Maddrax 654 - Oliver Müller - E-Book

Maddrax 654 E-Book

Oliver Müller

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Matt hatte sich verschätzt. Als er den aufziehenden Sturm über der Küste Britanas ausmachte, hatte er gedacht, es würde reichen, ein paar Kilometer nach Südosten auszuweichen, um ihn zu umfliegen. Doch das Unwetter über dem Ärmelkanal hatte schnell apokalyptische Ausmaße angenommen. Erneut wurde der Gleiter von einer Sturmböe erfasst, die ihn durchschüttelte, als hätte ihn eine Titanenfaust gepackt. Matt versuchte ihn zu stabilisieren. Neben sich hörte er Aruula tief ein- und ausatmen. Obwohl sie sich in den langen Jahren, die sie gemeinsam über die Erde zogen, an fliegende Untersätze jedweder Art gewöhnt hatte, verlangte der Sturm ihrem Magen einiges ab. Als Air-Force-Pilot ging es ihm deutlich besser. "Keine Sorge", sagte Matt, dabei bemüht, den Gleiter in ruhigere Gefilde zu steuern. "Wir schaffen das."


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 156

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Was bisher geschah...

Metamorphosen

Grußwort

Porträt Oliver Müller

Leserseite

Suchbild

Vorschau

Impressum

Am 8. Februar 2012 trifft der Komet »Christopher-Floyd« die Erde. In der Folge verschiebt sich die Erdachse, und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert.

In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Fliegerstaffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn »Maddrax« nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler, der sich als lebende, schlafende Entität entpuppt – zur Erde gelangten und schuld sind an der veränderten Flora und Fauna und der Verdummung der Menschen. Nach langen Kämpfen mit den Daa'muren erwacht der Wandler, weist sein Dienervolk in die Schranken und zieht weiter. Mit zwei Daa'muren, die auf der Erde zurückblieben – Grao und Ira – haben sich Matt und Aruula sogar angefreundet.

Bei einem Abstecher zum Mars, auf dem sich eine Expedition aus dem Jahr 2010 zu einer blühenden Zivilisation entwickelt hat, erfährt Matt von der Spezies der Hydree, die vor 3,5 Milliarden Jahren hier lebten und mittels eines Zeitstrahls zur jungfräulichen Erde umzogen, als ihr Planet seine Atmosphäre und Ozeane verlor. Mit ihren Nachkommen, den telepathisch begabten Hydriten, die von den Menschen unentdeckt am Meeresgrund leben, hatte Matt schon Kontakt und nennt einen von ihnen, Quart'ol, einen guten Freund.

Diese »Tunnelfeldanlage«, die wie ein Transporter funktioniert, in dem die Zeit unendlich gedehnt werden kann, ist bis heute in Betrieb und verursachte auch den Zeitsprung von Matts Flugstaffel um 504 Jahre, als die den Strahl querte. Dabei legt der Strahl einen Tachyonenmantel um lebende Zellen, der den Altersprozess fünfzig Jahre lang drastisch verlangsamt.

Seither ist viel Zeit vergangen – wir schreiben inzwischen das Jahr 2554 –, und all die Erlebnisse unserer Helden an dieser Stelle zu schildern, wäre unmöglich. Es gibt sogar eine Erdkolonie in einem fernen Ringplanetensystem, zu dem allerdings der Kontakt abgebrochen ist. Ihre Freunde Tom, Xi und deren Tochter Xaana (die eigentlich Matts Kind ist) leben dort auf dem Mond Novis.

Nicht nur einmal haben Matthew Drax und Aruula die Erde vor dem Verderben gerettet und mächtige Feinde bekämpft – zuletzt die vampirhaften Nosfera, die die WCA (World Council Agency, kurz: Weltrat) übernehmen wollten. Auf diese Organisation traf Matt schon früh. Momentan steht ihr General Aran Kormak vor, ein in der Vergangenheit eher zwielichtiger Charakter, der sich aber gewandelt und großes Interesse zu haben scheint, Meeraka (ehem. USA) und danach andere Länder friedlich zu einen.

Auch um Kormak weiterhin im Auge zu halten, geht Matt auf seinen Vorschlag ein, zusammen mit Aruula im Auftrag des Weltrats eine schnelle Eingreiftruppe zu bilden und für ein Bündnis unter dem Dach der WCA zu werben.

Dies sind ihre Abenteuer...

Weitere Informationen und Hintergründe zur Serie findet ihr unter https://de.maddraxikon.com im Internet!

Metamorphosen

von Oliver Müller

Matt hatte sich verschätzt. Als er den aufziehenden Sturm über der Küste Britanas ausmachte, hatte er gedacht, es würde reichen, ein paar Kilometer nach Südosten auszuweichen, um ihn zu umfliegen. Doch das Unwetter über dem Ärmelkanal hatte schnell apokalyptische Ausmaße angenommen. Erneut wurde der Gleiter von einer Sturmböe erfasst, die ihn durchschüttelte, als hätte ihn eine Titanenfaust gepackt.

Matt versuchte ihn zu stabilisieren. Neben sich hörte er Aruula tief ein- und ausatmen. Obwohl sie sich in den langen Jahren, die sie gemeinsam über die Erde zogen, an fliegende Untersätze jedweder Art gewöhnt hatte, verlangte der Sturm ihrem Magen einiges ab. Als Air-Force-Pilot ging es ihm deutlich besser.

»Keine Sorge«, sagte Matt, dabei bemüht, den Gleiter in ruhigere Gefilde zu steuern. »Wir schaffen das.«

»Meine Sorge ist nicht, dass wir nach unten stürzen, sondern dass mein Frühstück nach oben kommt«, stieß Aruula hervor. Aus dem Augenwinkel sah Matt, dass seine Gefährtin, die im Co-Pilotensitz neben ihm saß, tatsächlich reichlich blass um die Nase war.

Die Zeit reichte nur für einen schnellen Blick, denn während er sich an das Geräusch der Wassermassen, die gegen die Cockpitscheiben prasselten, mittlerweile gewöhnt hatte, so waren die in kurzen Abständen aufklingenden Aufprallgeräusche eindeutig neu. Und sie bereiteten ihm weitaus mehr Sorgen.

»Was ist das?«, fragte Aruula, die es nun auch gehört hatte.

Matt zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich kann's dir noch nicht sagen. Aber es klingt, als würde irgendwas gegen den Gleiter prasseln.«

»Ein Angriff?«, fragte die Kriegerin von den Dreizehn Inseln besorgt.

Schnell checkte Matt das Radar und die einlaufenden Statusmeldungen. Weder gab es im Umkreis mehrerer Kilometer kein anderes Fluggerät, das sie hätte attackieren können, noch richteten die Aufschläge irgendeinen Schaden an. Beruhigt war Matt durch diese Erkenntnis allerdings nicht, denn der Ursprung der Geräusche, die mittlerweile im Sekundentakt erfolgten, war noch immer unklar.

Bis etwas gegen die Frontscheibe klatschte.

Matt zuckte zusammen.

Bevor er sich gefasst hatte, war das dunkle, nahezu kopfgroße Etwas schon verschwunden, durch Regen und Flugwind fortgespült.

Doch lange brauchte Matt nicht zu warten; nur einen Wimpernschlag später folgten drei weitere Treffer auf der zum Glück bruchsicheren Scheibe.

»Was ist das?«, wiederholte Aruula ihre Frage von vorhin, und noch immer hatte Matt keine Antwort. Es ließ sich nicht ausmachen, was gegen das Glas geknallt war. Was vor allem daran lag, dass es beim Aufprall ... zerplatzt war? Auf der Scheibe verteilte sich ein glibberiger, zähflüssiger Schleim, der dem starken Regen immerhin so viel Widerstand entgegensetzte, dass er nicht gänzlich abgespült wurde.

Erneute Aufschläge folgten, nicht nur auf der Frontscheibe, sondern auf dem ganzen Gleiter. Aruula schnallte sich ab.

»Vorsicht«, sagte Matt nur. Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, Aruula von einem gefassten Beschluss abzubringen. Außerdem flog der Gleiter mit jeder Sekunde den Ausläufern des Sturms davon; die Lage beruhigte sich zusehends. Auch der Regen ließ langsam nach.

Dazu kam, dass auch er wissen wollte, in was sie da hineingeflogen waren. Doch er konnte das Steuer nicht aus der Hand geben. Noch war es zu früh und zu gefährlich, um auf Autopilot umzustellen.

»Insekten!«, rief Aruula und deutete auf die Stelle der Frontscheibe, wo der letzte Aufprall erfolgt war. Dank des nachlassenden Regens war das Tier, obwohl genauso tot wie seine Vorgänger, nicht weggespült worden. Zerschmettert klebte es am Glas.

Unwillkürlich wurde Matt an Autofahrten erinnert, die er in einem anderen Leben unternommen hatte. Nach einer langen Tour auf den Highways seines Heimatlandes oder auch den Autobahnen in Deutschland, wo er stationiert gewesen war, hatte die Frontscheibe ähnlich ausgesehen. Mit dem feinen Unterschied, dass die getroffenen Tiere damals nicht deutlich größer als seine Handspanne gewesen waren.

Der Wind wehte zwar noch stark, aber das Risiko wurde kalkulierbar. Matt gestattete es sich, seine Aufmerksamkeit von den Anzeigen des Gleiters zu nehmen und dem toten Insekt zuzuwenden.

Viel war von ihm nicht übrig geblieben; Matt sah sechs Beine, aber auch ein Flügelpaar. Er schätzte die Flügelspannweite auf dreißig Zentimeter, eher mehr. Aber er vermisste etwas: Teile des geborstenen Chitinpanzers. Das Tier war quasi nackt.

Als er an dem Insekt vorbeiblickte, sah er dunkle Punkte durch die Luft wirbeln. Sehr viele dunkle Punkte, die, vom Wind erfasst, durcheinander stieben.

Matt bremste den Gleiter ab und zoomte mit den Außenkameras näher heran. Auf den Aufnahmen erkannte er, dass es sich um Artgenossen des Insekts handelte. Obwohl sie nicht mit dem Gleiter kollidiert waren, waren sie ebenso tot. Und auch ihnen, ab einer gewissen Größe, fehlte die Chitinpanzerung. Seltsam ...

Aruula kehrte auf den Co-Pilotensitz zurück. Nun, da das Rätsel gelöst und der Sturm ausgestanden war, war auch die Blässe aus ihrem Gesicht verschwunden.

»Gehen wir wieder auf Nordkurs?«, fragte sie und spielte auf ihr ursprüngliches Ziel an. Sie hatten sich den Gleiter vom Weltrat ausgeborgt, um die Dreizehn Inseln zu besuchen, Aruulas Heimat.

Dort war Haaley mittlerweile zur Herrscherin aufgestiegen. Königin Haaley. An diesen Titel würde sich Matt zeitlebens nicht gewöhnen. Er und Aruula machten sich Sorgen um sie – weil sie Chaos unter ihrem Regierungsstil befürchteten.

»Maddrax? Alles in Ordnung?«

Aruulas Stimme riss ihn aus den Gedanken. »Was? Ja. Ja, alles okay.«

»Sicher? Für einen Moment hast du so gewirkt, als wärst du gar nicht hier.«

»Ich habe nur an etwas gedacht.«

Als er nicht weitersprach, fragte sie: »Und ...?«

Matt deutete auf die Scheibe respektive die toten Viecher darauf. »Mit den Insekten stimmt etwas nicht. Sie haben keinen Panzer mehr! Jedenfalls alle, die größer als ein Finger sind, soweit ich sehen kann. – Vielleicht sollten wir einen Abstecher machen und den Besuch bei Haaley ein wenig nach hinten verschieben.«

Aruula sah ihn verständnislos an, daher präzisierte er: »Um nach Aachen zu fliegen, der Hochburg der Insekten. Bis dahin sind es nur knappe zweihundertvierzig Kilometer. Erinnerst du dich an unser Abenteuer dort? Der Aarachnodom ... die Schwarze Hand ... Ch'zzarak.«1

Die Erinnerungen prasselten auf Matt ein wie der Regen auf den Gleiter. Und so, wie die Wassertropfen nicht an der Scheibe haften blieben, musste er die Gedanken mit Aruula teilen. Sie hörte schweigend zu, nickte nur hin und wieder bestätigend.

Er sprach von dem Dorf, in dem Ch'zzarak Menschen als Studienobjekte gehalten hatte, von ihrer Verwandlung und ihren Kindern, Ch'zebal und Ch'ssrazak, den Anführerinnen der Wasps und Buggs. Und von seinen alten Gefährten, die gemeinsam mit ihm in diese dunkle Zukunft geschleudert worden waren: Hank Williams, Jennifer Jensens, David McKenzie, Irvin Chester – und Jacob Smythe! Matt konnte seine Nemesis nicht aus seinen Erinnerungen verdrängen. Bis auf Jennifer hatten sie alle eines gemein: Sie waren tot.

»Jedenfalls habe ich den Verdacht, dass diese toten Insekten aus Aachen – Aarachne! – stammen. Der Sturm hat sie auf seinem Weg mitgerissen. Aber er kann sie nicht gehäutet haben. Was dort wohl geschehen ist?«

Er hatte mit Aruulas Einwand gerechnet, dass Haaley wichtiger sei, aber zu seiner Überraschung sagte sie nur: »Dann los! Finden wir es heraus!«

Ich liebe diese Frau!, dachte Matt inbrünstig und nickte.

Ihn erfasste fast so etwas wie Vorfreude auf den Abstecher in die alte Kaiserstadt, von der der Komet »Christopher-Floyd« damals nicht viel übrig gelassen hatte. Fast fühlte es sich an wie in alten Zeiten.

Er lenkte den Gleiter in Richtung Osten. Es würde keine zwei Stunden dauern, bis sie Deutschland – oder Doyzland, wie es jetzt hieß – erreichten.

Mit jedem Kilometer, den die Distanz dahinschmolz, steigerte sich Matts innere Unruhe. Würde man ihn fragen, hätte er nicht sagen können, woran es lag oder was er in Aarachne vorzufinden dachte. Mehr als zwanzig Jahre waren eine Zeitspanne, in der sich alles verändern konnte.

»Schau! Dort unten!«

Aruulas verblüffter Ruf riss ihn aus seinen Gedanken. Sofort war er wieder voll da. Trotzdem erkannte er nicht auf Anhieb, was seine Partnerin meinte.

Sie überflogen ein Gebiet, das früher zum Großraum Aachen gehört hatte, doch davon war heute nichts mehr zu erkennen. Es gab keine Häuser oder andere Wohnstätten; unter ihnen befand sich waldreiches Gelände, nur von wenigen Lichtungen unterbrochen.

Hatte das Trümmerstück »Christopher-Floyds«, das in Aachen eingeschlagen war, schon einen Großteil der Menschen getötet oder vertrieben, so sorgte die jahrelange Herrschaft der Schwarzen Hand – der Insektenarmee – schlussendlich dafür, dass der gesamte Landstrich nahezu komplett entvölkert wurde. Daran hatte sich bis heute nichts geändert.

Matt folgte mit dem Blick Aruulas Hand, die auf einen Monitor deutete, der die Aufnahmen einer Außenkamera zeigte. Aber auch dort sah er nichts Ungewöhnliches. »Was meinst du?«, fragte er. »Da sind nur Bäume.«

»Wir sind schon drüber weg. Da waren Menschen. Sie lagen auf dem Boden.«

»Vielleicht rasten sie dort?«

Aruula schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie waren verletzt. Eher tot.«

»Bist du sicher?«

»Dass ich sie gesehen habe? Ja. Aber was ihren Zustand angeht: nein.«

»Dann sollten wir nachsehen.« Er zog den Gleiter in einer Kehre auf Gegenkurs. Es gab keinen Grund, Aruula nicht zu glauben. Und wenn sich herausstellte, dass ihre Hilfe nicht benötigt wurde – umso besser.

Doch keine Minute später war es Gewissheit: Die Außenbordkameras zoomten die Körper von vier Menschen heran. Sie lagen dort wie weggeworfene Strohpuppen, die Glieder verdreht und in einer Art und Weise vom Körper abstehend, dass es Matt schon beim Hinsehen schlecht wurde. Doch schlimmer als das war der Zustand der Torsi.

Matt war sofort klar, dass für diese armen Teufel – drei Männer und eine Frau – jede Hilfe zu spät kam. Trotzdem wollte er landen. Vielleicht stellte sich der Fund als Puzzlestein zu dem Rätsel heraus, dem sie nachgingen.

Er suchte nach einer geeigneten Stelle, an der er den Gleiter aufsetzen lassen konnte. Diese war schnell gefunden, nur ein paar Meter von den Versehrten entfernt.

Matt achtete darauf, dass er genug Abstand zu den gut zwanzig Meter hohen Bäumen einhielt, damit ihm deren Kronen bei einem möglichen Blitzstart nicht im Weg waren.

»Was glaubst du, ist mit ihnen geschehen?«, fragte Aruula, während der Gleiter aufsetzte.

»Keine Ahnung. Sieht nach dem Werk von Raubtieren aus. Nur dass die einzigen Tiere hier in der Gegend Insekten sein müssten.«

Über die Außenbordkameras checkten sie noch einmal gründlich die Umgebung. Nichts und niemand war zu sehen.

Während Matt das hintere Schott des Gleiters öffnete, sicherte Aruula mit gezogenem Schwert. Auch jetzt zeigte sich weder Mensch noch Tier, doch das war kein Grund, in ihrer Vorsicht nachzulassen.

Sie näherten sich den vier Körpern – und blieben im Abstand von zwei Metern stehen. Aruula sog scharf die Luft ein, und auch Matts Herzschlag beschleunigte sich.

Aus der Nähe waren die Verletzungen noch viel schlimmer, als es über die Kameras zu erkennen gewesen war. Die Oberkörper konnte man nur noch als eine einzige Wunde bezeichnen. Arme und Beine waren äußerlich unversehrt, sah man von etlichen Knochenbrüchen ab. Auch die Gesichter wiesen keine Verletzungen auf. Allerdings hatten sich Schmerz und Angst in sie eingegraben.

»Sieht aus, als hätte man sie gehäutet«, flüsterte Aruula.

Matt schluckte. Er schloss die Augen und atmete tief durch, um die aufsteigende Übelkeit zu bekämpfen. Dabei fiel ihm auf, dass die Leichen nicht nach Verwesung rochen. Sie konnten also noch nicht lange tot sein.

Er untersuchte den Fundort genauer.

»Es ist kein Blut auf dem Boden zu erkennen. Sieht ganz so aus, als hätte man sie nicht an diesem Ort getötet, sondern ihre Leichen hier abgelegt.«

Aruula fiel noch etwas anderes auf. »Die sind ziemlich klein, oder?«

Matt betrachtete die Toten eingehender. Da sie alle lagen und noch dazu die Beine nicht ausgestreckt waren, war ihre Größe schwer zu schätzen. Aber er musste Aruula recht geben: »Ich würde sagen, sie sind nicht größer als eineinhalb Meter.«

Spontan musste er an die Zwerge aus Manaus2 denken, aber diese Kleinwüchsigen hatten europäische Gesichtszüge. Die Sache wurde immer seltsamer.

Doch noch bevor er sich einen Reim darauf machen konnte, raschelte es plötzlich im Unterholz zwischen den Bäumen. Dann knackten Äste in ihrer Nähe.

Sofort ging Aruula in Abwehrhaltung und streckte ihr Schwert vor.

Da brachen brüllend zwei Männer aus dem Wald hervor. Sie waren ebenso groß wie die Toten, was darauf schließen ließ, dass sie zu deren Gruppe gehörten. Vielleicht dachten sie, er und Aruula wären die Mörder ihrer Kameraden!

»Wir waren das nicht!«, rief Matt und reckte den beiden die leeren Handflächen entgegen. »Wir wollten nur sehen, ob wir helfen können.«

Doch davon ließen sich die Neuankömmlinge nicht beirren. Sie stürmten weiter auf Matt und Aruula zu.

»Stopp!«, brüllte Matt, doch es half nicht.

Aufgrund ihrer Größe hatte er ihre Geschwindigkeit unterschätzt. Als er nach seiner Waffe im Magnetholster greifen wollte, war der erste schon heran. Seine Finger berührten zwar schon den Griff, konnten sich aber nicht mehr darum schließen.

Der Kleinwüchsige prallte mit großer Wucht gegen ihn. Obwohl er ihm gerade bis zur Brust reichte, verlor Matt die Bodenhaftung. Meterweit wurde er davongeschleudert.

Der Aufprall war hart und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Für einen Moment sah er Sterne.

Stöhnend kam Matt auf die Knie und schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben, was sich als schlechte Idee entpuppte. Sofort drehte sich das Karussell, in das sich die Welt verwandelt hatte, schneller. Von irgendwoher hörte er Aruula schreien. Er tastete nach seiner Waffe, fand sie aber nicht.

Sein Blick hatte sich gerade so weit geklärt, dass er wieder einigermaßen sehen konnte, als ein Schatten auf ihn fiel. Da er noch kniete, wirkte der Angreifer trotz seiner Körpergröße aus dieser Perspektive mehr als bedrohlich.

Er sah den Mann ausholen und bekam eben noch die Arme hoch. Der Treffer fegte seine Deckung beiseite, die ihm aber möglicherweise das Leben rettete.

Die Faust des Mannes krachte gegen seine Schläfe, und die eben noch erloschenen Sterne kehrten als Supernova zurück.

Erneut machte Matt Bekanntschaft mit dem Waldboden, doch diesmal kam er nicht mehr hoch. Es fühlte sich an, als hätte ihn ein Wakuda gerammt. Dreck drang in seinen offenen Mund, aber er schaffte es nicht einmal, ihn auszuspucken.

Wenn der Fremde jetzt nachsetzte, war's das. Er wäre zu keiner Abwehr mehr fähig.

Was war mit Aruula?

Er glaubte sie durch das Rauschen des Blutes in seinen Ohren stöhnen zu hören, war sich aber nicht sicher.

Wann kam der finale Schlag?

Nach einer Zeitspanne, die er nicht einmal ansatzweise einschätzen konnte, hatte sich sein Blick zumindest so weit geklärt, dass er mitbekam, wie die Männer sich den Toten näherten.

Was er dann sah, ließ Matt an seinem Verstand zweifeln. Jeder der beiden schnappte sich jeweils zwei Leichen. Sie trugen sie davon, als würden sie kaum etwas wiegen.

Die Stärke dieser Fremden war unfassbar.

Unmenschlich ...

Kurz darauf waren beide zwischen den Bäumen verschwunden. Für kurze Zeit hörte man es noch rascheln und knacken, dann blieb nur der sanfte Wind, der die Blätter bewegte und Matts erhitze Haut kühlte.

Einen Augenblick genoss er die Ruhe. Sein Atem beruhigte sich, und auch das Adrenalin in seinen Adern nahm ab, was gleichzeitig dazu führte, dass er die Schmerzen noch stärker wahrnahm.

Nur die Sorge um Aruula hielt ihn davon ab, sich einer verlockenden Ohnmacht hinzugeben. Er wollte nach ihr rufen, brachte aber nur ein Krächzen hervor.

Stöhnend quälte er sich auf die Knie und blickte sich nach ihr um.

Zunächst sah er ihre dunklen Haare; der Rest ihres Körpers wurde vom Unterholz verdeckt.

»Aru-«. Matt hustete, der Dreck im Mund ließ ihn würgen. Er sammelte Speichel und spuckte ihn aus. Der widerliche Geschmack blieb. »Aruula«, brachte er schließlich zustande. Viel zu leise, als dass sie ihn über die Distanz von mehr als zehn Metern hören konnte. Oder ... konnte sie ihn gar nicht mehr hören?

Ein Schrecken durchfuhr ihn. Gleichzeitig aktivierte es die letzten Energiereserven in seinem geschundenen Körper.

Er rappelte sich auf die Füße. Jeder Schritt ließ neue Körperstellen schmerzen.

»Aruula!«

Erleichtert registrierte er, dass sie sich regte. Als er sie erreichte, drehte sie sich gerade auf den Rücken.

Er beugte sich über sie. Es dauerte einen Moment, bis sie ihn erkannte.

»Was, bei Wudan, war das?«

Er half ihr hoch, bevor er ihr eine Antwort gab.