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Ruby findet eine Ballonnachricht mit einer Liebesbotschaft, die zu Herzen geht. Obwohl es leichter scheint, eine Stecknadel im Heuhaufen als die Absenderin zu suchen, macht Ruby die attraktive Gärtnerin Lea ausfindig. Doch sie traut sich nicht, ihr von der "Love Message" zu erzählen ...
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Seitenzahl: 76
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Liebesgeschichte
© 2013édition el!es
www.elles.de [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3-95609-077-6
Coverfoto: © nikkytok – Fotolia.com
Das Fahrrad lehnte am Baum, während ich auf der anderen Seite in dessen Schatten pausierte und vor mich hindöste.
Es mussten inzwischen über dreißig Grad sein. Mein Top war völlig durchgeschwitzt. Durstig trank ich aus der Wasserflasche. So warm wie die Flüssigkeit war, bot sie keine wirkliche Erfrischung, sondern löschte lediglich den Durst. Missmutig verzog ich das Gesicht.
Seit neun Uhr war ich nun schon mit dem Rad unterwegs und hatte jetzt fünfundzwanzig Kilometer hinter mir. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab. Daher überlegte ich, ob ich zumindest über die Mittagshitze eine größere Rast machen sollte. Mir war nicht danach, mir einen Sonnenstich zu holen, den ich sonst beim Weiterfahren unweigerlich bekommen würde. Oder gar einen Kreislaufkollaps.
Vielleicht gab es in der Nähe einen See, wo ich mich zumindest im kühlen Nass erfrischen konnte. Das Navi auf meinem Handy verweigerte mir diesen Wunsch und zeigte nichts Derartiges an; alle Gewässer dieser Art waren zu weit weg.
Was soll’s, dachte ich, mache ich halt hier eine Stunde Pause, bevor ich gemütlich zurückfahre.
Ich streckte mich der Länge nach im Gras aus, darauf bedacht, im Schatten des Baumstammes zu bleiben. Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen schaute ich in die Baumkrone. Kein Blatt bewegte sich. Es war absolut windstill. Ein Dach aus saftigem Grün, wie man es im Juni nicht anders erwartete.
Ein roter Farbtupfer stach mir ins Auge. Irgendetwas, das nicht zu diesem Baum passte. Ein Stofffetzen vielleicht?
Ich verrenkte meinen Kopf, um einen besseren Blickwinkel darauf zu bekommen. Das rote Teil bewegte sich. Ich erkannte einen Luftballon, der zwar noch ganz schien, aber schon reichlich von seinem Inhalt verloren hatte. Der klägliche Rest reichte allerdings noch, um ihn unruhig auf dem Ast, an dem er sich verfangen hatte, herumhüpfen zu lassen.
Ein Stück Papier hing an der Schnur, die das letzte bisschen Helium im Ballon zusammenhielt.
Neugierig stand ich auf und suchte nach einer Möglichkeit, auf den Baum klettern zu können. Weiter oben waren die Äste gut verteilt, aber bis zum ersten Ast zu kommen, war das Problem. Der war gut zweieinhalb Meter über dem Boden.
Ich positionierte mein Fahrrad so, dass ich auf Lenker und Sitz steigen und somit den Ast mit beiden Händen umfassen konnte. Mit Schwung brachte ich meine Beine nach oben. Einen Moment lang hing ich wie ein Faultier am Baum, bis ich es geschafft hatte, auf dem Ast zum Sitzen zu kommen. Stück für Stück kletterte ich an dem Baum nach oben, bis ich bei dem Luftballon angekommen war.
Es war ein knallroter Ballon mit einer Postkarte daran. Sogar die Schrift war noch zu erkennen.
Ich machte mich wieder an den Abstieg. Vom letzten Ast sprang ich hinunter und landete weich im Gras.
Erneut setzte ich mich in den Schatten des Baumes und las das Geschriebene auf der Karte.
Es ist ganz still und friedlich in dieser kalten Nacht. Allein gehe ich spazieren. Der Mond am Himmel wacht, die Bäume flüstern leise. Ich sehe Kerzenlicht in vielen hellen Fenstern. Ich sehe die Sterne, ich spüre den Wind im Haar. Ziellos gehe ich weiter, die Augen glänzen im Licht des Mondes, geblendet von jedem Stern am Himmel. Regentropfen durchdringen meine Kleidung. Niemals werde ich finden, wonach ich suche . . . Ich schließe meine Augen, will wie ein Schmetterling in die Lüfte fliegen. Dein Duft so frisch und süß, dass es mir den ganzen Tag versüßt. Deine Küsse so sanft und zart, dass ich die ganze Zeit nur an dich denken mag. Die ganze Welt möchte ich umarmen. Deine Augen sind so tief und klar, deine Zärtlichkeit ist so unglaublich schön wie tausend Schmetterlinge, die mich in die Höhe treiben. Ich will dich berühren, immer deine Nähe spüren und deine Lippen mit zärtlichen Küssen versiegeln . . . Warum musstest du nur gehen? Ich werde dich immer lieben. Deine Lea Raum, 24. Dezember 2010
Die Zeilen zogen mich unwillkürlich in ihren Bann. Ich las sie ein zweites und ein drittes Mal.
Auf meinen Streifzügen durch die Natur hatte ich schon die eine oder andere Ballonnachricht gefunden, aber die stammten meistens von Kinderfesten oder von Hochzeiten. Diese hier war etwas ganz Besonderes. Ein Einzelstück. Eine Liebeserklärung an jemanden, den es nicht mehr im Leben jener Lea gab.
In diesen Zeilen steckten so viele Emotionen. Zeilen, die real waren, und Zeilen, die in Erinnerungen an Vergangenes schwelgten. Diese Lea schien eine glückliche Zeit mit der Person gehabt zu haben, an die diese Nachricht gerichtet war. Doch warum schrieb man so etwas auf eine Karte und vertraute sie einem Luftballon auf dessen Reise ins Ungewisse an? Lea hätte diese Karte auch direkt per Post schicken können. Es sei denn . . . ja, es sei denn diese Person lebte nicht mehr.
Erneut las ich die Worte. Irrte Lea noch immer ziellos durch die Nächte? Immerhin war seitdem ein halbes Jahr vergangen.
Niemals werde ich finden, wonach ich suche . . .
Wonach suchte sie? Nach Liebe? Nach Geborgenheit? Oder nach Glück?
Wer war die Person, die gegangen war?
Und wer war Lea?
Unwillkürlich verspürte ich das Bedürfnis, jene Lea aufzuspüren und vielleicht mehr über sie zu erfahren.
Ein Unterfangen, das sicher der sprichwörtlichen Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen glich. Ich hatte nur diesen Vornamen, das Datum und – Raum. War damit ein Zimmer gemeint? Oder gab es tatsächlich eine Ortschaft dieses Namens?
Über mein Handy gab ich ins Navi als Ziel Raum ein. Siehe da, es brachte mir ein Ergebnis. Ein kleines Dorf am Rande des Erzgebirges, etwa vierzig Kilometer von meinem Wohnort entfernt. Ich hatte noch nie etwas davon gehört. Meine weitere Suche im Internet brachte mir lediglich vom Nachbarort Hartenstein einen Prinzenraub als historische Info. Aber ich wollte ja nicht in der Geschichte stöbern, sondern lediglich den Ort und Lea finden.
Ungeachtet der sengenden Sonne schwang ich mich auf mein Rad und radelte in einem Wahnsinnstempo nach Hause. Mancher Spaziergänger musste denken, ich sei auf der Flucht, so wie ich an ihnen vorbeiraste. Aber das war mir egal. Ich hatte immer nur die Karte vor meinem geistigen Auge. Inzwischen kannte ich die Zeilen auswendig. Und je mehr sie mir durch den Kopf gingen, umso intensiver wurde der Wunsch, noch heute Abend nach Raum zu fahren. Es wurde zu einer fixen Idee.
Zu Hause angekommen, trank ich eine gut gekühlte Flasche Wasser mit einem Zug leer, duschte und während ich mir die Haare trocken föhnte, aß ich nebenbei ein paar Kekse. Mein Mittagessen war ausgefallen, aber ich verspürte auch keinen großen Hunger. Sicher gab es in jenem Ort eine Gaststätte, wo ich zu Abend essen konnte. Vielleicht konnte ich da sogar etwas über diese Lea in Erfahrung bringen. Gaststätten und Friseure, das waren die Stätten, wo man am ehesten den Ortsklatsch erfahren konnte.
Für mein Outfit wählte ich ein paar kurze Jeansshorts und ein hellblaues Trägertop. Dann startete ich mit meinem Mini die Tour übers Land.
Nach einer guten halben Stunde verkündete mein Navi: »Sie haben Ihr Ziel erreicht.«
Ja, vor mir las ich das Ortseingangsschild. Raum. Auf den ersten Blick ein kleines malerisches Dörfchen. Ich fuhr die Hauptstraße entlang und war nach knapp einer Minute bereits beim Ortsausgang am anderen Ende des Dorfes angekommen. Zu Fuß musste das höchstens eine Viertelstunde dauern.
Okay, zwei Nebenstraßen hatte ich gesehen. Ich kehrte um und bog in die erste Nebenstraße ein. Die kam irgendwo wieder auf der Hauptstraße heraus. Die zweite Nebenstraße führte in den nächsten Ort, also wendete ich meinen Mini erneut und fuhr ins Dorf zurück. Wenn hier mal vierhundert Einwohner lebten, war das sicher schon hoch geschätzt. Und rundherum nur Feld, Wald, Wiese. Ein Fleckchen Erde, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagten.
Mitten im Ort war mir sofort die scheinbar einzige Gaststätte ins Auge gefallen: Zur grünen Tanne. Ein schön hergerichtetes Fachwerkhaus. Im Innenhof standen zwei große Kastanienbäume, unter denen man parken konnte. Ich stellte den Mini im Schatten der Bäume ab und betrat das Restaurant.
Eine rustikale Einrichtung erwartete mich. Kummetgeschirre, Ortscheite und Wagenräder von alten Pferdegespannen hingen restauriert an den Wänden oder dienten als eine Art Kronleuchter. Grüne Gestecke auf Tischen und Fensterbänken unterstrichen die ländliche Atmosphäre.
Es herrschte kaum Betrieb. Ein paar einzelne Gäste und am Stammtisch drei Skat spielende Männer. Ich suchte mir einen Tisch in der Ecke neben dem Eingang, wo ich die gesamte Gastwirtschaft im Blick hatte und zudem noch aus dem Fenster auf den Innenhof schauen konnte.
Der Wirt brachte mir sofort die Karte. Ich bestellte eine Apfelschorle.
Während ich auf mein Essen wartete, versuchte ich, von den Gesprächen an den Nachbartischen ein paar Fetzen aufzufangen, insbesondere vom Stammtisch. Schnell stellte ich fest, dass diese Männer die einzigen Ortsansässigen waren. Alle anderen Gäste kamen von außerhalb.
Wie sollte ich es bloß anstellen, sie nach einer Lea zu fragen? Wenigstens war das kein so geläufiger Name, so dass eine Frau mit einem solchen Namen bestimmt bekannt war. Aber was sollte ich nur sagen? »Hallo Leute, ich suche Lea. Wo kann ich sie finden?«