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Im Jahre 1900 erschienen, 24 Jahre vor "Fräulein Else", gilt "Lieutnant Gustl" als erste konsequente Einführung des Inneren Monologsin die deutschsprachige Literatur. Nur einige wenige Dialogsätze durchbrechen den beständigen Flow von Gustl innerem Monolog. Da mischt sich Existenzielles mit gänzliche Nebensächlichem und Banalem und es bleibt dem Leser überlassen den Gedankenstrom für sich zu ordnen und zu interpretieren. Wie später in "Fräulein Else" widmet sich Arthur Schnitzler auch hier der Auseinandersetzung ds Individuums mit den Normen der ihn umgebenden Gesellschaft. Allerdings handelt es sich Beim "Lieutnant Gustl" nur am Rande um das großbürgerliche Millieu Wiens, im Vorderung stehen die strikten Regeln des Militärapparats und insbesondere der spezielle militärische Begriff von Ehre. Durch die Führung der Geschichte bezieht Schnitzler zuletzt aber trotz der offenen Form des inneren Monologs eindeutig Stellung. Neben dem kompletten Text ist ein Glossar und eine Kurzbiografie Schnitzlers enthalten.
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Seitenzahl: 72
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Wie lange wird denn das noch dauern? Ich muss auf die Uhr schauen ... schickt sich wahrscheinlich nicht in einem so ernsten Konzert. Aber wer sieht's denn? Wenn's einer sieht, so passt er gerade so wenig auf, wie ich, und vor dem brauch' ich mich nicht zu genieren ... Erst viertel auf zehn? ... Mir kommt vor, ich sitz' schon drei Stunden in dem Konzert. Ich bin's halt nicht gewohnt ... Was ist es denn eigentlich? Ich muss das Programm anschauen ... Ja, richtig: Oratorium!1 Ich hab' gemeint: Messe. Solche Sachen gehören doch nur in die Kirche! Die Kirche hat auch das Gute, dass man jeden Augenblick fortgehen kann. – Wenn ich wenigstens einen Ecksitz hätt'! – Also Geduld, Geduld! Auch Oratorien nehmen ein End'! Vielleicht ist es sehr schön, und ich bin nur nicht in der Laune. Woher sollt' mir auch die Laune kommen? Wenn ich denke, dass ich hergekommen bin, um mich zu zerstreuen ... Hätt' ich die Karte lieber dem Benedek geschenkt, dem machen solche Sachen Spaß; er spielt ja selber Violine. Aber da wär' der Kopetzky beleidigt gewesen. Es war ja sehr lieb von ihm, wenigstens gut gemeint. Ein braver Kerl, der Kopetzky! Der einzige, auf den man sich verlassen kann ... Seine Schwester singt ja mit unter denen da oben. Mindestens hundert Jungfrauen, alle schwarz gekleidet; wie soll ich sie da herausfinden? Weil sie mitsingt, hat er auch das Billett gehabt, der Kopetzky ... Warum ist er denn nicht selber gegangen? – Sie singen übrigens sehr schön. Es ist sehr erhebend – sicher! Bravo! Bravo! ... Ja, applaudieren wir mit. Der neben mir klatscht wie verrückt. Ob's ihm wirklich so gut gefällt? – Das Mädel drüben in der Loge ist sehr hübsch. Sieht sie mich an oder den Herrn dort mit dem blonden Vollbart? ... Ah, ein Solo! Wer ist das? Alt: Fräulein Walker, Sopran: Fräulein Michalek ... das ist wahrscheinlich Sopran ... Lang' war ich schon nicht in der Oper. In der Oper unterhalt' ich mich immer, auch wenn's langweilig ist. Übermorgen könnt' ich eigentlich wieder hineingeh'n, zur »Traviata«. Ja, übermorgen bin ich vielleicht schon eine tote Leiche! Ah, Unsinn, das glaub' ich selber nicht! Warten S' nur, Herr Doktor, Ihnen wird's vergeh'n, solche Bemerkungen zu machen! Das Nasenspitzel hau' ich Ihnen herunter ...
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