Lösungsfokussiertes Konflikt-Management in Organisationen -  - E-Book

Lösungsfokussiertes Konflikt-Management in Organisationen E-Book

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Beschreibung

In dieser Praxissammlung finden sich Methoden der lösungsfokussierten Beratung, die in Konfliktsituationen nützlich anwendbar sind - sowie Methoden, in denen sich die Weiterentwicklung dieses Ansatzes zeigt, wie etwa hypnosystemische Methoden oder Aufstellungsmethoden. Ebenso werden klassische Methoden des Konflikt-Managements vorgestellt, die mit einer lösungsfokussierten Haltung angewendet werden. Ziel des Buchs ist, BeraterInnen, MediatorInnen und Führungskräfte, die sich um die Lösung von Konflikten bemühen, mit Haltung und Methoden der lösungsfokussierten Beratung dabei zu unterstützen, in Konfliktsituationen Lösungen zu finden. Die vorgestellten Methoden sind hilfreich für Konflikte zwischen Einzelpersonen, in und zwischen Teams oder in größeren Organisationsbereichen.

Die Autoren – namhafte Persönlichkeiten der lösungsorientierten Beratung. Lernen Sie von den Besten: Chris Aertsen, Julia Andersch, Detlef Beck, Heike Blum, Annie Bordeleau, Elfie Czerny, Ursula Dehler, Kirsten Dierolf, Dominik Godat, Brigitta Hager, Bärbel Hess, Felix Hirschburger, Iris Hunziker, Trude Kalcher, Christa Kolodej, Franziska Kunz, Oliver Martin, Anita Reinbacher, Peter Röhrig, Marco Ronzani, Martina Scheinecker, Ania Smolka, Insa Sparrer, Anton Stellamans, Maren Telsemeyer, Matthias Varga v. Kibéd, Ljubjana Wüstehube.

Geleitworte von Prof. Dr. Dr. hc. Friedrich Glasl und Dr. Mark McKergow.

Zu diesem Buch stehen Leserinnen und Lesern Download-Ressourcen zu einigen Beiträgen zur Verfügung. Darunter Checklisten, Arbeitsblätter und Vorlagen für Moderationskarten.

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Peter Röhrig, Martina Scheinecker (Hrsg.)

Lösungsfokussiertes Konflikt-Management in Organisationen

Methoden und Praxisbeispiele für Konfliktlösung zwischen Einzelnen, in Teams und Organisationseinheiten

© 2019 managerSeminare Verlags GmbH

2. Aufl. 2022

Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn

Tel: 0228-977910, Fax: 0228-9779199

[email protected]

www.managerseminare.de/shop

Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Sollten wir jemanden übersehen haben, so bitten wir den Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung vorbehalten.

ISBN: 978-3-98856-245-6

Herausgeber der Edition Training aktuell:

Ralf Muskatewitz, Jürgen Graf, Nicole Bußmann

Lektorat: Jürgen Graf

Cover: ra2studio / depositphotos

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Ihre Download-Ressourcen

Begleitend zum Buch stehen Ihnen Arbeitshilfen für die persönliche Verwendung zum Download im Internet zur Verfügung. Sie können die Vorlagen jederzeit in hoher Qualität abrufen und einsetzen.

 www.managerseminare.de/tmdl/b,272792

Inhalt

Cover

Impressum

Geleitwort Friedrich Glasl

Geleitwort Mark McKergow

Einführung

Zum guten Beginn - Einführung und theoretischer Hintergrund

Martina Scheinecker, Peter Röhrig

Übersichtsmatrix: geeigneter Kontext der Methoden

I. Orientierung verschaffen, Ressourcen und Beziehung stärken

Kurzübersicht zu den Beiträgen des Kapitels

Orientierungsphase gestalten

Martina Scheinecker

Lösungsfokussierte Konfliktbeschreibung

Martina Scheinecker

Wertschätzender Einstieg in die Lösung eines Teamkonflikts

Felix Hirschburger

„Blumenstrauß“

Ljubjana Wüstehube

Ressourcenvolles Speed-Dating

Anita Reinbacher

Frühjahrsputz und Hausrundgang

Bärbel Hess

Re-Authoring

Kirsten Dierolf

Waschanleitung für Feedback

Kirsten Dierolf

Fortschritts-Tratsch

Marco Ronzani

Schritt für Schritt in Richtung BESSER

Iris Hunziker, Insa Sparrer

II. Zukunftsbilder gestalten und Lösungen finden

Kurzübersicht zu den Beiträgen des Kapitels

Eins nach dem anderen

Annie Bordeleau, Maren Telsemeyer, Ania Smolka

Eine listige Sache

Elfie Czerny, Dominik Godat

Lösungsbild bauen aus der Vogelperspektive

Ursula Dehler

Magische Bilder und Metaphern

Franziska Kunz

Das Wundernetzwerk

Brigitta Hager

Lösungen würfeln

Ljubjana Wüstehube

Konstruktives Schimpfen

Peter Röhrig

III. Mit Lösungsfokus an Konfliktthemen arbeiten

Kurzübersicht zu den Beiträgen des Kapitels

Der Lösungsdialog

Martina Scheinecker

Auswege aus behindernden Mustern finden

Martina Scheinecker

Probleme dekonstruieren und Lösungen entdecken

Julia Andersch, Oliver Martin

Die Rührei-Methode

Oliver Martin

Mobbing-Konflikte gut lösen – den Arbeitsfrieden wiederherstellen

Heike Blum, Detlef Beck

In Konfliktsituationen kreative Lösungsschritte erkunden

Iris Hunziker, Matthias Varga von Kibéd

Probleme sind lösbar, Polaritäten nicht!

Trude Kalcher

Schatten der Vergangenheit verabschieden

Ursula Dehler

„Wenn nicht jetzt, wann dann?”

Bärbel Hess

Vom Feedback zum Feedforward

Chris Aertsen, Anton Stellamans

Fortschritts-Vorschläge

Peter Röhrig

Wenn Schweres leicht wird

Christa Kolodej

Die Autorinnen, Autoren und Geleitwortschreiber

Stichwortverzeichnis

Dieses Symbol verweist auf eine ergänzende Arbeitshilfe, Checkliste o.Ä., die im Internet heruntergeladen und als Vordruck genutzt werden kann. Dort ist u.a auch ein PDF-Dokument hinterlegt, über das Sie direkt auf alle Internet-Links zugreifen können, die in den Quellenhinweisen der einzelen Beiträge hinterlegt sind.

Nutzen Sie für den Zugriff auf diese Dokumente bitte den Link im Impressum des Buchs und geben Sie diesen in die Adresszeile Ihres Browsers ein.

„Die Mediation profitiert von ‚Cross-Overs‘”

Friedrich Glasl – Salzburg (A)

Dieses Buch ist ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung der Mediation, weil es Handlungsoptionen für die Konfliktbehandlung erweitert. Lange Zeit war die Ausbildung von Mediatorinnen und Mediatoren geprägt von Problem-fokussierten Vorgehensweisen (Folberg, J. / Taylor, A. 1984; Fisher, R. / Ury, W. / Patton, B. 1991; Friedman, G. / Himmelstein, J. 2008), obschon Ansätze der Lösungsfokussierung in Therapien und Coaching (Schmidt, G. 2004) sowie verschiedenen Beratungsfeldern (Bamberger, G. 2001; Röhrig, P. 2016) immer mehr zur Anwendung gekommen waren. So war das 2009 erschienene Buch „Praxis der Lösungs-fokussierten Mediation“ (Bannink, F. 2009) meiner holländischen Kollegin Fredrike Bannink das erste – und längere Zeit auch das einzige – Werk, das diese Richtung in Theorie und Praxis vorstellte. Im Nachwort dieses Buches hatte ich damals auf die erfreuliche Erweiterung des herrschenden Mediationsverständnisses durch diesen Ansatz hingewiesen und gehofft, dass er sich weiter durchsetzen werde.

Als Konfliktforscher und praktizierender Mediator begrüße ich diese Optionenerweiterung sehr, weil ich seit Beginn meiner Berufstätigkeit daran gearbeitet habe, situationsadäquate Konzepte und Methoden der Konfliktbearbeitung zu entwickeln. Da Konflikte für die Beteiligten immer eine Besonderheit sind – sogar wenn sie Konflikte schon öfters erlebt haben –, kann auch ein Standard-Vorgehen der Konfliktbearbeitung nicht angebracht sein. Meine Erforschung der Eskalationsdynamik (Glasl, F. 1967; Glasl, F. 1980) hatte deshalb zum Ziel, für unterschiedlich eskalierte Konflikte passende Vorgehensweisen zu finden. Denn in Analogie zu Heilmethoden im Gesundheitswesen kann ich eine Lungenentzündung nicht mit derselben Medizin erfolgreich behandeln, mit der ich einen Schnupfen kuriere. Wenn ich aber die Eskalationsstufe eines Konflikts gut einschätze, ergeben sich daraus Indikatoren für Erfolg versprechende Interventionen. Denn mit dem Eskalationsgrad ändern sich die Selbstheilungskräfte der Konfliktparteien. Ähnliches gilt für das Erkennen, ob Konflikte heiß oder kalt ausgetragen werden (Glasl, F. 2012), da die allerersten Interventionen sich grundlegend voneinander unterscheiden. Aber es reicht nicht, eine passende Interventionsmöglichkeit zu finden, oft sind auch Alternativen gefragt. Das zeigen die Beiträge in diesem Buch, indem sie für dieselbe Ausgangssituation mehrere methodische Varianten anbieten. Bei der Auswahl der passenden Interventionen geht es dann um äußere und innere Stimmigkeit, wie sie von Friedemann Schulz von Thun (Pörksen, B. / Schulz von Thun, F. 2016) verstanden wird: Professionelles Handeln soll der Situation des Klienten angemessen und gleichzeitig in Übereinstimmung sein mit der Persönlichkeit und dem Selbstverständnis der intervenierenden Person.

Auf äußere Stimmigkeit, d.h. die Beachtung der situativen Gegebenheiten, wird von den Autorinnen und Autoren dieses Bandes immer wieder Bezug genommen, damit nicht an den Klienten vorbeiinterveniert wird – innere Stimmigkeit wird durch Handlungsalternativen möglich, für die sich Mediatorinnen oder Coachs entscheiden.

Des Weiteren halte ich es für sehr gewinnbringend, dass Beiträge auch aus therapeutischen Erfahrungen stammen und sich – in mehr oder weniger gewandelter Form – auch im Mediationskontext bewähren. Anleihen aus der Therapie sind durchaus keine Selbstverständlichkeit, haben doch in den Anfangsjahren der modernen Mediation in Europa viele Lehrende eine strikte Abgrenzung der Mediation zur Therapie betont. Diese Haltung hat mich angesichts meines eigenen transdisziplinären Werdegangs hin zu Konfliktmanagement und Mediation immer befremdet. So konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dafür u.a. auch das Geschäftsinteresse bestimmend war, den eigenen Markt gegenüber Konkurrenz abzugrenzen.

Heute sehen wir auch bei Therapie-Schulen, dass sie immer mehr voneinander Anleihen machen. Die Haltung der Ausschließlichkeit wird zum Wohle der Klienten mehr und mehr verlassen – und doch bedeutet dies nicht Beliebigkeit! Denn das Erkennen und Nutzen situativer Indikatoren und das Achten auf die innere Stimmigkeit als Voraussetzungen einer positiven Wirkung auf die Konfliktparteien setzen der Beliebigkeit Grenzen. Die Entwicklung des Faches profitiert gewiss von „Cross-Overs“, ähnlich wie wir das in der Postmoderne in vielen Kunstgebieten beobachten können. Und eigentlich dürfte uns das gar nicht verwundern, ist doch die heutige Mediation selbst die Frucht der Bereicherung und Vertiefung der ursprünglichen „diplomatischen Vermittlung“. Dies geschah erst durch die „Conciliation“ amerikanischer Religionsgemeinschaften ab 1920 und später vor allem durch Kommunikationswissenschaften, durch Sozialpsychologie, durch Organisationsentwicklung und die sich diversifizierenden Therapierichtungen. Heute wird sie noch angereichert durch die Hirnforschung. All das erlaubt uns, die Wirkungen vieler Interventionen besser zu verstehen und gezielt zu steigern. So ist Transdisziplinäres in vielen Beiträgen dieses Bandes zu finden!

Lösungsfokussierte Mediation betont das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Konfliktparteien und ist bemüht, diese zu aktivieren und zu stärken. Auch ich gehe vom Vertrauen in die Entwicklungsmöglichkeiten eines gewaltfreien Konfliktmanagements und einer vielgestaltigen Mediation aus. Dazu gibt dieses Buch wichtige Impulse. Deshalb ist zu hoffen, dass es seinen Weg zu vielen Anwendern finden möge, damit diese Welt durch viele, viele kleine Schritte etwas friedfertiger werde!

Salzburg, im Juli 2019

Friedrich Glasl

Zitierte Literatur

 Bamberger, G. (2001): Lösungsorientierte Beratung. Köln, Beltz.

 Bannink, F. (2009): Praxis der Lösungs-fokussierten Mediation. Stuttgart, Concadora.

 Fisher, R. / Ury, W. / Patton, B. (1991): Getting to yes; negotiating agreement without giving in. New York, Random House Business.

 Folberg, J. / Taylor, A. (1984): Mediation. A comprehensive guide to resolving conflicts without litigation. San Francisco, John Wiley & Sons.

 Friedman, G. / Himmelstein, J. (2008): Challenging conflict – mediation through understanding. Washington, American Bar Association.

 Glasl, F. (1967): Die Neutralität der Schweiz im Sanktionssystem des Völkerbundes. Dissertation Universität Wien.

 Glasl, F. (1980): Konfliktmanagement. (Habilitationsschrift) 1. Auflage, Bern / Stuttgart / Wien. 11. erweiterte und aktualisierte Auflage 2013, Haupt.

 Glasl, F. (2012): Heiße und kalte Konflikte in Organisationen. DVD mit einem Booklet. Stuttgart, Concadora.

 Pörksen, B. / Schulz von Thun, F. (2016): Kommunikation als Lebenskunst. Heidelberg, Carl-Auer Verlag.

 Röhrig, P. (Hrsg.)(2016): Solution Tools. 6. Auflage, Bonn, managerSeminare.

 Schmidt, G. (2004): Liebesaffären zwischen Problem und Lösung. Heidelberg, Carl-Auer Verlag.

„Lösungsfokus kombiniert mit bewährten Vorgehensweisen der Mediation”

Mark McKergow – Edinburgh (Schottland)

In Konflikten spielen immer Menschen mit ihren Unterschieden eine Rolle – oft sind es sehr persönliche Unterschiede. Dies ist für mich keine Binsenweisheit. Denn zur Rolle des Coachs, Moderators oder der Führungskraft gehört es, Menschen dabei zu unterstützen, genau jene Wege zu finden, auf denen sie weiter vorankommen. Seit 30 Jahren arbeite ich in diesen Bezügen und finde die Aufgabe bereits schwierig genug, selbst wenn die Beteiligten gut miteinander auskommen. In Konflikten kommt erschwerend hinzu, dass die Beteiligten gerade nicht miteinander auskommen. Dies erfordert von allen, die in diesen Situationen Unterstützung leisten wollen, noch mehr Geschick, Geduld und Offenheit als üblich.

Das vorliegende Buch ist eine willkommene Bereicherung der Literatur zum Konfliktmanagement, und zwar aus verschiedenen Gründen:

Erstens baut es auf dem lösungsfokussierten Ansatz auf, der ursprünglich von den Familientherapeuten Steve de Shazer und Insoo Kim Berg in Milwaukee in den 1980er-Jahren entwickelt wurde. Dieser Ansatz wurde mittlerweile in vielen Bereichen aufgegriffen und weiterentwickelt – von der sozialen Unterstützung bis hin zur Führungskräfteentwicklung. Der lösungsfokussierte Ansatz verbindet geschickt fokussierte Praxis mit Pragmatismus und Reaktionsbereitschaft, ähnlich wie die später entstandenen agilen Methoden, die aktuell so populär sind. Der Lösungsfokus betrachtet die Interaktionen zwischen Menschen und nicht innere (und damit unsichtbare) Mechanismen. Dies macht ihn zu einem wirkungsvollen und offenen Ansatz insbesondere in Situationen, in denen Misstrauen und Zweifel in der Luft liegen. Dieses Buch kombiniert eine ordentliche Portion Lösungsfokus mit bewährten Vorgehensweisen der klassischen Mediation. Dadurch bietet es eine neue und besonders wertvolle Erweiterung der Praxis.

Zweitens ist das Buch voller praktischer Ideen, die in der Arbeit mit Klienten erfolgreich getestet wurden. Mir gefällt besonders, dass jeder Beitrag nicht nur klar den jeweiligen Prozess beschreibt – darüber hinaus zeigen die beispielhaften Falldarstellungen, wie das Format in der Praxis funktioniert. Das heißt natürlich nicht, dass beim Einsatz der Interventionen alles immer genau so funktionieren wird. Zum Gelingen gehören außerdem Geschick, gutes Timing und sorgfältige Vorbereitung. Doch hilft diese Art der Falldarstellung dem Leser, rasch zu erfassen, worum es bei den Interventionen geht und wie sie in der Situation eingesetzt werden können, für die man Anregungen und Impulse sucht. Unter 29 verschiedenen Methoden und Arbeitsansätzen findet der Leser hier eine große Auswahl.

Drittens ist das Buch ein Produkt, das mit vielen Stimmen spricht. Die unterschiedlichen Beiträge stammen aus verschiedenen Quellen von verschiedenen Menschen, die alle etwas Unterschiedliches zum Thema zu sagen haben. Ich kenne viele der Autoren persönlich und kann versichern, dass sie äußerst kompetent in ihren jeweiligen Feldern arbeiten, häufig mit jahrzehntelangem Hintergrund an Erfahrung und Lernen. Mit seinen 27 Autoren bietet das Buch Highlights vieler Jahrzehnte gesammelter Weisheit, die die Herausgeber zum Nutzen der Leser zusammengestellt haben.

Die Herausgeber sind schließlich der vierte Grund, warum ich das Buch so bereichernd finde. Dr. Martina Scheinecker und Dr. Peter Röhrig sind beide erfahrene Berater, die ein gutes Auge dafür haben, welche Arbeitsweisen in konkreten Organisationskontexten nützlich und erfolgreich sein können. Martina hat schon 2012 einen bahnbrechenden Artikel veröffentlicht: „Lösungsfokussiertes Konfliktmanagement in Organisationen – Der kürzeste Weg zur nachhaltigen Lösung“, in dem sie die Chancen der Integration verschiedener Ansätze an verschiedenen Beispielen überzeugend dargestellt hat. Peter hat entscheidend dazu beigetragen, Bestseller mit Methodensammlungen zur lösungsfokussierten Arbeit in Organisationen herauszugeben. Sein Buch „Solution Tools“ hat große Wirkung in der deutschsprachigen Welt erzielt und wurde auf Englisch von Solutions Books publiziert. Beide bieten gemeinsam Weiterbildungen zum lösungsfokussierten Konfliktmanagement in Organisationen an, die von Coachs, Beratern, Führungskräften und Personalentwicklern stark nachgefragt werden. Mit Kunden arbeiten sie einfühlsam und unwiderstehlich effektiv. Die kunstvolle Wirksamkeit ihrer Arbeit zeigt sich auch überzeugend in diesem Buch.

Besonders begeistert es mich, dass die Herausgeber das Modell der „Räume“ aufgegriffen haben, um damit die Kapitel des Buchs zu strukturieren. Dieses Modell wurde von meinen Kollegen bei BRIEF in London entwickelt. In meinem Artikel „SFBT 2.0: The next generation of Solution Focused Brief Therapy has already arrived” (Journal of Solution Focused Brief Therapy, 2016) habe ich es als nützliches Instrument vorgestellt. Auf diese unglaublich einfache Weise lässt sich eine flexible und gleichzeitig klar fokussierte Praxis beschreiben, in der der Coach oder die Führungskraft die Beteiligten einlädt, in den unterschiedlichen Räumen detaillierte Beschreibungen zu entwickeln – von einer besseren Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Vielleicht kommt Ihnen die Idee einer besseren Vergangenheit etwas seltsam vor. Aber keine Bange, in den Worten von Ludwig Wittgenstein können wir immer wieder „das, was wir wissen, umformen“ – aus der Vergangenheit heraus in neue Konstellationen, die hier und jetzt andere Realitäten schaffen.

In Konflikten zu arbeiten, gehört zu den herausforderndsten Situationen für Praktiker. Schwierigkeiten und Misstrauen können rasch dazu führen, dass der Blick sich stark verengt und defensive Verhaltensweisen überwiegen. Zu den wesentlichen Kompetenzen in diesen misslichen Situationen gehören Geduld, Akzeptanz und Anerkennung. „Tief durchatmen“ kann dabei weiterhelfen, sowohl bei den Praktikern als auch unter den Konfliktparteien. Lösungsfokussierte Bücher legen häufig sehr viel Wert auf gute Fragestellungen, die auf Fortschritte zielen. Nach meiner Erfahrung ist es wichtig, dies auszubalancieren sowie Zeit und Raum zu schaffen und die Situation angemessen anzuerkennen – besonders wenn es hart zur Sache geht und Fortschritte kaum zu erkennen sind. Da Konfliktsituationen häufig hart und starr erscheinen, könnte dies als übergreifende Strategie beim Einsatz der Interventionen in diesem Buch nützlich sein.

Nun ist es Zeit, umzublättern, das Inhaltsverzeichnis zu überfliegen und sich an dieser fantastischen Sammlung lösungsfokussierter Arbeit und Weisheit zu erfreuen. Bitte greifen Sie die Ideen und Interventionen auf, die gut für Sie zu passen scheinen und wenden Sie sie mit all Ihrer Erfahrung und Ihrem Wissen an. Eins der lösungsfokussierten Prinzipien lautet „Jeder Fall ist anders” – das gilt auch für Konfliktsituationen, denen Sie jeweils angemessen und differenziert begegnen sollten. Wenn Sie diese Vielfalt der Anwendungsfälle nutzen, erleben Sie den Zauber des Lösungsfokus, neue Möglichkeiten des Weiterkommens zu öffnen, in denen sich Zusammenarbeit, Vertrauen und gemeinsame Stärke entwickeln können.

Edinburgh, im Juli 2019

Mark McKergow

Einführung

Lösungsfokussiertes Konflikt-Management in Organisationen

In diesem Kapitel finden Sie

„Lösungsfokussiertes Konflikt-Management in Organisationen”

Zum guten Beginn – Einführung und theoretischer Hintergrund

 Was ist eure „beste Hoffnung”, die ihr durch dieses Buch verwirklichen wollt?

 Für wen soll dieses Buch nützlich sein und wen habt ihr eingeladen, daran mitzuwirken?

 Was unterscheidet den lösungsfokussierten Ansatz von anderen Beratungsansätzen?

 Welches Verständnis der lösungsfokussierten Beratung ist eures Erachtens für den lösungsfokussierten Umgang mit Konflikten in Organisationen wesentlich?

 Welches Verständnis, welche Definition von „Konflikt” ist charakteristisch für lösungsfokussiertes Konfliktmanagement?

 Ihr erachtet es als nützlich für Konfliktmanagement in Organisationen, die bestehende Dynamik der Konflikteskalation zu erkennen. Welchen Nutzen seht ihr damit verbunden?

 Welche Rolle spielt der Kontext „Organisation“ – welche Besonderheiten seht ihr beim Konfliktmanagement in Organisationen?

 Gibt es charakteristische Phasen, ein Phasenmodell einer lösungsfokussierten Mediation? Wie gestaltet ihr einen längerfristigen Prozess des Konfliktmanagements?

Übersichtsmatrix

Welche Methode passt in welchem Kontext?

Zum guten Beginn – Einführung und theoretischer Hintergrund

Martina Scheinecker – Wien (A), Peter Röhrig – Köln (D)

Wir arbeiten seit vielen Jahren mit Leidenschaft daran, Führungskräfte, Mitarbeiterinnen und Teams in Organisationen mit Haltung und Methoden der lösungsfokussierten Beratung dabei zu unterstützen, in Konfliktsituationen Lösungen zu finden (Röhrig, P. 2017, Scheinecker, M. 2006, 2007, 2012, 2014). In vielen Trainings für Führungskräfte und Beraterinnen sowie in Workshops im Rahmen von Konferenzen der SOL World, der internationalen Community der lösungsfokussierten Beraterinnen im Organisationskontext, konnten wir unsere Arbeitsweise darstellen und haben gute Resonanz erlebt. Wir haben dabei durch die Fragen unserer Kolleginnen und Teilnehmerinnen viel gelernt, sie haben uns herausgefordert, unsere Methodik kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Weil wir diese Fragen als sehr nützlich erlebt haben, haben wir uns entschieden, diese Einführung in Form von Fragen und Antworten zu gestalten. Einige Fragen wurden uns in der gleichen Form schon gestellt, einige andere haben wir uns ausgedacht, als wir uns überlegt haben: Welche Fragen könnten interessierte Leserinnen bewegen?

Wir hoffen, dass es uns dadurch gelingt, eine anregende und leicht lesbare Einführung in unser Buch zu bieten!

 Was ist eure „beste Hoffnung“, die ihr durch dieses Buch verwirklichen wollt?

Im vorliegenden Buch präsentieren wir Methoden der lösungsfokussierten Beratung (nach Steve de Shazer, Insoo Kim Berg, Mark McKergow u.a.), die in Konfliktsituationen nützlich anwendbar sind, sowie Methoden, in denen sich die Weiterentwicklung dieses Ansatzes zeigt – wie z.B. SyST®-Aufstellungsmethoden oder hypnosystemische Methoden. Ebenso haben wir klassische Methoden des Konfliktmanagements (nach Friedrich Glasl, Marshall Rosenberg u.a.) berücksichtigt, die mit einer lösungsfokussierten Haltung angewendet werden.

Eine wesentliche Erkenntnis unserer Herausgebertätigkeit war, dass es den einheitlichen Ansatz des lösungsfokussierten Konfliktmanagements nicht gibt, sondern eine lebendige Vielfalt von Beraterinnen, die auf Basis der Grundannahmen des lösungsfokussierten Beratungsansatzes erfolgreich Konfliktmanagement in Organisationen unterstützen.

Unsere beste Hoffnung ist also einerseits, gut funktionierende Methoden zu beschreiben und Beraterinnen, Mediatorinnen, Führungskräfte sowie alle, die sich um die Lösung von Konflikten bemühen, dadurch in ihrer Praxis sehr gut zu unterstützen. Aus Erfahrung wissen wir, dass gelungene Konfliktklärungen positive Wirkungen auf das Verhalten bzw. die Interaktionen haben, nicht nur in Bezug auf Einzelne, sondern auch auf ganze Teams und Organisationseinheiten. In großen und kleinen Organisationen wird in der Regel mehr übereinander als miteinander geredet – und Konflikte sind dabei ein beliebter Gesprächsstoff. Wenn positiv über gelungenes Konfliktmanagement geredet wird, kann das zu einer Verbesserung der Auseinandersetzungskultur führen. Führungskräfte und Mitarbeitende werden dadurch ermutigt, konflikthafte Situationen frühzeitig und unerschrocken anzusprechen. Im besten Falle können Spannungen, die im Arbeitsalltag ganz normal sind, in ihrer Eskalation gebremst und in konstruktive Auseinandersetzungen transformiert werden.

Andererseits wollen wir durch dieses Buch auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung und Bereicherung der Theorie und Praxis des lösungsfokussierten Konfliktmanagements leisten. Alle Autorinnen und Autoren geben deshalb in Form von Kommentaren im Anschluss an die Methodenbeschreibungen und konkreten Praxisbeispielen Einblick in die theoretische Fundierung des eigenen professionellen Handelns.

Nicht zuletzt hat uns auch der große Erfolg von „Solution Tools“ ermutigt, das 2008 erschienen ist und bereits in der 6. Auflage vorliegt (Röhrig, P. 2016). In dieser Sammlung lösungsfokussierter Interventionen für Workshops finden sich viele unterschiedliche Perspektiven und Anwendungsmöglichkeiten des Solution Focus mit Gruppen und in Organisationen. Im Vorwort sagt Matthias Varga von Kibéd: „Da der lösungsfokussierte Ansatz eher eine in Jahrzehnten der Praxis entwickelte pragmatische Methodologie als ein Theoriegebäude im klassischen Sinne darstellt, ist die Weiterentwicklung vor allem durch neue Formen der praktischen Anwendung ganz im Sinne der Grundprinzipien dieses Ansatzes.“ (Varga, M. in Röhrig, P. 2016, S. 8)

 Für wen soll dieses Buch nützlich sein und wen habt ihr eingeladen, daran mitzuwirken?

Das Buch wendet sich an alle Menschen, die Konfliktmanagement in Unternehmen und anderen Organisationen kompetent unterstützen wollen: Prozessberaterinnen, Moderatorinnen, Organisations- und Personalentwicklerinnen, Projektleiterinnen, Führungskräfte, Mediatorinnen, Coachs. Die dargestellten Methoden sind hilfreich für Konflikte zwischen Einzelpersonen, in und zwischen Teams oder auch in größeren Organisationsbereichen.

Unser Anspruch ist: von der Praxis für die Praxis. Wir haben ausschließlich Mediatoren, Prozessberaterinnen und Coachs als Autorinnen angesprochen, die

 fundierte Erfahrung in der Beratung zur Konfliktbewältigung im Organisationskontext haben und dabei

 mit einer klaren lösungsfokussierten Haltung arbeiten sowie

 Methoden verwenden, die explizit aus dem lösungsfokussierten Methoden-Repertoire stammen, oder andere Methoden, die mit einer lösungsfokussierten Haltung angewendet werden und damit kompatibel oder sogar eine wertvolle Ergänzung des klassischen lösungsfokussierten Methoden-Repertoires sind.

Um eine gendersensible Schreibweise mit leichter Lesbarkeit der Texte zu vereinbaren, haben wir es den Autorinnen überlassen, wie sie Männer und Frauen im Text erwähnen wollen. Jede Autorin konnte sich entscheiden, ob sie die männliche und die weibliche Form im laufenden Text abwechselnd schreiben will oder ob sie nur die männliche oder nur die weibliche Form verwendet.

 Was unterscheidet den lösungsfokussierten Ansatz von anderen Beratungsansätzen?

Mitte der 1980er-Jahre machte eine Gruppe von Therapeuten um Steve de Shazer und Insoo Kim Berg vom Brief Family Therapy Center in Milwaukee auf sich aufmerksam. Sie veröffentlichten einen Artikel, in dem sie erstmals ausführlich einen revolutionären Beratungsansatz beschrieben, den sie in der familientherapeutischen Praxis entwickelt und erfolgreich angewandt hatten (De Shazer, S. et al. 1986). Darin stellten sie die herausfordernde Behauptung auf, dass sie nicht – wie im therapeutischen Kontext üblich – zunächst die Natur des Problems ihrer Klienten verstehen mussten, um effektiv arbeiten zu können.

Stattdessen beschrieben sie, dass sie sich nur auf zwei Dinge fokussieren brauchten: Erstens, herauszufinden, woran der Klient erkennen würde, dass sein Problem gelöst ist. Zweitens, den Klienten beschreiben zu lassen, was er bereits in diese Richtung unternahm. Damit wurde der therapeutische Prozess, der typischerweise als Bewegung „weg vom Problem“ angelegt war, von Steve de Shazer et.al. rekonstruiert als Bewegung „hin zu der Lösung“.

Dieser Ansatz bot einen radikalen Paradigmenwechsel an. Diagnostische Kompetenz und das Wissen um die verborgenen Hintergründe von Problemen wurden infrage gestellt, statt des üblichen „Problem-Talk“ sollte vielmehr „Solution-Talk“ stattfinden. Dieser konzentrierte sich auf die Ziele und Ressourcen des Klienten und auf die Dinge, die dem Klienten in der Vergangenheit bereits gelungen waren (Lipchik, E. / de Shazer, S. 1986).

Seitdem hat dieser Beratungsansatz nicht nur in der therapeutischen Welt weite Verbreitung gefunden. Das pragmatische und effektive Vorgehen entspricht dem Wunsch vieler Menschen und Organisationen, schnell Fortschritte zu erzielen. Mark McKergow belegt in seinem Überblicksartikel die erfolgreiche Umsetzung in alle wesentlichen Bereiche der Personal- und Organisationsentwicklung (McKergow, M. 2012). Sowohl im Coaching (Iveson, C. / George, E. / Ratner, H. 2012; Szabo, P. / Kim Berg, I. 2006) als auch im Konfliktmanagement (Bannink, F. 2009; Scheinecker, M. 2012) ist der Ansatz differenziert in seiner Methodik und seinen Leitprinzipien beschrieben und an vielen erfolgreichen Beispielen in seiner Anwendung belegt.

Eine wesentliche Besonderheit des lösungsfokussierten Beratungsansatzes besteht in seinem Umgang mit Veränderung. Eine mögliche Definition: „Veränderung geschieht immer und überall. Der einfache, lösungsfokussierte Weg zum Umgang mit Veränderung besteht darin, unter all den Veränderungen, die geschehen, die besonders nützlichen Veränderungen zu bemerken und diese zu erweitern.“ Dieses einfache Prinzip findet sich auch in den drei Grundregeln des Solution Focus (de Shazer, S. 1990):

Drei Grundregeln des Solution Focus

 „Repariere nicht, was nicht kaputt ist!

Versuche nicht, Deine Klienten zu verändern und sie so zu formen, wie Du es für günstig hältst. Respektiere und schätze ihre individuellen Wege, solange die vereinbarten Ziele erreicht werden.

 Wenn etwas funktioniert, mache mehr davon!

Ermutige Deine Klienten, weiterhin das zu tun und mehr von dem zu tun, was funktioniert. Lenke den Blick vor allem auf diese Bereiche.

 Wenn etwas nicht funktioniert, wiederhole es nicht. Probiere etwas anderes!

Ermutige Deine Klienten, auch einmal Fehler zu machen. Da, wo etwas nicht funktioniert, rege sie an, einmal Neues zu probieren.“ (Schmitz, L. 2001, S. 7)

Um den erklärungsbedürftigen Ansatz möglichst schlicht zu beschreiben, hat Mark McKergow das sogenannte „Albert-Modell“ entwickelt (in seiner ersten und einfachsten Form: McKergow, M. / Jackson, P. 2007, S. 3), benannt nach Albert Einstein, der gesagt haben soll: „Everything should be as simple as it can be, but not simpler (zit. nach Sessions, J. 1950).“ Das Modell hat drei Achsen (siehe Abb. unten):

Abb.: Das Albert-Modell

1. Eine Zeitachse von links nach rechts. In der Mitte befindet sich die Gegenwart, in der wir den Klienten begegnen, ihre Vergangenheit und Zukunft befinden sich jeweils an den Seiten links und rechts.

2. Eine „Problem-Achse“ von links oben nach rechts unten. Es gibt ein Problem, an dem gearbeitet werden soll, und es begann vor einiger Zeit, daher liegen das Problem und seine Ursachen in der Vergangenheit links oben. Hier befinden sich auch die Defizite und Schwächen, die vielleicht zu dem Problem beigetragen haben. Passend dazu liegt die „befürchtete Zukunft“ rechts unten, an der Stelle, an die wir gelangen, wenn das Problem ungelöst bleibt.

3. Die „Lösungs-Achse“ verläuft dagegen ganz anders. Die „erwünschten Zukünfte“ finden wir oben rechts. In gleicher Linie liegt die lösungsfokussierte Vergangenheit unten links. Hier finden wir Hinweise für vieles Erwünschte, das bereits in der Vergangenheit gelungen ist, sowie zu Stärken und Ressourcen, die damit verbunden sind. Dieser Teil des Diagramms wird häufig übersehen oder vernachlässigt, dabei enthält er die nützlichsten und relevantesten Informationen. Gerade in schwierigen Situationen neigen Menschen dazu, eher auf die „problematische Vergangenheit“ zu schauen, als sich in Erinnerung zu rufen, was sie bereits erreicht haben. Eine der Kompetenzen des lösungsfokussierten Ansatzes besteht darin, sanft und hartnäckig daran zu arbeiten, die verborgenen Schätze in diesem Bereich zu heben.

Intuitiv gehen Menschen häufig davon aus, dass sie die Problemachse genau untersuchen und verstehen müssen, bevor sie Fortschritte erzielen können. Unserer Erfahrung nach geschieht in komplexen Situationen – also immer, wenn Menschen in Systemen und ihren unberechenbaren Reaktionen betroffen sind – genau das Gegenteil: Das Problem und seine Ursachen zu studieren, ist dann in vielerlei Hinsicht wenig hilfreich. Dadurch werden Klienten und Beratende zu Experten des Problems – und möchten doch eigentlich zu Experten für nützliche Veränderung werden. Außerdem entzünden sich bei einer Ursachenanalyse – z.B. von Schwierigkeiten mit der Zusammenarbeit im Team – schnell Diskussionen über Schuld und Demotivierung macht sich breit, wenn eigentlich genau das Gegenteil gebraucht wird: Zusammenarbeit und Engagement. Überdies kostet das alles eine Menge Zeit, die man sinnvoller einsetzen könnte.

Dieser Verzicht auf Ursachenanalyse bedeutet aber nicht, dass bei lösungsfokussierter Beratung keine Beschäftigung mit dem erfolgt, was die Kunden als „Problem“ beschreiben. Gerade Konflikte sind ja eine besondere Form von Problemen, eine belastende Polarität, mit der die Kunden in der Vergangenheit nicht konstruktiv umgehen konnten, die sie überfordert haben und wegen derer sie Beratung in Anspruch nehmen. „Lösungsfokussiert heißt nicht problemphobisch.“

Grundsätze der lösungsfokussierten Beratung im Umgang mit Problemen

Wir vertreten folgende Grundsätze im Umgang mit Problemen im Rahmen einer lösungsfokussierten Beratung:

1. Wir „anerkennen, was ist“, wir hören Problembeschreibungen der Kunden respektvoll zu und bieten emotionale Entlastung an, indem wir z.B. die besondere „Schwere“ bzw. Herausforderung des Problems würdigen – ohne es weiter zu vertiefen.

2. Wir gehen von der Annahme aus, dass Probleme sich verändern und von vielen Kontextfaktoren abhängig sind – und richten deshalb den Fokus auf Ausnahmen, auf Situationen, in denen das Problem weniger stark oder gar verschwunden ist.

3. Wir stellen die Arbeit an den Problemen / Konfliktthemen in einen zukunftsorientierten Rahmen: Wir arbeiten zuerst an den erwünschten Zukunftsbildern und klären dann, an welchen Problemen die Konfliktparteien im Rahmen der Mediation arbeiten wollen, um in Richtung dieser Zukunftsbilder voranzukommen.

4. Wir behandeln für die Konfliktparteien wesentliche Probleme der Vergangenheit und Gegenwart

 indirekt, in Form des Gesprächs über bessere Lösungen stattdessen,

 direkt, mit geeigneten Methoden und erst nachdem ein stärkender Rahmen geschaffen wurde (positive Stärkung der Beziehung zwischen den Konfliktparteien vorab, Bewusstmachen von Ressourcen und Selbstheilungskräften etc.).

5. Wir haben Vertrauen in die Kompetenz der Kunden, selbst bestimmen zu können, an welchen Problemen sie arbeiten wollen.

6. Wir ermutigen die Parteien, die in Konfliktthemen, Streitpunkten und Problemen zum Ausdruck kommenden Bedürfnisse, Wünsche und Anliegen zu erkennen, und unterstützen die Parteien dann dabei, diese zu erreichen.

7. Wir unterstützen die Parteien, die in Konflikten zum Ausdruck kommenden systemischen Polaritäten und Spannungsfelder zu erkennen und unterstützen einen konstruktiven Umgang mit diesen.

 Der Ansatz der lösungsfokussierten Beratung hat sich ja seit seiner Begründung durch Steve de Shazer in den 1980er-Jahren stark weiterentwickelt. In der Fach-Community der lösungsfokussierten Beraterinnen und Berater wird aktuell „Lösungsfokus 2.0“ diskutiert. Welches Verständnis der lösungsfokussierten Beratung ist eures Erachtens für den lösungsfokussierten Umgang mit Konflikten in Organisationen wesentlich?

Bei unserer Arbeit als Beraterinnen in Konfliktsituationen orientieren wir uns an den von SFIO (2017) beschriebenen Anhaltspunkten („Clues“) für lösungsfokussierte Beratung. In Übereinstimmung damit erachten wir folgende wesentlichen Grundhaltungen und klassischen Methoden bzw. Instrumente lösungsfokussierter Beratung als besonders wichtig:

Grundhaltungen und Instrumente lösungsfokussierter Beratung

Grundhaltungen

 Interaktionsperspektive: Der Fokus lösungsfokussierter Arbeit liegt in der Interaktion zwischen Menschen, so wie sie diese beschreiben, beobachten oder erfahren (Lösungen entstehen in der Interaktion zwischen den Menschen).

 Wir fokussieren auf das, was die Personen wünschen und unterstellen dabei, dass sie alle Fähigkeiten haben, dies auch zu erreichen.

 Veränderung geschieht immer und überall – unsere Aufgabe ist es, nützliche Veränderungen aufzuspüren und zu erweitern.

 Die Beraterin unterstützt die Ressourcen-Orientierung (statt Defizit-Analyse) und agiert immer respektvoll, wertschätzend und kooperativ.

 Wir treffen so wenige Annahmen über die Kundinnen/Konfliktparteien wie möglich und sehen die Kundinnen als Expertinnen für ihr Leben und ihre Wünsche.

 Wir verfolgen immer die Ziele der Kundinnen, bleiben innerhalb des Bezugsrahmens der Kundinnen und behalten dabei die eigene (externe) Perspektive. Jeder Fall ist anders: Der Lernprozess orientiert sich an den Zielen der Konfliktparteien und nicht an einem theoretischen oder konzeptionellen Rahmen, daher entwickelt sich der Lernprozess jedes Mal anders, abhängig davon, was die Kundinnen sagen / tun / wünschen.

Instrumente

 Wir bauen im Gespräch mit dem Kunden(-system) auf dessen Sprache, Metaphern, Geschichten und Verhalten auf.

 Wir bleiben in der Sprache einfach und konkret, halten Beschreibungen spezifisch, kleinschrittig, interaktionell und positiv (eher das Vorhandensein von Lösungen als die Abwesenheit von Problemen, eher etwas Neues beginnen, als mit etwas Altem aufhören).

 Wir unterstützen die Kundinnen dabei, nützliche Veränderungen und positive Unterschiede in allen Phasen des Arbeitsprozesses zu entdecken, bereits vor dem ersten Treffen, zwischen den Treffen und hinterher.

 Wir unterstützen die Konfliktparteien dabei, erwünschte Zukünfte so konkret wie möglich zu beschreiben, mit der Wunderfrage und anderen zukunftsorientierten Fragetechniken.

 Wir finden Elemente der „erwünschten Zukünfte“, die geschehen oder schon geschehen sind – durch Skalenfragen, Fragen nach Ausnahmen, Bewältigungsstrategien, Ressourcen in der Vergangenheit und anderen angemessenen Methoden.

 Wir finden und benennen Ressourcen des Kunden(-systems), indem wir angemessene Methoden und Anerkennung anbieten.

 Wir suchen und erweitern nützliche Veränderungen und positive Unterschiede sowie Anzeichen für Ressourcen der Kundinnen zwischen den Treffen so, dass die Rolle, Handlungsfähigkeit, Wirksamkeit und Entscheidungsfähigkeit für Veränderungen der Klientinnen dabei aufgebaut werden.

 Wir unterstützen die Kundinnen dabei, kleine und konstruktive Schritte in Richtung des gewünschten Ziels zu planen und umzusetzen.

 Wir arbeiten von Frage zu Frage, von Situation zu Situation. Die nächste Aktion sollte auf der letzten hilfreichen Antwort der Kundin aufbauen. So entsteht in der Interaktion zwischen Kundinnen und Konfliktmanagerinnen die Ko-Konstruktion einer neuen Wirklichkeit.

Die lösungsfokussierte Praxis 2.0

Die aktuellen Entwicklungen im Rahmen der lösungsfokussierten Therapie beschreibt Mark McKergow in einem vielbeachteten Artikel 2016. Darin stellt er die lösungsfokussierte Praxis 1.0 und 2.0 gegenüber ( siehe Tab. S. 24) – mit dem Ziel, die professionelle Entwicklung der lösungsfokussierten Praxis aufzuzeigen (McKergow, M. 2016; eigene Übersetzung).

Nach unserer Erfahrung sind all diese Grundhaltungen und Instrumente der Gesprächsführung in höchstem Maße hilfreich und nützlich dabei, Wege aus Konfliktsituationen sowie neue Lösungen zu finden.

 Sprache schafft Wirklichkeit und Begriffe beeinflussen unsere Wahrnehmung und unser Handeln: Welches Verständnis, welche Definition von „Konflikt“ ist charakteristisch für lösungsfokussiertes Konfliktmanagement?

Dass es – wie oben bereits gesagt – den einheitlichen Ansatz des lösungsfokussierten Konfliktmanagements nicht gibt, zeigt sich unter anderem in Unterschieden zwischen einigen Autorinnen dieses Buches im Umgang mit dem Begriff „Konflikt“.

Entsprechend der Grundannahme, dass Sprache Wirklichkeit schafft, bemühen sich lösungsfokussierte Beraterinnen konsequent, eine lösungsfokussierte Sprache zu verwenden. Dies bedeutet für einige auch: Anstatt eine Situation als Konflikt oder gar als Mobbing zu bezeichnen und diese Situation näher zu beschreiben, richten sie von Anfang an die Aufmerksamkeit darauf, was sich die Kunden anstelle der aktuellen Situation wünschen.

Lösungsfokussierte Praxis 1.0

Lösungsfokussierte Praxis 2.0

Gleich bleibt, beibehalten wird …

Fokus auf die Bedürfnisse des Klienten

Radikale Akzeptanz dessen, was der Klient sagt

Wunderfrage und Arbeit mit Skalen

Fragen nach spezifischen, konkreten Details und beobachtbaren Beschreibungen

Coping-Fragen (wenn passend / notwendig)

Frage beim Follow-up-Treffen: Was ist besser?

Unterschiede / Weiterentwicklung von 1.0 zu 2.0

Lösungsfokussierte Praxis 1.0

Lösungsfokussierte Praxis 2.0

Fokus auf Fragen

Fokus auf kurze Konversationssequenzen, „Räume“, in die man den Gesprächspartner führt, Instrumente

Fragen, um Informationen zu erhalten, um dem Klienten „Aufgaben“ zu verschreiben

Fragen, um die Beschreibungen des Klienten weiterzuentwickeln

„Problem-free Talk“ / problemfreie Konversation

Gespräch führt vom Start weg zu „besten Hoffnungen“

Ziele (vorzugsweise kleine Ziele)

Beste Hoffnungen / Welche Unterschiede wird es für alle Beteiligten bedeuten, wenn die besten Hoffnungen Wirklichkeit werden?

Ausnahmen (vom Problem)

Beispiele (von Ereignissen, Handlungen etc., die mit den besten Hoffnungen / der erwünschten Zukunft verbunden sind)

Komplimente am Ende der Therapiesitzung

Wiederholtes wertschätzendes Zusammenfassen während der Therapiesitzung, kein „Komplimente-Sperrfeuer” am Ende

Pause – und spezielle Verschreibung am Ende der Sitzung

Vertrauen in die Kompetenz des Klienten zu entscheiden, ob er eine nächste Session braucht / wünscht

Tab: Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Lösungsfokussierten Praxis 1.0 und 2.0

Verschiedene lösungsfokussierte Praktikerinnen halten auch eine eingehende Konfliktanalyse nicht für notwendig. So bezeichnet beispielsweise Marco Ronzani den Verzicht auf eine Konfliktanalyse als wesentliches Charakteristikum lösungsfokussierter Konfliktberatung und Mediation. Statt den Konflikt zu analysieren, wird die Aufmerksamkeit auf die Lösungskonstruktion gerichtet (Ronzani, M. 2015, S. 212).

Dieser Grundgedanke findet sich auch bei Fredrike Banninks Gegenüberstellung von „Problem-bezogenem“ und „Lösungs-fokussiertem” Konfliktmanagement. Sie nennt als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal: „Beim Problem-bezogenen Konfliktmanagement liegt der Fokus auf dem Konflikt an sich, seinen Ursachen, den Auswirkungen und den damit verbundenen Emotionen usw. Beim Lösungs-fokussierten Konfliktmanagement liegt der Fokus darauf, was die Klienten in ihrem Leben anders haben wollen und wie sie das erreichen können. Der Fokus ist die erwünschte Zukunft der Klienten: Was wollen sie anstelle des gegenwärtigen Konflikts?“ (Bannink, F. 2009, S. 67)

Kirsten Dierolf beschreibt in ihrem Buch über lösungsfokussiertes Teamcoaching auch die Auftragsanlässe „Konflikt“ und „Mobbing“ und stellt fest: „In der lösungsfokussierten Literatur zum Thema Teamcoaching ist wenig über ‚Mobbing‘ zu finden. Das ist wahrscheinlich deswegen so, weil wir in der lösungsfokussierten Arbeit versuchen, die Probleme möglichst so zu beschreiben, dass sie als lösbar und veränderbar wahrgenommen werden. Mobbing klingt gleich sehr schwerwiegend, wenig veränderbar und chronisch. Vieles, was bei anderen Beratern vielleicht unter dem Thema Mobbing abgehandelt würde, heißt in lösungsfokussierter Beratung: ‚Gute Atmosphäre am Arbeitsplatz‘, ‚Umgang mit Missverständnissen‘ usw. – je nach dem vorliegenden Fall.“ (Dierolf, K. 2013, S. 177)

Viele Beraterkolleginnen sind der Meinung und zeigen auch durch ihre Praxis, dass Lösungsfokussierung und differenziertes Konfliktverständnis sowie eine Beschäftigung mit der von den Parteien als Konflikt erlebten Ausgangssituation vereinbar sind. Statt eine Konfliktanalyse oder Konfliktdiagnose vorzunehmen, geht es primär darum, die Ausgangssituation im Sinne eines Platform-Buildings so zu beschreiben, dass dadurch die Lösungsfindung möglichst gut unterstützt wird.

In Publikationen zeigt sich unseres Erachtens diese Haltung auch bei lösungsfokussierten Beraterinnen, die dem Ansatz der Systemischen Strukturaufstellungen nach SyST® folgen.

Die Mobbing-Forscherin und Beraterin Christa Kolodej versteht in ihrer Arbeit der Konfliktlösung mit SyST®-Strukturaufstellungen (Kolodej, Ch. 2016) Konflikte als „Interessenskollision unter Einigungszwang“ (nach Falk, G. / Heintel, P. / Krainz, E. E. 2005) und arbeitet auf Basis einer klaren und expliziten Definition von Mobbing (Kolodej, Ch. 2016, S. 11; siehe dazu auch ihren Beitrag auf S. 325). Sie berücksichtigt in ihrer Arbeit explizit die Dynamik der Konflikteskalation nach Friedrich Glasl und beschreibt, welche Formate der Aufstellungsmethodik in den drei Hauptphasen der Konflikteskalation zu empfehlen sind (Kolodej, Ch. 2016, S. 11).

Iris Hunziker und Matthias Varga von Kibéd verstehen Konflikte als „eine belastende Polarität oder Spannung zwischen zwei oder mehreren sich unterscheidenden Positionen, Aspekten, Sichtweisen usw.“ (siehe ihren Beitrag auf S. 268 sowie Ferrari, E. 2015, S. 10 und 2017, S. 269).

Auch wir erachten es als hilfreich, unserem professionellen Handeln als Berater in Konfliktsituationen ein Verständnis des Phänomens „Konflikt“ zugrunde zu legen. Das Verständnis von Konflikten als „belastende Polarität“ verweist unmittelbar auf das Bestehen von Phänomenen, die nicht auflösbar sind, sondern einen bewussten, konstruktiven Umgang verlangen.

Ebenso nützlich erleben wir das Konfliktverständnis von Friedrich Glasl. Er definiert einen sozialen Konflikt als „Interaktion zwischen Akteuren (Individuen, Gruppen, Organisationen …), wobei wenigstens ein Akteur eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit einem anderen Akteur (den anderen Akteuren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Akteur denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung durch einen anderen Akteur (die anderen Akteure) erfolgt“ (Glasl, F. 2013). Wesentlich dabei ist: Es genügt, dass bloß einer der Akteure die Unvereinbarkeit subjektiv als solche erlebt und dementsprechend handelt. Wenigstens eine Partei erlebt die Interaktion so, dass sie die Gründe für das Nichtverwirklichen der eigenen Bedürfnisse oder Ziele der anderen Partei zuschreibt. Zu den Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Wollen muss auch noch ein entsprechendes Realisierungshandeln dazukommen – kein sozialer Konflikt ist dann gegeben, wenn sich z.B. bloß die Wahrnehmungen und das Denken von zwei oder mehreren Akteuren widersprechen, ohne dass es zu irgendwelchen Aktionen kommt.

Die Unterscheidung von wahrnehmen – denken – fühlen – wollen – handeln erleben wir als sehr hilfreiche Ansatzpunkte für Bemühungen um Konfliktlösung, die es vor allem den am Konflikt Beteiligten leichter macht, ihre Sicht auf das Geschehen zu klären und die Sicht der anderen Partei besser würdigen zu können. Des Weiteren beschreibt diese Definition einen sozialen Konflikt als Interaktion, also ein aufeinander bezogenes Handeln. Konflikte werden durch Interaktion der Beteiligten geschaffen und aufrechterhalten – und es liegt in der Entscheidungsverantwortung der Parteien, ihre Interaktion zu verändern und dadurch auch die zwischen ihnen bestehende konflikthafte Situation zu verändern.

Dieses Verständnis stimmt mit einer wesentlichen Grundannahme des lösungsfokussierten Ansatzes überein: „Inbetween, not individual – the action is in the interaction.“ (Jackson, P. / McKergow, M. 2007) Probleme und Lösungen entstehen in der Interaktion. Wir Menschen können soziale Systeme verändern, indem wir unser eigenes Handeln verändern. Jedes veränderte Handeln von A bewirkt eine Veränderung im Handeln von B usw. Fragen, die kleine Veränderungen in der Interaktion zwischen Beteiligten erforschen, sind wesentliche Methoden, um Ansätze für Lösungen zu finden.

In einem konventionellen Verständnis individuellen Verhaltens wird dieses „von innen“ gesteuert – durch Werte, Glaubenssätze, Motivationen und Ähnliches. In einer „interaktionistischen Sichtweise“ führt dieser Versuch, Verhalten durch interne Zustände zu erklären, in die Irre. Menschen entwickeln ihre Fähigkeiten in der Interaktion mit ihrer Umwelt, in der Interaktion mit anderen. Auch wenn sie „alleine“ denken, dann tun sie dies im Kontext ihrer vorhergehenden Interaktionserfahrungen. Dies geht sowohl auf die Arbeiten von Gregory Bateson (1995) in den 1950er- und 1960er-Jahren zurück als auch auf die Philosophie von Ludwig Wittgenstein (1958).

Diese Sicht hat ganz praktische Implikationen. Sie macht die Arbeit mit Klienten sehr viel einfacher und klarer. Statt „mentalistische“ Sprache über Werte und Glaubenssätze zu verwenden, empfiehlt sie, die Konversation einfach zu halten, „interaktionistische“ Sprache zu verwenden, die sich auf beobachtbare Zeichen und Handlungen bezieht. Dies sind z.B. Fragen wie „Was sind erste kleine Zeichen dafür, dass sich etwas verbessert hat?“ oder „Woran werden Ihre Kollegen erkennen, dass es sich in diese Richtung entwickelt? Und welchen Unterschied wird das für Sie machen, dass die Kollegen das erkennen“ usw.

 Ihr erachtet es als nützlich für Konfliktmanagement in Organisationen, die bestehende Dynamik der Konflikteskalation zu erkennen. Für manche lösungsfokussierte Beraterinnen ist dies eher ungewöhnlich. Welchen Nutzen seht ihr damit verbunden?

Das Phänomen der in Stufen und Phasen fortschreitenden Konflikteskalation ist gut erforscht und gilt heute als gesichertes Wissen in der Fachliteratur für Konfliktmanagement und Mediation (vgl. Glasl, F. 2013, S. 197 ff.; Kolodej, Ch. 2016; Simon, F. 2012, S. 87 ff.). In unserer Praxis als lösungsfokussierte Beraterinnen bei Konflikten in Organisationen erleben wir vor allem drei hilfreiche Wirkungen:

 Emotionale Entlastung der Konfliktparteien

 Hinweise auf die voraussichtliche Dauer des Konfliktmanagements

 Orientierung bei der Wahl der Methoden

Wir wollen dies im Folgenden ein wenig erläutern.

Emotionale Entlastung der Konfliktparteien

In unseren Gesprächen mit Konfliktparteien erleben wir oft, dass diese selbst verwundert und teilweise auch verstört und schockiert sind, welche Gefühle die Interaktion mit dem Konfliktpartner – oder allein der Gedanke daran – in ihnen auslöst. Sie fühlen sich in gewisser Weise „ausgeliefert“, in eine Dynamik hineingezogen, die ihnen unangenehm ist, es geschieht etwas, das sie nicht mehr selbst steuern können. Sie erleben heftige Emotionen, teilweise auch Angst, Schlaflosigkeit, bis hin zu gesundheitlichen Beschwerden. Sie wundern sich teilweise über sich selbst – sie erleben, dass sie Handlungen ergreifen, die sie im Nachhinein bedauern etc.

Die Theorie der Konflikteskalation beschreibt diese Phänomene sehr klar und detailliert und erklärt auch, welche Faktoren den Eskalationsprozess vorantreiben (vgl. Glasl, F. 2013, S. 197 ff.). Dieses Wissen Menschen zur Verfügung zu stellen, die sich in so einer Situation befinden, wirkt als Intervention der Normalisierung (vgl. De Jong, P. / Kim Berg, I. 1998, S. 76 f.). So präsentieren wir beispielsweise Konfliktparteien ein Bild der neun Stufen der Konflikteskalation, die sich in die drei Haupt-Phasen 1. Win-win / 2. Win-lose / 3. Lose-lose gliedern. Jede einzelne Stufe wird durch typisches Denken, Fühlen, Wollen und Handeln der Konfliktparteien beschrieben. Wir erklären, dass es eben charakteristisch für den Prozess der Eskalation ist, dass Menschen in eine sie zunehmend stärker behindernde Interaktion hineingezogen werden und sie kontinuierlich mehr Mühe haben, selbstbestimmt, autonom und rational zu handeln. Zu erleben, dass das, was sie selbst spüren und unter dem sie leiden, Charakteristikum eines Prozesses ist, der nicht ungewöhnlich ist, den auch andere Menschen erleiden – aus dem sie aber mit bewussten Anstrengungen aussteigen können –, wirkt emotional entlastend und ist damit auch hilfreich für die weitere Lösungsfindung.

Hinweise auf die voraussichtliche Dauer des Konfliktmanagements

Für professionelles Konfliktmanagement in Organisationen ist es unerlässlich, zu Beginn des Prozesses zu schätzen, wie viele Ressourcen benötigt werden, um eine konstruktive Lösung zu erarbeiten. Die internen Ressourcen – Arbeitszeit der betroffenen Mitarbeiter – müssen geplant werden, allfällige externe Ressourcen – Kosten für die Beratung – müssen budgetiert und bewilligt werden. Man kann also nicht einfach nur beginnen, Schritt für Schritt vorgehen und evaluieren, wie sich die Dinge entwickeln, sondern braucht eine Schätzung einer bestimmten Anzahl und Art von geeigneten Interventionen.

Auch hierfür bietet die Eskalationstheorie hilfreiche Hinweise, da sich jedem Eskalationsgrad passende Strategie- und Rollenmodelle zuordnen lassen (vgl. Glasl, F. 2013, S. 395 ff.). So können beispielsweise in vielen Konflikten auf den Eskalationsstufen 1 und 2 in der ersten Hauptphase („Win-win“), in der bei allen Parteien noch die Überzeugung vorherrscht, die bestehenden Konflikte durch ein gut moderiertes Gespräch lösen zu können, ein oder zwei moderierte Workshops rasch zu einem Erfolg führen.

Demgegenüber ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bei einem Konflikt auf der 5. Eskalationsstufe, in der eine oder mehrere Parteien bereits einen veritablen Gesichtsverlust erlitten haben, ein längerer, vielfach mehrere Monate dauernder Entwicklungsprozess sowie eine Kombination aus individuellem Coaching, Workshops zur Verbesserung der Interaktion mit allen Beteiligten und Zeit für positive Lernerfahrungen notwendig sein wird.

Orientierung bei der Wahl der Methoden

Die Kenntnis der charakteristischen kognitiven und emotionalen Prozesse auf den einzelnen Eskalationsstufen gibt auch Hinweise, welche Methoden deeskalierend wirken können. Nach unserer Erfahrung ist diese Orientierung der Methodenwahl an der Eskalationsstufe auch hilfreich, wenn man mit lösungsfokussierter Haltung und Methodik arbeitet. Wir sehen darin keinen Widerspruch, sondern eine nützliche Unterstützung.

Lösungsfokussierte Beratung vertraut in hohem Maße darauf, dass Menschen Experten für ihre eigenen Lösungen und selbst in der Lage sind, die für sie passenden Lösungen zu finden. Die Rolle der Beraterin besteht wesentlich darin, durch geeignete Fragen und Methoden diese selbstständigen Lösungsprozesse anzuregen.

Auch das Konzept der Konflikteskalation beschreibt den Nutzen von „Selbstheilungskräften“ der Parteien für Konfliktbewältigung. Nach Glasl sind diese Selbstheilungskräfte auf den Eskalationsstufen 1 und 2 intakt, aber gefordert, auf den Stufen 3 und 4 angeschlagen und herausgefordert und ab Eskalationsstufe 5 nicht mehr funktionierend sowie überfordert (Glasl, F. 2012). Wir haben die Autorinnen und Autoren unseres Buches gebeten, anzugeben, für welche Eskalationsstufe die beschriebene Methode geeignet ist. Die meisten sind dieser Bitte gefolgt, die Darstellungen der Kolleginnen und Kollegen bestätigen den überwiegenden Einsatzbereich der Methoden auf den Eskalationsstufen 1 bis 4, einige auch bei weiter fortgeschrittener Eskalation.

 Welche Rolle spielt der Kontext „Organisation“ – welche Besonderheiten seht ihr beim Konfliktmanagement in Organisationen?

Professionelles Handeln in Organisationen benötigt ein fundiertes Verständnis davon, was Organisationen sind, wie sie entstehen, sich entwickeln, wie sie verändert werden können etc. In der Ausbildung von Führungskräften, Organisationsberatern und Organisationsmediatoren ist die Auseinandersetzung mit der Organisationstheorie und der Theorie des Change-Managements deshalb ein unverzichtbares, wesentliches Element. Als „State of the Art“ gilt heute ein systemisches Verständnis von Organisationen und organisationaler Veränderung, wobei sich dieses wiederum in viele verschiedene Systemtheorien bzw. Ansätze systemischen Arbeitens differenziert (vgl. Ballreich, R. / Glasl, F. 2011; Heitger, B. / Doujak, A. 2014; Varga v. Kibéd, M. / Sparrer, I. 2002; Schmidt, G. 2015; Simon, F. B. 2012; Wimmer, R. 2012).

Wir folgen dabei dem Verständnis von Organisationen von Friedrich Glasl (Ballreich, R. / Glasl, F. 2011; Glasl, F. 2013; Glasl, F. / Kalcher, T. / Piber, H. 2008). Demzufolge betrachten wir Unternehmen als komplexe Systeme mit drei Subsystemen (siehe Abb. S. 31): dem kulturellen, dem sozialen und dem technisch instrumentellen Subsystem. Jedes dieser Subsysteme umfasst unterschiedliche Systemelemente, die miteinander vielfältig vernetzt sind.

Jedes dieser Systemelemente birgt typische Konfliktpotenziale, die wir nachfolgend nur beispielhaft benennen (vgl. dazu ausführlicher Ballreich, R. / Glasl, F. 2011, S. 134 ff. und Glasl, F. 2013, S. 124 ff.)

Abb.: Systemkonzept der Organisation

Identität der Organisation

 Unterschiede, Widersprüche zwischen proklamierten und gelebten Werten

 Unterschiedliche Werte, Teil-Identitäten in verschiedenen Unternehmensteilen

Policy und Strategie einer Organisation

 Unterschiede zwischen proklamierten Strategien / Programmen und gelebter Realität

 Widersprüche zwischen Teil-Strategien verschiedener Einheiten des Unternehmens

Struktur der Aufbau-Organisation

 Widersprüche an den Schnittstellen einer Matrix-Organisation

 Widersprüche zwischen notwendigen zentralen Steuerungs- bzw. Anweisungsbefugnissen und notwendigem dezentralem Freiraum

Menschen, Gruppen, Klima

 Unvereinbarkeiten zwischen Werten und Bedürfnissen verschiedener Menschen

 Gegensätze zwischen Führungsstilen verschiedener Führungskräfte einer Organisation

Einzelfunktionen und Organe

 Fehlende Kongruenz von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einer Funktion

 Unklare Grenzen zwischen Befugnissen verschiedener Organe

Prozesse, Abläufe

 Unklar definierte Prozesse, Doppelgleisigkeiten

 Unklare oder unterschiedliche Standards in Teil-Prozessen, Schnittstellenprobleme

Physische Mittel

 Verteilung von Budgets und sonstigen Ressourcen

 Räumliche Gestaltung der Organisation, Distanz, räumliche Trennung von zusammengehörenden Abläufen bzw. Abteilungen

Wir erachten es als nützlich und notwendig, Konfliktmanagement in Organisationen auf einem professionellen Konzept und Verständnis von Organisationen zu fundieren. Das Handeln der Menschen in Organisationen ist immer durch die systemischen Rahmenbedingungen geprägt. Konflikte, die zwischen Menschen auftreten und als persönliche Konflikte erscheinen, haben meist Zusammenhänge zu anderen Systemelementen und sind nur verstehbar, aber auch nur lösbar, wenn man diese erkennt. Das Benennen dieser Zusammenhänge im Rahmen einer lösungsfokussierten Beschreibung des Konfliktgeschehens führt in der Regel zu einer emotionalen Entlastung und damit einen Schritt näher zum Finden einer Lösung.

Organisationen agieren in einem komplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld und entwickeln und verändern sich permanent. Sie durchlaufen charakteristische Entwicklungsphasen und verändern sich in der Auseinandersetzung mit Anforderungen der Märkte und des gesellschaftlichen Umfeldes. Jede dieser Entwicklungsphasen ist mit für sie typischen Spannungsfeldern verbunden. Diese sind einerseits ein Konfliktpotenzial, andererseits ermöglicht der konstruktive Umgang damit dynamische Weiterentwicklung und im besten Falle eine erwünschte Transformation der Organisation. (Piber, H. 2011, S. 175 ff.)

Der Konkurs eines wesentlichen Kunden, Änderungen gesetzlicher Rahmenbedingungen, Veränderungen der politischen Stabilität in einem wesentlichen Absatzmarkt, Digitalisierung von Prozessen und damit verbundene Veränderungen der Qualifikationsanforderungen – all diese externen und internen Veränderungen haben unmittelbare Konsequenzen auf die in der Organisation arbeitenden Menschen. In vielen Fällen gehen solche Veränderungen mit Konflikten einher oder werden von den Betroffenen als Konflikt erlebt. Derartige Konflikte sind dann auch nicht vermeidbar – die Herausforderung ist, sie auch als Ausdruck systemischer Spannungsfelder zu sehen und Lösungen zu finden, die die weitere Entwicklung des Gesamtsystems unterstützen.

Für den konstruktiven Umgang mit Konflikten in Organisationen bedeutet dieses Verständnis von Organisationen Folgendes: Nicht alle Konflikte in Organisationen sind „lösbar“ – weil sie mit organisationalen Widersprüchen und Polaritäten verbunden sind, die nicht „auflösbar“ sind. Deshalb sprechen wir auch von Konfliktmanagement und nicht von Konfliktlösung, weil eben das konstruktive Umgehen mit systemischen Widersprüchen dauerhaft geleistet werden muss. Die „Lösung“ besteht in diesen Fällen oft darin, die systemischen Widersprüche zu erkennen und eine Haltung ihnen gegenüber zu finden, die es erlaubt, Widersprüche zu balancieren, Unterschiede und Spannungen auszuhalten, ja vielleicht sogar als lebendige Bereicherung zu erleben. Oft sind Konflikte in Organisationen wichtige Signale – Anzeichen dafür, dass organisatorische Veränderungen bzw. Maßnahmen der Organisationsentwicklung notwendig sind.

Wir erachten Konflikte in Organisationen deshalb nicht als etwas „Schlechtes“, das es zu vermeiden gilt, sondern als ein Phänomen, das unvermeidlich mit der Zusammenarbeit von Menschen in Organisationen und mit der Entwicklung von Organisationen verbunden ist. „Problematisch ist nicht der Konflikt, sondern die unbeabsichtigte Eskalation von Konflikten.“ Diese Aussage bringt etwas sehr Wesentliches auf den Punkt: Angesichts unvermeidbarer Widersprüche und Konflikte ist es eine notwendige Kompetenz von allen Menschen in Organisationen, damit achtsam umzugehen, die Kommunikation in Konfliktsituationen sehr bewusst und lösungsorientiert zu gestalten, Bedürfnisse und Interessen aller Beteiligten zu respektieren und nach Win-win-Lösungen zu suchen. So können als destruktiv erlebte Spannungen in konstruktive Spannungen transformiert werden.

 Gibt es charakteristische Phasen, ein Phasenmodell einer lösungsfokussierten Mediation? Wie gestaltet ihr einen längerfristigen Prozess des Konfliktmanagements?

Friedrich Glasl beschreibt drei Hauptphasen eines Konfliktmanagement-Prozesses, die in einem sehr allgemeinen Sinn gelten: Orientierungsphase, spezielle Konfliktbehandlungsstrategien, Konsolidierungsphase (Glasl, F. 2013). Diese Unterscheidung ist nach unserem Verständnis auch bei lösungsfokussiertem Konfliktmanagement nützlich und hilfreich.

Entsprechend dem Grundsatz „Jeder Fall ist anders“ muss unseres Erachtens auch lösungsfokussiertes Konfliktmanagement immer mit einer „Orientierungsphase“ beginnen und in dieser den nachfolgenden Prozess der Konfliktbehandlung so weit wie möglich planen. Wir sehen einige Besonderheiten, wenn dies mit einer lösungsfokussierten Haltung geschieht. Martina Scheinecker hat diese im Beitrag „Orientierungsphase gestalten“ (siehe S. 45) beschrieben. Jedenfalls geschieht eine sorgfältige Auftragsklärung sowie ein „Platform-Building“ (Jackson, P. / McKergow, M. 2007) mit allen Konfliktparteien zu Beginn der Beratungsbeziehung. Unverzichtbar erachten wir eine Erkundung ihrer erwünschten Zukunft und eine lösungsfokussierte Beschreibung der Ausgangssituation. Ein wesentlicher Teil dessen bezieht sich darauf, die selbstständige Lösungskompetenz und Ressourcen der Parteien bewusst zu machen und zu stärken. Ebenso wesentlich ist, die im Zuge des Konfliktgeschehens erlebten Probleme und Emotionen anzuerkennen und emotionale Entlastung zu ermöglichen.

In der zweiten Hauptphase – spezielle Konfliktbehandlungsstrategien – werden Methoden angewendet, die die Kunden bestmöglich unterstützen, ihre erwünschte Zukunft zu erreichen.

Eine Anregung von Mark McKergow (2016) aufgreifend, stellen wir den Ablauf einer lösungsfokussierten Konfliktbehandlung mittels eines Bildes unterschiedlicher „Räume“ dar, in die wir unsere Kunden im Rahmen eines Prozesses der Konfliktbehandlung führen. In jedem einzelnen Beratungsgespräch oder Workshop wird in einzelnen oder allen dieser „Räume“ mit den entsprechenden Methoden gearbeitet, je nach Bedarf der Kunden.

Abb.: Räume des Konfliktmanagements (nach Iveson, C. / McKergow, M. 2016)

Da jeder Fall anders ist, wird auch der Entwicklungsweg von zwei Konfliktparteien, eines Teams oder einer Organisationseinheit durch diese „Räume“ im Rahmen eines Prozesses des Konfliktmanagements jeweils ein besonderer sein. Nach unserer Erfahrung gibt es kein allgemeines Phasenmodell einer lösungsfokussierten Konfliktklärung, sondern jeweils individuelle und situativ sich entwickelnde Wege durch diese „Räume“.

Lösungsfokussierte Beratung in den vier Räumen des Konfliktmanagements

 Im ersten Raum „Ressourcen und Beziehung stärken“ unterstützen wir die Parteien, auf das zu fokussieren, was trotz der belastenden Polaritäten und Probleme noch gut funktioniert, und einander so weit wie möglich Wertschätzung und Anerkennung entgegenzubringen.

 Von dort führen wir sie in den zweiten Raum: „Zukunftsbilder gestalten und Lösungen finden”. Mit einer Fülle von Methoden unterstützen wir den Perspektivenwechsel in Richtung Hoffnung und erwünschter Zukunft und das „Finden“ der Lösung.

 Manche Konfliktparteien wollen noch den dritten Raum besuchen: „Lösungsfokussiert an Konfliktthemen arbeiten“. Dort unterstützen wir sie bei der Arbeit an den von ihnen genannten Problemen, so tief gehend wie diese das wünschen, mit geeigneten Methoden und lösungsfokussierter Haltung.

 Andere benötigen diese Klärungen nicht mehr, weil ihnen nach der Arbeit an der erwünschten Zukunft gleich der Weg in den vierten Raum möglich ist: „Vereinbarungen und Beobachtungsaufgaben“. Die Konfliktparteien vereinbaren, was sie in der nächsten Zukunft konkret tun werden, um ihre vormals konflikthafte Beziehung konstruktiver zu gestalten, und woran sie erste kleine Fortschritte beobachten werden. Ebenso vereinbaren sie, ob sie noch ein weiteres Mediationstreffen im Rahmen des Konfliktmanagement-Prozesses wünschen.

Im Anschluss daran setzen sie in ihren Begegnungen im normalen Arbeitsalltag das um, was sie im Zuge des Konfliktmanagement-Prozesses gelernt und vereinbart haben. Sie erleben und reflektieren ihre Interaktion, lernen dabei und entwickeln sie weiter.

Wenn gewünscht und notwendig, gibt es noch einen oder mehrere weitere Workshops oder andere Formate im Rahmen eines längerfristigen Prozesses des Konfliktmanagements. Jeder Folge-Workshop ermöglicht, aus dem „Change between the Sessions“ zu lernen. Die Beraterin unterstützt die Parteien, zu evaluieren, was ihnen bei der Umsetzung im Alltag gelungen ist und was sie dabei gelernt haben, um ihre Interaktion in Zukunft konstruktiver zu gestalten. In der lösungsfokussierten Beratung ist diese Evaluierung ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Lösung. Sie bewirkt eine weitere Stärkung der selbstständigen Lösungskompetenz der Parteien, zeigt aber auch, an welchen Problemen die Parteien noch arbeiten müssen.

Beim nachfolgenden Workshop werden die Parteien wieder in die oben beschriebenen „Räume“ geführt. Sie befinden sich nun auf einem neuen Entwicklungsniveau und sind in der Regel in der Lage, neue Ressourcen zu entdecken. Nicht ungewöhnlich ist auch, dass sich die Bilder einer erwünschten Zukunft mit Fortschreiten des Konfliktmanagements verändern. Nach wie vor bestehende systemische Polaritäten können vielleicht mit einem erweiterten Verständnis betrachtet und erlebt werden. Die Beraterin unterstützt dabei weiterhin durch geeignete Methoden. Wieder beenden die Parteien diese Phase des Konfliktmanagement-Prozesses mit konkreten Vereinbarungen und Beobachtungsaufgaben und der eventuellen Vereinbarung eines weiteren Mediationstreffens.

Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Parteien überzeugt sind, keine weitere externe Unterstützung in ihrem Konfliktmanagement-Prozess zu benötigen – im Rahmen einer Mediation: ab dem Mediationstreffen, in dem die Abschlussvereinbarung unterzeichnet wurde –, beginnt die „Konsolidierungsphase“.

Wir empfehlen, nun eine längere Phase der Praxiserprobung zu vereinbaren. Der Zeitraum für diese Phase wird mit den Parteien gemeinsam festgelegt. Die Parteien sollen selbst entscheiden, wie lange sie benötigen, um in der Praxis zu überprüfen, ob sie in der Lage sind, die getroffenen Vereinbarungen und Verhaltensänderungen wirklich nachhaltig umzusetzen. Hilfreich ist, zusätzlich zu vereinbaren, dass kurzfristig ein Klärungstermin mit der Beraterin angesetzt werden kann, falls es – wider Erwarten – während des Erprobungszeitraumes zu einer Eskalation kommen sollte, für die die Parteien selbstständig keine Lösung finden können.

Nach Ablauf dieser Phase findet ein Evaluierungsgespräch statt, in dem die Erfahrungen reflektiert werden: Was ist den Parteien in ihrer Interaktion und Zusammenarbeit gemeinsam gelungen? Welche neuen Entwicklungen haben sich ergeben, welche neuen Potenziale haben sich gezeigt?

Zur Unterstützung der Reflexion und zur Sicherstellung, dass auch wirklich alle wichtigen Anliegen betrachtet werden, empfehlen wir, noch einen gemeinsamen Blick auf die Vereinbarungen aus dem letzten Workshop zu werfen. Falls es noch offene Themen gibt, können weitere Verbesserungen erarbeitet werden. Oftmals geht die Konfliktbehandlung in dieser Phase in einen Prozess der Team- oder Organisationsentwicklung über.

Im Idealfall gelingt es auch, auf einer tieferen Ebene zu reflektieren: Was hat uns geholfen, nicht wieder in alte Muster zu verfallen? Wie haben wir es geschafft, konstruktiver und lösungsorientierter miteinander umzugehen? Wie haben wir es geschafft, uns durch die Interaktion gegenseitig zu stärken?

Wenn es den Parteien gelingt, sich diese Lernschritte bewusst zu machen, steigt die Wahrscheinlichkeit weiter, dass es ihnen nachhaltig gelingt, eine neue Qualität der Kooperation zu realisieren.

Diese abschließende Evaluierung muss nicht immer mit der Beraterin durchgeführt werden. Da die Arbeit mit der Beraterin mit Kosten verbunden ist, entscheiden manche Kunden, dies selbstständig zu tun, wenn sie überzeugt sind, dass sie nun ausreichend gut ohne externe Unterstützung dazu in der Lage sind.

Die Struktur unseres Buches folgt der Unterscheidung der genannten „Räume“. Die meisten Methoden, die die Autoren beschreiben, sind nicht nur in einem, sondern in mehreren dieser „Räume“ anwendbar. Wir haben sie dort zugeordnet, wo wir ihre besondere Stärke sehen.

Literatur

 Bannink, F. (2009): Praxis der lösungsfokussierten Mediation. Stuttgart, Concadora Verlag.

 Ballreich, R. / Glasl, F. (2011): Konfliktmanagement und Mediation in Organisationen. Stuttgart, Concadora Verlag.

 Bateson, G. / Ruesch, J. (1995): Kommunikation. Die soziale Matrix der Psychiatrie. Heidelberg, Carl-Auer Verlag.

 De Jong, P. / Kim Berg, I. (1998): Lösungen (er)finden. Das Werkstattbuch der lösungsorientierten Kurztherapie. Dortmund, Verlag modernes lernen.

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