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Während der Geist von Matthew Drax auf dem Mars weilt, ruht sein seelenloser Körper in der Wolkenstadt, wohl behütet von Aruula und den anderen Gefährten. Doch gegen das, was sich seiner nun bemächtigt, haben sie keine Chance! Denn es kommt unsichtbar daher und sucht schon seit Jahrzehnten nach einem geeigneten Opfer...
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Seitenzahl: 142
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Was bisher geschah...
The Walking Matt
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Impressum
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die degenerierte Menschheit befindet sich im Krieg mit den Daa'muren, die als Gestaltwandler ein leichtes Spiel haben. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, »Maddrax« genannt, dessen Staffel durch einen Zeitstrahl vom Mars ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde, und es gelingt ihm, die lebende Arche, den »Wandler«, gegen dessen kosmischen Feind zu verteidigen, woraufhin sich der Wandler mit den Daa'muren ins All zurückzieht...
Während es Matt und Aruula in ein anderes Sonnensystem verschlägt, hat der Kampf gegen den Streiter dramatische Folgen: Der Mond nähert sich der Erde! Als Matt und Aruula endlich einen Weg in die Heimat finden, gelingt es mit außerirdischer Hilfe, den Mond in seine Umlaufbahn zurückzuversetzen, doch dies verursacht eine Schwächung des Raum-Zeit-Kontinuums, das an besonderen Punkten aufbricht – an den Bruchstellen tauchen nun Areale verschiedener Parallelwelten auf.
Zusammen mit dem Pflanzenwesen GRÜN gelingt es unseren Helden, mittels eines Tachyon-Prionen-Organismus die Risse zu versiegeln – bis eine letzte Bruchstelle kollabiert und ein gewaltiges Areal um den Victoriasee in Afrika in die Gegenwart versetzt. Das Luftschiff des Sohnes von Kaiser Pilâtre de Rozier, der dort regiert, verschwand darin, während der See durch eine gewaltige Stadt ersetzt wurde. Die Menschen dort verbreiten einen »Dunklen Keim«, der sich immer weiter ausdehnt.
Auch die Wolkenstadt Château-à-l'Hauteur wird von den Dunklen angegriffen; nur Pilâtre entkommt. Da treffen die befreundeten Daa'muren Grao und Ira ein. Durch sie erlangen die Gefährten ein erstes Heilmittel: Die Splitter von Daa'muren-Kristallen können den Dunklen Keim aus den Infizierten herausholen! Die Gefährten holen etliche Kristalle aus dem Kratersee und erobern Château zurück, doch Shadar kann sich mit seiner Gefährtin Elloa absetzen. Für weitere Hilfe wendet sich Matt an Colonel Kormak, der eine Eingreiftruppe gründet, die Dark Force. Sie versuchen Shadar in Mombassa in eine Falle locken, doch wieder kann der Gottsprecher entkommen. Schwer verletzt, rettet ihn die Stadt selbst, indem sie ihn in ihr Dunkles Herz aufnimmt.
Das wird Matt und Aruula bei einem Flug über die Stadt zum Verhängnis: In ihren Tiefen werden sie zum Bösen umgepolt, ermorden de Roziers Enkel und über hundert Hydriten und sabotieren Ei'dons Friedensbemühungen. Als sie sich Fort Knox als nächstes Ziel auswählen, ist ihnen Quart'ol auf den Fersen. Die beiden werden überwältigt und zur Wolkenstadt gebracht. Dort erschießt Pilâtre Aruula aus Rache für Pilou – und gleichzeitig wacht eine andere Aruula im Zentrum der Stadt auf! Das Dunkle Herz schuf Zwillinge der beiden aus deren bösen Anlagen. Sie können aus der Stadt gerettet werden, wobei Grao auch Matts böses Ich tötet. Es gelingt ihnen, das Zentrum der Stadt zu sprengen. Dabei stirbt Shadar; das Dunkle Herz überlebt.
Doch da naht schon eine neue Gefahr: Der Roboter mit dem Geistesinhalt von Jacob Smythe begegnet im All einem Streiter und lockt ihn zur Erde. Zunächst aber wird die kosmische Wesenheit auf den Mars treffen... weshalb der Hydree Wang'kul ein Hologramm zur Erde schickt, das Matts Geist mit dem Zeitstrahl zum Roten Planeten holt.
The Walking Matt
von Simon Borner
Das All ist kalt und leer. Jeder Stern hier draußen wirkt unendlich fern, und das wenige Licht, das durch die Schwärze funkelt, birgt keine Hoffnung mehr.
Maddrax schwebt reglos durch das Nichts. Da ist der Mars, halb zerstört und für immer verloren. Gewaltige Trümmerstücke schweben um ihn herum wie Mondtrabanten, ein riesiges Loch klafft in seinem Rund.
Und daneben, mächtig und triumphierend, die dunkle, triumphale Präsenz des Streiters.
Sie waren naiv. Naiv und chancenlos...
Vor dem Kometen
Die Schreie kamen aus der letzten Hütte des Dorfes. Doch sie waren laut genug, überall Gehör zu finden.
Bevis Bankole schluckte die Angst hinunter, die erneut in ihm aufsteigen wollte, und straffte die Schultern. »Wir werden ihr helfen«, sagte er fest.
Die Worte hatten seinem Begleiter gegolten, dem Bauern Mbaye Kanumba. Doch Bankole hoffte, dass sie ihn selbst ebenfalls beruhigen würden.
Er hoffte vergebens.
»G-glaubst du wirklich?«, flüsterte Kanumba. Der alte Bauer war den Tränen nah. Seine Hand zitterte, als er sie zum Mund führte. »Wir wissen uns alle nicht länger zu helfen, Bevis. Sieh dich nur um: Das ganze Dorf hat sich in den Hütten vergraben und kommt nicht mehr ins Freie, wenn sie... wenn sie wieder einen dieser Anfälle hat. Sie alle fürchten sich vor meinem Kind, und ich...«
Er brach ab. Er wagte es spürbar nicht, den Satz zu beenden. Denn die Wahrheit war schlicht zu grässlich, um sie in Worte zu fassen.
Bankole verstand das. »Wir werden ihr helfen«, wiederholte der Priester. »Tu einfach, was ich dir sage, Mbaye. Dann wird alles wieder gut.«
Der Bauer nickte stumm. Doch seine Hand zitterte nach wie vor.
Gemeinsam näherten sich die beiden Männer dem Eingang der Hütte. Bankole war alt, genau wie der Bauer, doch ebenso wie dieser und die kleine Kisha war auch er ein Kind dieses Dorfes. Er kannte jede Hütte hier, fand jeden Weg im Schlaf und war schon vor Jahrzehnten auf jeden einzelnen Baum geklettert – sehr zum Leidwesen seiner seligen Mutter.
Dennoch war ihm nun, als er über Kanumbas Schwelle trat, als betrete er eine fremde Welt. Das lag nicht an den Bildern, die seine Augen ihm lieferten und die so vertraut schienen wie der Sonnenaufgang über dem See, sondern an der Atmosphäre. An dem, was über diesen Bildern lag – wie ein unsichtbarer Duft des Verderbens.
Da hingen die Teppiche und Schalen, dort stand das Werkzeug für die Arbeit auf den Feldern. Weiter hinten erkannte der Priester den kleinen Stapel mit den wenigen Kleidern seiner Gastgeber und direkt daneben die Farben, mit denen Kisha stets so gern gemalt hatte. Farben, die Kanumba seit Jahren eigenhändig für sein geliebtes Kind herstellte.
Und doch... Diese Hütte war anders, als ihr Bild suggerierte. Fremdartiger. Denn das, was in sie gefahren war, gehörte nicht hierher.
Kisha Kanumba lag rücklings auf einem Bett aus Decken und Fellen. Ihr kleiner Körper war schweißnass, und der Brustkorb unter dem dünnen Leibchen hob und senkte sich stoßweise. Tiefe blutige Striemen zogen sich über ihr Gesicht, und ihre kleinen Hände waren mit dicken Tauen gebunden, ebenso die Fußgelenke.
Sie hat sich selbst das Gesicht zerkratzt, erkannte Bankole. Deshalb die Fesseln. Grundgütiger...
Ein gefesseltes Kind. In seiner eigenen heimischen Hütte. Der Anblick traf den Priester wie ein Schlag in die Magengrube. Selten zuvor hatte er etwas Traurigeres gesehen.
»Was...« Kanumba räusperte sich. Erst dann war sein Tonfall nicht mehr ganz so brüchig. »Was soll ich tun, Bevis? Wie kann ich dich unterstützen?«
Bankole trat neben die Liegestatt des Kindes. Im Schein der Fackeln nahm er Kisha genauer in Augenschein. Sie schien zu schlafen, das erstaunte ihn. Dabei waren ihre Schreie doch eben noch durchs ganze Dorf gehallt.
Nein, korrigierte sich der Priester in Gedanken. Nicht ihre Schreie. Sondern seine. Die des Loa.
Man durfte nicht dem Anblick trauen, wenn man es mit derartigen Wesen zu tun bekam. Denn sie logen und betrogen, wo sie nur konnten. Jeder wusste das, nicht nur die Priester aus Bankoles Ahnenreihe.
»Bring mir deine jüngste Ernte, Mbaye«, murmelte Bankole und ging neben Kisha in die Hocke. Vorsichtig legte er dem schlafenden Kind die Hand auf die Stirn, um seine Temperatur zu fühlen. Es war heiß wie die Steppe. »Jede Ähre und jede Knolle, die deine Felder dir unlängst geschenkt haben. Alles, was noch da ist, alter Freund. Alles bis auf das letzte Korn, verstehst du?«
»Meine Ernte?« Der Bauer keuchte. »A-aber die brauchen wir doch. Wie sonst sollen wir über die Runden kommen? Wir müssen Handel betreiben, Bevis. Überleben.«
Der Priester schenkte dem alten Freund einen vielsagenden Blick. »Ohne dieses Opfer wird sie nicht überleben. Und durch sie vielleicht auch niemand sonst in unserem Dorf. Es ist die einzige Möglichkeit.«
Der Bauer verstummte. Abermals schimmerten Tränen in seinem Blick. Dann nickte er, drehte sich um und verließ schweigend seine Hütte.
Bankole blieb allein mit dem Kind zurück. »Kisha«, murmelte er sanft. »Arme, tapfere Kisha. Wir sind hier, hörst du? Wir stehen dir zur Seite. Und wir machen dich wieder gesund.«
Einen Sekundenbruchteil später riss das Kind die Augen auf und sah ihn an. Doch das war nicht der Blick eines kleinen Mädchens. Sondern der eines Teufels.
»Bankole«, zischte eine fremde tiefe Stimme aus dem Mund der Kleinen. Das Weiß war nahezu völlig aus ihren Augen verschwunden, und die Adern und Muskeln an ihrem Hals standen hervor, als litte sie unter fürchterlichen Krämpfen. »Der alte Bankole. Er hat Angst!« Kishas Gesicht verzog sich zu einer Fratze des Spottes und des Hohns. »Weiß er denn nicht, dass Angsthasen verlieren? Dass er längst verloren hat?«
Der Loa! Das, was da aus dem Mädchen sprach, war niemand anderes als der Geist. Bankole erkannte es sofort. Es war das erste Mal, dass der Priester einer solchen Kreatur Auge in Auge gegenüberstand. Bis zur heutigen Nacht hatte er sie nur aus den Erzählungen seiner Ahnen gekannt, aus purer Theorie und natürlich aus seinen eigenen Gebetsstudien. Bis zur heutigen Nacht hatte er sich auch ausreichend vorbereitet gefühlt – gewappnet für den Ernstfall.
Doch all dies stürzte in sich zusammen wie ein von Kindern erbauter Damm aus Holz und Steinen, wenn wie Flut kam. Und der Grund dafür waren die Worte des Loa. Sie schnitten tief ein und hinterließen klaffende Wunden in seiner Seele.
»Du lügst«, sagte der Priester fest. Einmal mehr fragte er sich, wen er hier eigentlich überzeugen wollte – sein Gegenüber oder sich selbst. »Wir werden dich besiegen, dich vertreiben. Du wirst Kisha freilassen, wenn du erst hast, was du begehrst. So war es immer, und so wird es immer sein.«
Das Opfer. Alles hing vom richtigen Opfer ab. Das war der Dreh- und Angelpunkt der gesamten Aktion. Und wo, verflucht, blieb der alte Kanumba?
Bankole wollte gerade nach ihm sehen, da kehrte der Bauer in die Hütte zurück. Er trug schwere Körbe bei sich, wuchtige Schalen voller gemahlenem Korn und einen Beutel, der so randvoll mit Früchten war, dass schon einzelne Exemplare kullernd zu Boden fielen, als er sich bewegte. Kein Lastesel hätte mehr tragen können, erkannte der Priester. Der Bauer geizte nicht und gab alles, was er geben konnte.
»Das ist alles, was noch da ist«, sagte er. Dann bemerkte er das wache Gesicht seines Kindes, und sofort wurden seine Züge sanfter. »Kisha...«
»Der nächste Narr«, zischte der Loa im Körper des Mädchens. »Auch du bist ein törichter alter Mann, Mbaye Kanumba. Weiter nichts.«
Der Bauer erstarrte.
»Hör nicht hin«, riet Bankole ihm streng. »Der Dämon lügt. Das liegt in der Natur dieser Kreaturen. Sie wollen, dass man vor ihnen kapituliert. Sie wollen dir einreden, du seist machtlos gegen sie. Aber das stimmt nicht.«
»Sagt wer?«, ätzte der Teufel in Mädchengestalt.
»Jeder, der rein ist«, antwortete der Priester. »Jeder, der heilig ist.«
Dann begann er mit der Zeremonie.
Um einen Loa zu bannen und zu vertreiben, bedurfte es eines ganz besonderen Opfers. Die bösen Geister, die von den Körpern der Unschuldigen Besitz ergriffen, ließen sich nicht mit billigem Tand oder halbgaren Versprechungen abspeisen. Fuhr ein solcher Dämon in den Leib einer Person, dann gab er diesen nur dann wieder frei, wenn man ihm das präsentierte, was er eigentlich begehrte. Der Besessene war gewissermaßen eine Geisel geworden, mit der der Loa sein eigentliches Ziel herbei erpressen wollte.
Nur: Was dieses eigentliche Ziel war, behielten die teuflischen Geistwesen gerne für sich. Es bereitete ihnen eine sadistische Freude, damit so lange hinterm Berg zu halten, wie sie nur konnten.
All das wusste Bevis Bankole, denn der Kampf gegen diese Wesen war in seiner Familie eine lange Tradition. Ebenfalls kannte er den Text, den er nun aufsagen musste, um das arme Kind des Bauern zu retten.
»Bei der Macht der Sonne und des Lichts«, murmelte er und streckte beide Hände über dem Körper des gefesselten Mädchens auf der Bettstatt aus. »Bei der Kraft der Menschen und der Tiere. Ich rufe dich, Teufel. Ich zwinge dich!«
Der Loa lachte spöttisch – selbst dann noch, als Bankole in seine Tasche griff und Stock und Rassel hervorzog. Die Rassel war nötig, um den Loa anzurufen – sie war ein Mittel, ihm Respekt zu zollen und ihn gefügiger zu machen.
Bankole ließ sie erklingen, so fest er nur konnte. Gleichzeitig begann er mit der anderen Hand, die Spitze des dünnen Stocks durch das weiche Erdreich des Fußbodens zu ziehen. So zeichnete er ein Symbol nach dem anderen in den Dreck, denn es brauchte diese Symbole, um einen Loa zu bannen:
Jeder dieser Teufel hatte sein ureigenes Zeichen, genau wie auch jeder von ihnen einen eigenen Namen besaß. Wer sie bannen und verjagen wollte, tat gut daran, beide Elemente zu kennen... und zu nutzen.
»Agwe!«, rief der Priester den erstbesten Loa-Namen, der ihm in den Sinn kam. Dazu zeichnete sein Stock das entsprechende Veve in den Sand. »Damballah! Diejuste! Erzulie! Kalfu! Loco!«
Ein Name und Symbol folgte dem anderen. Bei jedem einzelnen von ihnen hoffte Bankole, es sei der ersehnte Volltreffer. Doch wann immer er zu dem besessenen Kind blickte, sah er in das Gesicht des Dämons, der ihn und seine Anstrengungen nur grinsend verspottete.
»Der alte Bankole«, zischte das Wesen in Kishas wehrlosem Körper. »So alt und doch so wenig weise. Du bist eine Schande für deine Mutter, weißt du das? Sie ist hier bei mir, Bevis. Und sie spuckt heute Nacht auf dein Andenken.«
»Azacca!«, fuhr der Priester fort – alles andere als unbeirrt. Die Worte waren nicht wahr, das wusste er. Dennoch trafen sie ihn wie Hiebe. »Badessy! Limba! Papa Legba!«
Kanumba weinte inzwischen. Laute Schluchzer drangen aus seiner Kehle, als gäbe es nichts auf der Welt, das ihn je wieder verstummen lassen würde. Die Verzweiflung des Bauern war nahezu mit Händen greifbar. Rat- und hilflos stand er vor dem Berg an Gaben, die er mitgebracht hatte.
»Ogoun!«, rief Bankole. Schweiß trat auf seine Stirn, und der Arm mit der Rassel wurde immer schwerer. Jeder neue Name, jede weitere Bewegung war wie ein Kampf gegen sich selbst, wie eine neue Überwindung. »Boum'ba Maza! Bugid Y Aiba! Marasa! Mombu!«
Es waren schon längst keine Namen mehr, wie man sie in der Region kannte. Die hiesigen Loa hatte Bankole schon vor Minuten allesamt genannt, und kein einziger von ihnen hatte zu einem sichtbaren Resultat geführt. Er griff inzwischen nach Strohhalmen, das war dem Priester klar. Konnte es tatsächlich sein, dass ein Geist aus fernen Landen in den Leib der kleinen Kisha gefahren war?
»Simbi! Ti Malice! Agau!«
Kanumbas Schluchzen wurde immer lauter. Und Bankole gingen die Namen aus.
»Clermeil!«, schrie er und machte keinen Hehl mehr aus seiner Verzweiflung. Warum verfing denn kein einziges Symbol? Warum verpufften alle diese Namen so nutzlos im Nichts? »Dan Wédo! Lass ab von ihr, Boli Shah. Ich, Bevis Bankole, befehle es dir!«
Als er endlich durch war mit seiner Liste, hockte er auf seinen Knien – schweißgebadet und keuchend. Im Dreck vor sich sah er die nutzlosen Linien der Veves, und ihm war, als hinge jeder einzelne Name vor ihm in der Luft wie ein flammendes Menetekel seines Scheiterns.
Denn er war gescheitert. Daran konnte gar kein Zweifel bestehen. Bankole sah es im Gesicht des Dämons und hörte es in den verzweifelten Klagelauten des alten Bauern. Es war vorbei, und nichts hatte sich geändert. All die Studien und all die Theorie... Im entscheidenden Augenblick hatten sie ihm so viel gebracht wie ein einzelner Wassertropfen dem großen See oder wie ein einzelner Stern dem schweigenden Nachthimmel. Er war eine Schande für seine Ahnen.
»Warum?«, hauchte er, fassungslos und am Boden zerstört. Die Rassel fiel ihm aus der schmerzenden Hand, und er merkte es kaum. »Warum nimmst du unser Opfer nicht an, o großer Loa? Ich verstehe es nicht.«
Das Wesen in Kisha Kanumbas Körper richtete sich auf, so gut es die Fesseln erlaubten. Das Gesicht des Kindes wirkte fiebrig und krank, und doch strömte es eine Kraft und eine Stärke aus, die alles andere als kindlich war. Alles andere als menschlich.
»Weil du von Anfang an falschgelegen hast, Pfaffe«, sagte der Teufel – jede Silbe ein unverkennbarer Triumph.
»Wie das?« Bankole weinte nun ebenfalls. Nie zuvor hatte er sich so hilflos gefühlt, und das Gefühl traf ihn wie ein Todesurteil. »Ich habe alle Rituale befolgt. Ich habe dir das Beste zum Opfer dargebracht, was der alte Kanumba noch hat. Aber du weigerst dich, es anzunehmen.«
Der Teufel verzog Kishas Mund zu einem grässlichen, hasserfüllten Grinsen. »Wie arrogant ihr Menschen doch seid«, sagte er. »Denkst du wirklich, Korn und Früchte seien das Wertvollste in dieser Hütte? Hast du das tatsächlich geglaubt, du alter Narr? Die Welt ist voll von Korn und Früchten!«
Kanumba sank zu Boden, hilflos durch und durch. Er hatte es längst begriffen, und auch Bevis Bankole erkannte die Wahrheit plötzlich. Sie traf ihn härter als alles je zuvor. Sie war das eigentliche Todesurteil.
»Das Beste hier«, knurrte der Loa zufrieden, »habe ich doch längst.«