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Cosy-Crime mit echt schottischem Flair und geballter Frauenpower: Die neue Serie für Fans gemütlicher Krimis!
Folge 2: Erst kurz in Edinburgh knüpft die frischgebackene Detektivin Finola schnell Kontakte in der Stadt. Besonders freut sie sich über die beginnende Freundschaft mit der sympathischen Cafébesitzerin Laurie, die bekannt ist für ihre fantasievollen, leckeren Cupcakes. Doch dann stirbt eine Frau, kurz nachdem sie im Café gegessen hat, an einer Vergiftung! Und natürlich fällt der Verdacht auf Finolas neue Freundin. Finola kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Laurie etwas damit zu tun hat - oder verbindet diese vielleicht doch etwas mit dem Tod der Frau? Finola begibt sich auf die Suche nach Antworten ...
Über die Serie: Die junge Schottin Finola MacTavish zieht von der malerischen Isle of Skye nach Edinburgh, um dort in der Kanzlei von Anne Scott als Detektivin zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Computergenie Lachie lösen die beiden Lady Detectives die verblüffendsten Fälle. Finola merkt dabei schnell, dass sie ein Händchen fürs Ermitteln und Beschatten hat - am liebsten in Verkleidung. Noch dazu hat sie immer die Kräutermedizin ihrer Granny zur Hand, die nicht nur bei Kopfschmerzen hilft ...
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung
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Seitenzahl: 180
Die junge Schottin Finola MacTavish zieht von der malerischen Isle of Skye nach Edinburgh, um dort in der Kanzlei von Anne Scott als Detektivin zu arbeiten. Gemeinsam mit dem Computergenie Lachie lösen die beiden Lady Detectives die verblüffendsten Fälle. Finola merkt dabei schnell, dass sie ein Händchen fürs Ermitteln und Beschatten hat – am liebsten in Verkleidung. Noch dazu hat sie immer die Kräutermedizin ihrer Granny zur Hand, die nicht nur bei Kopfschmerzen hilft …
Erst kurz in Edinburgh knüpft die frischgebackene Detektivin Finola schnell Kontakte in der Stadt. Besonders freut sie sich über die beginnende Freundschaft mit der sympathischen Cafébesitzerin Laurie, die bekannt ist für ihre fantasievollen, leckeren Cupcakes. Doch dann stirbt eine Frau, kurz nachdem sie im Café gegessen hat, an einer Vergiftung! Und natürlich fällt der Verdacht auf Finolas neue Freundin. Finola kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Laurie etwas damit zu tun hat – oder verbindet diese vielleicht doch etwas mit dem Tod der Frau? Finola begibt sich auf die Suche nach Antworten …
Gitta Edelmann hat als Übersetzerin in Bonn, Rio de Janeiro, Freiburg und Edinburgh gearbeitet, bevor es sie wieder ins Rheinland gezogen hat. Neben Kindergeschichten und historischen Romanen hat sie bereits eine fünfbändige Cosy-Crime-Reihe veröffentlicht. Die Autorin darf sich außerdem Lady of Glencoe and Lochaber nennen, da sie dort ein paar Quadratfuß Land besitzt.
Ein Cupcake für den Mörder
Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Anne Pias
Lektorat/Projektmanagement: Rebecca Schaarschmidt
Covergestaltung: © Guter Punkt, Stephanie Gauger, München unter Verwendung von Motiven von © GettyImages: e55evu | WangAnQi | Saddako | encrier
eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-9134-3
be-ebooks.de
lesejury.de
In Laurie’s Café waren alle Tische besetzt. Schade. Aber nicht sehr verwunderlich, denn es gab nur drei davon.
Finola MacTavish zögerte. Sollte sie trotzdem kurz hineingehen und Laurie Hallo sagen? Sie hatte sie schon seit einer guten Woche nicht mehr gesehen. Und zumindest könnte sie ein paar Cupcakes für die Nachmittagsbesprechung mit Anne und Lachie kaufen.
Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, denn Laurie hatte sie durch das Fenster entdeckt und winkte ihr zu.
»Hiya!«, begrüßte sie Finola, sobald diese durch die Tür trat. »Ich hab schon befürchtet, du irrst mal wieder durch Morningside und findest mich nicht!«
Sie griff nach einem der Klappstühle, die hinter der Verkaufstheke bereitstanden, und sah sich suchend um.
»Lass nur, ich brauch keinen Platz, ich nehm bloß ein paar Cupcakes mit. Und nein, meine Ortskenntnisse von Edinburgh haben sich inzwischen deutlich verbessert.« Finola beäugte die bunten Gebäcke und zeigte dann auf die Zitronen-Blaubeer-Cupcakes, die nicht ganz so farbenfroh waren wie einige der anderen. »Drei davon und drei von denen mit der Karamellcreme«, bestellte sie.
»Hast du eine Fressorgie geplant?«, erkundigte sich Laurie grinsend, während sie die gewünschten Cupcakes in einer weißen Schachtel verpackte.
»Nein, wir haben heute Nachmittag noch ein Strategie-Gespräch in der Detektei, da können wir was Süßes gebrauchen!«
»Erzähl!«
Das junge Paar, das bei einer lesenden Frau am hintersten Tisch gesessen hatte, stand auf.
»Schau, da wird was frei, setz dich zu Helen, ich muss nur schnell kassieren! Dann komm ich zu dir.«
Finola schüttelte den Kopf. »Ich will dich keinesfalls vom Geldverdienen abhalten.«
»Quatsch.« Laurie sah auf ihre Armbanduhr. »Spätestens in fünf bis zehn Minuten wird’s hier ohnehin leer. Dann gehen meine Lunchtime-Gäste wieder zurück an ihre Arbeit.«
Finola zögerte.
»Na los, setz dich. Ich komme gleich mit deinem Latte macchiato.«
Finola gehorchte und steuerte das Tischchen in der hinteren Ecke an. Sie grüßte die Frau, die dort in ihr Buch vertieft war, und schmunzelte, als sie keine Antwort bekam. Leider konnte sie den Titel ihrer Lektüre nicht erkennen, doch das schwarz-rote Cover deutete auf einen Thriller hin.
Kaum hatte Finola sich gesetzt, blinkte und piepste das Handy, das neben dem Teekännchen auf dem Tisch lag. Die Frau seufzte, schaltete den Wecker aus und schlug ihr Buch zu.
»Hello«, grüßte sie kurz und lächelte, dann raffte sie ihre Sachen zusammen und stand auf.
Finola musste eine ganze Weile warten, bis Laurie alle aufbrechenden Gäste abkassiert hatte und mit ihrem Latte macchiato kam.
»Siehst du?« Mit einer großen Geste wies Laurie auf ihr nun leeres Café, stellte das Latte-Glas vor Finola und setzte sich. »Um diese Zeit ist es meistens ruhiger.«
»Scheint ja jetzt richtig gut zu laufen hier.«
Laurie strich sich eine rote Locke aus dem Gesicht und nickte zufrieden. »Ich bin voll beschäftigt. Vor allem, seitdem ich mittags auch Salate anbiete. Und wenn das so weitergeht mit der Nachfrage nach meinen Cupcakes, muss ich mir demnächst eine Hilfe suchen.«
»Schau mich nicht so an!« Finola grinste. »Ich bin zum Backen völlig unbegabt, und außerdem hast du vielleicht mitgekriegt, dass ich eine Detektei hab.«
»Gerüchteweise, nur gerüchteweise. Du hast mich ja tagelang gemieden!« Laurie zog kurz eine traurige Grimasse, dann lächelte sie wieder. »Erzähl!«
»Viel gibt’s nicht zu erzählen – ich bin jetzt auch offiziell und mit allen bürokratischen Schritten Teilhaberin von Anne Scott, und die Detektei hat einen neuen Namen.«
»MacTavish & Scott – ich hab davon gehört. Klingt gut.«
»Jetzt müssen wir sehen, wie wir an mehr Klienten kommen und finanziell erfolgreich werden. Laufkundschaft gibt es ja eher nicht, weil Albert Terrace nun mal nicht gerade im Edinburgher Zentrum liegt. Aber dafür bieten wir in Morningside durchaus mehr Diskretion. Lachie bastelt uns derzeit eine neue Webseite und …«
Finolas Blick war auf die Eingangstür des Cafés gefallen, die sich gerade öffnete.
»Kundschaft?«, fragte Laurie und sah sich um.
Doch statt zu antworten, stand Finola auf und eilte dem Neuankömmling entgegen. »Antônio! Was machst du denn hier?«
Sie umarmte ihn und küsste ihn auf beide Wangen.
»Ich suche dich«, antwortete er und drückte sie an sich. »Deine Chefin hat gesagt, dass du hier sein könntest.«
Finola verzichtete darauf, Antônio zu erklären, dass Anne nicht mehr ihre Chefin, sondern ihre Geschäftspartnerin war. Sie löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich zu Laurie um.
»Das ist Antônio, ein Freund aus Brasilien, der nach Schottland gekommen ist, um uns ein paar Tourismus-Tricks abzugucken. Wir kennen uns aus Portree. Und das ist Laurie, ihr gehört dieses Café.«
»Und so was wie ’ne Freundin bin ich auch.« Laurie lächelte, zog die Augenbrauen hoch und sah Antônio in die Augen.
Antônio zeigte seine perfekten weißen Zähne. »Äußerst erfreut!«
»Hast du Zeit, einen Kaffee oder Tee mit mir zu trinken?«, fragte Finola und deutete auf den Tisch mit ihrem erst halb getrunkenen Latte macchiato.
»Mehr als das«, antwortete Antônio. »Ich habe dich so sehr vermisst, dass ich jetzt nach Edinburgh gezogen bin. Nun können wir uns endlich wieder regelmäßig sehen. Und ja, ich nehme eine Tasse Tee. Darjeeling, bitte.«
Finola fing Lauries amüsierten Blick auf. Doch sosehr sie sich im ersten Moment über das Wiedersehen gefreut hatte, fand sie es gar nicht so lustig, ihren Ex-Freund nun dauerhaft in ihrer Nähe zu wissen. Schließlich hatte sie geglaubt, ihn erfolgreich hinter sich gelassen zu haben.
Ein wenig atemlos betrat Finola die große Küche in Anne Scotts Haus, das auch die Detektei beherbergte.
»Bin ich zu spät?«, fragte sie, reckte ihren Hals und blickte zu der Uhr über der Tür.
»Nein, alles okay, Lachie und ich waren nur früher fertig, also hab ich gleich Tee gekocht, und wir haben uns schon mal zusammengesetzt.« Anne lächelte.
Im Gegensatz zu den schlichten grauen Etuikleidern, Kostümen oder Hosenanzügen, die sie sonst trug, um, wie sie Finola erklärt hatte, als Inhaberin des Detektivbüros seriös zu wirken, hatte Anne an diesem Nachmittag ein schwarz-lila gestreiftes weites Kleid und lila Strumpfhosen an, ihre Füße steckten in hellblauen Stricksocken. Sie sahen selbst gemacht aus – vielleicht ein Geschenk von Lachie.
Annes Kreativität galt im Gegensatz zu seiner schließlich nicht dem Stricken, sondern der Malerei. In den letzten Tagen hatte sie viel Zeit in ihrem Atelier im obersten Stock des Hauses verbracht, das hatte ihr gutgetan, fand Finola. Sie sah deutlich entspannter aus als noch vor wenigen Wochen, als sie sie kennengelernt hatte. Selbst ihr graumelierter Kurzhaarschnitt wirkte irgendwie weicher.
Finola stellte die weiße Schachtel mit den Cupcakes auf den großen alten Holztisch und holte drei Teller aus dem Schrank.
»Ich hab euch was mitgebracht«, verkündete sie.
»Das passt ja bestens.« Lachies Augen hinter der Hornbrille zwinkerten. »Wir haben wieder was zu feiern.«
»Hast du die Webseite etwa schon fertig?«, fragte Finola und setzte sich zu Anne und Lachie an den Tisch. »Oder hast du die Konkurrenz gehackt und denen ein paar Klienten für uns abspenstig gemacht?« Sie öffnete die weiße Verpackung. »Bedient euch!«
Lachie schob die Schachtel näher zu Anne, damit sie sich als Erste einen Cupcake nehmen konnte.
»Die Website ist tatsächlich fertig. Du solltest sie nachher noch mal prüfend anschauen, dann kann ich sie online stellen«, erklärte Lachie.
Er wirkte ein wenig verlegen und gleichzeitig stolz, und einen Augenblick lang konnte Finola in dem Mann mit der Stirnglatze den kleinen Jungen sehen, der Lachlan MacKinnan wohl einmal gewesen war.
»Und natürlich hacke ich niemanden ohne Not!«, fügte er hinzu.
Finola lachte und griff nach dem letzten der Blaubeer-Cupcakes, während Anne ihr Tee eingoss.
»Und Not haben wir nicht – wir haben nämlich unseren ersten Fall als MacTavish & Scott!« Annes breites Lächeln verriet ihre Erleichterung.
»Siehst du, ich hab doch gesagt, wir schaffen das! Darauf ein cheers!« Finola hob ihren Teebecher.
»Auf meine beiden Chefinnen!« Lachie stieß mit ihr an.
»Du hättest dich als dritter Partner einkaufen können«, sagte Anne und erhob ebenfalls ihren Teebecher. »Dann wärst du jetzt nicht mehr mein Sklave, äh, Angestellter …«
Alle drei begannen zu lachen.
»Aber dann würdet ihr mir kein regelmäßiges Gehalt zahlen. Und ich müsste am Ende Entscheidungen treffen, statt einfach nur blind euren Anweisungen zu folgen. Nein, danke!« Lachie grinste.
Finola wechselte zwischen zwei Bissen das Thema: »Was ist denn das für ein Fall? Wieder eine Observierung?«
»So ähnlich«, antwortete Anne. »Es geht um eine Studentin, deren Eltern sich Sorgen machen. Sie haben die Befürchtung, ihre Tochter nimmt weder ihr Studium noch ihr Leben an sich ernst genug. Auf jeden Fall meldet sie sich nicht regelmäßig wie abgesprochen, und wir sollen nachforschen, was da los ist.«
»Und warum schauen die Eltern nicht einfach mal vorbei und überraschen ihre Tochter?« Finola schüttelte den Kopf. »Ich meine, mir ist es recht so, wir können das Honorar mehr als gut gebrauchen, aber ich selbst würde in so einem Fall kein Geld für eine Detektivin ausgeben.«
»Nun, über sechstausend Meilen Anreise sind schon ein Argument«, sagte Anne. »Die Eltern der Studentin leben in der Nähe von São Paulo.«
»In Brasilien?«
»Als ich zuletzt nachgeschaut habe, lag São Paulo tatsächlich in Brasilien.«
»Ich weiß«, stellte Finola klar. »Es ist nur seltsam, also heute ist das schon das zweite Mal, dass jemand aus Brasilien … Ich hab vorhin nämlich Antônio getroffen.«
»Ist das nicht der junge Mann, der letzten Monat dein Gepäck hergebracht hat? Der gut aussehende?«
Lachie sah bei Annes Worten von seinem Cupcake auf.
Finola nickte. »Ja, genau der. Er ist gerade nach Edinburgh gezogen.«
»Und?« Anne musterte Finola. »Freust du dich?«
»Ich weiß nicht«, sagte Finola ehrlich. »Irgendwie schon. Nur gehört er zu meinem alten Leben, nicht hierher, und ich hatte eigentlich mit ihm abgeschlossen. Aber das hat er wohl nicht so wirklich verstanden – vielleicht hätte ich deutlicher sagen müssen, dass ich mich nicht nur von ihm trenne, weil ich umziehe.« Sie zuckte mit den Achseln. »Wir werden sehen. Aber jetzt zurück zu der Studentin.«
»Letícia de Sousa Machado«, sagte Anne. »Sie ist von ihrer Uni in São Paulo über ein Austauschprogramm an die University of Edinburgh gekommen. Glaubt man ihrem Vater, ist sie ein hochintelligentes und strebsames Mädchen. Doch sie geht seit einer Woche nicht ans Telefon, wenn die Eltern anrufen. Und die Uni gibt keine Auskunft, ob sie an den Vorlesungen teilnimmt.«
»Wie alt?«
»Neunzehn.«
»Hm. Ziemlich jung. Vielleicht genießt sie erst mal die Freiheit?«
»Oder es ist ihr tatsächlich etwas passiert, und weil sie noch keine zwei Monate im Land ist und bisher nur wenige Menschen kennt, hat niemand gemerkt, dass sie verschwunden ist.« Annes Stimme klang ernst.
»Auch möglich«, gab Finola zu. »Ich kümmere mich sofort darum, hab heute nichts mehr vor. Also kann ich gleich mal für unsere Detektei arbeiten.« Sie grinste. »Hast du eine Adresse?«
»Im Büro liegt die Akte mit allen Informationen, die ich von den Eltern bekommen habe. Aber trink ruhig zuerst in Ruhe deinen Tee. Und deinen zweiten Cupcake solltest du auch essen, bevor Lachie ihn sich einverleibt.«
Lachie schüttelte den Kopf. »Ich doch nicht«, behauptete er.
Sicherheitshalber griff Finola aber dennoch nach dem Karamell-Gebäck.
»Wie haben die Eltern in Brasilien MacTavish & Scott überhaupt gefunden?«, fragte sie. »Im Moment haben wir ja nicht einmal eine Webseite.«
»Doch, haben wir. Die alte MWS-Investigators-Seite ist derzeit noch online«, erklärte Lachie.
»In diesem Fall ging der Kontakt aber nicht über die Webseite, sondern ich wurde direkt angerufen. Malcolm hat wohl früher schon einmal für Letícias Vater gearbeitet«, fügte Anne hinzu.
Finola nickte langsam. Malcolm Scott, Annes Mann, dem die Detektei gehört hatte, bis ihn ein LKW überfahren hatte. Immerhin schien er seinen ehemaligen Klienten zufriedengestellt zu haben, sodass sie jetzt ein wenig davon profitieren konnten. Ansonsten waren sie hier im Haus nicht besonders gut auf Malcolm Wallace Scott zu sprechen.
»Ich dachte, du wolltest die Kleine jetzt als Erstes nach England schicken?« Lachies Stimme riss Anne aus ihren Gedanken.
Nachdem Finola aufgebrochen war, um zu überprüfen, ob Letícia de Sousa Machado nicht doch in ihrer Studentenbude saß und nur ein kaputtes Handy hatte, waren sie und Lachie einfach in der Küche sitzen geblieben.
Es tat Anne gut, bewusst eine Pause zu machen und nicht fast ununterbrochen für die Detektei zu arbeiten – die letzten Wochen mit der Abwicklung von MWS Investigators und der Neugründung von MacTavish & Scott waren mit all dem rechtlichen Kram wirklich nicht einfach für sie gewesen.
Und es war sogar überraschend angenehm, hier einfach so mit Lachie zu sitzen und nicht vor der leeren Leinwand zu stehen und erkennen zu müssen, dass ihr die Kreativität vergangener Jahre abhandengekommen war. Immerhin hatte sie in den letzten Tagen einige kleine Aquarelle gemalt, weite Landschaften mit viel Himmel und Meer, die ihrer Seele guttaten.
»Ich glaube, ich brauche jetzt etwas anderes als Tee«, sagte Anne und stand auf. Sie holte den Laphroaig und zwei Gläser und schenkte ihnen beiden ein.
»Hast du keinen richtigen Single Malt mehr?«, fragte Lachie mit skeptischer Miene.
Anne schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass der dir eigentlich zu torfig ist«, sagte sie. »Aber das ist der Rest meiner Bar. Wenn die nächsten Zahlungen eintreffen, füll ich wieder auf.«
»Na ja, besser als nichts. Man kann sich auch daran gewöhnen. Slàinte!«
»Slàinte!«
Sie tranken. Die Wärme und der torfig-rauchige Geschmack, den der Whisky im Mund hinterließ, waren genau das Richtige, fand Anne, wenn sie über Malcolm sprachen. Gerade weil auch er kein Fan ihres Lieblings-Malts gewesen war.
»Ja, ich dachte, sie könnte nach York fahren und dort vor Ort ein paar Erkundigungen einziehen. Vielleicht kriegt sie mehr raus, wenn sie die Leute persönlich fragt. Wir sind ja von hier aus nicht wirklich viel weitergekommen.«
»Hast du schon mit ihr darüber gesprochen, dass sie Malcolms Tochter spielen soll? Für die Rolle musst du sie gut briefen, schließlich hat sie ihn nicht gekannt, die Leute, mit denen sie reden wird, jedoch wahrscheinlich schon.«
»Ich weiß.« Anne seufzte. »Aber dieser Auftrag jetzt ist wichtiger, weil diese Brasilianer sehr gut zahlen. Wir haben ja keinen solchen finanziellen Puffer, dass ich meine persönlichen Probleme vorziehen kann.«
»Was heißt persönliche Probleme?«
Lachie nahm einen erneuten Schluck. Ganz so schlecht, wie er immer tat, schien ihm der Laphroaig gar nicht zu schmecken.
»Das Geld, das Malcolm einfach so von eurem Konto abgehoben hat, war ja nicht gerade wenig. Und was ist mit den Schulden, die er hinterlassen hat? Beinahe wäre die Detektei darüber kaputtgegangen! Wieso also ist das dein persönliches Problem?«
Anne stand auf und ging zum Vorratsschrank. »Soll ich uns ein paar Spaghetti kochen?«, fragte sie.
»Anne, setz dich. Wir haben eben jeder zwei fette Kuchen gegessen. Du brauchst nicht zu kochen, nicht einmal als Übersprunghandlung.«
Anne seufzte. Lachie hatte ja recht. Aber wenn sie an ihren verstorbenen Mann und den fehlenden Betrag dachte, überkam sie regelmäßig der Wunsch, wegzulaufen oder sich mit was ganz anderem zu beschäftigen.
»Ach, Lachie, was kann er mit dem Geld gemacht haben? Warum war er überhaupt in York? Oder hängt das gar nicht zusammen? Dieser Fall mit dem verschwundenen Jungen, dem er angeblich nachgehen wollte – nicht einmal du hast eine Spur davon gefunden. Er hat also gelogen! Er hat mich einfach angelogen! Wenn er dort nicht den Unfall gehabt hätte, wäre er …«
»Wir kriegen das raus.« Lachie wirkte zuversichtlich. »Wir wissen doch schon eine ganze Menge.«
»Nicht genug.«
»Wir wissen, in welchem Hotel er ein Zimmer gebucht hatte. Und unter welchem Namen.«
»Aber er ist dort nicht aufgetaucht. Stattdessen ist er am nächsten Tag von diesem verdammten LKW …« Anne wischte sich Tränen aus den Augen.
Lachie nahm ihre Hand. »Es wird alles gut, Lassie. Sobald Finola diese brasilianische Studentin gefunden hat und den Fall abschließt, werde ich sie briefen. Es ist sicher einfacher für dich, wenn ich das übernehme.«
Anne nickte. »Danke«, sagte sie leise. »Du bist wirklich ein Freund. Und jetzt reden wir bitte über was anderes.«
Doch in ihrem Hinterkopf kreiste immer noch die Kardinalfrage: Wo hatte Malcolm die letzte Nacht seines Lebens verbracht?
Letícia de Sousa Machado wohnte laut den Informationen ihrer Eltern nicht in einem der Studentenwohnheime, sondern in einer eigenen Wohnung in West Newington Place. Die kleine Straße im Stadtteil Newington lag sehr günstig zum George Square, wo die Business School der University of Edinburgh, an der Letícia studierte, in einem modernen Bau ihr Zuhause gefunden hatte.
Die Häuser in West Newington Place waren weit weniger modern als das Uni-Gebäude, stellte Finola fest. Die schmale Straße, die nur ihren Anwohnern Parkplätze bot, säumten alte drei- oder vierstöckige Häuserreihen aus Sandstein. Und – was für eine Studentin wichtig sein würde – die Newington Road mit ihren Bushaltestellen und vielen kleinen Geschäften war direkt um die Ecke.
Finola sah sich nach der passenden Hausnummer um. Hier irgendwo links musste es sein. Steintreppen führten zu den Haustüren im Hochparterre, schmiedeeiserne glänzend schwarze Geländer schützten Passanten davor, in die Schächte vor den Souterrain-Eingängen zu stürzen. Genau dort wurde sie fündig: Die Wohnung, die Letícias Eltern ihrer Tochter spendierten, lag in eben solch einem Souterrain.
Finola klingelte.
Niemand öffnete.
Sie klingelte noch einmal und legte ihr Ohr an die Haustür. War da nicht ein Geräusch?
Dritter Versuch. Nichts.
Langsam stieg Finola die Treppe wieder hinauf und gleich auch noch die zweite zur oberen Haustür.
Dort wurde ihr auf ihr Klingeln schnell geöffnet.
Eine kleine rundliche Frau um die sechzig schaute zu ihr auf. »Ja, bitte? Ich hoffe, Sie sind nicht von den Zeugen Jehovas!«, sagte sie streng.
»Nein, nein«, versicherte Finola. »Ich bin von der Universitätsverwaltung und muss etwas abgeben für eine Letícia de Sousa Machado. Persönlich. Die soll hier wohnen.«
»Nicht hier. Unten.« Sie deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden.
»Oh, Verzeihung, sind Sie dann die Vermieterin? Ms …?«
»Turnbull. Ja, mir gehört die Wohnung. Warum? Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, nein«, versicherte Finola. »Es ist nur eine Formsache, weil Miss de Sousa Machado einen Mietzuschuss beantragen will.«
»Einen Zuschuss? Wie denn das? So was hatte ich noch nie. Und ich vermiete die untere Wohnung seit Jahren an Studentinnen. Ich nehme immer nur Mädchen, weil die sauberer sind«, erklärte Ms Turnbull.
»Ähm, ja, das ist jetzt in diesem Jahr neu«, behauptete Finola.
»Na, mir soll’s egal sein, solange ich meine Miete kriege. Und die kommt direkt vom Vater. Das möchte ich immer so, ist am sichersten.«
»Sehr gut. Wissen Sie zufällig, wann ich ihre Mieterin am günstigsten zu Hause antreffe?«
»Nein, da kann ich Ihnen leider gar nicht helfen. Diese Studentinnen haben so unterschiedliche Tagesabläufe, und Miss de Sousa Machado wohnt ja noch nicht lange hier. Ich sehe sie so gut wie nie. Gehen Sie doch mal runter und klingeln. Vielleicht ist sie ja da.« Ms Turnbull trat einen Schritt zurück und machte Anstalten, die Tür zu schließen.
»Das werde ich tun«, sagte Finola schnell. »Vielen Dank, Ms Turnbull.«
Die Vermieterin nickte halbwegs freundlich und schloss dann ihre Haustür.
Finola stieg die Treppen wieder hinunter ins Souterrain und setzte sich auf die zweitunterste Stufe. Ein wenig würde sie noch warten, vielleicht kam Letícia ja gleich nach Hause. Und wenn nicht, konnte sie beim Warten immerhin schon mal die weitere Strategie planen, um sie morgen früh mit Anne abzusprechen.