Lobo - Der Einzelgänger 12: Das Geheimnis der Broken Bow - Will Thompson - E-Book

Lobo - Der Einzelgänger 12: Das Geheimnis der Broken Bow E-Book

Will Thompson

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Beschreibung

Lobo ist auf dem Weg nach San Antonio, um der Einladung eines alten Freundes Folge zu leisten. Doch er gerät in einen Hinterhalt. Eine Bande Krimineller und ein mörderisches Geheimnis überrollen den Einzelgänger.

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Seitenzahl: 234

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In dieser Reihe bisher erschienen

4201 Dietmar Kuegler Ausgestoßen4202 Alfred Wallon Caleb Murphys Gesetz4203 Dietmar Kuegler Todesfährte4204 Alfred Wallon Victorios Krieg4205 Alex Mann Schwarze Pferde4206 Dietmar Kuegler Der Galgenbruder4207 Alfred Wallon Ein Strick für Johnny Concho4208 Alfred Wallon Jagd auf Black Horse4209 Alfred Wallon Terror im Johnson County4210 Dietmar Kuegler Trail des Todes4211 Alfred Wallon Kampf um Adobe Walls4212 Will Thompson Das Geheimnis der Broken Bow4213 Lee Roy Jordan Die Nacht des Bastards

Das Geheimnis der Broken Bow

Lobo - Der Einzelgänger

Buch 12

Will Thompson

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

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Copyright © 2024 BLITZ-Verlag  

Hurster Straße 2a,  51570 Windeck

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-7579-6242-5

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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Anmerkungen

Über den Autor

KapitelEins

Der weizenblonde Mann mit dem sorgfältig gestutzten Schnurrbart saß schon seit dem Morgengrauen hinter einem umgestürzten Baum am Rand der Überlandstraße, die von dem kleinen Städtchen Barksdale aus schnurgerade durch das hügelige Land nach Westen führte.

Immer wieder hob er den Kopf, spitzte die Ohren und lauschte. Er war zwar kaum mehr als mittelgroß, dennoch fast 200 Pfund schwer und so breit wie ein Schrank. Sein kantiges Gesicht war ausdruckslos und ohne jede Regung, aber in seinen wasserhellen Augen blitzte ständig eine nervöse Wachsamkeit auf, die man eher in den Augen eines wilden Tieres auf Beutejagd vermutete, nicht aber in denen eines Menschen.

Er hatte sich hier postiert, als der Frühnebel noch wie nasse Watte zwischen dem Buschwerk hing, das zu beiden Seiten des Weges wucherte. Inzwischen waren aber Stunden vergangen, die Sonne stand jetzt einer weißgelben Scheibe gleich fast senkrecht am stahlblauen Texashimmel, und die Hitze lag drückend auf dem Land. Aber das war dem Mann egal, denn wenn es sein musste, konnte er noch den ganzen Tag hinter dem Baumstamm ausharren. Geduld war schließlich seine Stärke.

Doch so lange musste er nicht warten, er wusste es, er hatte sich schließlich genau erkundigt, bevor er hierher geritten war.

Als er dumpfen Hufschlag und das Rattern von Rädern vernahm, lächelte er zufrieden und richtete sich auf. Kurz darauf tauchte in der Ferne ein zweirädriger Columbus-Buggy auf. Nach einem erneuten Blick auf den herankommenden Einspänner griff der Mann nach der schweren Shiloh Sharps mit dem Fallblockverschluss, die neben ihm auf dem Boden lag, und lehnte das weitreichende Gewehr behutsam an den Baumstrunk. Eine Geste, die entgegen seinen anderen Bewegungen etwas unbeholfen wirkte, was vielleicht auch daran lag, dass ihm an der rechten Hand der Ringfinger fehlte. Nachdem er sich deshalb noch einmal vergewissert hatte, dass die Waffe nicht umfallen konnte, bückte er sich erneut, zupfte ein Büschel Präriegras aus, das hier überall aus dem Boden spross, und warf es in die Luft. Aufmerksam beobachtete er, wie es vom Wind davongetragen wurde. Als er sah, wo und wie das Gras zu Boden fiel, nickte er zufrieden. Dann nahm er den Hinterlader hoch, kniete sich hin und legte den über dreißig Inch langen Lauf auf dem Baumstamm ab. Ohne das geringste Anzeichen von Nervosität visierte er den Kutscher des Einspänners in aller Ruhe an und brachte Kimme und Korn in Übereinstimmung.

Mit dem dunklen Anzug und dem schwarzen, mit glänzendem Biberfell überzogenen Zylinder war die Gestalt auf dem Kutschbock in der ockerfarbenen Prärielandschaft deutlich auszumachen, obwohl sich das Fuhrwerk noch beinahe 300 Yards von ihm entfernt befand. Sein Herzschlag beschleunigte sich nur leicht, als er mit einem kaum vernehmbaren Klacken den Abzug spannte. Dann atmete er noch einmal tief durch, hielt kurz die Luft an und krümmte den Finger.

Die Sharps krachte dumpf und er spürte den harten Rückstoß an der Schulter.

Er hatte noch das Geräusch der Schussdetonation im Ohr, das ungehört auf dem offenen Land verhallte, als die Kugel vom Kaliber 50-90 auch schon den Schädel des Kutschers wie eine überreife Melone zerplatzen ließ. Der Mann wurde durch die Wucht des großkalibrigen Projektils gegen die Rückwand des überdachten Kutschbocks geworfen. Das Gespannpferd tänzelte mit einem schrillen Wiehern nervös zur Seite, indessen der Tote langsam von seiner Sitzbank rutschte und schließlich aus dem Buggy fiel.

Der Weizenblonde wartete, bis er am Boden lag, und richtete sich erst danach allmählich auf. Dabei ließ er seine Blicke aufmerksam umherschweifen, doch außer einer Schuppenwachtel, die durch den Schuss aufgeschreckt mit einem ärgerlichen tschilpen davonflatterte, war nichts zu sehen. Mit einem zufriedenen Brummen lehnte er die unhandliche Sharps wieder an den Baumstrunk und ging danach mit weit ausgreifenden Schritten auf den Toten zu. Einen Moment lang verharrte er fast reglos vor dem Mann und betrachtete ihn mit einem abfälligen Grinsen. Dann schob er seine Stiefelspitze unter den Brustkorb der Leiche und drehte sie mit einer kraftvollen Bewegung auf den Rücken. Ohne auch nur den Ansatz einer Regung zu zeigen, sank er auf die Knie und begann in den Taschen des Toten zu wühlen.

Doch je länger er sie durchsuchte, ohne auf das zu stoßen, was er augenscheinlich darin zu finden gedachte, desto nervöser wurde er, bis er irgendwann mit einem lästerlichen Fluch innehielt.

Mit einem Blick, in dem sich Wut und Enttäuschung gleichermaßen widerspiegelten, musterte er den Toten, bis er einer scheinbar plötzlichen Eingebung folgend den Kopf drehte und auf den zweirädrigen Buggy starrte.

Unvermittelt huschte der Anflug eines Lächelns über sein kantiges Gesicht. Mit einem Satz kam der weizenblonde Mann wieder auf die Beine und ging langsam auf das Gespannpferd zu, das inzwischen samt der einspännigen Kutsche kaum einen Steinwurf weit von ihm entfernt mit hängendem Kopf stehen geblieben war. Vorsichtig setzte er einen Schritt vor den anderen, während er sich dem hochbeinigen Wallach so geräuschlos wie möglich näherte.

„Ruhig, Brauner, ganz ruhig“, flüsterte er dem Pferd zu, das durch die Schussdetonation verschreckt immer wieder aufgeregt wieherte. Seine beruhigenden Worte zeigten offensichtlich Wirkung, denn das nervöse Wiehern des Tieres ging relativ schnell in ein gelegentliches Schnauben über und der Wallach hörte auch damit auf, herumzutänzeln. Stattdessen hob das Pferd den Kopf, sah ihn an und spitzte die Ohren. Kaum war der Mann so nahe herangekommen, dass er die Zügel ohne sonderliche Mühe greifen konnte, packte er blitzschnell zu und schlang sie um den Stamm von einem der umstehenden Büsche. Er verknotete die Lederriemen so fest, dass es für das Pferd unmöglich war, sich aus eigener Kraft zu befreien, und warf dann einen Blick in das Innere des Gefährts.

Die schwarze Ledertasche auf dem Boden des Kutschbocks war nicht zu übersehen. Hastig öffnete der Mann den Messingverschluss der Tasche und zog die darin befindlichen Dokumente heraus. Der Anflug eines Lächelns flackerte über sein kantiges Gesicht, kaum dass er die Papiere überflogen hatte. Ein triumphierendes Gefühl breitete sich in ihm aus, während er die Schriftstücke zusammenfaltete und sie sich in die Hosentasche stopfte.

Jetzt musste er nur noch den Toten mitsamt dem Fuhrwerk verschwinden lassen. Aber das war kein Problem, der Pecos River war nicht nur tief, sondern auch nicht weit entfernt. Danach wollte er sich um die anderen kümmern. Er war sich sicher, dass ihn nun niemand mehr davon abhalten konnte, sich das zu nehmen, was eigentlich nur ihm zustand.

* * *

Die Sonne stand im Zenit, als Lobo seinen Morgan-Hengst abrupt im Schatten eines schroffen Kalksteinfelsens zügelte und sich prüfend umblickte. Er war ein großer Mann mit breiten Schultern und schmalen Hüften. Sein von Falten zerfurchtes Gesicht wurde von einer Flut blauschwarzer Haare umrahmt, die sich selbst von der breiten Krempe seines hochkronigen Hutes nicht bändigen ließen und ihm immer wieder bis tief in die Stirn fielen. Der dunkle Bronzeton seiner Haut war nicht alleine dem Bergwind und der heißen Texassonne geschuldet. Lobo Gates war ein Halbblut.

Seine Mutter war eine Apachin, eine wunderschöne, sanftmütige Frau, die wie sein Vater leider viel zu früh sterben musste.

Ermordet von weißen Verbrechern, als er noch ein kleiner Junge war.

Das verhaltene Schnauben seines Pferdes riss Lobo jäh aus seinen trüben Gedanken. Erneut wandte er sich im Sattel um und ließ seine Blicke schweifen. Irgendwie hatte er das Gefühl, das er hier oben nicht alleine auf dem Plateau war. Aber er musste sich wohl getäuscht haben, denn er konnte nirgends etwas Ungewöhnliches hören oder sehen, so genau er seine Umgebung auch musterte. Schließlich zuckte er mit den Schultern und blickte sich noch einmal um, um dann den Hut abzunehmen und sich mit dem Hemdärmel den Schweiß von der Stirn zu wischen.

Es war heiß, hier oben auf dem Edwards-Plateau, beinahe unerträglich heiß. Der Wind, der von Süden kam, wirbelte Sandfontänen auf und trieb sie quer über die Hochebene. Die Luft schmeckte nach Staub und die Sonne schleuderte ihre Hitze mit unbarmherziger Gewalt auf das Land. Lobo setzte den Hut wieder auf, leckte sich über die rissigen Lippen und beugte sich nach vorne, um nach der Wasserflasche zu greifen, die vor ihm am Sattelknauf hing.

In diesem Moment krachte ein Schuss.

Die Kugel kam scheinbar aus dem Nirgendwo und zischte kaum eine Handbreit über ihn hinweg. Lobo ließ sich blitzschnell aus dem Sattel fallen. Geschmeidig wie eine Katze rollte er sich zwei, drei Yards über den Boden, während sein Pferd unbeeindruckt weitertrabte, bis es schließlich einen Steinwurf von ihm entfernt vor einem Dornenbusch stehen blieb.

Lobo wusste, dass er sich nicht um sein Pferd kümmern musste, der sandfarbene Morgan-Hengst war auf den Mann dressiert und an solche Situationen gewöhnt. Er musste sich vielmehr um den unbekannten Schützen kümmern, und zwar schleunigst. Er lag hier wie auf dem Präsentierteller. Seine ganze Deckung bestand lediglich aus einer Handvoll Felsbrocken und einigen sonnenverbrannten, blattlosen Sträuchern. Bei der geringsten Bewegung würde er dem unbekannten Schützen seinen Platz verraten, und wenn dieser auch nur die leiseste Ahnung vom Umgang mit Waffen hatte, konnte er ihn hier abschießen wie einen Präriehasen. Und dass dieser heimtückische Hundesohn schießen konnte, wusste Lobo bereits im nächsten Augenblick, als ihn auch die zweite Kugel nur knapp verfehlte.

Seine Gedanken rasten, ihm war bewusst, dass er bis zum Hals in Schwierigkeiten steckte. Ohne Gewehr hatte er so gut wie keine Chance gegen den Unbekannten, dafür war die Reichweite seines Colts zu gering. Doch seine Winchester steckte im Scabbard, der am Sattel seines Pferdes hing, und das war für ihn im Moment so weit entfernt wie Texas vom Mond. Lobo setzte deshalb alles auf eine Karte. Er war sich zwar darüber im Klaren, dass der Trick, den er anwenden wollte, bestimmt schon genauso alt war wie das Edwards-Plateau, auf dem er lag, aber es war eine Chance, heil aus dieser Situation herauszukommen, vielleicht sogar seine einzige.

Als das Gewehr erneut krachte, riss er beide Arme kurz in die Höhe, stieß einen lauten Schrei aus und sackte, nicht ohne vorher seine Waffenhand mitsamt seinem 45er unter sich zu begraben, wieder zu Boden. Reglos blieb er liegen, während er inständig darauf hoffte, dass der Kerl auf seine Finte hereingefallen war.

Seine Hoffnungen schienen sich tatsächlich zu erfüllen, denn bereits nach kurzer Zeit kam Hufschlag auf, und den Geräuschen nach handelte es sich dabei eindeutig nicht um seinen Morgan. Für Lobo bestanden daher nicht die geringsten Zweifel, dass der Reiter, der sich ihm näherte, niemand anderes als dieser Scheißkerl sein konnte, der auf ihn geschossen hatte. Mit Sicherheit wiegte er sich in dem Glauben, ihn getroffen zu haben. Soll er, dachte Lobo wütend und presste sich noch tiefer in den sandigen Boden, während er versuchte, so schlaff und reglos, wie es ihm nur möglich war, dazuliegen, um auch aus der Nähe den Eindruck zu erwecken, er sei tot oder zumindest schwer verletzt.

In Wirklichkeit aber hielt er seinen 45er schussbereit in der Rechten und hatte die Augenlider so weit geöffnet, dass er genau beobachten konnte, was um ihn herum geschah.

Sein Plan schien aufzugehen, denn nach einer geraumen Weile verstummte der Hufschlag, stattdessen vernahm er plötzlich Schritte und das Knirschen von Stiefelsohlen im Sand. Der Unbekannte war also von seinem Pferd gestiegen und kam auf ihn zu.

Lobo wartete, bis er spüren konnte, dass er neben ihm stand. Als dann sein Schatten auf ihn fiel, weil er sich über ihn beugte, reagierte er mit der Wildheit eines Pumaweibchens, dem man die Jungen wegnehmen wollte. Mit einer einzigen, fließenden Bewegung wirbelte er herum und hämmerte der schattenhaften Gestalt den stählernen Sechskantlauf seines Army Colts gegen die Beine. Ein schriller Schrei ertönte, während der Unbekannte von der Wucht des Schlags von den Füßen gerissen wurde, sein Gewehr fallen ließ und rücklings zu Boden fiel. Lobo sprang blitzschnell auf und sah, wie der Kerl sich herumwarf und versuchte, mit den Händen nach seinem Gewehr zu greifen. Mit einem wütenden Knurren beugte er sich vor, packte den rechten Fuß des Unbekannten und drehte ihn mit einer wilden Bewegung wieder auf den Rücken.

„Schluss jetzt!“, bellte Lobo, während er einen Schritt zurücktrat und mit seinem Colt auf den Kopf des vermeintlichen Heckenschützen zielte. „Noch eine dumme Bewegung und ich jag dir eine Kugel in deinen Schädel! Ist das klar?“

Die Gestalt richtete sich auf, nahm beide Hände hoch und nickte dazu so heftig mit dem Kopf, dass Lobo einen Herzschlag lang Angst hatte, dass ihm dieser jeden Moment von den Schultern fallen würde. Seine Befürchtungen bestätigten sich zwar nicht, das Einzige, was zu Boden fiel, war lediglich der Hut des Unbekannten, dennoch blieb ihm vor lauter Überraschung sekundenlang fast die Luft weg. Im gleichen Augenblick, in dem die breitkrempige Kopfbedeckung des unbekannten Schützen wie ein herrenloses Wagenrad durch den Sand rollte, erkannte Lobo, dass da vor ihm kein heimtückischer Heckenschütze auf dem Boden saß, sondern ein junger Bengel, bei dem es sich der Kleidung nach vermutlich um irgendeinen Farmerburschen handelte, der wohl hier aus der Umgebung stammte.

Der Bursche war zwar groß und kräftig, was sicherlich mit an der schweren körperlichen Feldarbeit lag, aber dennoch jung, ziemlich jung sogar. Lobo schätzte ihn höchstens auf zwölf oder dreizehn, auf keinen Fall älter. Man musste schon ganz genau hinsehen, wenn man die ersten Anzeichen von Bartflaum auf seiner Oberlippe erkennen wollte. Einen Moment lang herrschte eine eigentümliche Stille zwischen ihnen beiden, dann ergriff Lobo das Wort.

„Bist du verrückt geworden?“, zischte er scharf, während er seinen Colt zurück in das Holster steckte. Er war so aufgebracht, dass er keine Rücksicht auf das Alter des Jungen nahm und es auch nicht wollte. Die Kugeln des halbwüchsigen Bengels wären genauso tödlich wie die eines Erwachsenen gewesen, und sie hatten ihn höchstens um eine Handbreit verfehlt. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, was wohl passiert wäre, wenn er sich nicht nach vorne gebeugt hätte, um die Wasserflasche vom Sattelknauf zu nehmen.

„Was fällt dir ein, auf mich zu schießen, noch dazu aus dem Hinterhalt?“

„Wieso nicht? Ihr elendes Banditenpack schießt doch auch nur aus dem Hinterhalt auf uns“, bellte der Junge trotzig zurück.

„Was redest du da für einen Unsinn? Ich bin kein Bandit, sondern ein friedliebender Mann, der auf dem Weg nach San Antonio ist, um einen alten Freund zu besuchen“, antwortete Lobo aufgebracht.

„Ha, ha“, lachte der Bengel schrill. „Das glauben Sie ja wohl selber nicht. Über Leute wie Sie hat mir mein Vater schon genug erzählt. Ein Halbblut ist kein ehrlicher Mensch, Sie brauchen mich also nicht anzulügen, ich weiß auch so, dass Sie zu diesen Banditen gehören.“

Lobo wollte sich schon eine scharfe Antwort zurechtlegen, aber dann schluckte er sie hinunter. Er wusste, was ein Halbblut hier in Texas wert war. Er hatte seine Hoffnungen mitsamt seinen Träumen schon lange begraben. So sehr er sich auch bemühte, für einen wie ihn gab es keine Zukunft in diesem Land, in dem ihn selbst die Kinder mit Verachtung straften. Deshalb verzichtete er auch darauf, den Jungen über die Herkunft oder Hautfarbe anderer Menschen zu belehren. Aber er nahm keinesfalls Abstand davon, ihm aufzuzeigen, dass seine unbedachte Handlung beinahe ein Menschenleben ausgelöscht hätte.

„Ach so, und deshalb nimmst du dir das Recht heraus, den nächstbesten Reiter, der dir begegnet, aus dem Sattel zu schießen, einfach so? Was ist, wenn ich wirklich nichts mit den Banditen zu tun habe, wenn du ohne zu überlegen womöglich einen Unschuldigen getötet hättest?“

„Aber ich ...“

„Nichts aber, was, wenn dieser Reiter womöglich dein Vater gewesen wäre? Hast du dir das auch schon einmal überlegt?“

Der Junge antwortete nicht, stattdessen bemerkte Lobo, wie er über seine Worte nachdachte und kurz darauf seine Schultern krampfartig zu zucken begannen. Die Lippen fingen an zu zittern, und er sah gerade noch, wie ihm ein paar Tränen über die Wangen rannen, als der Junge auch schon den Kopf senkte und auf den Boden starrte. Aus seiner Kehle kam ein tiefes Schluchzen. Lobo spürte deutlich, wie den Burschen allmählich jeglicher Mut verließ und er wieder zu dem wurde, was er in Wirklichkeit war, ein zwölfjähriger Junge, der sich mit einer Situation konfrontiert sah, der er in seinem Alter nicht gewachsen war.

„Werden ... werden Sie mich jetzt erschießen?“, fragte der Junge schließlich tonlos.

„Was redest du da für einen Unsinn?“, erwiderte Lobo unwirsch. „Los, steig auf dein Pferd, ich bring dich zu deinen Eltern.“

Ruckartig nahm der Junge den Kopf hoch.

„Nein! Das werde ich nicht“, erwiderte er trotzig. „Darauf können Sie lange warten. Ich bin doch nicht verrückt und bring sie zu uns nach Hause, damit Sie dort meine Leute erschießen können.“

„Jetzt habe ich aber genug“, schnappte Lobo, dem langsam der Geduldsfaden riss. „Steig jetzt auf dein Pferd, damit wir endlich losreiten können. Ich habe keine Lust, hier Wurzeln zu schlagen.“

„Nein, ich werde nicht mit Ihnen reiten, und dazu zwingen können Sie mich auch nicht.“

„Jetzt pass mal auf, mein Freund!“, sagte Lobo und erhob drohend den Zeigefinger seiner Rechten. „Ich finde deine Eltern auch alleine, und wenn du nicht freiwillig mitkommst, versohle ich dir erst den Hintern, dann leg ich dich quer über den Sattel und dann binde ich dich auf deinem Pferd fest. Ich bin gespannt, was dir dein Pa erzählen wird, wenn ich dich so nach Hause bringe. Das wird bestimmt lustig, allerdings wohl kaum für dich.“

Erschrocken blickte ihn der Junge aus großen Augen an. Lobo konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn zu arbeiten begann. Anscheinend hatte er vor der Standpauke seines Vaters mehr Angst als vor der Tracht Prügel, die er ihm androhte.

„Also was ist, kommst du freiwillig mit oder ...“

„Ja, okay“, kam die Antwort postwendend, wenn auch trotzig. „Ich komme mit. Aber nicht freiwillig, ich mach das nur, weil Sie stärker sind als ich.“

Lobo sagte nichts dazu, stattdessen hob er das Gewehr des Jungen vom Boden auf und wartete, bis sich dieser aufgerappelt und wieder auf den Rücken seines Pferdes geschwungen hatte. Dann ging er mit der Waffe in der Hand auf ihn zu. Die Augen des Halbwüchsigen wurden so groß wie Wagenräder, als er zusah, wie dieser vermeintliche Bandit ihm seine Winchester wieder zurück in den Sattelscabbard schob.

„Ich denke, wir klären die Sache, wie es unter Männern üblich ist, während wir weiterreiten. Deshalb gebe ich dir dein Gewehr zurück, schließlich kannst du ja nicht ohne Schießeisen zurück zu deinen Leuten kommen. Das würde doch nicht gut aussehen, oder?“

Als Lobo sah, wie sich die Überraschung im Gesicht des Jungen in Dankbarkeit umwandelte, wusste er, dass er richtig gehandelt hatte. Er nahm sich zwar vor, ihn und vor allen Dingen das Gewehr weiter im Auge zu behalten, aber insgeheim war er sich inzwischen sicher, dass von dem Jungen keine Gefahr mehr ausging.

* * *

„Ist es noch weit bis zu eurer Farm?“, fragte Lobo, nachdem sie inzwischen fast zwei Meilen zurückgelegt hatten. Der Junge hob den Kopf und musterte Lobo mit empörten Blicken.

„Farm? Mein Vater ist doch kein Krautbauer, die Broken Bow ist eine Ranch!“

Das Halbblut lächelte schmal. Der Junge schien sich wieder gefangen zu haben, nachdem er bisher stumm wie ein Fisch neben ihm hergeritten war.

„Also gut, eine Ranch. Trotzdem, ist es noch weit bis dahin?“

„Nein“, erwiderte der Junge und deutete nach vorne. „Etwa drei Meilen noch. Sie liegt gleich dort hinter den Hügeln.“

„Okay, ich heiße übrigens Lobo, und du?“

„Robert, Robert Ryland, aber die nennen mich alle nur Bob.“

„Aha, und wer sind die alle?“

„Mein Pa, Sarah, meine Schwester, und der alte Dusty. Er und Pa kennen sich schon ewig, sie sind die besten Freunde und waren sogar zusammen im Krieg. Dusty ist für mich so was wie ein Onkel.“

Lobo nickte und lenkte seinen Morgan mit einem Zungenschnalzen zur Seite. Vor ihnen lag ein verwitterter, wahrscheinlich vom letzten Sturm entwurzelter Baumriese auf dem Boden und versperrte ihnen den Weg. Bob, der das Hindernis inzwischen auch bemerkt hatte, folgte seinem Beispiel und dirigierte sein Pferd ebenfalls um die Wegsperrung herum.

Doch kaum hatten sie das Hindernis umwunden, schien sich vor ihnen der Boden zu öffnen und spuckte zwei Reiter aus. Sie hatten sich anscheinend in irgendeiner Büffelkuhle oder Senke vor ihnen versteckt, anders konnte sich Lobo ihr plötzliches Erscheinen nicht erklären. Er kannte die Männer zwar nicht, er hatte sie auch noch nie zuvor in seinem Leben gesehen, aber er wusste sofort, dass es Ärger geben würde, noch bevor einer der beiden den Mund aufmachte.

Die zwei sahen aus, als hätte sie die Hölle ausgespuckt. Sonnenverbrannte, hagere Gestalten, unrasiert, verkommen, mit zerschlissenen Kleidern und ausgetretenen Stiefeln. Das einzige Gepflegte an ihnen schienen ihre Waffen zu sein. Jeder von ihnen trug einen Revolver im Gürtel, dazu ein Messer und im Sattelscabbard ein Gewehr. Ihr scheinbar freundliches Grinsen konnte Lobo nicht über ihre wahren Absichten hinwegtäuschen. Die Mordlust, die in ihren Augen funkelte, war unübersehbar.

„He, du da!“, rief der Vordere der beiden, ein spindeldürrer Bursche, mit einem uralten, abgeschabten Waffengürtel um die Hüften, dessen Holster ihm tief über den Oberschenkel hing. „Ist das nicht der Sohn vom alten Ryland?“

Dabei deutete er mit der Linken auf den Jungen, während sich seine andere Hand wie zufällig dem Revolver näherte, dessen Griff wie ein Geierschnabel aus dem Holster ragte.

„Und wenn? Ich denke nicht, dass euch zwei das etwas angeht“, erwiderte Lobo spröde.

„Oh doch“, behauptete der andere nachdrücklich. „Die Gegend hier ist nämlich ganz schön gefährlich. Hier wimmelt es nur so von Banditen, Indianern und wilden Tieren, und der Junge ist ziemlich weit von zu Hause entfernt. Er ist Rylands einziger Sohn, von daher denke ich, dass mein Freund und ich ihn jetzt besser wieder zu seinem Vater zurückbringen sollten.“

Dabei drehte er den Kopf in Richtung seines Sattelpartners.

„Nicht wahr, Tom. Ich habe doch recht, oder?“

Der mit Tom angeredete Mann bleckte die Zähne und verzog die Mundwinkel zu einem dreckigen Grinsen.

„Natürlich, Frank, du hast wie immer recht.“

Frank, der sich inzwischen wieder Lobo zugewandt hatte, nickte zustimmend zu den Worten seines Begleiters.

„Da hörst du es, Halbblut“, erwiderte er, wobei er das letzte Wort abfällig betonte.

Lobo ging nicht darauf ein, er war gegenüber Bemerkungen über seine Abstammung oder Hautfarbe längst schon abgestumpft.

„Danke, das ist nett von euch, Jungs. Aber die Mühe könnt ihr euch sparen, das erledige schon ich. Wir beide sind nämlich bereits auf dem Weg zur Ryland-Ranch.“

„Das ist aber keine gute Idee!“, widersprach Frank. „Ethan Ryland ist ein waschechter Texaner und als solcher wird er nicht gerade davon begeistert sein, wenn irgendein dahergelaufener Bastard seinen Sohn begleitet. Also überlass uns den Jungen, du handelst dir sonst nur eine Schrotladung von seinem Vater ein.“

Lobos Haltung versteifte sich jäh. Die Stimme des Mannes hatte mit jedem Wort fordernder und härter geklungen. Außerdem bemerkte er, wie sich sein Sattelpartner mit dem Pferd langsam aber sicher immer mehr nach rechts bewegte. Es war offensichtlich, was die beiden Kerle planten. Er musste handeln, und zwar jetzt, ansonsten nahmen sie ihn von zwei Seiten gleichzeitig unter Feuer.

„Genug mit dem Gerede!“, sagte er deshalb scharf. „Der Junge kommt mit mir und jetzt macht endlich den Weg frei, sonst ...“

„Was sonst?“, bellte Frank.

„Könnte es sein, dass ihr gleich Ärger bekommt, gewaltigen Ärger sogar.“

Franks Augen funkelten wild, und für den Bruchteil einer Sekunde wandte er den Kopf.

„Los, Tom, leg ihn um!“, schrie er noch, dann zog er auch schon den Colt.

Er war schnell, gefährlich schnell, aber gegen Lobo dennoch chancenlos. Lobo sah, wie auch Tom zur Waffe griff. Mit einer Bewegung, die so schnell war, dass ihr kaum ein Auge folgen konnte, flog ihm der 45er in seine Rechte. Dann krachten Schüsse. Tom starb im Sattel, noch bevor er seine Waffe aus dem Holster gezogen hatte. Er stürzte rücklings vom Pferd und war bereits tot, noch ehe sein Körper den Boden berührte. Frank war es zwar gelungen, seinen Colt zu ziehen, aber er konnte sich kaum eine Sekunde länger im Sattel halten als sein Begleiter. Lobos zweite Kugel traf ihn dicht über dem Herzen in die Brust. Unglauben lag auf seinem Gesicht, als könnte er nicht begreifen, was soeben geschehen war. Vergeblich versuchte er, noch einmal die Kraft zu sammeln, um seinen Colt auf Lobo richten zu können. Doch das Leben strömte mit jedem Herzschlag mehr und mehr aus seinem Körper. Er ließ seine Waffe fallen und wollte sich mit den Händen noch am Sattelhorn festhalten, aber da hatten ihn bereits alle Lebensgeister verlassen. Sein Griff ging ins Leere, er kippte nach vorn auf den Hals seines Pferdes und fiel dann zu Boden.

Pulverdampf trieb in stinkenden Schwaden über den Ort des Geschehens. Wortlos lud Lobo die abgeschossenen Kammern seines 45er Army Colts nach und steckte die Waffe nach einer kurzen Überprüfung in das Holster zurück. Erst dann glitt er aus dem Sattel und ging zu den Toten hinüber. Eigentlich hatten diese Mörder kein ordentliches Begräbnis verdient, aber er konnte nun mal nicht aus seiner Haut. Da er jedoch weder die Zeit noch die notwendige Ausrüstung hatte, um sie zu begraben, legte er sie quer über den Sattel ihrer Pferde und band sie dort fest.

Immer wieder glitt sein Blick dabei hinüber zu dem Jungen, der stocksteif auf seinem Pferd saß und die Augen nicht von den Toten lassen konnte. Er zuckte erst zusammen, als Lobo einen wilden Schrei ausstieß und die Pferde der Banditen mit einem harten Schlag auf die Kruppe davonjagte. Er wusste, dass die Tiere instinktiv ihren Stall ansteuern würden, und hoffte, dass es dort jemanden gab, der sie auf anständige Weise unter die Erde brachte.

Danach richtete er seinen Blick wieder auf Bob und sagte scharf: „Hast du jetzt begriffen, was passieren kann, wenn jemand versucht, auf einen anderen zu schießen, der ebenfalls bewaffnet ist? Denk mal darüber nach, wenn du das nächste Mal mit deinem Gewehr durch die Gegend reitest.“

Der Ranchersohn sagte nichts, aber sein Gesicht wurde innerhalb von Sekunden so bleich wie eine frisch gekalkte Hauswand.

KapitelZwei

Es war bereits später Nachmittag, als Lobo von Weitem schemenhaft die Umrisse der Brocken Bow Ranch ausmachen konnte, trotzdem dauerte es noch geraume Zeit, bis sie so nahe herangekommen waren, dass er Einzelheiten erkennen konnte.

Das Haupthaus war ein klotziger Bau aus grob zurecht gehauenen Baumstämmen, der sich an den Fuß eines Felsenhügels duckte. Links und rechts davon erhoben sich mehrere Ställe und Scheunen, und in der Mitte des Hofes gab es einen kleinen, gemauerten Brunnen. Die Holzwände der Stallungen hätten zwar dringend mal wieder neu gestrichen gehört und auf dem Dach einer Scheune waren zwei Schindeln gebrochen, aber ansonsten machte das ganze Anwesen einen ordentlichen Eindruck. Außer dem gelegentlichen Wiehern von Pferden, das aus einem der Ställe zu ihnen herüberschallte, und dem Gackern einiger Hühner war kein Anzeichen von Leben zu sehen oder zu hören.

Lobo runzelte nachdenklich die Stirn und lockerte den Colt im Holster.

„Irgendwie ist es mir dort zu still“, antwortete er auf den fragenden Blick des Jungen. „Auf einer Ranch dieser Größe gibt es eigentlich immer etwas zu tun, aber da drüben ist keine Menschenseele zu sehen. Außerdem steigt auch kein Rauch aus dem Kamin. Etwas ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass es bald Zeit zum Abendessen ist, oder was meinst du?“