Lügst Du? Wenn die Wahrheit alles zerstört - Gisela B. Schmidt - E-Book
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Lügst Du? Wenn die Wahrheit alles zerstört E-Book

Gisela B. Schmidt

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Beschreibung

Die Wahrheit könnte dein Tod sein

Eigentlich wollte Mira ihre Entlassung aus der psychiatrischen Klinik feiern - aber der Tag, an dem sie endlich wieder zu Hause ankommt, entpuppt sich als absoluter Albtraum: In ihrem Ehebett liegt die blutüberströmte Leiche ihrer besten Freundin Josie. Doch beim Eintreffen der Polizei ist die Tote plötzlich verschwunden. Mira ist verwirrt: Hat sie sich das Horrorszenario nur eingebildet? Oder hat ihr Mann Samuel ihre beste Freundin getötet? Als Beweise auftauchen, die Samuel belasten, gerät Mira immer tiefer in einen Strudel des Misstrauens. Lügt Samuel? Welches dunkle Geheimnis verbergen seine Eltern? Oder verstrickt Mira sich selbst in ein Netz aus Lügen und Täuschungen?

"Lügst Du? Wenn die Wahrheit alles zerstört", ist ein packender Psychothriller und eine atemberaubende Reise durch ein Labyrinth aus Lügen, Intrigen und psychischer Manipulation - spannend bis zur letzten Seite.

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!

»Eine wahre Achterbahn an Gefühlen. Definitiv kein Buch für entspannte Lesestunden. Hier steigt der Puls und die Angst greift um sich.« (KLEENKRAM - Lesejury)

»Einer der besten Thriller, die ich gelesen habe.« (LADYBELLE - Lesejury)

»Packend bis zum Schluss.« (NIJUKIRO - Lesejury)


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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Danksagung

Über die Autorin

Impressum

Leseprobe

 

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Über dieses Buch

Die Wahrheit könnte dein Tod sein Eigentlich wollte Mira ihre Entlassung aus der psychiatrischen Klinik feiern – aber der Tag, an dem sie endlich wieder zu Hause ankommt, entpuppt sich als absoluter Albtraum: In ihrem Ehebett liegt die blutüberströmte Leiche ihrer besten Freundin Josie. Doch beim Eintreffen der Polizei ist die Tote plötzlich verschwunden. Mira ist verwirrt: Hat sie sich das Horrorszenario nur eingebildet? Oder hat ihr Mann Samuel ihre beste Freundin getötet? Als Beweise auftauchen, die Samuel belasten, gerät Mira immer tiefer in einen Strudel des Misstrauens. Lügt Samuel? Welches dunkle Geheimnis verbergen seine Eltern? Oder verstrickt Mira sich selbst in ein Netz aus Lügen und Täuschungen?

»Lügst Du? Wenn die Wahrheit alles zerstört«, ist ein packender Psychothriller und eine atemberaubende Reise durch ein Labyrinth aus Lügen, Intrigen und psychischer Manipulation – spannend bis zur letzten Seite.

GISELA B. SCHMIDT

WENN DIE WAHRHEITALLES ZERSTÖRT

PSYCHOTHRILLER

 

Für alle, die belogen wurden,und jene, die die Wahrheit lieben.

Prolog

Das letzte Mal Pudding in der Klinikkantine. Der Gedanke versetzt mich in Hochstimmung. Ich verkneife mir das vorfreudige Grinsen, als ich Dora Chest in meine Richtung kommen sehe. Kann ich sie mit meiner Neuigkeit konfrontieren? Oder hat sie mal wieder keine Ahnung, wer ich bin? An ihren Bewegungen versuche ich abzuschätzen, wie sie heute drauf ist. Dora ist seit Monaten in der Klinik. Als sogenannter schwerwiegender Fall wird sie wohl auch nie mehr hier rauskommen, trotzdem habe ich gerade sie besonders ins Herz geschlossen. Und sie mich. Vom ersten Tag meines Aufenthalts an habe ich mit ihr gemeinsam zu Mittag gegessen. Und obwohl sie manchmal vollkommen klar ist und sich mir an anderen Tagen mehrfach vorstellt, bleibt sie sich in ihrer liebevollen Art treu.

Dora mustert mich, stellt ihr Tablett ab und setzt sich mir gegenüber.

»Warum grinst du so?« Ihr Blick ist klar. Ein guter Tag.

»Dora, ich habe wunderbare Neuigkeiten«, falle ich mit der Tür ins Haus.

»Gibt es eine neue Köchin?«

Sie scherzt. Dann hat sie nicht nur einen guten, sondern einen fantastischen Tag.

»Nein, das wäre unrealistisch gut. Ich werde morgen nach Hause gehen, Dora. Ich werde meine Familie wiedersehen. Was sagst du dazu?«

»Morgen? Ich dachte, in vier Wochen. Hat Doctor Belt etwas gegen dich? Schmeißen sie dich raus? Kind, was hast du angestellt?«

Ich muss lachen unter ihrem strengen Blick. Alterstechnisch könnte sie tatsächlich meine Mutter sein.

»Die schmeißen mich nicht raus, ich habe mich selbst entlassen«, erkläre ich ruhig.

»Bist du verrückt?«

Das ist ihr herausgerutscht. Dennoch wirkt die Frage in einer psychiatrischen Klinik so bescheuert, dass wir beide laut auflachen.

»So hab ich das nicht gemeint«, entschuldigt sie sich.

Ich schüttle nur den Kopf. Wie könnte ich dieser Frau etwas übel nehmen?

»Es geht mir gut, Dora, zumindest deutlich besser als bei meiner Ankunft. Noch immer habe ich mit dem Schwindel zu kämpfen, aber die Tabletten helfen, und ich denke, ich habe alles im Griff. Emotional bin ich stabil, das hat Doctor Belt bestätigt. Und ich muss unbedingt mein Kind wiedersehen.«

Dora sieht mich an, als hätte ich ihr das letzte Rätsel der Menschheit offenbart.

»Schau nicht so. Du hast doch auch Kinder. Verstehst du nicht, dass mir meine Familie fehlt? Ich will nach Hause, in meinen Alltag. Wieder Mutter und Ehefrau sein und nicht nur Patientin. Isy ist erst sechs Monate alt. Sie braucht mich und ich sie. Für den letzten Schritt meiner Genesung brauche ich meine Familie. Ist das so schlimm?«

Dora schüttelt den Kopf. »Nein, das ist nicht schlimm. Ich würde es an deiner Stelle genauso machen.«

Ihre Stimme ist klar, aber sie schaut an mir vorbei. Ist ihr guter Tag damit zu Ende?

»Ich wundere mich nur«, murmelt sie, »warum die Putzfrau uns die ganze Zeit anstarrt und ständig in unserer Nähe ist. Ich hoffe, ich werde nicht paranoid. Meine Traumata und die Demenz reichen mir.«

Dora und ihr schräger Humor. Ich liebe diese Frau. Grinsend drehe ich mich um und dann stirnrunzelnd zu ihr zurück. »Welche Putzfrau?«

»Na, die mit dem Kopftuch hinter dir.«

Ein zweites Mal drehe ich mich um und zu ihr zurück. »Ich kann niemanden erkennen.«

»Da hinten am Aufzug. Sie biegt gleich um die Ecke. Wahrscheinlich hat sie bemerkt, dass wir sie bemerkt haben.«

Ich drehe mich um. »Da ist niemand, Dora.«

»Scheiße.« Sie seufzt. »Dann werde ich doch paranoid. Ich fühle mich verfolgt von dieser Frau. Sei froh, dass du morgen früh weg bist. Hier muss man ja irre werden.«

Ich lache.

»Holt Samuel dich ab?«, fragt sie und kommt auf das ursprüngliche Thema zurück. Ein fantastischer Tag.

»Nein.« Allein die Vorfreude auf Samuels Gesichtsausdruck lässt mich lächeln. »Es soll eine Überraschung werden.«

Dora nickt. Sie versteht mich. Kaum zu glauben, dass wir uns erst so kurz kennen.

»Und deine Freundin Josie? Kann sie dich abholen?«

Ich hebe die Schultern. »Ich nehme lieber ein Taxi. Josie würde mich sicherlich abholen, aber ich will ihre Hilfe nicht überstrapazieren. Sie hat schon genug für mich getan.«

Dora nickt. Sie kennt meine Geschichte. Ich habe ihr alles erzählt. Den Teil meines Lebens, in dem ich die erfolgreiche Partnerin in der Kanzlei von Josephine Seller wurde, glückliche Ehefrau und Mutter war, genauso wie den Teil, der mich hierher in die Klinik gebracht hat. Sie kennt meine starken und meine schwachen Episoden, so wie ich ihre guten und schlechten Tage kenne.

Als ich die Kantine verlasse, umarme ich sie so fest wie nie zuvor. Wir schwören uns, Kontakt zu halten.

Als ich mich am nächsten Morgen von Dora verabschieden will, senkt Hanna Belt den Kopf.

»Es tut mir sehr leid, Mrs Blane, ich weiß, dass Sie Dora gernhatten.«

»Hatten?«, frage ich, und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

Die Psychologin nickt und legt mir eine Hand auf die Schulter. »Dora ist vergangene Nacht verstorben. Sie hatte eine fortgeschrittene Herzinsuffizienz, wissen Sie?«

Nein, das wusste ich nicht.

Hanna Belt durchbohrt mich mit ihrem Ärztinnenblick. »Sie dürfen gern hierbleiben, Mrs Blane. Wir können die Entlassungspapiere schreddern, das ist kein Problem.«

Schnell schüttle ich den Kopf. Nein, auf keinen Fall. Jetzt gibt es erst recht nichts mehr, was mich hält.

»Ich muss nach Hause«, sage ich selbstbewusst.

»Das verstehe ich.«

Klar, die Ärztin versteht alles. Immer.

»Sie dürfen jederzeit wiederkommen, Mrs Blane. Melden Sie sich, wenn Sie Hilfe brauchen. Keine falsche Scham. Es ist eine Stärke, Schwäche zuzugeben, denken Sie daran.«

Ich straffe mich und gebe ihr die Hand. »Danke für alles, Doctor Belt. Sie sind eine großartige Ärztin. Ich habe mich bei Ihnen gut aufgehoben gefühlt. Aber jetzt ist es an der Zeit, wieder die Frau zu sein, die ich bin. Und dazu muss ich nach Hause.«

Ich nehme meinen Koffer, drehe mich um und laufe los. Ich sehe nicht mehr zurück.

Kapitel 1

Mein Herz klopft so stark, dass ich den Widerhall der Schläge im Brustkorb spüren kann. Gleichmäßig pulsiert das Blut durch meine Adern und mischt sich in das Rauschen, das meine Ohren flutet. Schweißperlen treten auf meine Stirn, der Speichel verflüchtigt sich und hinterlässt eine Mundwüste. Ich stecke meine Zeigefinger in die Ohren, um das Rauschen zu stoppen, doch dadurch wird es nur lauter. Atmen, ruft es aus meiner Erinnerung. Atmen und langsam bis zehn zählen. Ich atme. Zähle. Halte die Augen krampfhaft offen, während sich mein Blick im Nichts verliert. Ich darf nicht ohnmächtig werden. Nicht jetzt.

Ich atme tief ein. Halte die Luft an. Zähle bis drei und atme wieder aus. Gleichmäßigkeit. Ruhe. Ich schaffe das.

Endlich wird das Dröhnen in meinen Kopf leiser. Die Welt, die für einen unbestimmten Zeitraum in weiter Ferne um mich rotierte, rückt wieder näher an mich heran. Erleichtert hole ich Luft. Atme. Gleichmäßig. Ruhig. Ich schaffe das. Für solche Situationen habe ich trainiert. Vier Wochen lang habe ich in der psychiatrischen Klinik von Zelthurst Techniken erlernt, mit denen ich meine Panikattacken in den Griff kriegen kann. Jetzt ist der Moment, der zählt.

Mein Herzschlag beruhigt sich. Das Bild vor meinen Augen wird glasklar.

Die weiße Fassade unseres Hauses strahlt mir entgegen, die liebevoll gepflanzten Blumen im Vorgarten bereiten mir ein buntes Willkommen. Unseren Traum werden wir noch viele Jahre lang abbezahlen müssen. Das stört uns nicht. Seit sich Samuel als Unternehmensberater selbstständig gemacht hat, fließt das Geld in Strömen. Wenn wir ein paar Sondertilgungen leisten können, werden wir den Kreditzeitraum mit Leichtigkeit um einige Jahre verkürzen können. Die Frage ist nur, ob wir das wollen, denn seit Isy unsere Familie erweitert hat, müssen wir auch an sie denken.

Josies Reaktion auf meine Schwangerschaft war fantastisch. Sie hat mich unterstützt, wo es nur ging, sodass es mir schwerfiel, in Mutterschutz zu gehen. Sechs Wochen nach der Geburt fing ich wieder zu arbeiten an. Und das war wohl der Fehler, vermuten zumindest die Psychologen in der Klinik.

Diagnose: Depression, doch nennen wir es beim Namen, es war ein astreiner Burn-out. Ich bin zusammengebrochen. Einfach so. Emotional und körperlich erschöpft, zu einem Zeitpunkt, in dem unser Leben perfekt lief. Ich kann es mir bis jetzt nicht erklären. Ich weiß nur, dass es passiert ist.

Ich hätte es hinbekommen müssen, dieses Job-Mutter-Haus-Ding. Der Punkt ist, ich habe es versaut. Die vergangenen vier Wochen war ich gezwungen, allein in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie zu sitzen und mich nur um mich selbst zu kümmern. Das hat mich wieder auf die Beine gebracht. Von meiner Familie getrennt zu sein, war hingegen der emotionale Supergau. Eigentlich hätte ich einen weiteren Monat in stationärer Behandlung bleiben sollen, aber ohne Samuel und Isy halte ich es keinen Tag länger aus. Ich fühle mich stabil. Die Panikattacken kriege ich in den Griff, wenn ich nur wieder bei meiner Familie sein kann.

Und jetzt bin ich nur einen Augenblick davon entfernt, sie in die Arme schließen zu können. Sofort schlägt mein Herz schneller. Ich atme. Tief und gleichmäßig. Dann gehe ich auf die Haustür zu und schließe auf.

In freudiger Erwartung betrete ich das Haus, lausche. Es ist still. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es kurz nach zwölf ist, Mittagsschlafzeit, was die Ruhe im Haus erklärt. Ich muss länger vor der Tür gestanden haben als gedacht.

Auf leisen Sohlen tappe ich die Steintreppe hinauf.

Lächelnd lege ich eine Hand auf die Klinke der Schlafzimmertür. Ich weiß nicht mehr, wann sich Samuel und Isy den gemeinsamen Mittagsschlaf angewöhnt haben. Da Samuel sein Büro im Keller eingerichtet hat, ist es kein Problem, die Mittagspause mit Isy und mir zu verbringen. Er hat ohnehin so wenig Zeit für uns. Ich selbst bin seit Isys Geburt nur noch vormittags in der Kanzlei, um Beratungsgespräche zu führen. Alle Welt spricht von den schwierigen Schwiegermüttern, ich dagegen habe Glück gehabt. Edith ist ein Goldstück. Sie ist liebevoll, vernünftig und immer für uns da. Als Hausfrau hat sie Zeit, morgens auf Isy aufzupassen. Und wir sparen uns eine Kita oder Nanny. Ein Segen.

Die Schlafzimmertür quietscht, als ich sie vorsichtig aufschiebe, obwohl ich Samuel vor meinem Klinikaufenthalt darum gebeten habe, sie zu ölen. Ich werde ihn morgen daran erinnern. Jetzt wird erst einmal gekuschelt.

Ich luge zum Bett. In derselben Sekunde gefriert mir das Lächeln auf dem Gesicht, das Blut in meinen Adern hört auf zu fließen, und ein eisiger Schauer überläuft meinen ganzen Körper. Auf dem Bett liegen nicht Samuel und Isy. Dort liegt Josie. Meine Kollegin Josie. Meine Geschäftspartnerin. Meine Freundin. Meine Josie.

Mein Gehirn braucht einen Moment, um den Anblick in der Realität zu verankern. Josie ist nackt. Sie ruht in etwas Rotem, das aus ihrer Brust dringt.

Blut.

Ist das Blut?

Sie bewegt sich nicht.

Wie ferngesteuert taumle ich auf den reglosen Körper zu. Das Bild, das meine Augen ans Gehirn senden, kann nicht stimmen. Josie kann nicht in unserem Bett liegen. Und schon gar nicht kann sie tot sein. Ich will sie anfassen, schütteln und ziehe die Hand wieder zurück.

Josie?, will ich rufen, aber aus meiner Kehle dringt nur ein trockenes Krächzen. »Josie?«

Das Rauschen. Da ist es wieder. Mein Herz rast. Gleich werde ich ohnmächtig, ich spüre es. Ich schlucke trocken, suche Halt an der Türklinke. Irgendwie gelingt es mir, das Schlafzimmer, das ich am liebsten nie betreten hätte, zu verlassen. Weg von Josie, weg von ihrem toten Körper, die Treppe hinunter und hinaus aus dem Haus. Mit letzter Kraft stolpere ich zum Eingangstor des Vorgartens. Dann hebt mich der Schwindel von den Füßen. Ich falle auf die Knie und übergebe mich geräuschvoll in unsere sündhaft teuren Zierrosen.

*

Zwanzig Minuten zu früh stehe ich vor dem polierten Messingschild, das ich vielleicht schon bald täglich sehen werde. Josephine Seller, Anwältin für Familienrecht. Die Stellenausschreibung ihrer Kanzlei war die erste, die mir ins Auge gesprungen ist. Dass ich kaum Aufregung verspüre, interpretiere ich als gutes Zeichen. Kurz überlege ich zu warten, bis es Zeit ist, dann straffe ich die Schultern und drücke den Klingelknopf.

»Ja bitte?«

Die Stimme klingt sympathisch. Noch ein gutes Zeichen.

»Mira Blane«, sage ich fröhlich. »Ich habe ein Vorstellungsgespräch.«

»Erster Stock«, sagt die Stimme, dann brummt der Summer.

Dem Tonfall kann ich nicht entnehmen, wie mein verfrühtes Erscheinen bewertet wird, aber sollte es zu einer Geschäftsbeziehung kommen, sollte ich von Anfang an mit offenen Karten spielen. Außerdem ist mein Tick, zu jedem Termin zu früh zu erscheinen, nichts, dessen ich mich schämen müsste.

Ich trete ein und laufe die Treppen hoch. Die Tür zur Kanzlei ist offen, im Rahmen steht wie ein Gemälde Josephine Seller. In echt sieht sie noch viel hübscher aus als auf der Website. Natürlich habe ich vor meiner Bewerbung im Internet recherchiert. Josephine Seller ist dreißig Jahre alt und Anwältin für Familienrecht. Erst im vergangenen Jahr hat sie sich mit einer eigenen Kanzlei selbstständig gemacht und sucht nun eine Partnerin für die Bereiche Mediation und Konfliktberatung.

»Schön, dass Sie da sind, Mrs Blane«, begrüßt sie mich und streckt mir lächelnd die Hand entgegen.

»Vielen Dank. Ich freue mich sehr über die Chance, mich vorstellen zu dürfen, Mrs Seller.« Ich lächle ebenfalls.

»Miss bitte, ich bin nicht verheiratet. Für manche Dinge bleibt einfach keine Zeit.« Sie lacht. »Folgen Sie mir, dann legen wir direkt los.«

Die Kanzlei wirkt elegant, aber keineswegs kühl. Die Räumlichkeiten strahlen eine Professionalität aus, in der sich Klienten mit ihren schwierigen Lebenssituationen sicherlich wohlfühlen. Nicht nur Klienten, auch ich. Ich nehme in der modernen Sitzecke Platz, Josephine Seller lässt sich mir gegenüber auf einem Sessel nieder, nachdem sie auf dem gläsernen Couchtisch zwischen uns zwei Tassen Kaffee und zwei Gläser Wasser platziert hat.

»Mrs Blane, ich habe mir Ihre Bewerbungsunterlagen angesehen, und was ich gelesen habe, gefällt mir«, beginnt Josephine Seller.

»Das freut mich.« Ich lächle gewinnend. In dieser Kanzlei arbeiten zu können, wäre ein Glücksfall. Das Haus abzuzahlen wird teuer genug, dieser Job würde es uns leichter machen.

»Allerdings konnte ich Ihren Unterlagen entnehmen, dass Sie keine studierte Juristin sind, richtig?«

»Das stimmt. Ich verfüge lediglich über eine Ausbildung zur Mediatorin und habe mehrere Fortbildungen mit verschiedenen Schwerpunkten zum Thema Konfliktberatung absolviert. Da in Ihrem Stellenangebot steht, Sie suchen eine Partnerin, die die Beratungsfälle übernimmt, dachte ich, ich versuche mein Glück.«

»Das ist richtig«, bestätigt Josephine Seller. Sie macht eine Pause. »Ich möchte ganz offen sein. Eine Partnerin mit juristischem Hintergrund wäre mir am liebsten. Sie wären zwar hauptsächlich für die Mediations- und Konfliktberatungsfälle zuständig, aber es wäre für mich von Vorteil, wenn ich in einzelnen Fällen auch juristisch Rücksprache halten könnte. Was ich suche, ist nicht nur eine Partnerin, die sich in die Kanzlei einkauft und dann ihr eigenes Ding macht, sondern ich strebe eine intensive Zusammenarbeit an. Das kann auch bedeuten, dass Fälle, die eigentlich vor Gericht gehen sollen, in einer Mediation gelöst werden oder andersherum Fälle, die sich in der Konfliktberatung als aussichtslos herausstellen, vor Gericht landen. Dann würden wir gemeinsam beziehungsweise nacheinander die Mandanten betreuen. Dafür ist eine funktionierende Zusammenarbeit unerlässlich.«

»Das kann ich nachvollziehen«, gebe ich zu. »Leider kann ich mir kein Jurastudium aus dem Ärmel schütteln. Was ich Ihnen versprechen kann, ist, dass ich zu einer intensiven Zusammenarbeit fähig und bereit bin. Einen konstruktiven Austausch finde ich generell vorteilhaft. Ich brenne für meinen Beruf, und wenn Sie es wünschen, besuche ich einen Jurakurs in der Abendschule. Für ein Studium wird die Zeit nicht reichen, aber ich bin bereit, mir die notwendigen Grundlagen privat anzueignen, damit ich Sie kompetent beraten und unterstützen kann.«

Sie lächelt zufrieden. »Ich mag es, wenn Menschen bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Und ich mag Kampfgeist. Ich habe einige Juristinnen auf dem Bewerbungsstapel. Da ich Wert darauf lege, dass die zwischenmenschliche Sympathie stimmt, möchte ich jede Bewerberin in der engeren Auswahl sehen und sprechen.«

»Eine sehr gute Einstellung.«

Josephine Seller steht auf. »Mrs Blane, danke für Ihre Zeit. Ich melde mich.«

»Ich danke Ihnen.« Wieder schüttle ich ihr die Hand.

Dann begleitet sie mich zur Tür.

Vor der Kanzlei nimmt Samuel mich mit ausgebreiteten Armen in Empfang. »Ich dachte schon, ich schaffe es nicht rechtzeitig. Ich möchte dir nur schnell viel Glück wünschen.«

Ich muss lachen. »Du hast es nicht geschafft. Das Bewerbungsgespräch ist schon vorbei.«

»Was?« Irritiert entlässt er mich aus der Umarmung und sieht auf seine Armbanduhr. »Ich dachte, das beginnt erst in zwei Minuten.«

»Hätte es, aber ich war wieder mal zu früh dran.«

»Und wie war es?«

»Ich bin mir nicht sicher.« Ich zucke mit den Schultern. »Wir sind uns sympathisch, aber sie sucht vorzugsweise eine Partnerin mit juristischem Abschluss. Damit kann ich nicht dienen.«

»Lächeln, Mira, lächeln«, sagte Samuel plötzlich und winkt nach oben.

Ich folge dem Blick. Hinter einer der Fensterscheiben des ersten Stocks steht Josephine Seller und winkt.

Kapitel 2

»Mira?«

Ja, das bin ich. Ich bin Mira. Nur wem gehört die Stimme? Ich kenne sie, kann sie aber nicht zuordnen.

»Mira, mach die Augen auf. Was ist denn los?«

Ich kämpfe, versuche, die Augen zu öffnen, doch meine Lider sind schwer wie Blei.

»Mira, soll ich einen Krankenwagen rufen?«

Zoe? Wie war noch mal ihr Nachname? In der Nachbarschaft sprechen sich alle mit Vornamen an. Ein unsinniges Verhalten, das eine Vertrautheit vortäuscht, die nicht existiert.

Endlich gelingt es mir, die Augen zu öffnen. Das Erste, was ich sehe, ist der besorgte Blick meiner Nachbarin.

»Mira, brauchst du einen Arzt?«, fragt sie und hilft mir, mich aufzurichten.

Ich versuche ein Lächeln und hieve mich auf die Beine. Verlegen klopfe ich meine Hose ab, ohne zu wissen, ob sie überhaupt dreckig ist.

»Alles in Ordnung, danke.« Ich habe keine Ahnung, wie viel sie weiß. Ist sie über meinen Klinikaufenthalt informiert? Über meinen Burn-out? Ich habe Samuel bei seinen Besuchen und unseren Telefonaten nicht danach gefragt, was er der Nachbarschaft erzählt hat.

»Ich habe nur, ich …«, stammle ich.

»Mira, bist du schwanger?«

»Schwanger? Nicht dass ich wüsste. Wie kommst du darauf?«

Zoe deutet auf den Boden. Ich folge ihrem Zeigefinger und sehe eine Lache aus Erbrochenem. Sofort ist alles wieder da.

»Josie … sie ist tot … ich … Hilfe … in unserem Schlafzimmer.«

Dann nimmt mich das allumfassende Rauschen wieder mit in eine dumpfe schwarze Dunkelheit.

Als ich zum zweiten Mal zu mir komme, schwebt Zoes besorgtes Gesicht über mir wie eine Drohne, und ich bin mir sicher, könnte sie mit ihren Augen Fotos machen, würde sie es tun. Erpressungsmaterial, gut geeignet, um den anderen zu etwas zu bringen, was er nicht will. Fehlverhalten, seelische Verletzungen, verzweifelte Menschen, das ist mein Job. Wenn mir etwas vertraut ist, dann sind es menschliche Abgründe. Überall gibt es sie, häufig dort, wo man sie am allerwenigsten vermuten würde. So auch in unserem Vorort. Ich könnte wetten, Zoe, die meinen Kopf auf ihren Knien streichelt und mich so liebevoll umsorgt, hat einige Leichen im Keller, obgleich sie mir freundlich ins Gesicht lächelt.

Leichen.

Josie!

Ich rapple mich hoch, stehe auf, sehe Zoe an, mit all der Festigkeit im Blick, die ich aufzubringen vermag.

»Hast du ein Handy?«, frage ich.

»Selbstverständlich«, antwortet sie verunsichert, zieht es aus der Hosentasche und reicht es mir.

»Lass stecken, ich habe selbst eins, tut mir leid«, entschuldige ich mich schnell und hole meins hervor. »Vielen Dank für deine Hilfe.«

Ich schenke ihr ein Lächeln, das falscher nicht sein könnte, in der Hoffnung, dass sie sich umdreht und geht, während ich wähle. Das folgende Gespräch ist nicht für ihre Ohren bestimmt, aber egal, sie wird sowieso Bescheid wissen, wenn hier gleich ein Polizeiaufgebot anrückt.

»Ja, hier Mira Blane«, sage ich so ruhig wie möglich.

Es gibt eine klare Reihenfolge, die man einhalten sollte, wenn man einen Notruf absetzt, ich kann mich nur leider nicht an die einzelnen Schritte erinnern. Meinen Namen zu sagen ist vielleicht ein guter Anfang. Ich nenne meine Adresse und erläutere dem Mann möglichst neutral, dass in unserem Ehebett die ausgeblutete Leiche meiner Freundin liegt.

Zoe reißt mit fortschreitendem Telefonat die Augen immer weiter auf, bis ich Angst habe, sie könnten ihr aus den Höhlen fallen.

Warum ich keinen Krankenwagen gerufen hätte, will der Mann wissen.

»Habe ich«, lüge ich.

»Dann wären wir längst informiert worden«, sagt er eiskalt. »Das geht heutzutage automatisch.«

»Okay, es tut mir leid, ich hatte eine Panikattacke.«

Zoe hebt die Hand, als wären wir in der Schule. Selbstbewusst tritt sie neben mich und beugt sich zu meinem Telefon vor.

»Das kann ich bezeugen«, schreit sie so laut, als müsste sie die Distanz zu dem Mann am anderen Ende der Leitung nur mit ihrer schrillen Stimme überbrücken. Warum geht sie nicht?

»Könnten Sie bitte kommen?«, frage ich.

Er verspricht, eine Streife zu schicken. Ich habe ihm die Situation klar und ruhig geschildert, trotzdem habe ich den Eindruck, dass er mir nicht glaubt. Vielleicht genau deswegen. Vielleicht hätte ich panisch losbrüllen sollen, dass wir sofort die Polizei brauchen, weil ich eine Leiche gefunden habe. Weiß der Teufel, wie Leitstellen die Dringlichkeit der Einsätze einstufen. Da Josie tot ist, ist die Geschwindigkeit, mit der sie anrücken, im Prinzip egal.

Als endlich eine Streife eintrifft, vermag ich nicht einzuschätzen, wie lange ich neben der inzwischen leichenblassen Zoe in unserem Vorgarten gewartet habe. Der Streifenwagen nähert sich ohne Warnlicht, ohne Sirene und die Schrittgeschwindigkeit der Spielstraße strikt einhaltend, was sonst niemand tut. Zoe hat sich keinen Inch von der Stelle bewegt. Sie möchte ihre Sensationsgier befriedigen, die in jedem Menschen schlummert. Ich mache ihr keinen Vorwurf daraus. Tun wir mal so, als wäre ihr Herz zu milde, um mich in dieser Situation allein zu lassen. Wäre doch nett von ihr, zumal äußerst fraglich ist, wer von uns beiden als Nächstes einen Zusammenbruch erleiden wird.

Als endlich zwei Police Constables aus dem Streifenwagen aussteigen und gemütlich auf mich zukommen, atme ich auf.

»Du kannst gehen«, sage ich freundlich, aber bestimmt zu meiner Nachbarin. »Danke für deinen Beistand.«

»Klar. Wenn etwas ist, ich bin jederzeit für dich da. Ich bin eine geduldige Zuhörerin.«

Ja. Und eine herausragende Erzählerin, wenn es darum geht, das Gehörte in der Nachbarschaft zu verbreiten. Bestimmt setzt sie sich direkt mit der nächsten Klatschtante in Verbindung, um ihr – wenn auch nur per Telefon – das Geschehen im Nachbarhaus detailliert zu beschreiben. Wäre eine hervorragende Sensationsreporterin geworden, die liebe Zoe. Finding heißt sie, genau, endlich fällt mir ihr Nachname ein. Sicher findet sie an diesem Tag etwas, und wenn es nur eine Möglichkeit ist, über mich zu lästern.

Die Uniformierten erfragen meine Personalien und den Grund, warum sie hier sind. Hat ihnen das nicht die Leitstelle mitgeteilt? Oder glauben sie es nicht?

Nachdem ich ihnen ausgiebig meine Heimkehr geschildert und sie vor dem Anblick gewarnt habe, der sich ihnen gleich bieten wird, gehe ich voraus auf die Haustür zu und schließe sie zum zweiten Mal an diesem Tag auf. Die Police Constables drängen mit gezogenen Waffen an mir vorbei. Erst jetzt wird mir bewusst, dass es im Haus gefährlich sein könnte. Wenn Josie ermordet wurde, muss es logischerweise auch einen Mörder geben.

Es ist nicht besonders schlau, aber ich folge den Beamten hinein und flüstere ihnen den Weg zum Schlafzimmer zu. Sie gehen ihn schweigend, sichern sich nach allen Richtungen ab. Es ist wie in einem Actionfilm, nur dass ich so gut wie tot bin, falls der Mörder schlau genug ist, von hinten anzugreifen. Ich achte auf die typischen Alarmzeichen, doch in meinem Kopf bleibt es still. Die Panikattacken von vorhin haben alle Empfindungen in mir abgetötet. Ich fühle gar nichts.

Endlich haben wir das Schlafzimmer erreicht. Der vordere Police Constable stößt die Tür auf, sein Kollege springt an ihm vorbei in den Raum. Eine Sekunde lang ist die Szenerie wie eingefroren. Dann stecken sie die Waffen zurück in die Holster und drehen sich zu mir um.

Ich kann die Fragen an ihren Gesichtern ablesen, eine Antwort darauf habe ich nicht. Nicht einmal den Hauch einer Idee, wie das sein kann.

Fassungslos starre ich auf das blütenreine, leere Bett.

Das ist unmöglich. Wie in Trance taumle ich nach vorne, ergreife die Tagesdecke, die wie immer über dem Bett aufgeschlagen ist, und ziehe sie mit einem Ruck ab. Der Blutfleck muss darunter sein.

Ist er nicht.

Der Schwindel kehrt mit Macht zurück, in meinen Ohren rauscht es dumpf, aber das interessiert mich jetzt nicht. Ich muss den Fleck finden, Josie finden, die irgendwo unter den beigefarbenen Zierkissen liegen muss. Verdeckt und tot.

Wie eine Wahnsinnige stürze ich mich auf Kissen und Decken, ziehe ein Stück nach dem anderen vom Bett und werfe es auf den Fußboden. Schließlich zerre ich das Laken herunter und halte es fassungslos in den Händen. Vor mir erstreckt sich die blanke, saubere Matratze. Das Bett bleibt leer. Josies Leiche ist verschwunden, ebenso wie jeglicher Hinweis darauf, dass sie je hier gewesen ist.

Ich drehe mich zu den Police Constables um. Sie müssen mich für verrückt halten. Das würde ich auch, wenn ich an ihrer Stelle wäre. Ich weiß, dass sie eine Erklärung von mir erwarten, aber mir fällt kein einziges Wort ein, das die Situation oder meine Gedanken auch nur annähernd beschreiben könnte.

Im selben Augenblick höre ich Schritte die Treppe heraufkommen. Panisch fahre ich herum und stolpere rückwärts, den Blick wie festgeklebt auf den Flur gerichtet, bis ich den Druck einer Hand im Rücken spüre und einen Schreckensschrei nicht unterdrücken kann. Die Hand gehört einem der Uniformierten, der mich daran hindert, weiter zurückzuweichen. Seine Dienstwaffe ist sofort auf die geöffnete Schlafzimmertür gerichtet. Mir ist so schlecht, dass ich mich sicher wieder übergeben muss. In Erwartung, gleich Josies Mörder gegenüberzustehen, bin ich unfähig, mich zu rühren.

Wie aus dem Nichts erscheint die Gestalt eines Mannes im Türrahmen.

Er erstarrt.

Ich erstarre.

Samuel!

Langsam hebt er die Hände und streckt sie über dem Kopf in die Höhe. Seine leeren Handflächen hat er demonstrativ in unsere Richtung gedreht, um uns zu zeigen, dass er unbewaffnet ist. Dabei erscheint mir allein die Vorstellung von Samuel mit einer Waffe absurd.

Schuld, Unschuld, Sanftmut, Mord. In meinem Kopf verschwimmen die Begriffe. Was ist hier passiert? Und was, zur Hölle, hat mein Mann damit zu tun, mein Samuel, dessen hübsches Gesicht eine Mischung aus Erschrecken und Verwirrung ist.

»Was ist los?«, fragt er nach wie vor mit erhobenen Händen und so vorsichtig, als fürchtete er, der Police Constable könne den Abzug drücken. »Mira, was machst du hier? Was hat das zu bedeuten?«

Ich versuche an seiner Mimik zu entschlüsseln, was in ihm vorgeht, und kann die Fassade aus Fragezeichen nicht durchdringen. Ich möchte seine Frage beantworten. Möchte erklären, fragen, ihn zur Rede stellen, aber die Worte, um die ich ringe, drehen sich in meinem Kopf, ohne dass es mir gelingt, sie zu einem sinnvollen Satz zu formen. Ein Klumpen bedeutungsloser Buchstabenknete.

Hilflos schweige ich.

»Sie sind?«, fragt der Polizist, der hinter mir steht. Sein Tonfall ist so sachlich, dass ich ihn darum beneide.

»Samuel Blane. Das ist mein Haus.«

»Haben Sie einen Ausweis dabei?«

»Nicht hier. In meiner Jacke, unten im Büro.«

»Mrs Blane, können Sie bestätigen, dass es sich bei dieser Person um Ihren Ehemann handelt?«

»Ja«, krächze ich. »Ja, das ist Samuel Blane, mein Mann.«

»Tragen Sie Waffen oder andere spitze Gegenstände bei sich, an denen wir uns verletzen könnten?«

Samuel schüttelt den Kopf.

Der zweite Police Constable geht auf ihn zu und tastet ihn ab, greift ihm in die Hosentaschen und in den Bund seiner Tennissocken.

Samuel versteift sich. Kein Wunder, selbst mir ist es unangenehm, dabei zuzusehen, wie ein fremder Mann ihn auf diese Weise anfasst.

Schließlich nickt der Uniformierte seinem Kollegen zu, und ich nehme entfernt wahr, wie der die Waffe sinken lässt und zurück ins Holster steckt.

Mit einer Geste bedeutet der Polizist, der Samuel abgetastet hat, ihm, sich aufs Bett zu setzen. Mein Mann kommt der Aufforderung nach.

Ich sehe betreten zu Boden.

Die Police Constables bauen sich vor Samuel auf. Zum ersten Mal, seit er aufgetaucht ist, gelingt es mir, mich zu bewegen. Statt mich neben meinen Mann zu setzen, gehe ich ein paar Schritte zur Seite.

Der Constable, der Samuel abgetastet hat, räuspert sich. »Mein Name ist Fork, das ist mein Partner Deringer.«

Er zieht seinen Dienstausweis hervor und hält ihn Samuel so flüchtig entgegen, dass er allenfalls das Bild darauf erkennen kann. Sein Kollege tut es ihm gleich. Die Empfindung ist vermutlich fehl am Platz, trotzdem spüre ich Verärgerung darüber, dass sich die Männer mir nicht mit Namen und Ausweis vorgestellt haben. Oder haben sie, und ich habe es vergessen?

»Mister Blane«, fährt Fork fort. »Ihre Frau hat uns gerufen, weil in Ihrem Bett die blutüberströmte Leiche einer Frau liegen soll.«

Samuels Augen werden groß wie Untertassen. Dann schnellt sein Kopf zu mir herüber, seine Stirn gerunzelt, sein Ausdruck verständnislos.

»Josie.« Meine Stimme zittert. »Ich wollte euch überraschen. Dann fand ich sie. Wo ist sie?«

»Wer?«

»Josie. Als ich vorhin ins Schlafzimmer kam, lag sie blutüberströmt auf dem Bett.«

»Josie?«

Ich nicke.

»Lag hier auf dem Bett?«

Ich nicke.

»Blutüber… Mira, das kann nicht dein Ernst sein!«

Was soll ich tun? Was soll ich sagen? Was ich gesehen habe, habe ich gesehen.

Glücklicherweise mischt sich der forsche Fork ein und erspart mir eine genauere Erklärung. »Ihre Frau ist der Meinung, Josephine Seller habe vorhin tot dort gelegen. Können Sie uns dazu etwas sagen?«

»Ich? Nein. Nein, wie sollte ich? Das ist Unsinn.«

Fork nickt zustimmend. »Nach derzeitigem Stand sieht es sehr danach aus, ja. Wir mussten dem Notruf Ihrer Frau trotzdem nachgehen, das verstehen Sie sicher.«

»Ja.«

»Kennen Sie das angebliche Opfer?«

Das angebliche? Sie glauben mir nicht. Meine Glaubwürdigkeit hat sich gemeinsam mit Josies totem Körper in Luft aufgelöst.

»Natürlich kenne ich Josie Seller.« Samuels Stimme hat an Festigkeit gewonnen. Auch er hat begriffen, dass der Zweifel der Police Constables an mir größer ist als der Verdacht gegen ihn.

»Josie ist die Kanzleipartnerin meiner Frau und eine gute Freundin. Ich kann sie gern anrufen.«

»Nein, ich denke, das wird nicht nötig sein, das können wir selbst, wenn wir die Personalien haben.« Der Police Constable deutet auf Samuel. »Aber vielleicht könnten Sie uns erklären, wo Sie waren, als Ihre Frau nach Hause kam und meinte, Miss Sellers Leichnam in Ihrem Bett vorzufinden.«

»Ich war im Büro im Keller und habe gearbeitet.«

»Mister Blane, es erstaunt mich, dass Sie offenbar genau wissen, wann sich der Vorfall ereignet hat, von dem Sie nichts mitbekommen haben.« Mit plötzlichem Interesse runzelt Deringer die Stirn.

»Nein, nein, ich habe keine Ahnung, wann meine Frau nach Hause gekommen ist. Ich habe nur seit heute morgen um sieben bis gerade eben im Büro gesessen, daher muss ich logischerweise unten gewesen sein.«

»Okay, das ergibt Sinn.«

Ich kann deutlich sehen, dass beide Polizisten Samuel für glaubwürdiger halten als mich, und kann das verstehen. Ich würde ja selbst an meiner Glaubwürdigkeit zweifeln, wenn ich mir nicht so verdammt sicher wäre.

Samuel deutet auf das ans Schlafzimmer angrenzende Bad. »Entschuldigen Sie, dürfte ich meiner Frau vielleicht ein Glas Wasser holen?«

»Selbstverständlich.«

Samuel verschwindet im Badezimmer. Am liebsten hätte ich abgelehnt, allein deshalb, weil er das Wasser holt, ohne mich zu fragen. Nein, schlimmer noch, weil er über meinen Kopf hinweg gemeinsam mit zwei Fremden entschieden hat, es mir zu bringen. Ich höre meine eigene Stimme, die ihm irgendetwas hinterherruft. Sie klingt so dumpf, dass ich die Worte nicht verstehen kann. Kaum dass ich sie ausgesprochen habe, kann ich mich nicht mehr an den Inhalt erinnern. Das muss der Schock sein. Er vernebelt mir die Sinne. Die anderen zu fragen, was ich gesagt habe, wäre für sie wohl die Garantie dafür, dass ich verrückt bin. Ich betrachte Samuel, als er mir das Glas reicht. Er lächelt. Ich scheine ihn nicht beschimpft zu haben. Gut. Vergessen wir das. Gierig trinke ich.

Fork wendet sich mir zu. »Mrs Blane, darf ich ehrlich sein?«

Ich schweige. Mehr ist auch nicht notwendig. Sein Blick spricht Bände.

»Was immer Sie da gesehen haben wollen, Mrs Blane, ich sehe es nicht. Und, ehrlich gesagt, kann ich mir auch nicht vorstellen, wie es möglich sein soll, eine – wie von Ihnen beschrieben – blutüberströmte Leiche innerhalb kürzester Zeit verschwinden zu lassen. Verstehen Sie, was ich meine?«

Es ist so peinlich, so furchtbar peinlich. Trotzdem versuche ich, möglichst sachlich zu klingen.

»Ich verstehe, was Sie meinen, ich begreife ja selbst nicht, was hier vor sich geht. Auf Sie muss es wirken, als wäre ich komplett bescheuert. Aber ich weiß, was ich gesehen habe.« Ich kämpfe gegen die Tränen an, die in mir aufsteigen. Jetzt bloß nicht heulen, sonst mache ich mich vollends lächerlich.

»Mrs Blane, Sie erwähnten bei unserer Ankunft, dass Sie von einem Klinikaufenthalt zurückgekehrt sind, als Sie die Leiche gefunden haben.«

Ach, habe ich das?

»Darf ich fragen, um was für eine Klinik es sich dabei handelte?«

»Ich bin nicht verrückt.« Der mit aller Kraft aufrechterhaltene Damm bricht, und Tränen der Hilflosigkeit laufen mir über die Wangen. »Das ist das Einfachste. Wenn Sie mich für verrückt erklären, ist die Sache erledigt, und Sie können wieder zum Tagesgeschäft übergehen.«

Samuel erhebt sich vom Bett und kommt auf mich zu, langsam, als wüsste er nicht, ob er es wagen könnte.

»Das wollte der Police Constable damit sicherlich nicht sagen.« Er bleibt vor mir stehen, legt die Hände auf meine Schultern und sieht mir tief in die Augen.

»Doch, genau das wollte er sagen.« Trotz klingt aus meiner Stimme wie bei einem kleinen Kind, das darauf verweisen will, dass der andere angefangen hat.

Endlich umarmt Samuel mich und drückt mich fest an sich. Ich schmiege den Kopf an seine Brust, spüre die Sicherheit, den Halt, den er mir angesichts des Misstrauens gibt. Als ich schniefe, steigt mir sein Geruch in die Nase. Aftershave mit einem Hauch Samuel.

Fork räuspert sich, als wäre es ihm unangenehm, unseren Moment der Innigkeit zu unterbrechen. »Es tut mir leid, Mrs Blane, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten, aber wäre es vielleicht möglich, dass Sie Medikamente in der Klinik erhalten haben, die, na ja, dazu führen, dass Sie Dinge sehen, die nicht da sind?«

»Sie meinen, ich habe psychische Wahrnehmungsstörungen aufgrund einer akuten Medikation?« Nur weil er mich für verrückt hält, muss er noch lange nicht annehmen, dass ich dumm bin.

»Das ist es!«, ruft Samuel. Er gibt sich nicht einmal Mühe, seine Erleichterung zu verbergen. »Mira, du hast mir selbst erzählt, dass sie dich mit Citalopram behandeln. Ich habe das Medikament gegoogelt und erinnere mich daran, dass Nervosität, Verwirrtheit und anormale Träume zu den Nebenwirkungen gehören.«

Ich schnaube verächtlich. »Entschuldige mal, bei aller Liebe, aber so verwirrt kann ich gar nicht sein, dass ich mir die Leiche meiner besten Freundin in unserem Bett einbilde.«

»Vielleicht war das ja einer dieser anormalen Träume.«

»Ich bin wach.«

»Vielleicht können das auch Tagträume sein. Darling, du weißt nicht, was diese Psychopharmaka in deinem Gehirn anrichten. Bestimmt führen sie dazu, dass dir deine Ängste real vorkommen.«

»Ja. Möglich.« Ich seufze. Es ist ohnehin egal, was ich sage, weder die Police Constables noch mein eigener Ehemann sind bereit, mir zu glauben. Ich kann es ihnen nicht verübeln.

Samuel streicht mir über den Hinterkopf. »Es wird alles wieder gut, Darling. Wir bekommen das gemeinsam hin.«

Ich nicke an seiner Brust und schlucke trocken. Dann winde ich mich aus seiner Umarmung. Ich will seine Augen sehen.

Hätte ich es lieber gelassen. In ihnen spiegelt sich das, wovor ich mich seit Wochen fürchte: Mitleid. Mein Ehemann bemitleidet mich. In seinen Augen bin ich nicht länger eine gleichberechtigte Partnerin. Ich bin ein Pflegefall, den er nun für den Rest seines Lebens am Hals hat. Er wird sich aufopferungsvoll um mich kümmern. Samuel ist der verantwortungsbewussteste Mensch, den ich kenne.

Wieder kommen mir die Tränen.

»Nun, da haben wir unseren Fall schon gelöst«, konstatiert Fork trocken.

Er freut sich offensichtlich, dass er mit seiner Medikamententheorie ins Schwarze getroffen hat. Vermutlich wird er nachher auf dem Revier damit angeben, während sich alle über die Verrückte kaputtlachen, die sich tote Freundinnen einbildet. Bei der parodistischen Darbietung darf das berühmte Filmzitat nicht fehlen: Ich sehe tote Menschen. Ich kann mir die Szene bildlich vorstellen.

Traurig hebe ich den Blick. Anstatt des erwarteten unterdrückten Spotts erkenne ich zu meiner Verwunderung auch in den Augen des Police Constables Mitleid.

Er räuspert sich. »Mrs Blane, Mister Blane, wenn es Ihnen nichts ausmacht, würden wir uns gern im Haus umsehen. Nur um sicherzugehen.«

Wie nett von ihm. Sofort tut es mir leid, dass ich ihn in Gedanken verurteilt habe. Die Mühe mit der Hausdurchsuchung möchte er nur auf sich nehmen, damit ich mich besser fühle. Trotzdem würde ich am liebsten schreiend um mich schlagen. Ich bin nicht bemitleidenswert. Ich bin kein Pflegefall. Ich bin nicht bescheuert.

Kurz schließe ich die Augen und atme einmal tief durch. Dann richte ich mich auf. Schultern runter, Kopf hoch, Brust raus. Das kleine Häuflein Elend verwandelt sich wieder in eine erwachsene Frau.

»Ich finde es nett von Ihnen, dass Sie unser Haus durchsuchen wollen, auch wenn ich annehme, dass Sie das nur anbieten, damit ich mich nicht mehr so schlecht fühle«, sage ich.

Ich-Botschaften. Die eigenen Gefühle aussprechen. Dem anderen mitteilen, wie es im Inneren aussieht. Wie oft predige ich meinen Klienten, dass das der Schlüssel zu Verständnis und konstruktiver Verständigung ist. Dennoch zuckt der Polizist zusammen, als hätte ich ihn bei einer Lüge ertappt.

»Nein, ehrlich, das ist überaus freundlich«, schiebe ich hinterher und bringe sogar ein Lächeln zustande. »Sie müssen das nicht tun. Aber wenn wir beide, also Sie und ich, uns danach besser fühlen, halte ich das für eine schöne Idee.«

Deringer nickt und erwidert mein Lächeln.

»Ich zeige Ihnen alles«, sagt Samuel. »Kann ich dich kurz allein lassen, Darling?«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. Wie kommt er auf die Idee, dass ich hier sitzen bleibe und warte, solange er mit den Police Constables durchs Haus marschiert und nach einer Leiche sucht? Mit aller Kraft reiße ich mich zusammen. Jetzt bloß nicht wütend werden. Ich gelte schon als verrückt, da müssen die Polizisten mich nicht auch noch für aggressiv halten. Wobei, ich könnte es ja einfach wieder auf die Tabletten schieben. Citalopram, mein neuer Sündenbock für jede Lebenslage.

Galgenhumor. Dabei ist die Situation so weit entfernt davon, lustig zu sein, dass man vermutlich eine neue Maßeinheit dafür erfinden müsste.

Als die Police Constables mit Samuel den Raum verlassen, zögere ich. Soll ich tun, was von mir erwartet wird oder wonach mir der Sinn steht?

Nach drei Sekunden stehe ich auf und folge dem Trio. Ich war noch nie besonders gut darin, die Erwartungen anderer zu erfüllen.

Irritiert bemerken die Männer meine Anwesenheit, aber niemand wagt es, sie zu kommentieren.

Wir betreten Raum für Raum. Wie ein Makler benennt Samuel die jeweilige Nutzung: Küche, Bad, Büro.

Innerlich triumphiere ich über den Ordnungssinn meines Mannes, denn ich muss mich für den Zustand keines einzigen Raums schämen. Selbst den Hauswirtschaftsraum hat er in Ordnung gehalten.

Das Ergebnis ist erleichternd und niederschmetternd zugleich. Josies Leiche ist nicht hier. Und inzwischen bin ich mir auch nicht mehr so sicher, ob sie es je gewesen ist.

Die Police Constables verabschieden sich freundlich, wenn sich auch Deringer ein abschließendes Grinsen nicht verkneifen kann. Vermutlich wird der Anruf der verrückten Blane zu den Akten gelegt, sobald sich das Revier genügend darüber amüsiert hat.

*

Prüfend betrachte ich den Couchtisch. Wein, Oliven, Käse, Pralinen, Teelichte. Alles da. Nachdem Samuel heute den Vertrag für die Unternehmensberatung mit einer beeindruckend großen Firma unterschrieben hat, wollen wir das mit einem Dinner Date feiern. Da kommt er auch schon die Treppe herauf, noch im Anzug und bis über beide Ohren grinsend.

»Darling, wir haben es geschafft. Diese Unterschrift ist mindestens zehn Kreditraten wert.«

Er breitet die Arme aus, und ich stürme hinein. Presse den Kopf an die Brust des Mannes, den ich so sehr liebe, dass ich seinetwegen nach England ausgewandert bin. Ich habe es keine Sekunde bereut.

Mehrfach küsst er mich aufs Haar, hebt mich kurzerhand hoch und trägt mich zur Couch. Ich könnte platzen vor Glück.

Gerade als er mich sanft auf dem Polster abgelegt und sich über mich gebeugt hat, klingelt es an der Haustür.

»Ignorier es«, hauche ich und presse meine Lippen fest auf seine.

Es klingelt ein zweites Mal.

»Erwartest du jemanden?«, fragt er.

»Nein, du?«

»Nein. Ich war auf einen romantischen Abend eingestellt.«

Es klingelt ein drittes Mal.

»Ich regle das«, erkläre ich und klettere unter ihm hervor. Wäre zu blöd, wenn uns ein dummer Zwischenfall den Abend versaut.

Als ich die Haustür öffne, ändert sich meine Meinung schlagartig. Mit allem habe ich gerechnet, nur nicht mit Josephine Seller. Sie schwenkt eine Flasche Champagner in der Hand.

»Überraschung!«, ruft sie und lacht.

»Das ist in der Tat eine Überraschung.«

»Oh, komme ich ungelegen?«

Ich muss dringend an meinem Pokerface arbeiten. »Vielleicht etwas. Ach was, treten Sie bitte ein. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«

»Nein, eigentlich möchte ich Ihnen etwas anbieten.« Sie strahlt so sehr, dass man sie auf dem Cover eines Frauenmagazins abdrucken könnte.

Fragend sehe ich sie an.

»Die Partnerschaft in meiner Kanzlei«, sagt sie und lässt die Bombe platzen. »Wenn Sie noch interessiert sind, kippen wir jetzt diese Flasche Schampus, und morgen früh kommen Sie zu mir in die Kanzlei und unterschreiben den Partnervertrag.«

»O! Mein! Gott!«, brülle ich. Dann verliere ich jegliche Selbstbeherrschung und falle ihr um den Hals.

Sie lacht. »Darf ich das als ein Ja werten?«

»Ja, so was von. Ich freue mich wahnsinnig.« Ich strahle ebenso sehr wie sie. »Jetzt kommen Sie schon herein.«

Als wir das Wohnzimmer betreten, holt Samuel gerade drei Sektgläser aus dem Schrank. »Herzlichen Glückwunsch.«

»Danke«, sagen Josephine Seller und ich wie aus einem Mund.

Kapitel 3

Als Samuel die Haustür hinter den Police Constables schließt und sich zu mir umdreht, spiegelt sich in seinem Gesicht genau das, was ich nicht will: tiefe Besorgnis.

Ich schäme mich dafür, dass er mich auf diese Weise ansehen muss, das hat er noch nie getan, nicht einmal bei seinen Besuchen in der Klinik.

Zum ersten Mal, seit ich hier bin, kommen mir Zweifel, ob es eine gute Idee war, mich vorzeitig zu entlassen. Vielleicht beeinträchtigen die Psychopharmaka mein Gehirn auf eine Weise, die lediglich in der Klinik nicht auffällt – eine Verrückte unter Verrückten, wen sollte das überraschen? Aber in der Klinik zu bleiben, wäre keine Option gewesen, die Sehnsucht nach meiner Familie hätte mich verrückt gemacht.

Wie eine glühende Messerklinge fährt mir der Schmerz ins Herz.

»Wo ist Isy?«, frage ich mit Panik in der Stimme.

Was bin ich nur für eine Mutter, dass ich erst jetzt an sie denke. Nein, halt, das stimmt nicht. Als ich vorhin nach Hause gekommen bin, war sie neben meinem Mann mein einziger Gedanke. Erst seit ich Josies Leiche gesehen habe – oder zu sehen meinte –, habe ich Isy aus meinen Gedanken verloren. Vielleicht weil sie hier nicht hergehört. Nicht in das Haus, in dem eine blutüberströmte Frau auf dem Bett liegt. Meine Tochter gehört in unser Zuhause, wo es kuschelig, behaglich und sicher ist. In das Haus, in dem wir gemeinsam spielen und lachen, in dem man die Liebe zwischen uns in der Luft spüren kann, so kitschig das klingen mag.

»Isy habe ich zu meinen Eltern gebracht«, erklärt Samuel zerknirscht. »Ich habe heute wichtige Meetings, da hätte ich keine Zeit für sie gehabt. Und meine Mutter hat sie doch so gern bei sich. Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst …«

»Alles gut, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen.« Beim Gedanken an Isy und ihre Granny muss ich lächeln. »Ich finde es großartig, dass deine Mutter so für sie da ist.«

Das meine ich ehrlich. Ich habe immer von einer Großmutter wie Edith geträumt. Einer warmherzigen, weichen Oma, die nach Apfelkuchen riecht, wenn man sich an sie schmiegt. Genauso ist Samuels Mutter. Ich kenne niemanden, der diese Frau nicht innerhalb der ersten fünf Minuten ins Herz schließt.

Samuel zuckt unsicher mit den Schultern. »Wenn du willst, kannst du sie abholen. Ich kann leider nicht, ich habe gleich das nächste Meeting.«

»Nein, schon gut.« Ich zögere, dann ist der Drang nach der Wahrheit stärker. »Samuel?«

»Ja?«

Meine Stimme zittert. »Bin ich verrückt, oder ist Josie wirklich tot? Hast du sie …?«

Ich wage nicht, den Gedanken auszusprechen. In meinem Körper sind alle Muskeln angespannt, bereit zur Flucht, falls ich gerade einem Mörder gegenüberstehe, der mich als Zeugin aus dem Weg räumen will. Meine Frage an Samuel ist berechtigt, meine plumpe Art, sie ihm zu stellen, möglicherweise unklug.

Ich bin froh, dass er nicht versucht, mich anzugreifen. Stattdessen werden seine Gesichtszüge weich. Seine Augen glänzen verräterisch.