Machen Sie sich frei! - Vince Ebert - E-Book

Machen Sie sich frei! E-Book

Vince Ebert

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

«Witzige Texte, große Ideen und überraschende Querverbindungen – eine ungewöhnliche Mischung!» Dr. Eckart von Hirschhausen Sind die Gedanken wirklich frei, oder ist das nur ein Volkslied? Und wie frei sind dann Volksmusiker? Lohnt sich Freiheit überhaupt? Die Griechen haben sie erfunden und sind heute pleite! Alle sehnen sich danach, frei zu sein. Dafür fliegen Mücken gegen Fensterscheiben, und Steuerfachangestellte kaufen sich eine Harley-Davidson. Nach seinem Bestseller «Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie» begibt sich der Wissenschaftskabarettist Vince Ebert auf die Suche nach der Freiheit. Dazu reist er quer durch Deutschland und trifft spannende und freiheitsliebende Menschen: von einer Domina und einer Nonne über einen Genetiker und einen Hirnforscher bis zu dem Erfinder des Fischerdübels und einem ehemaligen Drogenabhängigen. Sie waren neugierig genug, nach der Freiheit zu greifen. Aber wenn Sie wissen wollen, warum, sollten Sie weiterlesen. Es ist Ihre freie Entscheidung, oder etwa nicht? «Zwischen intellektuellem Feinsinn und krachendem Frankfurter Grobianismus.» Die Welt «Ein echtes Multitalent.» DIE ZEIT

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 220

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorwort

FREIHEIT FÜR GRENZGÄNGER!

Dr. Eckart von Hirschhausen

Was wissen Ärzte schon von Freiheit? Ihr Ideal ist die Keimfreiheit. Aber die ist bekanntlich auch nur eine Illusion. Bei Ärzten soll man sich immer frei machen, am besten schon, bevor man überhaupt «Hallo» gesagt hat. In der Arztpraxis ist das übliche Praxis, vor der Praxis ist das strafbar. Sich frei zu machen ist also gar nicht so einfach. Vince Ebert hat es versucht. Und wie ich aus unserer langjährigen Freundschaft weiß: Er hat sich die letzten Jahre zum Sklaven dieses Themas gemacht.

Die Fotos, die ich aus den dunkelsten Archiven zusammengesucht habe, zeigen, dass diese Mission schon seit seiner frühen Jugend nachweisbar ist. Gleichzeitig habe ich ihn in den letzten beiden Jahren so unfrei erlebt wie noch nie. Ständig musste er erst an das Bühnenprogramm denken und dann an dieses Buch. Er hat recherchiert, ungemein viele spannende Leute aufgesucht und befragt, vor allem aber hat er sich selbst nicht geschont, um die Grenzen der Freiheit und auch seine eigenen aufzuspüren. Es hat sich gelohnt! Man schreibt ja das Vorwort erst hinterher, wenn das Buch schon fertig ist. So gesehen habe ich Ihnen, liebe Leser, etwas Entscheidendes voraus: Ich weiß schon, worauf Sie sich freuen können! Entstanden ist eine ungewöhnliche Mischung aus witzigen Texten, großen Ideen und überraschenden Querverbindungen. Kein Einheits-Frei, sondern differenziert und vor allem immer wieder sehr lustig.

Ein gutes Buch löst eigene Gedanken aus – und Widerspruch. So teile ich zum Beispiel nicht Vince’ uneingeschränkte Begeisterung über freie Marktwirtschaft und Globalisierung. Heute gibt es nur noch halb so viele Automarken wie vor zehn Jahren, und in weiteren zehn Jahren gibt es vielleicht nur noch einen einzigen Mega-Fusions-Automobilhersteller. Der baut dann lediglich zwei Modelle, und Sie müssen sieben Jahre vorher anmelden, wenn Sie ein Auto wollen. Ist das dann der Sieg des Kapitalismus? Die Ironie der Geschichte ist vielleicht, dass Konzerne heutzutage so groß werden, dass sie intern wieder so unbeweglich sind wie innerhalb einer Planwirtschaft. Ein schönes Beispiel: Volkswagen in Wolfsburg hat einen eigenen internen Postdienst gegründet, der die Briefe von einem ins nächste Haus bringen soll. Mir hat ein Mitarbeiter mal verraten: «Wenn es wirklich eilig ist, werfen Sie den Brief lieber in einen richtigen Briefkasten der Post – dann muss er zwar einen längeren Weg zurücklegen, kommt am nächsten Tag aber wenigstens an.»

Vielleicht wird jedes noch so engagierte Unternehmen ab einer bestimmten Größe zur Behörde. Aber dafür gibt es ja wieder eine Behörde, die darüber wacht, dass keine zu großen Monopole entstehen: das Kartellamt. Aber wenn das Kartellamt darüber wachen soll, dass keine Monopole entstehen, warum gibt es dann nur EIN Kartellamt?

Zumindest im religiösen Bereich sind die großen Kartelle dabei, auseinanderzubrechen. Religionsfreiheit bedeutet auch die Freiheit, von der Religion der anderen nicht weiter belästigt zu werden. Welcher Typ Mensch entsteht, wenn man die Gene eines Atheisten mit denen eines Zeugen Jehovas kreuzt? Jemand, der völlig sinnlos an deiner Tür klingelt. Momentan werden die Atheisten ja steuerlich begünstigt, weil sie keine Kirchensteuer zahlen. In Italien gibt es dafür eine sehr schlaue Lösung: Wer keine Kirchensteuer zahlen will, muss eine andere gemeinnützige Organisation benennen, der dann dieser Anteil an «Sozialabgaben» zufließt. Eine gute Kombination aus Freiheit und Wohl für die Gemeinschaft. Warum ginge das nicht auch in Deutschland? Dann würden sich die Kirchen auch wieder mehr Mühe geben, ihre Finanzen transparenter und ihren Sinn für die Gesellschaft plausibler zu gestalten. Aber wer will das schon …

Ich bin ein Kind der Freiheit, ein Berliner. Wenn ich heute noch gefragt werde, ob ich aus Ost oder West komme, antworte ich gerne: «Aus dem amerikanischen Sektor!» Die Mauer hat meine ganze Kindheit begleitet. Meine Seite war die mit den Graffiti. Und im Süden von Berlin gab es auch viele Kilometer Mauer, die selbst den Sprühern zu trostlos waren.

Wann haben Sie sich das letzte Mal darüber gefreut, dass Ihr kleiner Zeh nicht wehtut? Erst wenn man mal wieder damit an einem Tischbein hängengeblieben ist, weiß man, wie sehr er die Bewegungsfreiheit einschränken kann. Und wir genießen es, wenn der Schmerz nachlässt. So ist es auch mit der Freiheit. Wir gewöhnen uns an sie, als ob sie selbstverständlich wäre. Es muss erst wehtun, um sich daran zu erinnern, wie schön Freiheit sein kann. Freiheit macht die größte Freude, wenn die Mauer fällt, aber man darf nicht erwarten, dass man dann zwanzig Jahre lang durchtanzt. Wobei ich immer noch staune, wenn ich durch das Brandenburger Tor fahre – mit dem Fahrrad. Einfach so. Bis heute ist das für mich ein Wunder. Bis heute bin ich dankbar dafür. Besonders den Menschen, die daran geglaubt haben, als es sonst keiner mehr tat. In der Kirche, als Künstler und im Kabarett. Menschen, die nie ihre innere Freiheit und den Humor verloren haben, der dem System solche Angst machte.

Kennzeichen aller totalitären Herrscher und Regime ist ihre Humorlosigkeit und ihre Angst vor Satire, Karikaturen und Witzen. Heute leidet das Kabarett eher, weil man zwar alles sagen darf, aber keiner mehr zuhört und niemand an seine subversive Kraft glaubt. Eine der größten kulturellen Leistungen der letzten dreihundert Jahre ist die Tatsache, dass wir uns über alles lustig machen dürfen. Über die katholische Kirche, den Kommunismus, den Kapitalismus und hoffentlich auch noch im 21. Jahrhundert über den Islam. Während bei der Laudatio auf den Dänen Kurt Westergaard die Bundeskanzlerin und Joachim Gauck seinen Mut lobten, kreisten über dem Schloss Sanssouci zwei Hubschrauber, vier Präzisionsschützen wachten auf dem Dach und unzählige Polizisten schlichen um das Gebäude. Da witzelte der fünfundsiebzigjährige Karikaturist: «Die Männer vom Security Service, die mich die ganze Zeit über beschützen müssen, können froh sein, dass ich Zeichner bin und kein Winterschwimmer.»

Der Glücksforscher Ruut Venhoven weist eindeutig nach: Ökonomische, persönliche und politische Freiheit macht glücklich. Und bei aller Vergangenheitsverklärung gibt es keinen Hinweis auf positive Seiten von Unfreiheit. Deutschland Ost hat glückstechnisch aufgeholt, ohne zu überholen. Aktueller Stand auf der Skala von 1 bis 10: Ost: 6,77/ West: 7,13. Und dass wir gemeinsam als eines der reichsten Länder der Welt immer noch zufriedenheitstechnisch nie über das Mittelfeld hinauskommen, muss ja nicht so bleiben. Das nächste Mal, wenn jemand von einem Meinungsforschungsinstitut anruft – einfach mal behaupten, dass es so schlimm nicht ist. Wird das dann gedruckt, dürfen wir es auch endlich alle glauben. In alten wie in «neuen» Bundesländern.

Man muss nur dran glauben wollen! Wie aktuelle Studien bestätigten, beeinflusst die persönliche Meinung zur Willensfreiheit die Hirnaktivität und das Verhalten. Eine Gruppe von Probanden las in der «Zweiflergruppe» einen Text, in dem argumentiert wurde, sie sei «nichts weiter als eine Ansammlung von Nervenzellen». Die Kontrollgruppe las hingegen eine neutrale Passage über das Bewusstsein. Und siehe da: Die unbewussten EEG-Potenziale vor einer bewussten Handlung unterschieden sich. Der Zweifel am eigenen freien Willen berührt offenbar grundlegende Prozesse im Gehirn. Noch spannender war aber der Unterschied im Verhalten. Bei einer Matheaufgabe hatten die Forscher extra die Möglichkeit eingebaut, zu mogeln. Wer sich nur als Marionette seines Hirnes begreift, hat kein Problem damit, aktiv zu betuppen. In anderen Versuchen waren Menschen, die an ihren eigenen freien Willen glauben, anderen gegenüber deutlich hilfsbereiter als die, die es nicht taten. So ließen sie zum Beispiel andere ihr Mobiltelefon benutzen oder gaben Obdachlosen etwas Geld.

Ich bin da ganz pragmatisch: Wenn wir letztlich eh nicht wissen können, wie unser Hirn funktioniert, dann sind mir doch die Menschen mit einer positiven Illusion lieber als die rationalistischen Arschlöcher, die sich für nix verantwortlich fühlen und nachweislich unehrlicher, egoistischer und aggressiver reagieren. In der Studie taten sie anderen mit Absicht mehr Chili-Soße ins Essen, obwohl sie wussten, dass die das nicht mochten. Von der Sorte haben wir schon genug. Oder, wie der Gehirnforscher Manfred Spitzer es formuliert: «Die Idee der Freiheit ist die Voraussetzung für gute Taten. Freiheit ist im besten Sinne des Wortes eine gute Idee!» So gesehen ist es mit dem freien Willen wie mit dem Humor. Es geht auch ohne – aber man hat definitiv mehr Freude im Leben, wenn man glaubt, man hat welchen.

In diesem Sinne, viel Freude mit diesem Buch, und wenn Sie es durchgelesen haben – setzen Sie es frei!

PS: Mein Lieblingswitz zum Thema Freiheit und Wechsel der Perspektive: Ein Betrunkener läuft im Kreis um eine Litfaßsäule, tastet sie mit beiden Händen ab und ruft: «Hilfe, ich bin eingemauert!»

Einleitung

WAS IST FREIHEIT UND, WENN JA, WARUM?

Seit jeher ist die Sehnsucht nach Freiheit ein fundamentaler Drang. Jedes Lebewesen, das mehr als hundert Neuronen besitzt, möchte frei sein. Deswegen fliegen Mücken immer wieder gegen Fensterscheiben, rennen Katzen gegen Klappen und kaufen sich Sachbearbeiter im Innendienst eine Harley-Davidson.

Das Lebensgefühl der westlichen Welt oder, genauer gesagt, des nicht mehr ganz so Wilden Westens drückt sich in der Suche nach Freiheit und Selbstverwirklichung aus. Wie oft haben wir im Kino den Helden in die Abendsonne reiten sehen, ohne uns zu fragen, wie es ihm wohl drei Stunden später geht. Wenn das Pferd das Einzige bleibt, was ihn wärmt. In Titanic drängt der Lebenskünstler Leonardo di Caprio die verwöhnte Kate Winslet, sich zwischen Fremd- und Selbstbestimmung zu entscheiden. Okay, eigentlich wollte er nur mit ihr schlafen. Aber sie sollte in jedem Fall auf sich hören – auf ihr Herz und ihren Bauch. Und natürlich auf ihn. Puhh! Der Film war ein Riesenerfolg und kam, im Gegensatz zum Schiff in Amerika, sehr gut an.

Wer mich kennt, weiß: Ich finde alles spannend, was nach dem Abspann passiert. Hinter den Kulissen, hinter der Stirn, bei den Hintergedanken. In meinem letzten Buch, «Denken Sie selbst, sonst tun es andere für Sie», habe ich darüber nachgedacht, wie unterschiedliche Personen ihr Gehirn benutzen. Ich wollte wissen, was genau Denken ist, wie es sich entwickelt hat und warum wir uns so schwer damit tun. Doch eine zentrale Frage blieb unbeantwortet: Welche Grenzen hat das Denken selbst? Die Gedanken sind frei – ist das eine Illusion oder ein Volkslied? Oder beides? Und wie frei sind Volksmusiker?

Jede Menge Fragen, die genug Stoff bieten für ein neues Buch. Um der Freiheit auf den Grund zu gehen, bin ich gründlich vorgegangen und sammelte Erkenntnisse aus Philosophie, Naturwissenschaft und Bunte. Ich las Bücher von Neurobiologie bis Marktwirtschaft, doch je mehr ich recherchierte, desto verwirrter wurde ich. Wenn die Griechen die Freiheit für die westliche Welt entdeckt haben, warum sind sie heute pleite? Ist Freiheit ein Verlustgeschäft? Die östliche Welt sagt: Freiheit kann man nur durch Erleuchtung erlangen. Wieso verbietet die EU dann Glühbirnen? Warum geben so viele ihre Freiheit für die Ehe auf und sind noch unglücklicher, wenn sie wieder geschieden sind?

Freiheit ist ziemlich vielschichtig, auch historisch gesehen. Noch vor vierzig Jahren standen Wähler vor der Entscheidung «Freiheit statt Sozialismus», und trotzdem wurde Willy Brandt gewählt. Zwar mit deutlich weniger Prozent als der sozialistische Kollege Ulbricht – aber mit Zahlen hatten es die Sozis eh noch nie. Willy Brandt verkündete in seiner Regierungserklärung: «Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert.» Dabei war er gar nicht in der FDP!

Wir sind heute so frei wie nie zuvor, aber was wir daraus machen, ist unfreiwillig komisch. Werden dänische Karikaturisten mit dem Tode bedroht, reden wir von Toleranz und Respekt gegenüber anderen Kulturen. Doch wehe, der deutsche Nachbar trennt seinen Müll nicht ordentlich …

Freiheit ist für jeden etwas anderes. Zwar konnte ich nicht mit jedem reden, aber ich habe Menschen aufgesucht, die sich mit dem Thema theoretisch und praktisch beschäftigt haben. Dabei habe ich auch mich selbst nicht geschont: Ich begab mich hinter Klostermauern und lernte eine Welt kennen, die von außen sehr viel unfreier wirkt als von innen. Ich sprach mit Artur Fischer, der den gleichnamigen Dübel erfunden hat. Und mit Comtesse Nicole, die in ihrem SM-Studio viele Gerätschaften und Kunden an Wände zu hängen hat, sodass ich froh war, dass die Dübel hielten. Ich nehme Sie, liebe Leser, gerne in diese Welten mit und hoffe, dass Sie wie ich Freude daran haben werden, Querverbindungen zwischen Hirnforschern und Huren oder zwischen Bankräubern und Berufspolitikern zu entdecken. Lassen Sie sich überraschen. Ich jedenfalls wurde es oft. So wollte ich zum Beispiel mit der Nobelpreisträgerin Christiane Nüsslein-Volhard eigentlich über Freiheit in der Forschung sprechen, aber plötzlich redeten wir darüber, warum Fische schön sind und Angela Merkel besser Physikerin geblieben wäre.

All diese Freigeister und Freidenker werden Sie zwischen den Kapiteln kennenlernen. Sie haben meine Fragen beantwortet und neue aufgeworfen, die mich wieder zu weiteren brachten. Bei meiner Suche nach der Freiheit haben sie meine Vorstellung von diesem Begriff geformt, geschärft und verändert.

Jeder für sich wäre ein eigenes Buch wert gewesen. Aber damit Sie nur ein Buch kaufen müssen und nicht zwanzig, sind viele der unorthodoxen Gedanken, spannenden Anekdoten und dramatischen Erfahrungen dieser Menschen in meine eigenen Texte mit eingeflossen. Es ist unmöglich, intensive Gespräche von vielen Stunden auf ein paar Zitate zu reduzieren. Aber ich mach’s trotzdem. Die Freiheit nehm’ ich mir. Danke an dieser Stelle allen, die mir ihre Zeit geschenkt haben. Sie bekommen alle ein Freiexemplar!

So viel kann ich hier schon verraten: Es ist gar nicht so einfach, mit Freiheit umzugehen. Wir wollen uns so gerne in ihr einrichten, aber sie kommt nicht als Fertighaus, sondern als Baukasten für Selbstabholer. Wir können zwar die Teile zusammenschrauben, wie wir wollen – aber so sieht das Ergebnis dann eben oft auch aus. Ich behaupte nicht, die perfekte Montageanleitung zu kennen, aber ein paar sachdienliche Hinweise zum Zusammenbau habe ich schon.

Sie müssen das Buch nicht lesen. Aber andere werden es tun! Und noch viel mehr Leute nicht. Zu welcher Gruppe wollen Sie gehören? In dem Film Das Leben des Brian der britischen Komikertruppe Monty Python gibt es eine wunderbare Szene, in der ein Mann auf einem Balkon zu einer Menschenmenge herunterschreit: «Ihr seid doch alle Individuen! Ihr seid doch alle völlig verschieden!» – «JAAA! Wir sind alle völlig verschieden!» Doch einer ruft: «ICH nicht!»

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

DIE SUCHE NACH DER FREIHEIT BEGINNT BEI MIR SELBST. Ich weiß, nur der Esel nennt sich immer zuerst. Sagt meine Oma. Aber bei einem solchen Thema muss man eben mal mit Konventionen brechen.

Falls Sie mich noch nicht kennen, hier ein paar grobe Fakten: Ich habe Physik studiert, kann mich aber trotzdem ganz passabel anziehen, und obwohl ich als Komiker arbeite, ist es möglich, sich mit mir ernsthaft zu unterhalten. Das meint jedenfalls meine Exfreundin Gudrun. Ich lebe in Frankfurt mit Greti und Marie in einer offenen Beziehung. Zumindest, wenn die Katzenklappe nicht klemmt.

Tagsüber schreibe ich Bücher, abends gehe ich für mein Publikum auf der Bühne an die Grenzen der Belastbarkeit: Ich tanze, zaubere und stecke mir als Nichtraucher auch mal eine Kippe an. Natürlich immer unter streng wissenschaftlichen Aspekten.

Alles in allem liebe ich meinen Beruf. Eine tolle Sache, seine Meinung und seine Gedanken frei äußern zu können! Das war nicht immer so. Wenn Sie im Mittelalter nicht witzig waren, wurde nicht der Fernseher ausgeschaltet, sondern der Hofnarr. Das Schlimmste, was einem Komiker heute passieren kann, ist, dass ihm keiner mehr zuhört. Aber zum Glück lesen Sie ja dieses Buch. In der Hoffnung, dass meine Gedanken Sie auf neue Gedanken bringen. Das hoffe ich auch. Zur Überprüfung gibt es am Ende einen Freiheits-Check, der Ihnen zeigt, ob sich die Reise gelohnt hat. Aber bis dahin haben wir noch viel vor. Auf der ersten Etappe in Richtung Freiheit erfahren Sie etwas über meine dunkle Vergangenheit in der freien Wirtschaft, was ein Komikerleben mit Freiheit zu tun hat und warum ich nicht mehr in Autohäusern auftrete. Zumindest, solange Sie meine Bücher kaufen …

KREATIVITÄT IST FREIHEIT. MAN SIEHT ETWAS, WAS JEDER SIEHT, UND DENKT ETWAS, WAS NOCH KEINER GEDACHT HAT.

Vince Ebert

1.

WAS MACHEN SIE EIGENTLICH BERUFLICH?

Vor etwa hundertfünfzig Jahren schloss sich der vierzehnjährige William Frederick Cody, besser bekannt als «Buffalo Bill», dem Pony Express an, weil er folgende Stellenanzeige las: «Junger Mann zum Mitreiten gesucht.» Kleiner Scherz. In Wirklichkeit lautete der Text: «Suchen dünne, drahtige Burschen nicht über achtzehn. Sie müssen erfahrene Reiter sein und willens, täglich ihr Leben zu riskieren. Waisen bevorzugt.»

Das waren noch Stellenausschreibungen, oder? Unter Ver.di undenkbar! Über mangelnde Bewerber konnte sich der Pony Express trotzdem nicht beschweren. Offenbar war der Traum von Freiheit und Abenteuer für Jungs wie Buffalo Bill wichtiger als ein sicherer Sachbearbeiterjob mit Gleitzeit, Kündigungsschutz und Riesterrente.

Auch ich werde oft gefragt, warum ich denn mit einem abgeschlossenen Physikstudium keinen «ordentlichen» Beruf ausübe und stattdessen auf der Bühne stehe. Immerhin sei eine solche Tätigkeit unsicher, mühsam und zumindest am Anfang extrem schlecht bezahlt.

Und dabei war ich auf einem so guten Weg! Nach meinem Studium begann ich als «Junior Consultant» in einer renommierten Unternehmensberatung. Einer Branche, in der traditionell Spaß und gute Laune großgeschrieben werden. Dunkler Anzug war natürlich Pflicht. Die Wahl der Krawatte ließ allerdings individuellen Spielraum: dezent-modische Streifen oder zurückhaltend-seriöses Karo. Auch die Arbeitszeiten waren sehr flexibel gestaltet, solange man zwischen neun und zweiundzwanzig Uhr anwesend war.

Besonders angetan hatten es mir die «flachen Hierarchien»: Jeder konnte offen sagen, was er dachte, und danach wurde gemacht, was der Chef wollte. Alles im vertrauten «Du», denn wir waren schließlich eine große Familie. Aber das waren die Corleones in dem Film Der Pate auch.

Der erste Experte, der die Arbeitszufriedenheit unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten untersuchte, war der Psychologe und Arbeitswissenschaftler Frederick Herzberg. 1959 stellte er seine berühmte Zwei-Faktoren-Theorie vor. Im Rahmen dieser Studie befragte Herzberg Mitarbeiter nach Ereignissen, die zu hoher Zufriedenheit oder Unzufriedenheit geführt hatten, und wertete die Antworten statistisch aus. Dabei stellte er fest, dass ein entscheidendes Kriterium für Arbeitszufriedenheit nicht die Höhe des Verdienstes, die Karrierechancen oder die Arbeitsplatzsicherheit ist, sondern der Grad an Selbstbestimmtheit. Wer sich dagegen in seinem Beruf unfrei und gegängelt fühlt, kann eine noch so lukrative Tätigkeit haben – er wird dennoch nicht besonders glücklich damit sein.

Natürlich ist Selbstbestimmtheit eine ganz individuelle Sache. Der eine braucht die Sicherheit einer Festanstellung, um sein Potenzial auszuschöpfen, ein anderer kann dies nur in der Selbstständigkeit.

Ich jedenfalls erkannte ziemlich schnell, dass ich nicht der Typ für die Unternehmensberatung war. Feste Arbeitszeiten, geregelte Pausen, starre Zielvorgaben – selbst das Lockersein wurde per «Casual Friday» angeordnet. Meine einzige Freiheit bestand in der Schriftgröße meiner Power-Point-Präsentationen. Da gab ich dann aber richtig Gas!

Überhaupt entdeckte ich bei den Kundenpräsentationen mein kabarettistisches Talent. Ich baute in meine Folien immer wieder kleinere Scherze über das jeweilige Unternehmen ein. «Du, Vince …», nahm mich mein Chef irgendwann mal freundschaftlich beiseite, «hast du eigentlich schon mal darüber nachgedacht, deinen kreativen Output in einem anderen Berufsfeld einzusetzen?»

Zwei Wochen später stand ich auf der Straße. Als Pantomime. Ich schneiderte mir ein goldenes Gewand und stellte mich samstagmorgens in die Einkaufsstraße meiner Heimatstadt. Um mich auf die Rolle einzustimmen, trank ich drei Tage vorher nur stilles Wasser. Doch offenbar traf meine Performance nicht ganz den Geschmack des einheimischen Publikums. Kopfschüttelnd gingen die Passanten an mir vorbei. Nach etwa einer Stunde stand auf einmal mein Vater vor mir und fragte entsetzt: «Was soll dieser Blödsinn? In so einem Aufzug bewegungslos in der Gegend rumzustehen?» Auf meinen Erklärungsversuch, das verstünde er nicht, das sei Kunst, erwiderte er nur: «Seit wann ist Bewegungslosigkeit Kunst? Ich arbeite seit zwanzig Jahren im Finanzamt. Und im Gegensatz zu dir kann ich davon leben. So sieht’s aus!»

Aber ich fühlte mich zum ersten Mal seit langem wieder frei. Nach insgesamt drei Jahren der Selbstkasteiung versuchte ich mein Glück im Showgeschäft. Mit Feuereifer schrieb ich erste Texte, nahm Schauspielunterricht und bewarb mich bei Kleinkunstbühnen, Stadtfesten und Möbelhauseröffnungen. Ein harter, steiniger Weg, aber zumindest sagte mir keiner mehr, was ich zu tun und zu lassen hatte. Ähnlich wie Buffalo Bill reizte mich das Unangepasste. Das schrieb mir auch mein ehemaliger Chef so ähnlich in mein Arbeitszeugnis. Aus lauter Dankbarkeit schaltete ich daraufhin in der Tageszeitung eine Kleinanzeige mit dem Wortlaut: «1000 TÜV-Plaketten kostengünstig abzugeben!» – darunter seine Telefonnummer.

Mein erstes größeres Engagement im Showgeschäft war das zehnjährige Firmenjubiläum eines Autohauses in Offenbach. Aus künstlerischer Sicht eine echte Herausforderung, denn Autohäuser sind ja nicht gerade für ihre intime, heimelige Atmosphäre bekannt. Gefliester Boden, gekachelte Wände – der unaufdringliche Charme einer pathologischen Abteilung.

Hinzu kam, dass man die liebevoll mit Luftballons, Alufelgen und Sportlenkrädern dekorierte Bühne strategisch geschickt schräg hinter eine massive Betonsäule positioniert hatte. Zwei Tausend-Watt-Baustrahler zauberten eine romantisch-diffuse Lichtstimmung in die pittoreske Autohalle.

Das vom Juniorchef eigens installierte Mikrophon klang, als nähme man die eigene Stimme mit einem Diktaphon auf und spielte sie dann über den Lautsprecher einer Bahnhofsanlage ab – und das alles unter Wasser.

«Wenn die Halle erst ema mit Leut’ voll is, hört sisch des subber an!», beruhigte mich der ausgebuffte Veranstaltungsprofi. Er sollte recht behalten. Als er um etwa siebzehn Uhr die ersten Gäste über das Mikrophon begrüßte, gesellten sich zu dem krächzend-verzerrten Ton auch noch unangenehm pfeifende Rückkopplungen hinzu.

Mein Auftritt war gegen zwanzig Uhr geplant. Laut Vertrag sollte ich fünfundvierzig Minuten lang den Saal zum Kochen bringen. Ich hatte noch gute drei Stunden Zeit, um mein erstes Backstagefeeling zu genießen: in einem ungeheizten Raum, in dem das Autohaus sein Altöl lagerte. Zum ersten Mal konnte ich die Erzählungen meiner Oma über die bangen Stunden im Luftschutzkeller nachvollziehen. Ich dachte kurz zurück an den klimatisierten Besprechungsraum meines früheren Arbeitgebers, mit Schnittchen, frischem Obst und Erfrischungsgetränken. Vielleicht wird Freiheit ja doch überbewertet?

Kurz vor dreiundzwanzig Uhr betrat der Seniorchef mit geschätzten 3,8 Promille die Bühne und kündigte mich professionell und einfühlsam an: «Liebe Kolleschen! Mir komme jetzt zum absolute Höhepun …» Suchend wandte er sich an seinen Sohn und lallte: «Du, Jürgen, was macht’n der eischentlich?» Und Jürgen antwortete: «Der erzählt Witze, Papa!» Sichtlich enttäuscht fuhr er fort: «Also ich persönlich hätt’ ja liebär enn Zauberer gehabt … Herr Everts, könne Sie eischentlich auch zaubärn …?»

Unnötig zu sagen, dass mein Auftritt ein völliges Desaster war. Die sturzbetrunkene Belegschaft ignorierte meinen Vortrag komplett und grölte stattdessen lautstark «Da steht ein Pferd auf dem Flur!». Nach zwanzig endlosen Minuten gab ich auf. Auch das interessierte natürlich keinen der anwesenden Komatrinker.

Später zahlte mir der Juniorchef die vereinbarte Gage mit den Worten aus: «Tja, Ihr Vortrag kam ja nicht sooo toll an …» Ich nahm wortlos das Geld. Als ich fast aus der Tür war, rief mir sein Vater hinterher: «Herr Everts, was mache Sie eischentlich beruflich …?»

Seit nunmehr vierzehn Jahren toure ich durch Deutschland und kenne fast jeden noch so entlegenen Zipfel dieses Landes, alle Theater und Bürgerhäuser, und gefühlt jeden Landgast- und Bahnhof. Am Geschmack einer Bockwurst kann ich mittlerweile blind die dazugehörige Autobahnraststätte erkennen, und ich weiß, wo die fiesesten Radarfallen stehen.

Über die Faszination der Unterhaltungsbranche gibt es einen schönen Witz: Ein Mann liegt beim Psychologen auf der Couch und beklagt sich, dass er kein Glück bei Frauen hat. «Das wundert mich nicht», sagt der Therapeut. «Sie riechen bestialisch.» Nickend erklärt der Mann: «Ich weiß, das liegt an meinem Job. Ich arbeite im Zirkus, wo ich hinter den Elefanten herlaufe und ihren Kot einsammle. Ich kann mich so oft waschen, wie ich will, ich werde den Gestank nicht los.» – «Dann müssen Sie sich eben eine andere Arbeit suchen.» – «Sind Sie verrückt?», fragte der Mann. «Ich soll allen Ernstes das Showbusiness verlassen???»

Oft hat meine berufliche Freiheit Grenzen. Zu wissen, dass man am einundzwanzigsten März des übernächsten Jahres um zwanzig Uhr auf einer Kleinkunstbühne im hintersten Westerwald steht, eröffnet nicht unbedingt Freiräume. Und wenn morgens um sieben in einem Landgasthof in Ostwestfalen die vietnamesische Putzfrau im Zimmer steht und mit schriller Stimme ruft: «Mache jetzt Minibar auffülle – um neun müsse Zimmer räume …», dann ist das auch nicht unbedingt das Glitzer- und Glamourleben, von dem ich anfangs geträumt habe.

Aber ich habe die Freiheit, mich morgens um elf unrasiert mit Jeans und T-Shirt in ein Café zu setzen und meine Gedanken über Freiheit zu Papier zu bringen. Ich bin mein eigener Chef, treffe alleine Entscheidungen, und selbst montags ist Casual Friday, wenn ich will.

Das Befriedigendste an meinem Beruf ist, dass ich mit meinen Gedanken Menschen Freude bereiten kann und dafür auch noch Geld bekomme. Als Komiker blickt man jeden Abend in freundliche, erwartungsvolle Gesichter (Offenbacher Autohäuser ausgenommen). Und dieses Gefühl ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Neulich wurde ich sogar von meinem alten Arbeitgeber aus der Unternehmungsberatung für eine interne Veranstaltung gebucht. Mein Auftritt kam super an. Das, was ich sagte, hätte mir damals sicher eine Abmahnung eingebracht – heute bekomme ich dafür Applaus. Das ist Narrenfreiheit.

Nach der Show kam ich mit meinem damaligen Chef ins Gespräch. In den letzten Jahren hatte er eine Bilderbuchkarriere hingelegt und es in der flachen Hierarchie nach ganz oben geschafft. Als ich ihn fragte, ob er seinen Vorstandsposten denn erfüllend und befriedigend fände, antwortete er: «Tagsüber ist es schon stressig, aber nachts schlafe ich wie ein Baby. Alle zwei Stunden wache ich auf und weine …»

WENN ICH AUF MEIN BISHERIGES BERUFSLEBEN BLICKE, kann ich mit gutem Gewissen sagen: Ich habe keine größeren Fehler gemacht. Im Gegenteil. Die meisten meiner Entscheidungen haben sich rückblickend als zufriedenstellend erwiesen: Die Entscheidung, nicht in die Wissenschaft zu gehen, sondern ins Wissenschaftskabarett; mein desaströses Intermezzo in der Unternehmensberatung; selbst die vielen absurden Auftritte in Möbelhäusern, auf Weihnachtsmärkten oder auf Sanitärmessen waren lehrreiche Erfahrungen.

Aber wie frei war ich in diesen Entscheidungen? Sie merken schon, wohin der Hase läuft. Es geht um das Thema «Freier Wille». Darüber haben sich schon große Geister wie Kant, Schopenhauer und Descartes den Kopf zerbrochen. Ich wollte sie direkt befragen, leider hat meine knallharte Recherche etwas Erschütterndes zutage gebracht: Sie sind tot. Mussten sie sterben, weil sie zu viel wussten? Die Debatte um den freien Willen ist jedenfalls alles andere als tot. Sie ist sogar hochaktuell. In einem Interview las ich: «Die Hirnforschung hat sich in den letzten fünfunddreißig Jahren irrsinnig entwickelt und ich habe die Entwicklung mitmachen können. Und das ist überhaupt das Spannendste, was es gibt. Dass man eine Wissenschaft explodieren sieht und mittendrin ist. Ich hatte die Möglichkeit, das machen zu können, wovon man träumt.» Ich war neugierig geworden auf den Mann, der dies gesagt hat: Gerhard Roth, Professor am Institut für Hirnforschung an der Uni Bremen und die Koryphäe zum Thema «Freier Wille».

Schon beim Betreten des Instituts schwante mir, warum gerade hier an neuronalen Prozessen geforscht wird. Man braucht nämlich einen IQ von mindestens hundertdreißig, um sich in dem Labyrinth von Gebäude zurechtzufinden. Fünfzehn Minuten bin ich herumgeirrt – dann orientierte ich mich einfach an den Ratten. Die kennen sich in Labyrinthen am besten aus.