Der Schriftsteller - Andreas Dalberg - E-Book

Der Schriftsteller E-Book

Andreas Dalberg

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Beschreibung

Schriftsteller ist, wer im Schreiben ist. Das ist die zentrale These, die Andreas Dalberg in seinem philosophischen Essay Schritt für Schritt entfaltet. Damit durchbricht er die Verdinglichung des Schriftstellers, die das Schriftstellersein auf Buchpublikation, Öffentlichkeitswirksamkeit oder Erfolg reduziert und den Blick auf das eigentliche Schriftstellersein eher verstellt als freigibt. Denn Schriftstellersein bedeutet vielmehr: Im-Schreiben-Sein. In dieser Perspektive wird auch offenbar, dass es nicht nur literarische oder philosophische Schriftsteller gibt. Denn: Schriftsteller ist, wer im Haus des Seins das Schreibzimmer bezogen hat und ein schöpferisch-entdeckendes Gespräch mit der Sprache führt.

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Seitenzahl: 26

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Inhaltsverzeichnis

Start

Der Schriftsteller

Andreas Dalberg

 

 

DER SCHRIFTSTELLER

 

 

Essay

 

 

 

 

 

© 2015 Ross & Reiter-Verlag, Nürnberg.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt; alle Rechte sind vorbehalten, vor allem das Recht der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Übertragung und des öffentlichen Vortrags. Kein Teil des Werks darf, auch nicht in elektronischer Form, ohne Genehmigung verarbeitet, reproduziert oder vervielfältigt werden. Verleger: Andreas Dalberg, Kressenstraße 23, 90419 Nürnberg. isbn 978-3944283128. www.ross-und-reiter.net

»Sofern man, seiner heiligen Berufung gewiß, über die Lächerlichkeit, Schriftsteller zu sein, erhaben ist, gibt es überhaupt nichts Lächerliches mehr, und man kümmert sich nicht mehr darum.«

 

(Friedrich Schlegel, Fragmente)

Der Schriftsteller

Marcel Reich-Ranicki wurde einmal gefragt, ob er die Auffassung teile, dass Schopenhauer, obwohl nicht Schriftsteller, zu den besten Stilisten deutscher Sprache gehöre. Daraufhin antwortete er, Schopenhauer gehöre tatsächlich zu den besten Stilisten deutscher Sprache. Dass er jedoch kein Schriftsteller sei, das überrasche ihn. Der Literaturkritiker fragte, woher diese geradezu skurrile Ansicht komme?

Skurril war für Reich-Ranicki, unter einem Schriftsteller allein einen Autor stilistisch anspruchsvoller, literarischer Werke zu verstehen. Diese enge Perspektive – nur, wer Literat ist, ist Schriftsteller – weist Reich-Ranicki zu Recht zurück. Natürlich war Schopenhauer Schriftsteller; kein literarischer, aber ein philosophischer.

Was diese Anekdote verdeutlicht: Es ist ein Irrtum, allein den Autor literarischer Werke als Schriftsteller anzusehen. Es gibt, zweitens, nicht nur literarische, sondern auch philosophische Schriftsteller (und womöglich auch noch andere). Drittens: Die Begrifflichkeit Schriftsteller liegt im Dunkeln eines groben, unreflektierten Populärverständnisses. Es lohnt, auf dieses Populärverständnis einen Blick zu werfen, um sodann eine fundiertere Auffassung vom Sein des Schriftstellers zu erarbeiten.

Was veranlasst uns üblicherweise dazu, jemanden als Schriftsteller zu bezeichnen? Die Kriterien scheinen so selbstverständlich, dass wir sie oftmals nicht nur als mögliche, sondern alleinige Erkennungsmerkmale erachten: Erstens, ein Schriftsteller veröffentlicht Bücher (am besten literarische, wie obige Anekdote deutlich macht). Zweitens, ein Schriftsteller steht in der Öffentlichkeit. Drittens, so banal wie wirkmächtig: Schriftsteller ist, wer als Schriftsteller bezeichnet wird; sprechen andere von jemandem als Schriftsteller, sind wir geneigt, uns anzuschließen, selbst wenn wir nichts über diesen Schriftsteller wissen. Umkehrschluss: Wer diese Kriterien nicht erfüllt, ist kein Schriftsteller. Wer keine Bücher publiziert, wer nicht in der Öffentlichkeit steht oder von anderen als Schriftsteller bezeichnet wird, kann kein Schriftsteller sein. Soweit, in Skizze, die populäre Sichtweise auf den Schriftsteller.

Betrachten wir das erste Kriterium näher, es ist das zentrale, da am gebräuchlichsten: Schriftsteller ist, wer Bücher veröffentlicht hat. Der Schriftsteller weist sich also durch eine Buchpublikation als solcher aus. Das ist aus Perspektive des Nicht-Schriftstellers nachvollziehbar. Woran sonst, wenn nicht an äußerlichen Merkmalen, sollten Schriftsteller zu erkennen sein? Ein Schriftsteller wird für andere ja nur dann offenbar, wenn seine Schriftstellerei Ergebnisse zeitigt, zum sichtbaren Objekt beziehungsweise zur begreifbaren Objektivation wird, in Form von Buch, Rezension, Preisen, Verlagsheimat, Verkaufserfolg, Reputation. Was sollte bedenklich sein an so einem Schriftsteller-Ausweis?

Um sich der Schwierigkeit, die darin liegt, anzunähern, soll ein Blick darauf geworfen werden, was dieser Ausweis miteinander in Beziehung setzt. Einerseits menschliches Sein (Schriftsteller ist), andererseits materielle Gegenstände (wer Bücher veröffentlicht hat). Der Ausweis fordert also etwas Gegenständliches, publizierte Bücher, für die Anerkennung eines menschlichen Seins, des Schriftstellerseins. Das aber stellt eine Umdrehung ursprünglicher Verhältnisse dar. Es ist genau umgekehrt: Das Sein ist Voraussetzung für die Buchpublikation. Ein bestimmtes Sein (mit Sein ist hier immer menschliches Sein gemeint), eben das Schriftstellersein, ist nötig, damit sich überhaupt erst Ergebnisse, wie ein Buch, zeitigen können. Ein Buch kann immer nur Folge von Schriftstellersein sein. Es ist unmöglich, ein Buch zu veröffentlichen, ohne vorher schriftstellernd zu sein. Weil es aber durchaus möglich ist, schriftstellernd zu sein, ohne dass daraus eine Buchpublikation hervorgehen müsste, bedeutet dies: Der Schriftsteller kann ohne Buch, Rezension oder Erfolg, ohne jene Außenseite, jenes Draußen, das er für andere bisweilen hat, Schriftsteller sein. Was nicht geht: Ein Schriftstellerdraußen zu haben, die Vergegenständlichung als Schriftsteller, ohne gelebtes Schriftstellersein. Die Vergegenständlichung setzt also Schriftstellersein voraus – nicht umgekehrt.

Aufgrund dieses Unterschieds wird verständlicher, ...