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Cosy-Crime mit echt schottischem Flair und geballter Frauenpower: Die neue Serie für Fans gemütlicher Krimis!
Über die Serie: Die junge Schottin Finola MacTavish zieht von der malerischen Isle of Skye nach Edinburgh, um dort in der Kanzlei von Anne Scott als Detektivin zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Computergenie Lachie lösen die beiden Lady Detectives die verblüffendsten Fälle. Finola merkt dabei schnell, dass sie ein Händchen fürs Ermitteln und Beschatten hat - am liebsten in Verkleidung. Noch dazu hat sie immer die Kräutermedizin ihrer Granny zur Hand, die nicht nur bei Kopfschmerzen hilft ...
Folge 1: Die frisch nach Edinburgh gezogene Finola ist aufgeregt: Sie hat ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt, ist nun Detektivin - und ihr erster Fall lässt nicht lange auf sich warten. Zunächst soll sie nur herausfinden, ob Amanda, eine Freundin ihrer Chefin Anne, von ihrem Mann betrogen wird. Doch als Amandas Onkel unerwartet verschwindet, reist Finola kurzerhand bis an die Westküste Schottlands, um einem Hinweis nachzugehen. Und bei der zunächst harmlosen Suche nach dem verschwundenen Gärtner geht es plötzlich um Leben und Tod für Finola!
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung
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Seitenzahl: 193
Die junge Schottin Finola MacTavish zieht von der malerischen Isle of Skye nach Edinburgh, um dort in der Kanzlei von Anne Scott als Detektivin zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Computergenie Lachie lösen die beiden Lady Detectives die verblüffendsten Fälle. Finola merkt dabei schnell, dass sie ein Händchen fürs Ermitteln und Beschatten hat – am liebsten in Verkleidung. Noch dazu hat sie immer die Kräutermedizin ihrer Granny zur Hand, die überraschend effektiv wirkt – auch bei Anne, die jedoch ein dunkles Geheimnis zu haben scheint …
Die frisch nach Edinburgh gezogene Finola ist aufgeregt: Sie hat ihr ganzes Leben auf den Kopf gestellt, ist nun Detektivin – und ihr erster Fall lässt nicht lange auf sich warten. Zunächst soll sie nur herausfinden, ob Amanda, eine Freundin ihrer Chefin Anne, von ihrem Mann betrogen wird. Doch als Amandas Onkel unerwartet verschwindet, reist Finola kurzerhand bis an die Westküste Schottlands, um einem Hinweis nachzugehen – obwohl Anne plötzlich darauf besteht, den Fall selbst zu übernehmen. Doch bei der harmlosen Suche nach dem verschwundenen Gärtner geht es plötzlich um Leben und Tod, auch für Finola!
Gitta Edelmann hat als Übersetzerin in Bonn, Rio de Janeiro, Freiburg und Edinburgh gearbeitet, bevor es sie wieder ins Rheinland zurückgezogen hat. Neben Kindergeschichten und historischen Romanen hat sie bereits eine fünfbändige Cosy-Crime-Reihe veröffentlicht. Die Autorin darf sich außerdem Lady of Glencoe and Lochaber nennen, da sie dort ein paar Quadratfuß Land besitzt.
Der verschwundene Gärtner
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Anne Pias
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: © Guter Punkt, Stephanie Gauger, München unter Verwendung von Motiven von © GettyImages: e55evu | WangAnQi | Saddako
E-Book-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-9133-6
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»Dies ist Church Hill, luv«, rief der Busfahrer Finola zu, als er nach links lenkte.
»Vielen Dank!«
Wie gut, dass sie den Fahrer gebeten hatte, ihr Bescheid zu sagen, wenn sie Church Hill erreichten. Sie hätte die Bushaltestelle nicht wiedererkannt. Nun ja, sie war nur ein einziges Mal hier im Edinburgher Stadtteil Morningside gewesen, und damals hatte es so fürchterlich geregnet, dass sie ein Taxi genommen hatte, um nicht wie eine nasse Katze zum Vorstellungsgespräch zu erscheinen.
Die Bustüren öffneten sich, und Finola schloss sich den Leuten an, die an dieser Haltestelle ausstiegen.
»Noch mal danke«, sagte sie zum Busfahrer.
Der legte den Kopf schief und grinste. »Ich hoffe, der Rucksack ist nicht zu schwer. Ich kann gerade nicht beim Tragen helfen.«
Finola lachte, ohne auf seine Worte einzugehen, und trat mit einem fröhlichen »Bye« hinaus auf den Gehweg. Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Hm, sie war später dran als gehofft, obwohl die Reise von Canterbury hierher recht problemlos verlaufen war. Zwar war der Flieger in London mit einer guten halben Stunde Verspätung gestartet, und am hiesigen Flughafen war ihr der Bus ins Stadtzentrum direkt vor der Nase weggefahren, aber alles Weitere hatte geklappt. Zum Glück kannte sie sich ja in Edinburgh ein wenig aus.
Sie überquerte die Straße. Dort drüben, das musste Albert Terrace sein, sie hatte es fast geschafft.
Doch als sie kurz hinter der Ecke in der kleinen Seitenstraße ankam und das Straßenschild las, stand dort Abbotsford Park. Wie konnte das sein? Weiter vorn gabelte sich die Straße, war eine Abzweigung davon Albert Terrace? Aber welche? Oder hatte sie sich völlig in der Richtung geirrt?
Finola zog ihr Handy aus der Jackentasche. Wozu gab es schließlich ein Navi?
»Mist!« Das Handydisplay blieb schwarz, der Akku hatte die Reise wohl weniger gut überstanden.
In diesem Moment stieß jemand so heftig an ihren Rucksack, dass Finola gegen die nahe Hauswand stürzte. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich halbwegs aufrecht zu halten.
»Oh, fucking shit!«, fluchte eine weibliche Stimme.
Vorsichtig drehte Finola sich um. Vor ihren Füßen auf dem Asphalt lag eine kleine weiße Schachtel, daneben stand eine junge Frau mit lockigen roten Haaren, die zwei weitere größere weiße Schachteln auf ihren Armen trug und ziemlich verzweifelt aussah.
»Tut mir furchtbar leid, ich hab dich nicht gesehen. Ich bin in Eile und sonst steht hier eben nie jemand, oje, hoffentlich sind die heil geblieben …« Sie versuchte, sich niederzubeugen, ohne die beiden Kartons auch noch fallen zu lassen.
»Moment.« Finola kam ihr zu Hilfe, ging in die Knie und hob die Schachtel auf. Nun konnte sie eine Prägung darauf erkennen: Laurie’s.
»Kannst du sie einfach obendrauf … Ach nee, ich muss ja erst mal sehen … Würdest du bitte …« Die Rothaarige schnitt eine Grimasse.
Neugierig öffnete Finola für sie den Deckel. »Cupcakes?«
Drei kleine Kuchen mit knallig blauer Wellenglasur und winzigen bunten Fischchen ruhten neben zwei anderen mit roten Rosen und Schmetterlingen.
»Mhm.« Die junge Frau nickte und besah sich die Cupcakes genau. »Ich bin Laurie von Laurie’s Café«, erklärte sie. »Und die Dinger werden dringend bei einer Geburtstagsfeier erwartet.«
»Sieht doch ganz gut aus. Soll ich dir die Schachtel oben auf die anderen packen?«, fragte Finola.
»Minus eins.«
Finola sah sie fragend an.
»Der Blaue da in der Ecke ist angeschlagen. Nimmst du den bitte raus? Damit darf ich mich nicht blicken lassen. Dann behaupte ich lieber, ich hab mich verzählt und hol Nachschub. Kannst du haben. Noch mal sorry. Und jetzt muss ich los.«
Kaum hatte Finola den Cupcake herausgenommen und die geschlossene Schachtel auf den beiden anderen platziert, klemmte Laurie alles mit ihrem Kinn fest und eilte auch schon weiter.
»Kannst du mir sagen, wo Albert Terrace ist?«, rief Finola ihr nach.
»Geradeaus! Und komm doch mal bei mir im Café vorbei, Morningside Road, von hier aus ein Stückchen nach der Bücherei …« Damit nahm Laurie die rechte Abzweigung und verschwand hinter einer Hecke.
Finola biss in den Cupcake, den Laurie ihr hinterlassen hatte. Ein bisschen zu süß für ihren Geschmack, aber irgendwie eine nette Stärkung für das bevorstehende Gespräch.
Bevor sie durch die offen stehende Gartenpforte trat, atmete Finola einmal tief durch. Der erste Schritt in ihren neuen Job, in ihr neues Leben! Die untergehende Septembersonne warf goldene Strahlen auf den Kiespfad, der zum Haus führte. Finola wertete dies als gutes Omen.
Tatsächlich schien sich, seit Mr Reginald sie in seinem Testament bedacht hatte, ihr Leben zum Positiven zu wenden.
Ein Blick auf die Armbanduhr verriet ihr, dass sie trotz des Zusammenstoßes mit Laurie gerade noch pünktlich war. Sie stieg die Steintreppe hinauf zur weinrot gestrichenen Haustür. Der Türklopfer aus Messing, der daran angebracht war, zeigte nicht den so weit verbreiteten Löwenkopf, sondern den eines indischen Elefanten. Viele Hände schienen den Elefantenkopf berührt zu haben, denn die Gravur seines Kopfschmucks wirkte in der Mitte abgerieben. Ob er ein Glücksbringer war?
Finola zögerte. Rechts der Tür gab es zwei Klingelknöpfe, einen für A. S., den anderen für MWS Investigators. Klingeln? Oder lieber klopfen?
Langsam hob sie ihre Hand und stellte überrascht fest, dass diese leicht zitterte. War sie doch so nervös?
Noch bevor sie sich bemerkbar machen konnte, öffnete sich die Tür.
»Da sind Sie ja!« Finolas neue Arbeitgeberin trat einen Schritt zur Seite. »Kommen Sie rein. Den Rucksack können Sie hier in der Diele lassen, wir gehen zuerst mal ins Büro. Das Zimmer oben ist aber fertig und Ihr netter brasilianischer Freund hat Ihre beiden Kisten heute Morgen schon vorbeigebracht.«
Finola grüßte, ließ den schwarzen Trekkingrucksack von ihren Schultern gleiten, lehnte ihn an die Wand und folgte der Frau geradeaus durch die Flügeltür in das großzügige Büro.
Auf dem Schreibtisch, auf dem sich neben dem Laptop Akten stapelten, stand ein schwarzes Namensschild mit weißer Schrift: Anne Scott.
»Tee? Kaffee?«, fragte Anne Scott und deutete auf eine Sitzecke mit drei weinroten Sesseln und einem runden Tisch, auf dem zwei bunte Tassen und ein Teller mit Shortbread standen.
»Gerne einen Tee.« Kaffee würde ihren Herzschlag nur noch weiter antreiben.
Anne Scott drehte sich um und schaltete den Wasserkocher auf dem Schränkchen ein. Sofort begann das Wasser zu brodeln – es war nicht zu verkennen, dass Finola pünktlich erwartet worden war.
»Milch, Zucker?«, fragte Anne Scott.
»Etwas Milch, keinen Zucker, bitte.«
»So mag ich den Tee auch am liebsten.« Lächelnd kam sie mit der Teekanne und einem Milchkännchen zu Finola an den Tisch und setzte sich ihr leicht schräg gegenüber. »Er muss noch kurz ziehen.«
Finola nickte und betrachtete die Frau im schlichten grauen Kleid. Sie schätzte Anne Scott auf Mitte bis Ende 50, sie war groß und weder dick noch schlank, ihre graumelierten Haare trug sie kurz geschnitten, und außer einem beerenfarbenen Lippenstift hatte sie offenbar kein Make-up verwendet. Seriös und vertrauenerweckend – ganz die Chefin von MWS Investigators!
Finola versuchte, ihren Jeans-Minirock ein wenig weiter Richtung Knie zu ziehen. Sie hätte sich vor ihrem ersten Gespräch mit Anne Scott lieber noch umgezogen. Aber immerhin waren ihr aschblonder Pferdeschwanz und das schwarze Shirt unauffällig und passten in diese Umgebung.
»Hatten Sie schöne Ferien?«, fragte Anne Scott und schob den Gebäckteller näher zu ihr.
»Ja, danke. Tatsächlich entpuppte sich die Gartenparty meiner Freunde als ihre Hochzeitsfeier.« Finola nahm sich ein Shortbread.
»Ach, wie nett.«
Nach ein paar weiteren Sätzen Small Talk und den ersten Schlucken Tee ging Anne Scott zum geschäftlichen Teil über. »Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, dass die Auftragslage der Detektei nach dem Tod meines Mannes ein wenig dünn geworden ist und ich selbst auch erst sehen muss, wie es dauerhaft weitergeht. Ich hoffe also, wir schaffen es in den kommenden drei Monaten, die Sie hier arbeiten werden, alle gemeinsam, das Geschäft auf starke Beine zu stellen. Wenn das klappt, sollte Ihrer Weiterbeschäftigung auch nichts im Wege stehen.«
Sie wartete, bis Finola genickt hatte, dann fuhr sie fort: »Zum Glück läuft ein Bereich schon mal ganz gut. Unser Lachie ist ein Zauberer am PC, wenn es darum geht, alte Freunde, abgetauchte Ehemänner oder die wahre Identität eines Catfishs zu finden.«
»Catfish?«
»Jemand, der versucht, unter falscher Identität im Internet eine Beziehung aufzubauen.«
Finola nickte.
»Damit werden Sie aber normalerweise nichts zu tun haben. Sie brauche ich, wie ich Ihnen ja schon sagte, vor allem für den Außendienst.«
Finola nickte erneut.
»Ich habe da auch gleich etwas für Sie – einen möglicherweise untreuen Ehemann.«
»Den soll ich beschatten?«
»Wir sprechen hier lieber von beobachten oder observieren, wir sind ja nicht im Krimi.«
»Selbstverständlich. Ich soll also diesen Mann observieren. Ab sofort?«
»Nein, nein, natürlich ab morgen. Sie müssen sich ja erst mal häuslich niederlassen! Ich hoffe, oben ist alles nach ihrem Geschmack, und gleich zeige ich Ihnen auch noch die Küche.« Anne Scott erhob sich.
Schnell trank Finola ihren letzten Schluck Tee und folgte ihrer Chefin aus dem Büro. Sie wandten sich nach links und gingen in einen Seitenflur und an einer verschlossenen Tür vorbei.
»Lachies Büro«, erklärte Anne Scott, »aber für heute hat er sich schon auf den Heimweg gemacht.«
Sie öffnete die Tür am Ende des Ganges, knipste das Licht an und ließ Finola in eine geräumige Wohnküche treten. Auf einem imposanten Esstisch aus altem Holz stand eine Vase mit bunten Gartenblumen, drum herum verschiedene Stühle in leuchtenden Farben. Die Küchenschränke waren modern, glatt und weiß, der große AGA-Herd glänzte in Dunkelgrün.
»Heutzutage gilt der eigentlich als Energieverschwender«, erklärte Anne Scott, als sie Finolas Blick sah, »aber ich habe dieses neue Programm einbauen lassen, sodass man ihn auch abschalten kann. Sie werden jedoch sehen, er ist Gold wert, wenn es im Winter …« Sie räusperte sich. »Sollen wir jetzt raufgehen?«
Sie wirkte plötzlich fast ein wenig verlegen, was Finola überraschte. Ja, vielleicht würde sie im Winter nicht mehr hier sein. Aber das war ja nicht Anne Scotts Verschulden, und schließlich hatte sie sich bereitwillig auf die dreimonatige Befristung als Probezeit eingelassen. Ihr Grundgehalt konnte man auch als eher gering oder sogar als mies bezeichnen, aber Anne Scott hatte ihr dazu in ihrem Haus ein Zimmer mit eigenem Bad und Küchen- und Gartenbenutzung angeboten, was in der guten Lage des Stadtteils Morningside einiges wert war. Das Arrangement war für sie beide günstig, denn das Zimmer, ehemals das Reich von Anne Scotts ältestem Sohn, hatte ohnehin leer gestanden. Zudem würde sie auch eine Provision aus dem Honorar für ihre Fälle erhalten.
Finola warf einen letzten Blick auf die Glastür, die von der Küche in den Garten führte. »Ja, das wäre schön. Ich würde mich gerne etwas frisch machen.«
»Selbstverständlich. Ich hätte Sie nicht aufhalten sollen, aber … nun kommen Sie mit.«
Da war es wieder, das kurze Zögern. So selbstsicher, wie Anne Scott tat, schien sie nicht wirklich zu sein. Aber die Situation war ja für sie beide fremd. Und im selben Haus zu arbeiten und zu wohnen, konnte sich für beide als Herausforderung erweisen. Wahrscheinlich war es einfacher, wenn sie ein wenig vorsichtig miteinander umgingen.
Die Zimmertür klackte leise ins Schloss, Finola war allein. Endlich! Die Anreise war doch sehr anstrengend gewesen.
Sie hievte ihren Rucksack auf das Bett und sah sich um. Bei ihrem Vorstellungsgespräch vor drei Wochen hatte sie das Zimmer nur kurz gesehen, von daher hatte sie es noch vollgestellt mit Möbeln, Kisten und Bücherstapeln in Erinnerung. Ein richtiger Abstellraum, in den Anne wohl alles gepackt hatte, was ihr anderswo im Weg herumgestanden hatte.
Nun wirkte ihr neues Heim klar und luftig, die Wände waren weiß gestrichen, das Bett neben der Tür war mit einem himmelblauen Überwurf bedeckt, der Bettvorleger auf dem grauen Teppichboden blau-weiß gestreift. Finola lächelte unwillkürlich. Deshalb also hatte Anne sie bei ihrer Zusage am Telefon nach ihrer Lieblingsfarbe gefragt. Bis auf das Bett und den Schreibtischstuhl waren die Möbel sichtlich alt und aus einem orange-rötlichen Holz. Eibe?
Der Schrank sah geräumig aus, der randlose Spiegel war praktisch, es gab eine Kommode, über der ein kleines Aquarell in Blau-Grün-Tönen hing, das an Meer und Inseln erinnerte, und einen Schreibtisch unter dem Fenster mit einem Bücherregal daneben. Ein Sessel mit einem blau-weiß gemusterten Überwurf und ein dreieckiges Beistelltischchen vervollständigten die Einrichtung.
Schön. Finola lächelte. Sie hatte schon befürchtet, in einem dieser Zimmer wohnen zu müssen, in denen große gelbe oder pinkfarbene Blumen den Ton angaben.
Sie wandte sich wieder dem Bett und ihrem Rucksack zu, um das Wichtigste gleich auszupacken. Der Rest, auch die beiden Kartons, die Antônio hergebracht hatte, hatte noch Zeit. Jetzt sehnte sie sich erst mal nach einer Dusche. Und dann …
Es klopfte. Finola legte die aufgerollten Shirts, die sie gerade aus dem Rucksack gezogen hatte, aufs Bett und öffnete.
Anne Scott hielt ihr eine graue Mappe entgegen. »Ich wollte Ihnen schnell noch die Unterlagen bringen. Vielleicht möchten Sie ja heute Abend schon mal reinschauen. Ansonsten treffen wir uns pünktlich um neun im Büro und sprechen über Ihr genaues Vorgehen.«
Finola nahm die Akte aus der ausgestreckten Hand. Der Ärmel des Kleides war ein Stück hochgerutscht und gab einen weißen Fleck an Anne Scotts Handgelenk frei. Er sah aus wie ein Farbklecks. Hatte sie noch anderswo renoviert? Oder war dies Korrekturflüssigkeit von der Büroarbeit? Nun, das konnte Finola egal sein. Es war nur auffällig angesichts von Anne Scotts sonst makellosen Aussehens.
»Danke, Mrs Scott, dann noch einen schönen Abend.«
»Anne, bitte. Mrs Scott bin ich nur für meine Klienten. Und jetzt lass ich Sie wirklich in Ruhe.« Sie lächelte, nickte und drehte sich um, um die Treppe wieder hinunterzugehen.
Finola schloss die Tür und atmete tief durch. Hoffentlich kam ihre Arbeitgeberin jetzt nicht dauernd mit allem an, was ihr gerade einfiel.
Sie legte die Mappe auf ihren Nachttisch, nahm sie ein paar Sekunden später jedoch wieder in die Hand, um zumindest schon einmal den Namen zu lesen, der in Schönschrift auf dem kleinen Plastikreiter stand: Erskine, Craig.
Dies also war ihr erster Fall als Privatdetektivin: Der ungetreue Craig!
Edinburgh war auch jetzt im September noch voller Touristen, die angesichts des blauen Himmels heute besonders zahlreich durch die Straßen zu strömen schienen.
Finola war dies nur recht. Sie trug unter ihrem schwarzen Käppi mit der Aufschrift Scotland eine runde, verspiegelte Sonnenbrille wie die Amerikanerinnen, die sie gestern bei ihrer Ankunft am Flughafen gesehen hatte. Jeans, T-Shirt, Funktionsjacke, Sneakers, Stadtrucksack und eine große Kameratasche vervollständigten ihre Touristin-Verkleidung.
Sie musste zugeben – es war aufregend, sich hier am St. Andrew Square rumzudrücken und zu tun, als wolle sie sich nach einem halben Tag Stadtbesichtigung einfach nur etwas ausruhen und auf ihrer Kamera die bisherigen Schnappschüsse betrachten. Oder auf die Tram warten. Dabei wartete sie in Wirklichkeit in Sichtweite der Bank auf das Zielobjekt, um es zu observieren.
Angesichts ihres neuen Fachwortschatzes musste sie unwillkürlich grinsen. Das war tatsächlich etwas anderes als mit den alten Herrschaften, für die sie auf Skye gearbeitet hatte, über Bewegungseinschränkungen und Schmerzen zu sprechen. Obwohl sie gern als Physiotherapeutin Menschen geholfen hatte. Das hatte sie nur nie als Job für die Ewigkeit gesehen. Am liebsten wäre sie ohnehin zum Theater gegangen, aber letztlich hatte sie sich eine Schauspielkarriere nicht wirklich zugetraut.
Zum wiederholten Mal warf Finola einen unauffälligen Blick auf die Eingangstür der Bank. Eigentlich müsste Craig Erskine gleich zu seiner Mittagspause herauskommen.
So unwahrscheinlich ihr das gestern Abend angesichts ihrer Müdigkeit zunächst vorgekommen war – nach einer heißen Dusche und dem letzten, leicht zerdrückten Chicken-Tikka-Sandwich aus ihrem Rucksack hatte sie tatsächlich die Akte Craig Erskine aufgeschlagen.
Auftraggeberin war Amanda Erskine, Zielobjekt ihr Gatte Craig. Zweiunddreißig Jahre alt, dem Foto in der Akte nach gut aussehend. Dunkles Haar, glatt rasiert, offenes, freundliches Gesicht. Nun ja, sie konnte sich schon vorstellen, dass der Mann Frauen gefiel. Und ihm die Frauen. Das hieß allerdings noch nicht, dass Amanda mit ihrem Verdacht recht hatte.
Finola hatte sich fest vorgenommen, ohne Vorurteile an den Fall heranzugehen. Andererseits war sie nicht von gestern und hatte in ihrem achtundzwanzigjährigen Dasein schon einige Beziehungen scheitern sehen – nicht zuletzt ihre eigenen. Robbie hatte sie damals auch nicht zugetraut, dass er …
Da! Zwei Männer in schwarzen Anzügen verließen die Bank. Der linke war hellblond, aber der rechte passte zu Craig Erskines Foto, soweit sie das aus der Entfernung erkennen konnte. Die beiden unterhielten sich angeregt und achteten nicht auf die angebliche Touristin, die mit ihrer Kamera ein paar schöne Aufnahmen von ihnen machte. Herangezoomt bestätigte sich die Identität des Dunkelhaarigen.
Eine junge Frau im blauen Kostüm hastete hinter den beiden her und rief etwas. Die Männer drehten sich um und warteten, bis sie sie eingeholt hatte. Dann gingen sie gemeinsam weiter, die Frau neben Craig Erskine, was Finola sofort fotografisch festhielt, und bogen Richtung Princes Street ab. Finola folgte ihnen.
Ihre Aufgabe war nicht schwer, keiner der drei sah sich auch nur einmal um. Sie betraten die Waverley Mall, holten sich in einer Bäckerei ein paar Mittagssnacks, kamen wieder heraus und spazierten weiter in die Princes Street Gardens. Sie hatten Glück, ein älterer Mann mit Stock stand gerade auf und gab eine der Holzbänke am Weg frei, sodass sie sich setzen konnten. Leider waren alle anderen Bänke in Sichtweite besetzt.
Finola blieb am Wegrand stehen, nahm den Rucksack ab und machte sich daran zu schaffen. Sie zog einen Reiseführer heraus, mit dem sie sich eine Weile beschäftigen konnte. Ihre Position war günstig, nur etwa drei Meter trennten sie von der zu beobachtenden Bank.
»Hitchcock mag ein genialer Regisseur gewesen sein«, hörte sie die Frau sagen, »aber mit seinen Darstellerinnen ist er furchtbar schlecht umgegangen. Habt ihr die Autobiografie von Tippi Hedren gelesen?«
»Musst du uns eigentlich immer unter die Nase reiben, wie schrecklich Männer sind?« Die Stimme des Blonden klang genervt.
»Aber wenn doch …«
»Ach, halt den Mund, Jess. Ich kann’s nicht mehr hören. Warum willst du überhaupt die Mittagspause mit uns verbringen? Schließlich gehören Craig und ich ja zu den Bösen.«
»Du vielleicht«, konterte Jess. »Aber Craig ist wirklich nett.«
»Soll ich euch dann lieber allein lassen?«, fragte der Blonde süffisant.
»Lass den Quatsch, Dan«, sagte Craig.
»Oh ja, gerne«, kam von Jess gleichzeitig.
Aha. Das war doch ein Ansatz. Diese Jess schien zumindest eine Schwäche für Craig zu haben, dafür sprach auch die Körperhaltung, in der sie neben ihm saß. Ob er ihre Gefühle erwiderte, war dagegen nicht so einfach zu erkennen. Aber natürlich würde er besonders eine Affäre am Arbeitsplatz geheim halten.
So umständlich wie möglich packte Finola den Reiseführer zurück in den Rucksack und schlenderte dann an der Bank vorbei, wo sich Craig und Dan nun über Rugby unterhielten. Jess saß schweigend daneben und aß Salat aus einer Plastikbox. Ein deutlicher Abstand klaffte jetzt zwischen ihr und Craig.
Bänke waren immer noch keine frei, aber Finola konnte sich auf die Stufen von Scott’s Monument setzen, ohne ihr Zielobjekt aus den Augen zu verlieren. Ergiebig war das allerdings nicht. Nach zehn Minuten verließ Jess die beiden Männer, die noch eine Weile gemütlich in der Sonne saßen und sich unterhielten. Dann folgte Finola ihnen in sicherem Abstand zurück zur Bank und beendete somit ihre erste Observierung.
Sie war recht zufrieden mit sich und ihrer Tarnung, auch wenn sie den Fall natürlich noch längst nicht gelöst hatte. Aber das war kaum zu erwarten gewesen. Jetzt konnte sie Pause machen bis um fünf, wenn Craig Feierabend hatte. In Amandas Akte stand, dass er normalerweise nach der Arbeit den Bus Nummer 11 zurück nach Fairmilehead nahm. Außer freitags, wenn er mit Kollegen aus der Bank noch in den Pub ging. Nun, im Pub würde dann wohl zumindest eine junge Kollegin dabei sein, was Amanda wahrscheinlich deutlich mehr beunruhigte als ein kameradschaftlicher Umtrunk mit dem blonden Dan.
Heute aber war Donnerstag, also nach den Angaben in der Akte weder Pub noch Fitnessstudio noch sonst was angesagt. Und da Finola selbst an der Busstrecke nach Fairmilehead wohnte, waren der letzte Teil ihrer Observierung und die Heimfahrt voraussichtlich problemlos. Sie konnte sich auf einen frühen, ruhigen Abend freuen. Und sich darauf vorbereiten, morgen nicht nur in der Mittagspause erneut hinter Craig herzutrotten, sondern zur Happy Hour ganz zufällig im selben Pub zu sein wie er.
Nun aber war es an der Zeit zu shoppen. Sie würde sich einige Kleidungsstücke und Accessoires zulegen, in denen sie nicht wiederzuerkennen war. Vor allem ein paar Brillen. Ihre großen dunkelbraunen Augen waren wahrscheinlich ihr auffälligstes Merkmal. Vielleicht besorgte sie auch noch Haarfärbemittel. Manchmal vermisste sie das Türkis ihrer Haare, das sie bis zum Sommer zur Schau gestellt hatte, aber natürlich konnte sie so unübersehbar nicht als Detektivin arbeiten. Eine neue Kolorierung musste allerdings leicht herauswaschbar sein. Ob Lebensmittelfarbe funktionierte?
Anne blickte von ihrem Teller auf, als Finola die Küche betrat, um sich einen Tee zu kochen.
»Sie sind früh zurück.«