Lovecrafts Schriften des Grauens 36: Cthulhu Libria Neo 5 - Horror Hospital - Christopher Müller - E-Book

Lovecrafts Schriften des Grauens 36: Cthulhu Libria Neo 5 - Horror Hospital E-Book

Christopher Müller

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Beschreibung

Gruseln, bis der Arzt kommt!So könnte das Motto dieser Ausgabe des CTHULHU LIBRIA NEO-Magazins lauten.Mit Essays und Erzählungen rund um das Grauen in Krankenhäusern und Sanatorien von Christopher Müller, Thomas Backus, Arthur Gordon Wolf u. v. m.

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Seitenzahl: 194

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Jörg Kleudgen (Hrsg.)CTHULHU LIBRIA NEO 5

In dieser Reihe bisher erschienen:

2101 William Meikle Das Amulett

2102 Roman Sander (Hrsg.) Götter des Grauens

2103 Andreas Ackermann Das Mysterium dunkler Träume

2104 Jörg Kleudgen & Uwe Vöhl Stolzenstein

2105 Andreas Zwengel Kinder des Yig

2106 W. H. Pugmire Der dunkle Fremde

2107 Tobias Reckermann Gotheim an der Ur

2108 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Xulhu

2109 Rainer Zuch Planet des dunklen Horizonts

2110 K. R. Sanders & Jörg Kleudgen Die Klinge von Umao Mo

2111 Arthur Gordon Wolf Mr. Munchkin

2112 Arthur Gordon Wolf Red Meadows

2113 Tobias Reckermann Rückkehr nach Gotheim

2114 Erik R. Andara Hinaus durch die zweite Tür

2115 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo

2116 Adam Hülseweh Das Vexyr von Vettseiffen

2117 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 2

2118 Alfred Wallon Salzburger Albträume

2119 Arno Thewlis Der Gott des Krieges

2120 Ian Delacroix Catacomb Kittens

2121 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 3

2122 Tobias Reckermann Gotheims Untergang

2123 Michael Buttler Schatten über Hamburg

2124 Andreas Zwengel Finsternacht

2125 Silke Brandt (Hrsg.) Feuersignale

2126 Markus K. Korb Treibgut

2127 Tobias Reckermann (Hrsg.) Drommetenrot

2128 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 4

2129 Peter Stohl Das Hexenhaus in Arkheim

2130 Silke Brandt (Hrsg.) Das Kriegspferd

2131 Anton Serkalow Berge des Verderbens

2132 Klaus-Peter Walter Sherlock Holmes gegen Cthulhu

2133 T. E. Grau Diese alten und dreckigen Götter

2134 Anton Serkalow Träume im Heckenhaus

2135 Michael Buttler Die Astronautenvilla

2136 Jörg Kleudgen (Hrsg.) Cthulhu Libria Neo 5

Jörg Kleudgen (Hrsg.)

Cthulhu Libria Neo 5

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KleudgenTexte: Jörg Kleudgen, Arthur Gordon Wolf, Christopher Müller, Denis Vidinski, Elmar Huber, Thomas Backus, Thomas Ulbrich, Rainer Zuch, Marius von der ForstIllustrationen: Christopher Müller, Jörg Kleudgen, Dagmar KintzelFotografien: Denis Vidinski (Genius Loci), Hannelore Körber (Interview J. Körber)Korrektorat: AsKTitelillustration: Jörg KleudgenUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierVignette: Jörg KleudgenSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-75796-168-8

Inhaltsverzeichnis

Editorial
„Irgendwie schmeckt hier alles nach Fisch, aber die Pfleger sind voll nett“
Doktor Nimmerlein
Mit Thomas Ligotti im Irrenhaus.
Die wilden Geschichten meines Onkels
"0,9 Sekunden"
- 1 -
- 2 -
- 3 -
- 4 -
- 5 -
- 6 -
- 7 -
Krankenhaeuser in Lovecrafts Werk:
H. P. Lovecraft und sein gespaltenes Verhältnis zu Hospitälern
Gesucht: Das Horror-Hospital in Lovecrafts ­Erzählungen
Beliebte Handlungsschauplätze
Der Mediziner in Lovecrafts Erzählungen
Erzähler, Helden und Unwissende
Genie und Wahnsinn
Quellen
Phantastische Ermittler: Jo Zybells "Tom Percival"
„Das Büchermachen ist heute völlig entzaubert“
Der Sound der großen Alten III
Genius Loci: Sebaldsbrück
I
II Nachtrag
Der vergessene Bücherschrank
Iä, Cyäegha!
H.P. Lovecraft / Francois Baranger: Berge des Wahnsinns
Fußnoten

Editorial

Wenn es Orte gibt, die vorbestimmt sind, Ängste, Schmerzen und Tod in sich aufzunehmen, dann zählen Krankenhäuser zweifellos dazu. Wo sonst (ausgenommen die Schlachtfelder der Kriege dieser Welt) wird so viel gelitten und gestorben, wo sonst findet sich der Mensch mit Angst und Einsamkeit konfrontiert?

Nach Möglichkeit meiden wir diese Orte, wodurch wir aber unseren Phantasien noch mehr Raum geben. Das aufgegebene Sanatorium, durch dessen Gänge nachts Schreie hallen, die Anstalt, in der das Personal selbst dem Wahnsinn anheimgefallen ist und eigentlich gesunde Menschen festgehalten werden, das medizinische Experiment, das außer Kontrolle gerät:

Wir projizieren unsere eigenen Ängste auf die vermeintlich weißen Flecken unserer Wahrnehmung, wo sie sich mit eigenen Erfahrungen vermischen, und wir erinnern uns, dass Deutschland in dieser Hinsicht ein besonders schweres Erbe zu tragen hat, die mit perfider Sorgfalt geplante und in Tötungsanstalten vollzogene Vernichtung als „unwert“ befundenen Lebens unter der euphemistischen Bezeichnung der „Euthanasie“ im Dritten Reich.

Es ist wie so oft: Die Realität ist schlimmer als die schlimmste Phantasie!

Jörg Kleudgen

„Irgendwie schmeckt hier alles nach Fisch, aber die Pfleger sind voll nett“

Das Arkham-Sanatorium

eine Betrachtung von Elmar Huber

Die ersten Symptome: Tobias Bachmann: „Die Anstalt des Doktor Ambrosius“

(in: Markus K. Korb (Hrsg.), Jenseits des Hauses Usher.Windeck: BLITZ-Verlag, 2002)

Der Erzähler und Protagonist der Geschichte stellt sich in Dr. Ambrosius’ Anstalt im Süden Frankreichs für die Arbeit eines Nachtwächters vor. Der Klinikleiter führt den Bewerber durch die Räume und zeigt ihm bei dieser Gelegenheit eine Kostprobe der von ihm entwickelten Elektroschocktherapie. „Der Patient wird an einen Stromgenerator angeschlossen, der Strom durch ihn hindurchgejagt und auf diese Weise repariert man die Leitungen des Gehirns.“ Die junge Patientin, die für diese Demonstration zur Verfügung stehen muss, schlägt den unbedarften Zuschauer sogleich mit ihrer herausragenden Schönheit und einer Aura von Schwermut in ihren Bann. Verunsichert erbittet sich der Bewerber Bedenkzeit, doch ein Traum, in dem er von der jungen Frau gelockt wird, gibt den Ausschlag, die Arbeitsstelle anzunehmen.

Nun ist die Tätigkeit als Nachtwächter in dem Sanatorium nicht nur auf regelmäßige Rundgänge beschränkt, einigen Patienten müssen auch zu festgelegten Zeiten Medikamente verabreicht werden. So auch der jungen Frau, die nach mutmaßlicher Verbesserung ihres Zustandes plötzlich auf einen Pfleger losgegangen ist. Während des nächtlichen Besuchs gelingt es der Patientin erneut, den Nachtwächter zu manipulieren.

Tobias Bachmann stellt fest: Markus und ich kennen uns ja schon seit unseren ersten literarischen Schritten, die wir in der Öffentlichkeit taten. Markus rezensierte die Erstausgabe meines Bandes Kaleidoskop der Seele (QWERTZ-Verlag, 2000) und lud mich kurz darauf zur Teilnahme an seiner ersten Anthologie „Jenseits des Hauses Usher“ (BLITZ-Verlag, 2002) ein.

Für das Buch schrieb ich die Story „Die Anstalt des Doktor Ambrosius“, eine recht freie Hommage an Poes „The System of Dr. Tarr and Professor Fether“ – soweit ich mich entsinne, war dies mein erster literarischer Ausflug in eine Irrenanstalt. Ein Thema, das mich seit jeher fasziniert hat (was vielleicht auch ein wenig durch meinen Broterwerb im sozialen Bereich begründet liegt, da ich beruflich immer wieder mit psychiatrischen Fällen und Besuchen in entsprechenden Kliniken zu tun habe, auch wenn ich dort nie arbeiten könnte – das wäre mir emotional zu intensiv, befürchte ich).

Der Ausbruch:

Markus K. Korb & Tobias Bachmann: Das Arkham-Sanatorium

(Atlantis-Verlag, 2009)

Arkham im Oktober 1951: Der Blick in den ungewöhnlich klaren nächtlichen Sternenhimmel scheint Dr. Butt Reynolds, stellvertretender Leiter des Sanatoriums am Rande der Stadt Arkham, bereits darauf einstimmen zu wollen, dass dies der Beginn einer außergewöhnlichen Nachtschicht ist. Überhaupt kam es in den vergangenen Wochen zu einer unerklärlichen Zunahme psychisch erkrankter Patienten; ein Phänomen, das in vergleich­baren Einrichtungen im ganzen Land zu beobachten ist – beinahe wie in H. P. Lovecrafts Erzählung „Der Ruf des Cthulhu“, die Reynolds sehr schätzt.

Auch der Brief eines gewissen Aleister Crowley, der um einen Besuch zu Studienzwecken bittet, deutet in diese Richtung. Der Stand der Gestirne soll laut Crowley Auswirkungen auf die Psyche des Menschen haben und die Patientenakten des Arkham-Sanatoriums könnten darüber Aufschluss geben.

In den Gesprächen, die ich mit Markus führte, wenn wir uns anlässlich einer Lesung oder Ähnlichem trafen, ging es natürlich oftmals um Horror und Worldbuilding und das perfekte Setting – und wir kamen überein, dass eine Irrenanstalt generell wie geschaffen für ein phantastisches Szenario scheint. Den Verstand zu verlieren, genauer gesagt ihn nicht kontrollieren zu können, Wahn und Wirklichkeit nicht auseinanderhalten zu können und das alles in Kombination mit alten, längst überholten ­Behandlungsmethoden, mit alten Gemäuern im Sinne von Lost Places, das entlockt einem doch allein schon wohlige Schauer, solange man nicht ernsthaft darin einsitzt, sondern dergleichen in Form einer guten Erzählung genießen kann. Wenn man dem ganzen nun noch einen irren Professor dazu dichtet, so kann man sich vielleicht die Bälle vorstellen, die Markus und ich uns immer wieder gegenseitig zuwarfen – und alsbald beschlossen wir, dass wir gemeinsam daraus ein Buch machen wollen. Da wir uns zum damaligen Zeitpunkt jedoch als Kurzgeschichtenautoren sahen, sollte es ein Episodenroman werden. Kurzgeschichten, in denen die Protagonisten zum Ende hin in einer Irrenanstalt landen und als Rahmen­handlung eben der besagte Professor, der durch die Gänge schreitet, um sich mit den unterschiedlichen Fällen auseinanderzusetzen.

„Wären viele der Patienten nicht nachtaktiv, wäre sein Konzept der Nachtarbeit völlig sinnlos gewesen. Doch Reynolds hatte herausgefunden, dass gerade nachts ein Großteil der Anstaltsinsassen förmlich zum Leben erwachten. Viele dämmerten nach einem tiefen Schlaf, der den ganzen Tag andauern mochte, und verbrachten die Nacht damit, so wie er jetzt aus den vergitterten Fenstern zu starren, vor sich hin zu rezitieren, mit dem Körper vor- und zurückwippend irrsinnige Monologe, die von Schwachsinn zeugten, zu murmeln, zu schreien, zu kreischen – manche führten obskure Tänze auf, als wenn die Nacht in einer verborgenen Verbindung zu ihren malträtierten Gehirnen stehen würde.“

(Das Arkham-Sanatorium, S. 33–34, Gemini)

Zunächst jedoch wird Reynolds von den normalen Tätigkeiten einer Nachtschicht in Beschlag genommen. Zusätzlich zur üblichen Visite gilt es, die neuen Patienten zu beurteilen, die aufgrund haarsträubender Ereignisse und Behauptungen in die Anstalt eingeliefert wurden. Manches wird von den Patienten selbst erzählt, anderes muss Reynolds aus Briefen, den Schilderungen des Personals oder aus Krankenberichten entnehmen.

Markus hatte mir in null Komma nix einige passende Geschichten zugesandt. Ich selbst hatte nicht halb so viele. Irgendwie hatten wir uns darauf geeinigt, dass jeder sechs Stories beisteuert, und wir haben uns ebenso darauf geeinigt, dass wir nicht namentlich kennzeichnen wollten, welche Geschichte von wem geschrieben wurde. Ich weiß noch, dass Markus’ Erzählungen länger waren als meine eigenen Beiträge und meinte daher, mich hauptverantwortlich für die Rahmenhandlung zu zeigen.

Der letzte Gedanke war tatsächlich noch der, dass Markus aus dem Poe’schen Umfeld ausbrechen, in das er sich damals festgeschrieben hatte, und etwas in Richtung Lovecraft machen wollte. Das war ganz in meinem Sinne und in innerhalb kürzester Zeit hatten wir das Arkham-Sanatorium geschaffen – an Batmans Arkham-Asylum haben wir dabei kein einziges Mal gedacht.

Was diese Einzelschicksale angeht, scheinen sich die Autoren mit aberwitzigen Ideen überbieten zu wollen. Dabei mutet die Geschichte eines Hausvermessers, der den Auftrag erhält, das Whateley-Anwesen außerhalb von Dunwich zu vermessen, noch beinahe klassisch an. Eine Diskrepanz in den Längenmaßen der äußeren und inneren Mauern weckt die Neugier des Beamten und in einem geheimen Raum wartet das Grauen. Auch ein Künstler, der auf das grüne Leuchten aus einem gegenüberliegenden Giebelfenster und das merkwürdige Treiben seines Nachbarn aufmerksam wird, verfällt dem Wahnsinn, nachdem er sich endlich Klarheit über die rätselhaften Ereignisse verschafft.

Riesige, baumstammdicke Wurmleiber, die während eines Unwetters das Vorankommen auf den Straßen unmöglich machen, die Existenz eines Leuchtturms mitten im Wald, dessen Leuchtfeuer riesenhafte schwebende Kreaturen aus dem umgebenden nächtlichen Nebel schält oder die Entdeckung eines mehr als mannshohen, sich bewegenden Auges in einem still­gelegten Bergwerksstollen sorgen ebenfalls für Zuwachs in den Räumen des Arkham-Sanatoriums. Alles mehr als vage Andeutungen, dass sich ­monströse unirdische ­Kreaturen darauf vorbereiten, aus den Tiefen der Erde oder gar aus anderen Dimensionen in unsere Welt vorzudringen.

Alle Kurzgeschichten entstammen einer wilden, ungestümen Sturm- und Drangphase. Sowohl Markus als auch ich waren wie besessene Schreiber, die einfach nur Spaß daran hatten, Geschichten zu erzählen. Alles war Inspiration – Horrorfilme und -Bücher und -Comics vor allem als auch der persönliche Austausch untereinander. Das Internet war noch nicht 2.0, sondern noch einfach und unkompliziert gestrickt.

Einige Patienten-Episoden verlassen auch das ­Lovecraft’sche Terrain und bewegen sich in Richtung exotisch-phantastischer Abenteuerliteratur: Grauenvolle Ereignisse spielen sich im südamerikanischen Dschungel ab, als „Das Fest des Windes“ beginnt und dabei uralte Maya-Rituale wiederbelebt werden. Der Weg einer Forscher­gruppe führt nach Tibet, in die schneebedeckten Hänge des Himalayas, wo sich innerhalb der Mauern eines längst verlassenen buddhistischen Klosters ein Jungbrunnen befinden soll. Ein gefundenes Fressen für profitorientierte Pharmaunternehmen, doch von allen Beteiligten nicht zu Ende gedacht. Eine Expedition, die die Ausbreitung des historischen Inka-Reichs erforscht, erfährt von einer geheimnisvollen Silbermine in den Anden, in der trotz der Plünderungen durch die Spanier noch unermessliche Schätze liegen sollen. Je näher sie der Mine kommen, desto schlechter geht es den Expeditions­teilnehmern. Undefinierbare Insekten machen sich über die Gruppe her und merkwürdig entstellte Skelette säumen den Umkreis des Mineneingangs.

Wir hatten einfach nur Spaß am Fabulieren und verwendeten alles, was brauchbar war, um uns in unsere phantastischen Welten hineinzuschreiben. Poe und Lovecraft waren selbstredend die Rädelsführer unserer Inspirationen. Aber eben auch alles andere. Es war eine großartige Zeit – unbekümmert und frei, ohne Zwänge und Regeln, die einem der Mainstream oder aber die Erfahrung aufnötigt und an die man sich hält, weil man ja etwas Bestimmtes erreichen möchte etc. Wir dachten nicht in Zielgruppen oder an den Markt. Ich zumindest nicht.

So entwickelt sich Das Arkham-Sanatorium als Episodenroman mit Rahmenhandlung und Zwischentexten, der es den Autoren erlaubt, in verschiedene Richtungen zu gehen, wobei alles durch eine straffe Klammer des kosmischen Grauens zusammengehalten wird. Selbst wenn einzelne Geschichten für sich gelesen andere Schwerpunkte setzen, wird durch den steten Rückfall auf die Handlung um Dr. Reynolds alles wieder im Arkham-Sanatorium geerdet. Über allem schwebt ein bedrohlicher Schatten, der sich in den Zwischentexten immer deutlicher manifestiert. So wird fast zwangsläufig ein Ereigniszusammenhang im Kopf des Lesers hergestellt.

„Reynolds vermutete, dass etwas Fürchterliches in der Luft lag. Etwas, dem man sich nicht entziehen konnte, etwas Schlimmes, das so weitgreifende Folgen auf einzelne Individuen hatte, dass man dem Ganzen gar nicht mehr Herr werden konnte. Es war so allgegenwärtig, wie die Sterne am Firmament.“

(Das Arkham-Sanatorium, S. 10, Prolog)

Auch die grafische Gestaltung von Timo Kümmel ist in erheblichem Maße dafür verantwortlich, dass das komplette Buch tatsächlich nicht wie eine Kurzgeschichtensammlung, sondern eher wie ein Roman und aus einem Guss wirkt. Neben dem Covermotiv hat der Künstler zu jeder Geschichte eine Eingangsgrafik erstellt sowie auch passend gestaltete Bilder der Sternzeichen, die als Titelvignetten für die Zwischentexte dienen.

Ich kannte Timo bereits durch die Zusammenarbeit bei meinen Bänden „Novalis Traum“ und den Roman „Das Spiel der Ornamente“,, weiß aber noch, dass Timo von Markus mit ins Boot geholt wurde. In jedem Fall erwies sich Timos Beteiligung als Glücksgriff, denn er war sofort Feuer und Flamme, las sich durch die Kurzgeschichten und gab dem gesamten Band sein Gesamtkonzept und somit ein Gesicht.

Da es insgesamt also zwölf Geschichten waren, war die Assoziationskette zu den Sternzeichen rasch gegeben. Es kann aber auch sein, dass diese Idee wirklich von Timo Kümmel kam. Auch das weiß ich nicht mehr so genau – aber er wollte jedem Teilabschnitt ein Sternzeichen zuordnen und begann damit, die Sternbilder zu zeichnen. Auf jeden Fall kam von ihm die Idee des dreizehnten Sternzeichens – und von da an war es nunmehr nur ein kurzer Schritt zu Aleister Crowley, der in seinem Buch „Astrologick“ über Sternzeichen schreibt und worin zu lesen ist, dass eben der Schlangenträger (Ophiuchus) als solches eine Daseinsberechtigung in der Astrologie habe. Nun, und vom Schlangenträger geht die Assoziationskette rasch weiter zu cthulhuiden Tentakeln und wir sind mittendrin in der Rahmenhandlung des Arkham-­Sanatoriums, in denen irre Patienten aus ihren kargen Zellen stöhnen und ihren Wahn in die Welt hinausschreien. In meiner Erinnerung war es ein rascher Entstehungsprozess und eines fügte sich zum anderen.

Die Nachwirkungen:

Tobias Bachmann: Geist

(Gespenster-Krimi Nr. 20, Bastei Lübbe AG, 2019)

Es stimmt mich gerade ein bisschen nachdenklich. Denn je marktgerechter und zielorientierter ich meine kreativen Schritte lenkte, desto erfolgreicher wurde das Ganze, aber desto eingeengter und unwohler fühlte ich mich – vielleicht hat dies letztendlich zu meiner Lebensphase aus Schreibblockaden geführt, in der ich es nur sporadisch schaffe auszubrechen, woraus dann so etwas wie „Geist“ entsteht.

„Am Anfang waren es seltsame Geschichten. Diffuse Gedankengänge. Lyrische Experimente. Dann versuchte ich mich auf Beschreibungen meiner innersten Seelenängste zu spezialisieren, aber meinen Testlesern hat das nicht gefallen. Ich drohte, wieder in ein Schreibloch abzustürzen. Saß vor der Maschine und tippte nicht einmal mehr. Dann kam der Arzt und gab mir Patientenakten in die Hand. Ich studierte sie und tippte Berichte, Diagnosen, Gutachten, Anamneseprotokolle … Und alsbald entwickelte sich daraus eine teils fantastische, aber absolut wirre Romanhandlung.“

(Geist, S. 24)

Norbert Geist ist gar nicht unzufrieden mit seiner Unterbringung in Station C-7, Zimmer 12 der psychiatrischen Anstalt unter der Leitung von Dr. Voss. Schizophrenie lautet die Diagnose, was für Geist bedeutet, dass er seit seiner Kindheit – seit er den Tod seiner Eltern mit ansehen musste – zwei Stimmen in seinem Kopf hört. „Die beiden unterhalten sich, und ich mich mit ihnen. Manchmal haben wir auch Spaß miteinander. Hin und wieder streiten wir aber auch.“ Geist hat gelernt, die Stimmen zu tolerieren und verbringt genügsam seine Tage in der Klinik, bis die Nachrichten eines Tages von Übergriffen berichten. Jenseits der Anstaltsmauern breitet sich eine Infektion aus, deren Opfer gesunde Menschen anfallen und beißen. Innerhalb kurzer Zeit herrscht totales Chaos im ganzen Land. Die Klinikbelegschaft versucht mit der Situation klarzukommen, doch Norbert Geist und vor allem A und B, die beiden Stimmen in seinem Kopf, packt die Panik. Er wagt einen Fluchtversuch und so beginnt für ihn eine wilde Odyssee durch die Räume der Anstalt, bei der Wahn und Wirklichkeit bald nicht mehr zu unterscheiden sind.

So trifft Geist im Keller des Gebäudes auf Toby, der nackt vor einer Schreibmaschine sitzt und eben das Szenario, das sich gerade abspielt, niederschreibt. „Eine recht banale Handlung eigentlich. Eine Horde Zombies dringt in eine Irrenanstalt ein. Erzählt wird das Ganze aus der Sicht eines Protagonisten, der sich in fortwährenden Zwiegesprächen mit den Stimmen in seinem Kopf befindet.“

Weiter geht es wie eine Fahrt durch die Geisterbahn eines Übergeschnappten. Erneut muss Geist das Trauma seiner Kindheit durchleben, bevor er gemeinsam mit einer nymphomanen Mitpatientin etwas Boden gut machen kann. Obwohl die Ratschläge seiner Stimmen oft triebgesteuert sind, gelingt es ihnen, Geist durch den ausweglos erscheinenden Zombiewahnsinn zu leiten.

Geist scheint keiner stringenten Handlung zu folgen. Gerade so wie der psychisch labile Erzähler wird auch der Leser durch eine unvorhersehbare Handlung geschleudert, die verschiedene phantastische Sujets streift, nur um dann gleich wieder in eine andere Richtung abzubiegen. Ein wilder Zickzackkurs, den Tobias Bachmann hier fährt, doch nicht frei von Humor, sobald sich die Stimmen A und B ins Geschehen einschalten. Als verbindendes Element hängt drohend die Zombieepidemie über der gesamten Handlung, und konsequent rückt das Ende den Roman in die Nähe von Richard Mathesons Ich bin Legende.

Wie bereits geschildert, leide ich seit einigen Jahren vermehrt unter Schreibblockaden. Das liegt zum einen an der Fülle des Lebens, zum anderen vielleicht auch an einer gewissen Erwartungshaltung an mich selbst, die ich nicht zu erfüllen vermag. Dementsprechend wechseln sich Phasen der Stagnation mit produktiven Episoden ab, wobei der Beginn einer solchen produktiven Phase meist durch das Schreiben einer Kurzgeschichte oder Novelle geschieht, die ich rein aus dem Bauch heraus schreibe, ohne Konzept und doppelten Boden. „Geist“ ist das Ergebnis einer solchen Kaskade, weswegen alles voll ist mit unterschwelligen Botschaften, Andeutungen, Symbolen und autobiographischen Szenen. Es galt, den inneren Wahn zu Papier zu bringen und dementsprechend war es wieder einmal naheliegend, als Handlungsort ein Sanatorium zu wählen, in dem alles möglich ist.

(Der Titel des Artikels entspricht der Widmung von Timo Kümmel in meinem Exemplar von Das Arkham ­Sanatorium)

Elmar Huber

Doktor Nimmerlein

von Christopher Mueller

We may hide from horror

only in the heart of horror.

Thomas Ligotti

Oh, wie süß sie schlummerten, die beiden Kinderlein in ihren Krippen! Ebenso friedlich ruhte die bildschöne Frau des Doktors mit ihren güldenen Locken, durch die er sanft und vorsichtig strich, um sie nicht aufzuwecken.

Er wanderte wie der Sandmann durch die noch nachtschwarzen Zimmer, denn er würde früh anfangen zu arbeiten an diesem kalten Spätherbstmorgen.

Im Haus war es eisig kalt und sein Atem gefror auf dem Fensterglas. Schnell hatte sich der Doktor Nimmerlein angezogen, die wenigen verbliebenen Haare streng nach hinten gekämmt und dann den wärmenden Mantel übergeworfen.

Alles wirkte friedlich und himmlisch ruhig. Seelenruhe herrschte in den Straßen. Für die anderen Menschen war noch tiefste Nacht. Er aber genoss immerzu aufs Neue, als erster Mensch im Dorf auf den Beinen zu sein.

Er wusste nur zu genau, dass man um diese Zeit am tiefsten träumte. Das konnte er an den zuckenden Augenlidern der Schlafenden erkennen.

Mit seinem schwarzen Arztköfferchen marschierte der Doktor durch die Kälte. Die Anstalt, in der er arbeitete, war nicht weit entfernt. Er pflegte zu Fuß dorthin zu gehen. Vorbei an ein paar Häusern lief er und durch einen kleinen Wald, um dann den Zauberberg, wie der Hügel im Volksmund genannt wurde, zu erklimmen, bis endlich die von einem eisernen Zaun umgebene Klinik vor ihm lag.

Es war ein altes Gemäuer, welches einst einem Adligen als Schloss gedient hatte und über dem kleinen Dorf thronte, solange sich die Menschen erinnern konnten.

Im Krieg war ein Großteil des Schlosses zerstört worden, und es hatte viele Umbauten gegeben, bei denen neue Gebäudeteile hinzugekommen waren, die den schlossartigen Charakter gemindert hatten. Jedoch ragte noch immer ein kleiner Turm in den Himmel, und dort befand sich das geliebte Büro des Arztes.

Einige Krähen kreisten um den Turm herum und machten ihm bewusst, dass er doch nicht als Einziger so früh schon unterwegs war.

Der Doktor Nimmerlein konnte die Tiere wegen ihrer lauten, krächzenden Rufe nicht leiden. Am liebsten hätte er den Gärtner auf die Vögel angesetzt, damit ihr Geschrei endlich verstummen möge. Am wenigsten mochte er es leiden, wenn sie vor seinem Fenster hockten und hineinstarrten.

Mit schweren Schritten kämpfte er sich den Pfad hinauf und ließ seine Blicke über den gepflegten Park schweifen. Hecken und Büsche ragten noch finster auf, nur der kleine Pavillon schimmerte geisterhaft weiß im Zwielicht.

Doktor Nimmerlein kniff kurz die Augen zusammen. Da bewegte sich doch etwas? Tatsächlich! Eine weiße Gestalt, die quer über den Rasen lief, gehüllt in ein zerschlissenes, wehendes Gewand, störte das friedliche Bild. Lange Haare flatterten im Wind. Es war eine junge Frau, und sie trug lediglich das einfache, fadenscheinige Krankenhemd.

So schnell, wie sie aufgetaucht war, wurde sie von der Dunkelheit verschluckt.

Hatte er sich das Ganze nur eingebildet, oder war da tatsächlich eine Frau im Begriff, aus der Anstalt zu fliehen? Das durfte doch nicht wahr sein! So etwas war unter seiner Führung noch nie passiert. Zum Glück war der Park eingezäunt. So leicht entkam niemand von diesem Ort.

Als er im Haupthaus angelangt war, ordnete er sofort eine Bestandsaufnahme der Patienten an. Alle Zimmer sollten kontrolliert werden, damit sichergestellt wurde, dass niemand fehlte.

Später, als er endlich mit seinem ersten Kaffee hoch oben in seinem Turmzimmer hinter dem schweren Eichensekretär mit Schnitzereien, die antike Mythengestalten darstellten, saß, bestätigte man ihm, dass alle Betten vollzählig belegt waren. Niemand fehlte.

Bis zum Weckruf war es noch ein Weilchen hin.

Beruhigt blätterte der Doktor in der Morgenzeitung und nippte genüsslich am tiefschwarzen Kaffee. Es war jetzt endlich Zeit für seine erste Pfeife gekommen. Versonnen stopfte er sie. Da riss ihn lautes Klaviergeklimper aus seinen Gedanken.

Es kam von weit unten aus dem Aufenthaltsraum, wo sich ein alter, verstimmter Flügel befand, welcher eher als Dekoration betrachtet wurde, denn als Instrument.

Der Raum sollte um diese Uhrzeit eigentlich noch verschlossen sein. Außerdem wurde nicht geduldet, dass so früh musiziert wurde. Was jedoch viel schlimmer war: Niemand unternahm etwas gegen den furchtbaren Krach!

Doktor Nimmerlein legte die Pfeife grimmig beiseite und hetzte die vielen Treppenstufen hinunter. Als er den Aufenthaltsraum erreichte, der seltsamerweise noch verschlossen war, sah er, dass der Flügel zugeklappt und unbenutzt in der Ecke stand.

Niemand war weit und breit zu sehen.

Schnell rief er das Personal herbei und erkundigte sich aufgeregt, was hier zum Teufel los war!