweisamkeit ist es, als hätte es sie nie gegeben. Und alles in dir
verlangt wieder danach, Substanz zu spüren,
das Feste im Weichen, das Weiche im Festen.
Ein Körper, eine Seele.
So selten.
Ein Sehnen, ein Suchen. So
lebendig, wer zulässt. So nichtend, wer verneint.
Wähnst dich zwischendrin.
Willst ins Offene, nicht mehr wegwärts. Ins Wagnis:
Berührt werden, verletzt werden. Du
erinnerst dich. Ziehst es vor, zu beobachten. Siehst an, was ist.
Manchmal, es geschieht von selbst, wandelt sich dein Schauen: Unbekanntes taucht auf, Hintergründiges drängt heran, womöglich, weil du loslässt, was nicht zeitgleich ist, so dass sich neue Gedanken konturieren, Sinne wandeln und nichts anderes mehr ist, in dir, als der Wunsch zu betrachten −
ein jeder Mensch wie geträumt.
Du schließt die Augen − und siehst.
Sie.
Betrachtest sie, achtest sie. Und selbst
in unverfänglichen Momenten wahrst du Distanz.
Daher weißt du nicht, wie lebendig ihre Haut sich anfühlt.
Weißt nicht, wie weich ihre Ohrläppchen sind.
Wie aufgeregt ihr Puls spränge, berührtest du sie am Hals,
an jener Stelle, an der es pocht.
All dies
weißt du nicht. Kannst es dir nur vorstellen. Weil
du es nicht riskierst, sie zu berühren, sie endlich zu berühren.
Aus Furcht, sie könnte sich auflösen.
Woher auch
solltest du wissen, ob ihr die gleiche Temperatur habt?
Betrachtest sie, achtest sie.
Indes,
wer sich nicht berührt, weiß nichts von der Seele des anderen.
Betrachtest sie, achtest sie.
Wer sich nicht berührt, existiert nicht einmal füreinander.
Und du,
du würdest ihr nur allzu gern klar machen, dass es dich gibt.
Wie es dich gibt.
Schon eine leichte Berührung, eine kurze, reichte aus.
Die Gefahr, danach füreinander unmöglich zu sein, müsstest du hinnehmen. Denn
auch wenn der Nebel um dich herum viel zu selten einen Menschen entbirgt, so gibt es doch etwas, das Glück, Schicksal oder Zufall heißt, also Gnade,
aus der heraus ein Freund erwachsen kann,
ein Vertrauter, Größeres vielleicht.
Sie vielleicht.
Hättest du überhaupt die Kraft, das zu ertragen?
Die Zeit, das zu erleben?
Zeit, erinnere dich, dass es sie gibt: Zeit,
in der du für niemanden existierst.
In der nichts wächst. Auch nicht
jene Gemeinsamkeit, in der man einander erst belebt, um dann unvermittelt fortzufallen, zeitflüchtig, raumbrüchig −
ein erneutes Schemenwerden, eine Nebelverlorenheit,
wie vertraut. Wie unerträglich
ist jene Zeit, bis ein Mensch endgültig ins eigene Leben
getreten ist, darin einen Platz gefunden hat, an dem er
bleiben mag,
bleiben darf,
bleiben kann.
Jeder Schritt: eine Erschütterung. Eine Liebquälerei,
sich nahezukommen. Vielleicht
ist genau dies der Grund, aus dem Menschen Angst haben
voreinander,
weshalb sie zurückstoßen, sich verstecken. Um
zu vermeiden, was jederzeit vernichten kann. Was aber auch,
allein und ausschließlich,
erhofftes Leben ist.
Begegnung. Nähe. Berührung.
Du schließt die Augen und siehst – Schneeflocken
auf der Hand.
Sollst du es tatsächlich wagen,
sie zu berühren?
augenpaare nachtumflort erblicken sich im
prisma unzählig gebroch ener gedanken irisieren
im wunsch ge genwärtig zu sein indem sie den
netzhauttäto wierungen folgend sich fremdkörpern
entlichten pupil lentief in den liebeslauf gleiten
sich lidsch nell davontragen lassen
Der Zug rollte noch in den Bahnhof ein, da drückte ich schon den Türgriff und sprang auf den Bahnsteig. Ich rutschte auf dem Rollsplitt aus, wäre fast gestürzt, und lief los. Durch die kleine Bahnhofshalle, an einem Herrn mit zwei Koffern vorbei, auf den Vorplatz, zu einem Taxi, dem einzigen, das wartete.
»Ich brauche einen Bergführer«, sagte ich.
Der Fahrer faltete seine Tageszeitung, verstaute sie in aller Ruhe auf dem Armaturenbrett und sah mich fragend an.
»Spielt keine Rolle, zu wem Sie mich bringen, er muss nur erfahren sein. Und flink.«
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