Lisa Martensen Weil ich lebe, solltest du sterben - Nora Mildt - E-Book

Lisa Martensen Weil ich lebe, solltest du sterben E-Book

Nora Mildt

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Beschreibung

Der Albtraum ihres Überfalls in Frankfurt war für Lisa Martensen aufgeklärt. Lisa begann mit der Aufarbeitung der Ereignisse mit Hilfe ihrer Therapeutin Inga Wolter in Kiel. In Klara, ihrer Freundin aus Kindertagen, hatte Lisa eine Frau gefunden, mit der sie eine Beziehung auf Augenhöhe eingehen konnte. Beide waren bereit, von vorn zu beginnen. Ihre Vertrautheit zueinander kam ihnen zugute. Sandra Maier, Lisas Chefin beim BKA in Wiesbaden, gab ihr zum Abschied mit auf den Weg: *Für Lisa werde immer ein Platz in ihrem Team frei sein, sollte sie es sich anders überlegen.* Für Lisa war erst einmal wichtig, das Erlebte zu verarbeiten, um einen Neuanfang zu wagen. Eine Rückkehr zum BKA stand für Lisa Martensen nicht zur Debatte. Doch dann...kam alles anders...

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Im Schatten des Zufalls

Marianne Loose – Job weg Na und?!?

Titel auch als E-Book erhältlich

Nora Mildt

Weil Ich lebe – solltest Du sterben?!

Lisa Martensens zweiter Fall

Kriminalroman

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Erste

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechszehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Epilog

Nachbemerkung der Autorin

Prolog

Der Albtraum ihres Überfalls in Frankfurt war für Lisa Martensen aufgeklärt. Lisa begann mit der Aufarbeitung der Ereignisse mit Hilfe Ihrer Therapeutin Inga Wolter in Kiel. In Klara, ihrer Freundin aus Kindertagen, hatte Lisa eine Frau gefunden, mit der sie eine Beziehung auf Augenhöhe eingehen konnte. Beide waren bereit von vorn zu beginnen. Ihre Vertrautheit zueinander kam ihnen zugute.

Sandra Maier, Lisas Chefin beim BKA in Wiesbaden, gab ihr zum Abschied mit auf den Weg: Für Lisa werde immer ein Platz in ihrem Team frei sein, sollte sie es sich anders überlegen.

Für Lisa war erst einmal wichtig, das Erlebte zu verarbeiten, um einen Neuanfang zu wagen. Eine Rückkehr nach Wiesbaden zum BKA stand für Lisa Martensen nicht zur

Debatte.

Doch dann…kam alles anders…

Erste

Lisa blickte fassungslos auf ihre im Koma liegende ehemalige Chefin Sandra Maier. Sollte sie sterben, würde Lisas Leben erneut vollkommen auf den Kopf gestellt.

In den letzten Julitagen stand für Klara und Lisa die Renovierung des Appartements in Klaras Pension an.

Hier wurde Tobias Hartmann, der letzte verbliebende Täter aus dem Überfall auf Lisa in Frankfurt, im Juli 2022, erschossen.

Sandra Maier erlitt bei diesem Einsatz eine Schussverletzung, die schnell auskuriert war.

Lisa riss mit Toms Hilfe den Teppichboden heraus. „So bekommt diese Bude jetzt auch endlich einen Laminatboden wie alle anderen.“ Zufrieden lugte Klara durch die offene Zimmertür. Lisa sprang auf, nahm sie liebevoll in ihre Arme und küsste sie zärtlich.

Tom blickte verstohlen über seine linke Schulter. Bei dem liebevollen Anblick der beiden Freundinnen wurde ihm warm ums Herz. Er lächelte still in sich hinein. Tom freute sich riesig. Beide wollten nochmal ganz von vorn anfangen. Er hielt dies für eine wundervolle Idee.

„Habt ihr Hunger? Soll ich uns etwas zu essen kochen?“, fragte Klara. Lisa blickte fragend auf Tom. „Also meinetwegen gern.

Was meinst du, Tom?“

Nach der Surfschule war er zur Pension gekommen, um die beiden tatkräftig zu unterstützen.

Tom, Surf- und Segellehrer der hiesigen Surfschule, hatte in Lisa eine ausgezeichnete Partnerin für die Sommersaison in seiner Schule gefunden. In beiden außerdem zwei wundervolle Freundinnen.

„Ich könnte auch etwas vertragen. Können wir etwas helfen?“, fragte er. „Ihr helft mir schon hiermit genug! Um etwas zu Futtern kümmere ich mich. Ich rufe euch dann, wenn ich fertig bin.“, antwortete sie, drehte sich auf dem Absatz um und lief die Treppe hinunter. Klara hatte sich ein Appartement, mit einer Dachterrasse über ihrer Garage, ausbauen lassen, so lebte sie nah bei der Pension. Über eine Außentreppe gelangte sie in ihre Wohnung. Sie werkelte in der Küche. Ein leichter Knoblauchgeruch waberte durch die offene Küche. Sie bereitete Spagetti mit grünem Pesto.

„Wie geht es dir Lisa?“, fragte Tom.

Erschrocken blickte sie auf. „Ich brauche noch etwas Zeit, um die letzten Wochen oder besser gesagt Monate zu verarbeiten.

Vermutlich kann ich nach und nach die Pflaster von meinen seelischen Wunden entfernen. Ich hätte früher, direkt nach dem Überfall im letzten Jahr, damit anfangen sollen. Aber so war ich nun mal. Ich dachte, ich könnte alles mit mir allein ausmachen.“, antwortete sie. „Mhm, gut, dass du dir Hilfe gesucht hast.“ Tom lächelte verschmitzt.

„Es ist schön, euch beide so vertraut zu sehen. Klara tut dir gut, hm?“ „Ooooh ja, sehr! Wir stehen wieder ganz am Anfang.

Ich hätte nie für möglich gehalten, mich mal so heftig in sie zu verlieben, geschweige denn, sie sich in mich. Es ist so surreal und doch so unglaublich schön.“

Klara und Lisa verband eine langjährige Freundschaft, die in Kindertagen ihren Anfang fand. Beide wuchsen auf der Ostseeinsel Fehmarn auf. Lisa verließ diese nach dem Abitur. Sie wollte der Enge entfliehen, während Klara auf der Insel blieb.

Nach der Hotelfachschule übernahm sie die elterliche Pension.

Infolge des Todes der geliebten Omi Elli, erbte Lisa eine kleine Kate direkt am Meer hinter dem Deich liegend. Klaras Pension, sowie ihr ehemaliges Elternhaus lagen in unmittelbarer Nähe. Beide sahen sich oft in Kindertagen oder später, wenn Lisa ihren Urlaub auf Fehmarn verbrachte.

Die kleine Kate war schon immer in Familienbesitz. Nach dem frühen Unfalltod ihrer Eltern bekam Lisa eine beträchtliche Erbschaft. Mit diesem Vermögen, sowie der mietfreien Kate konnte Lisa einen Neuanfang im Frühjahr wagen. Ihren Job beim BKA musste Lisa aufgeben. Lange Zeit musste sie hilflos auf die nicht vorankommenden Ermittlungen, des Überfalls auf sie in Frankfurt, blicken. Erst im Juli war es, durch Zufall, zum Durchbruch gekommen.

Die Täter gefasst. Lisa versuchte Schritt für Schritt in ihr Leben zurückzufinden. In Klara hatte sie vielleicht zum ersten Mal ihre wahre Liebe gefunden.

„Und doch habe ich manchmal Angst, ich könnte Klara verletzen und wir bekommen vielleicht nicht die Zeit, die ich brauche.“

Nachdenklich blickte Lisa aus dem Fenster.

„Essen ist fertig. Ihr könnt bitte rüberkommen.“, rief Klara auf der Treppe stehend.

Froh um die Ablenkung drückte sich Lisa von der Fensterbank ab. Gemeinsam liefen sie hinunter. Wenig später nahmen sie am Tisch auf der Dachterrasse Platz.

„Mmmm, riecht das lecker.“, sagte Tom mit geschlossenen Augen über seinen Teller lehnend. „Sag ich doch. Manchmal kochen wir auch selbst.“, zwinkerte Klara. Er war bekannt für seine Vorliebe, bei Lina in dem kleinen Hafen in der Burgerbude zu speisen.

Nicht nur wegen der unglaublichen Burger.

„Wenn ihr wollt, können wir das Zimmer morgen fertig machen. Ich bin bis um drei in der Surfschule verplant.“ Tom putzte sich mit der Serviette den Mund ab. „Echt jetzt?

Das wäre großartig. Ich bin so froh, dass ihr mir helfen könnt. Dann könnte ich das Zimmer im August vielleicht schon wieder vermieten.“, freute sie sich sichtlich über Toms Angebot. An Lisa gewandt sagte sie nachdenklich. „Zum Glück scheint es sich nicht herumgesprochen zu haben, welche dramatischen Szenen sich hier abspielten.“ „Kaum zu glauben, aber wie es aussieht, waren alle um uns herum ausgeflogen.“, überlegte Lisa.

„Da merkt man mal wieder, wie abgelegen wir hier leben dürfen. Cheers, Mädels.“ „Das half mir auch, schnell nach vorn zu schauen.“, sinnierte Klara.

Nach dem Schusswechsel in Klaras Pension und dem nachfolgenden Rettungseinsatz, schien sich niemand für den Vorfall zu interessieren. Sandra und Kollegen des LKA

Hamburg hatten wenig Aufsehens gemacht.

Auch die Sanitäter der Insel hatten sich zurückgehalten, um Klaras Pension vor negativen Schlagzeilen zu schützen.

„Darauf stoßen wir gerne an, Tom.“ Sie prosteten sich zu.

Nach dem gemeinsamen Essen zogen Tom und Lisa sich in die Pension zurück, wo sie die restlichen Stücke des Teppichs zerkleinerten. Er brachte sie später zum Recyclinghof.

In einem Baumarkt hatte Klara mit Tom Anfang der Woche Laminat gekauft. Sie hatte sich für einen maritimen Look, mit sanft blau-grauen Maserungen. entschieden.

Das Zimmer, welches sie gerade renovierten, war das Letzte, das sich noch in dem ursprünglichen Zustand befand, so wie Klara die Pension von ihren Eltern übernommen hatte. Nach und nach hatte sie die Zimmer liebevoll renovieren lassen und nach ihren eigenen Wünschen eingerichtet.

Ihre Eltern zogen sich seinerzeit zurück und genossen mittlerweile ihr Rentnerleben in ihrem Haus nahe Lübeck. Nur selten waren sie zu Gast auf Fehmarn. Die Bäder hatte Klara außerhalb der Saison renovieren und auf den neuesten Stand, mit bodentiefen Duschen und modernen großen dunklen Fliesen, gebracht. Das größte Appartement war mit einer freistehenden weißen Badewanne ausgestattet.

Die Wände in den Zimmern erstrahlten in unterschiedlichen blau, rosa, grün, mint oder gelben Pastelltönen. Ihre Möbel wählte sie in einem Fisherman, Vintage, Seaside Style aus Holz oder Rattan Elementen. Mit Accessoires wie bunten Kissen, Decken, Vasen und Kerzen schaffte sie sich ihren eigenen Surfer Style, von dem Tom fasziniert war.

„Okay, das sieht doch schon mal prima aus.

Morgen das Laminat rein und fertig.“, sagte Tom sichtlich zufrieden. „Meinst du, wir bekommen das morgen fertig?“ Lisa blickte sich fragend um. „Klar, dat geit schon. Ich bringe den ganzen Kram noch bei Torben rum. Wir sehen uns morgen um zehn bei der Schule?“ „Jo, machen wir. Bis morgen und Danke, Tom.“ Gemeinsam warfen sie die Teppichreste auf den Pick-up.

Klara blickte von der Dachterrasse.

„Feierabend für heute?“ Lisa lächelte zu ihr hoch. „Tom fährt noch bei Torben rum und kommt morgen wieder. Magst du noch mit zum Schwimmen kommen?“ „Super Idee!

Treffen wir uns gleich unten am Strand?!“

Lisa fuhr mit ihrem schwarzen Mountainbike über den Deich nach Hause. Klaras Pension und ihre Kate trennten nur wenige Radminuten.

Nachdem Sandra Lisas Kate wieder verlassen hatte und zurück nach Wiesbaden fuhr, war Lisa zwei Nächte bei sich zuhause geblieben. In der ersten Nacht lag sie lange wach. Sie hatte Mühe ihre Gedanken zu ordnen. Immer wieder quälten sie schwere Flashbacks. Vor ihren Augen erschienen Bilder, in denen Klara sie panisch anschrie, nachdem Lisa blutverschmiert vor ihr stand. Durch Sandras Streifschuss hatte sich Lisa ihr Shirt, beim Herunterbeugen zu ihrer Chefin, mit Blutflecken beschmiert.

Lisa fühlte sich so unendlich wohl und geborgen in Klaras Nähe. Doch diese Angst, Klara zu verletzen, war oft präsent. In einer der ersten Sitzungen wollte sie mit ihrer Therapeutin über ihre Verlustängste sprechen. In der zweiten Nacht fand Lisa sehr schnell in den Schlaf. Die unruhige Nacht zuvor zollte ihren Tribut.

Sie zog sich frische Klamotten über, griff nach ihrer Schwimmtasche, nahm ihr Rad und fuhr auf direktem Weg zur Surfschule.

Klara erschien, kurz nachdem Lisa ihr Rad abgestellt hatte. Sie nahm ihr die rot weiß karierte Picknickdecke ab. Gemeinsam schlenderten sie über den Strand zum Wasser. Klara breitete die Decke aus. Lisa beobachtete sie und blickte ernster, als sie wollte. „Ist etwas passiert?“, fragte Klara überrascht. „Neee, wieso fragst du?“ „Du schaust so ernst.“ „Tschuldige, ist nicht beabsichtigt. Ich muss dich nur immer wieder ansehen, um zu kapieren, dass das Leben gerade mit uns passiert.“

„Komm, lass uns schwimmen gehen.“ Klara griff ihre linke Hand und zog sie hinter sich her. Ein paar Kraulrunden und im Wasser tobend später, lagen beide nebeneinander auf dem Rücken. Verträumt blickten sie in den immer noch strahlendblauen Sommerhimmel. Zögernd suchte Klara nach Lisas Hand. „Worüber machst du dir am meisten Gedanken?“ „…, dass ich so…ich weiß nicht, wie es ausdrücken soll. Dass ich so schwierig bin und wir so einen komplizierten Start hatten. Das klingt doof. Mir fehlen gerade die richtigen Worte. Tut mir leid.“ „Vielleicht glaubst du aber auch nur, dass es schwierig ist. Wir kennen uns so lange und lernen uns doch gerade erst ganz neu kennen. Ich finde das spannend und das klingt jetzt auch doof…sehr aufregend.“, schmunzelte Klara.

Lisa stützte sich auf ihren linken Ellenbogen. Klara schob ihre Sonnenbrille in die kurzen stoppeligen blonden Haare. Mit ihren himmelblauen Augen lächelte sie. Sanft strich sie die langen blonden Haare zurück.

„Es fühlt sich schön an, dich neu kennenzulernen. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass du mehr für mich empfinden würdest als unsere Freundschaft.“ „Bin ich dir als Frau denn nie wirklich aufgefallen?“, fragte Klara. „Hm, ich hatte keinen Blick für dich.

Für mich warst du irgendwie unerreichbar!

Und ganz ehrlich, auch total hetero. Du hier! Ich in Frankfurt. Wie hätte da eine vertrauensvolle Basis funktionieren können?!“,

antwortete Lisa. „Ich fand dich schon immer faszinierend. Gerade in den letzten Monaten. Als du im Frühjahr nachts vor meiner Pension standest und ich wusste, dass du hoffentlich länger bleiben wirst, da kribbelte es schon bei mir. Aber, als wir angefangen haben, mehr Zeit miteinander zu verbringen, spürte ich, etwas in mir hat sich verändert. Und als ich dich mit dieser anderen Frau, mit Mareike, sah, da fühlte ich so einen tiefen Stich in mir…“, flüstere Klara.

Lisa beugte sich zu ihr hinunter. Liebevoll schmiegten sich ihre Lippen aufeinander.

Klara erwiderte ihren zärtlichen Kuss. Sie spürte ein leichtes wohliges Ziehen in ihrem Bauch. Lisa atmete schwer.

Sie löste sich aus Lisas Arm, legte sich auf den Bauch und stützte ihren Kopf in ihre Hände. Beide lächelten sich liebevoll zu.

„…, dass ich hoffentlich länger bleibe? Also lieber doch nicht für immer?“ Lisa zog eine Augenbraue hoch und blickte gespielt pikiert. „Blödi…unser kleiner heimeliger Ort ist nicht Frankfurt. Fehmarn ist nicht der Nabel der Welt.“ „Na hör mal, klar, zur Skandinavischen.“, echauffierte sich Lisa. Beide schauten sich in die Augen.

„Lass uns sehen was kommt. Ich kann dir nichts versprechen.“ Klara legte Lisa ihren Zeigefinger auf die Lippen. „Ich sag ja, ich bin kompliziert.“, verdrehte Lisa ihre Augen. „Und sehr liebenswert!“, antwortete Klara. Sie streichelte sanft über ihre Wange.

Für einen Moment schloss Lisa ihre Augen.

„Jetzt würde ich gern die Zeit anhalten.“

„Ja, das wäre schön. Wir werden sehen, was mit uns passiert.“

Am Abend verabschiedeten sie sich mit einem langen innigen Kuss vor der Pension.

Lisa fuhr zu sich nach Hause, stieg unter die Dusche. Sie genoss den warmen Wasserstrahl. Immer wieder sah sie Klara lächelnd vor sich. Lisa hatte sich, nach ihren Affären in Frankfurt, lange Zeit nicht vorstellen können, überhaupt eine dauerhafte Beziehung zu führen. Diese Sehnsucht, die sie in diesem Moment für Klara empfand, war ein völlig neues Gefühl. Sie seufzte tief.

Lisa griff nach ihrem dunkelgrauen flauschigen Duschtuch und hüllte sich hinein. Ihre kurzen Haare trockneten an der Luft.

Ihr Spiegelbild ertappte sie grinsend.

„Lisa Martensen du hast dich verliebt.

Verbock es nicht!“

Klara lief die Treppen zu ihrem Appartement hinauf, öffnete die Haustür, ließ ihre Tasche fallen. Einen Augenblick lehnte sie mit geschlossenen Augen an der Haustür.

Diese intensive Zeit mit Lisa fühlte sich so neu und wunderschön an. Sie spürte tief in sich hinein. Ein wohliges Kribbeln breitete sich aus. Unbewusst legte sie ihre Hand auf ihren Bauch. Sie fühlte, wie sehr sie sich in Lisa verliebt hatte. Klara stieß sich von der Haustür ab, schmiss ihre Klamotten in die Waschmaschine und stieg unter die Dusche.

Es war ein warmer Sommerabend. Sie legte sich mit einem Glas Wein auf ihr Loungesofa auf der Dachterrasse. Leise klassische Musik lief im Hintergrund. Über ihr nur der sternenklare Himmel.

Zwei

Montagmorgen, der letzte Tag im Juli. Lisa sprang gut gelaunt aus ihrem Bett.

Sie nahm ihre Joggingklamotten, schlüpfte in die Joggingschuhe und drehte eine Laufrunde über den nahen Strandweg. Ihre kleine Kate lag nur wenige Schritte hinter dem Deich, unmittelbar am Meer. Schon als Kind hatte sie die Lage geliebt. Obwohl sie auf der Insel lebte, waren die Wochen in den Ferien bei Elli wie Urlaub in einer anderen Welt. Lisa hatte eine wundervoll behütete Kindheit. Erst im Teenageralter, am Ende des letzten Schuljahres, war ihr die Insel zu eng geworden. Ihre Gefühle für ihre Klassenkameradin Kathrin konnte Lisa lange nicht einordnen. Sie musste hinaus in die Welt, um sich zu finden.

Im ersten Jahr jobbte sie in Hamburg, Berlin und München in diversen Bars. Hier, in dieser Umgebung, war es für Lisa leichter, sich zu entdecken. Sie spürte, sie fühlte sich zu Frauen hingezogen. Die ersten zaghaften Erfahrungen erlebte sie in Hamburg, ehe sie ein Studium der Kriminologie an der Polizeiakademie in Hessen beginnen konnte.

Jahre später hatte sie als verdeckte Ermittlerin gearbeitet. Dieser Lebensabschnitt lag jetzt hinter ihr. In der kleinen Kate am Strand konnte sie langsam in ein neues Leben finden.

Lisa erhöhte ihr Tempo auf dem festen Sandweg. Ausgepowert kehrte sie zurück, sprang kurz unter die Dusche und frühstückte in Ruhe, ehe sie zu Tom aufbrach.

Nach einem Surf Kurs im Juni, konnte sie ihn zum Beginn der neuen Saison in der Schule unterstützen. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Lisa von ihm kein Geld bekam, sondern stattdessen, auf sein Equipment, aus Surfboard, SUP, Katamaran oder Laser, zugreifen konnte. Dieses Angebot nutzte Lisa, sooft es ging.

Um Punkt zehn stellte Lisa ihr Rad am Radständer vor dem Container der Surfschule ab. Der Container diente Tom als Büro und Aufbewahrungsraum für seine Neoprenanzüge, Schwimmwesten, UV-Shirts, Neoprenschuhe und einem Tablet. Auf diesem führte Tom seinen Kalender für die Schule.

Hier trug er Unterricht, sowie Verleihtermine ein. Sein Kaffeevollautomat war sein kulinarisches highlight.

Tom hantierte bei einem der Kats am Wasser herum. Lisa lief hinunter und umarmte ihn zur Begrüßung. „Hej.“ „Moin, da bist du ja schon.“, sagte er überrascht. „Schon ist gut.

Es ist zehn Uhr.“ „Pünktlich wie immer.

Magst du gleich die SUP-Gruppe anleiten?

Ich habe zwei Segelschülerinnen.“ „Wie viele SUPs brauchen wir?“ „Sie wollen zu viert kommen.“ Lisa lief zurück, zog sich eine hellblaue Bade-shorts und ein weißes UV-Shirt über, ehe sie die SUPs zum Wasser trug. Zeitgleich trafen zwei Katschülerinnen und vier Frauen in Lisas Alter, Mitte dreißig, bei der Surfschule ein. Sie erledigte die Modalitäten, verschloss den Container und begab sich zum Wasser hinunter. Die Frauen signalisierten, sie wollten lediglich vier Boards leihen und benötigten keinen Unterricht. „Okay, alles klar. Dann viel Spaß.“

Sie kehrte zum Container, der unmittelbar hinter den Dünen stand, zurück. Lisa holte sich eine Schwimmweste und takelte einen Laser auf. Die unverhofft freie Zeit wollte sie zum Segeln nutzen. Lisa steuerte den Laser in Toms Richtung, um ihm den Plan der vier Frauen zu schildern. Dann fierte sie das Segel auf und segelte mit achterlichem Wind hinaus auf die leicht wellige kristallblau schimmernde Ostsee.

Als Kind hatte Lisa das Segeln von ihrem Vater in einem Optimisten gelernt. Später segelte sie in einem Verein Regatten und wechselte vom Opti auf eine Europe. Für ein eigenes Boot fehlte Lisa in den letzten Jahren die Zeit obendrein die Möglichkeit. Inzwischen war sie dankbar für das Angebot, Toms Boote zu nutzen.

Klara war genauso wassersportbegeistert.

Gemeinsam unternahmen sie nach Feierabend Surf oder SUP-Runden.

Lisa kreuzte zurück in Richtung Strand. Der Wind hatte etwas aufgelebt. Sie konnte sich begeistert in die Ausreitgurte hängen.

Für Klara startete der Montag wie jeden Morgen um fünf Uhr. In ihrer kleinen Pension, mit 6 Zimmern und einem Appartement, bereitete Klara den Frühstücksraum vor. In die Landbäckerei fuhr sie jeden Morgen um halb sieben mit ihrem grünen Gravel Bike, um frische Brötchen für ihre Gäste zu holen. Anfangs hatte sie auch ein Abendessen angeboten. Nach der zweiten Saison stellte sie dieses Angebot wieder ein. Zu ihren Gästen zählten in erster Linie Surfer, Kiter und Radfahrer. Klara stellte bald fest, den meisten ihrer Gäste war ein ausgiebiges Frühstück wichtiger als ein Abendessen. Für sie bot sich so die Gelegenheit, ihre Zeit ab mittags frei zu gestalten. Frühstück gab es von halb acht bis um zehn. Wobei sie immer flexibel war, falls mal jemand mehr Zeit benötigte. Für ihre Gäste war sie im Notfall immer über das Handy erreichbar. Sie kehrte kurz nach halb sieben von ihrer Bäckerrunde zurück. Die Brötchen füllte sie in zwei große Körbe, die jeweils an den beiden Stirnseiten des Frühstücksbüffets standen. Ihre Gäste gelangten so entspannt hinein. Butter, selbstgemachte Marmelade, verschiedene Sorten Käse, eine kleine Auswahl an Aufschnitt, Müsli aus Nüssen, Haferflocken, Haferkleie, Leinsamen und klein geschnittenem Obst, Joghurt und Quark, sowie frisch gemachte Eierspeisen rundeten die Frühstücksauswahl ab.

Am Anfang hatte Klara für alle Eventualitäten gerüstet sein wollen. Mittlerweile wussten ihre Gäste ein kleines, aber feines Büffet, sehr zu schätzen. Neben Kaffee, Tee, Milch, sowie Hafer- oder Mandelmilch, stillem und Sprudelwasser, nach Wahl mit frischem Ingwer oder Zitronenscheiben, O- und Grapefruitsaft, standen ihren Gästen auch Kaffeespezialitäten wie Cappuccino, Latte Macchiato oder ein Espresso zur Auswahl.

An diesem Montag war es kurz nach halb elf, als Klara mit dem Abräumen beginnen konnte. Nachdem sie ihre Geschirrspülmaschine ein- und den Staubsauger weggeräumt hatte, klarte sie ihre eigene Wohnung auf. Die Zeit, bis Tom und Lisa am Nachmittag kamen, nutzte Klara, um neue Anfragen zu beantworten, sowie den Buchungsplan zu aktualisieren. Bis Mitte September war ihre Pension ausgebucht.

Tom kehrte mit dem Kat an den Strand zurück. Er verabschiedete sich von seinen Schülerinnen und vereinbarte mit ihnen zwei weitere Termine für die kommenden Tage. Nach dem Kat Unterricht bereitete er sich für einen Kite Schüler vor. Suchend sah er sich nach Lisa um, entdeckte sie beim Aufrichten des Lasers etwas abseits des Strandes. Lisa hatte den Laser absichtlich kentern lassen, um etwas Abkühlung zu bekommen.

Sie segelte zurück an den Strand, als sie Tom sah. „Puuuuh ist das warm heute.“, stöhnte sie. „Das kannst du wohl laut sagen. Selbst im Shorty ist es kaum auszuhalten.“

„Kommt heute noch jemand?“ „Gleich ein Kite Schüler und in ner guten Stunde 6 Kids zum SUPen.“ „Prima, dann geh ich ne Runde schwimmen. Bis später.“

Lisa befreite sich aus ihrem UV-Shirt und der Badeshorts und lief in ihrem dunkelblauen Bikini ins kühle Wasser. Die Abkühlung fühlte sich gut auf ihrer Haut an. Sie durchpflügte das kühle Nass mit ein paar Kraulschlägen. In Rückenlage ließ sie sich treiben.

„Eigentlich ein geiles Leben…“, dachte Lisa.

Doch hin und wieder spürte sie eine innere Unruhe in sich. Richtig greifen konnte sie diese nicht. Sie hoffte, mit Hilfe ihrer Therapeutin, etwas Klarheit zu bekommen. Lisa fühlte sich nicht vollends aus der Bahn geworfen, doch ihre Gelassenheit und ihr starkes Selbstbewusstsein hatten nach dem Überfall grobe, zum Teil tiefe, Risse bekommen. Sie schwamm zurück an den Strand, trocknete sich ab und hüllte sich in ihren hellblauen Surfer Poncho aus Frottee. Kurz bevor die SUP-Schüler bei der Surfschule eintrafen, trug Lisa sich neue Sonnencreme auf. Sie wechselte in ein neues UV-Shirt und schlüpfte in ihre Badeshorts.

Mit lautem Gejohle rannten sechs Kids im Alter zwischen acht und zwölf Jahren an den Strand.

„Hej, da seid ihr ja. Wollt ihr euch erstmal im Wasser abkühlen?“, rief Lisa ihnen entgegen. Sie stürmten sofort freudestrahlend weiter zum Wasser. Die Klamotten flogen in den Sand. Das Wasser spritze hörbar auf, als sie sich hineinfallen ließen. Zwei Mütter halfen Lisa mit den restlichen Boards. „Hej, ich