Mama, ich war schon einmal erwachsen! - Carol Bowman - E-Book

Mama, ich war schon einmal erwachsen! E-Book

Carol Bowman

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Beschreibung

Klassiker der Reinkarnationslehre - übersetzt in sechzehn Sprachen! Viele Kinder haben spontane Erinnerungen an frühere Leben. Oft beschreiben sie Details, die sie in diesem Leben noch gar nicht wissen können, über Lebensverhältnisse an anderen Orten und zu anderen Zeiten, manchmal auch über Familienmitglieder, die vor ihrer Geburt starben. Dabei können Ängste und Allergien der Kinder verschwinden, denn durch die Auflösung seelischer Konflikte aus früheren Leben werden sie innerlich geheilt und gestärkt - und das Selbstbewusstsein der Kinder wächst. Das vorliegende Buch schildert erstmals einem breiten Publikum, woran alte Erinnerungen von Kindern sicher erkannt werden können. Die Wiedergeburt der Seele wird so eine praktische Realität in unserem Leben und in unseren Familien. "Ein herausragendes und mutiges Buch, wahrhaft wichtig, denn Kinder erzählen von ihren früheren Leben, und wir dürfen dafür nicht taub sein." - Brian L. Weiss, Autor von 'Heilung durch Reinkarnationstherapie'

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Seitenzahl: 524

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Carol Bowman

Mama,ich warschon einmalerwachsen!

Kinder erinnern sichan frühere Leben

Der Klassiker der Reinkarnationslehre –übersetzt in sechzehn Sprachen!

Aus dem Amerikanischen vonThomas Görden

 

Titel der amerikanischen Originalausgabe:CHILDREN’S PAST LIVESHow Past Life Memories Affect Your Child

 

 

 

Copyright © 1997 by Carol Bowmanand Steve Bowman

 

 

Besuchen Sie uns im Internet:www.AmraVerlag.de

 

Deutsche Ausgabe:Copyright © 2012 by AMRA VerlagAuf der Reitbahn 8, D-63452 HanauTelefon: + 49 (0) 61 81 – 18 93 92Kontakt: [email protected]

 

Herausgeber & LektorEinbandgestaltungLayout & SatzDruck

Michael NagulaMurat KaraçaynimatypografikCPI Moravia Books

ISBN 978-3-939373-53-7eISBN 978-3-95447-053-2

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, D-30827 Garbsen.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks der Übersetzung, vorbehalten.

Inhalt

 

Teil eins – Geschichten aus früheren Leben

  1 Chase und Sarah

»Sag mir, was du siehst ...«Der Vorfall am UnabhängigkeitstagChase sieht KriegPuppen unter dem BettNeue Informationen tauchen auf»Hühner laufen frei herum.«Die Schalen der Zwiebel

  2 Vorspiel

»In meinem Ende liegt mein Anfang ... bewusst zu sein heißt, nicht in der Zeit zu sein.«Meine Beerdigung»Am ruhenden Punkt der sich drehenden Welt ...«Der Mensch hinter dem bemerkenswerten TalentZerbrochene Träume und verschwundene Jahre»Ich bin mehr als mein Körper.«»Nur durch Zeit wird die Zeit besiegt.«

  3 Überlegungen auf dem Spielplatz

Was können sie uns erzählen?Viele neue IdeenEin gefährliches Gebiet

  4 Der Augenblick des Todes

Unerledigte Angelegenheiten sind die treibende Kraft hinter den ErinnerungenDr. Helen Wambach, angesehene PsychologinDie Geschichte von der vierzinkigen GabelDie Todeserfahrung in der menschlichen GeschichteHinweise auf eine therapeutische WirkungDr. Fiores EntdeckungErinnerungen an frühere TodeDr. Roger Woolger: Die Suche nach Seele und GeistKlare HeilerfolgeEine Vielzahl von ProblemenWarum so viel Tragik?Den Rahmen der Psychologie erweiternDer Augenblick des TodesDer Augenblick des Todes in der Therapie

  5 Trance ist einfach

Die äußere Welt zurücklassen»Ich hasse das Lager.«Sarah, die HerrscherinSchmutzige ZehenEine aufregende WocheZweifache spontane Erinnerung

  6 Professor Ian Stevenson

Gerüchte von einer Goldmine»Wer überlebt den körperlichen Tod?«Der Reinkarnations-DetektivSwarnlatas GeschichteFrühere Leben und heutiges VerhaltenRavi Shankar erkennt seine MörderMuttermale und angeborene MissbildungenCredoEs kommt nicht auf die Beweise anMuster, die sich aus der Datenmenge herauskristallisierenEin natürliches Phänomen

  7 Wenn Kinder sich an frühere Leben erinnern

Jede Mutter hätte das tun könnenJunge ForschungsreisendeNoch mehr kleine ZeitreisendeDie BlumenleuteKinder erinnern sich an ihren TodDie Ninja-NachtEnglische Knirpse erinnern sich ...... und ihre Mamis hören zuGeschichten aus dem KinderbettNicolas KatharsisEltern vervollständigen das PuzzleAbenteuer auf einer TagungTineke NoordegraafSchmetterlinge und Oprah Winfrey

  8 Blake

Lebenserfahrene Seelen in kleinen KörpernDer Schritt an die ÖffentlichkeitTiius Liia»Mann hat mich mit Lastwagen überfahren.«»Ich liebe dich, dann hasse ich dich.«Eine plötzliche Erkenntnis»Wir haben unseren Blake zurück.«

  9 Auf nach Chicago!

Ein EnergiestrahlMein Plan gegen die AngstBlitzschlag und EisIm falschen Ordner abgelegtArbeit rund um die UhrNamen und DatenChicago wartet!Gezeichnete ErinnerungenVerschneiter EmpfangErinnerung an einen früheren AuftrittAuf Sendung mit inspirierenden IdeenDas alte Paradigma der Psychologie wird verteidigtDas ist erst der Anfang

Teil zwei – Wenn Kinder sich an frühere Leben erinnern Ein praktischer Ratgeber für Eltern

10 Die vier Erkennungsmerkmale

Erkennungsmerkmal 1: sachlicher, ruhiger TonfallErkennungsmerkmal 2: keine inhaltlichen Widersprüche bei wiederholtem ErzählenErkennungsmerkmal 3: Wissen, das über die gegenwärtige Lebenserfahrung des Kindes hinausgehtSilberne ZähneJustinDer kleine rote WagenCourtneyErkennungsmerkmal 4: zu dem früheren Leben in Bezug stehende Verhaltensweisen und CharakterzügeTommy, der SeemannJohn van Dyk

11 Auslöser

Orte als ErinnerungsauslöserPierce HallDer Zustand des KindesDer Bewusstseinszustand der MutterSandyTelepathie zwischen Mutter und KindElona, Anna und Seth

12 Was Eltern tun können

Bewahren Sie RuheErkennen Sie an, was das Kind sagtHören Sie sehr genau zuFakten und Gefühle erkennen und richtig bewertenSagiv (1. Teil)Unerlöste Themen und Bedürfnisse erkennenDie Eltern sind nicht an allem schuldEmotionen zulassenSagiv (2. Teil)Unterscheiden Sie zwischen Vergangenheit und GegenwartNatalieWenn die Erinnerungen sich allmählich entfaltenMachen Sie sich NotizenNoch einmal John van Dyk

13 Träume aus der Vergangenheit

Wenn Träume von früheren Leben handelnTraumsignaleHeilsame AlbträumeMary und die BombenAlbträume wörtlich nehmenDana GrabinerZähneknirschen – eine ErfolgsgeschichteTelepathie zwischen Mutter und Kind in TräumenDr. Gladys McGarey

Teil drei – Was die Kinder uns zu sagen haben

14 Erwachsene und ihre Religion

Reinkarnation als reales PhänomenEine allgemein verbreitete spirituelle VorstellungDogma und menschliche WahrheitVictoria Bragg und das Neue TestamentDas Buch des Glanzes»Ja, Gott existiert!«

15 Der Tod ist ein neuer Anfang

Wenn ein Kind stirbtDie Macht des GebetesJennifer und Gillian PollackRückkehr in die FamilieRandy Swiger

16 Was die Kinder uns zu sagen haben

Die Kinder mit anderen Augen sehenAnfängergeist»Eine klare, fest gefügte Weltsicht«Chase und Sarah

Anhang

Danksagung

Anmerkungen

Bibliografie

Über die Autorin

Ich widme dieses Buch Ian Ballantine,dessen Vision und dessen Geistweiterhin die Welt verändern.

Teil eins

Geschichten ausfrüheren Leben

1

Chase und Sarah

»Sag mir, was du siehst ...«

»Setz dich bei deiner Mutter auf den Schoß, schließ die Augen und sag mir, was du siehst, wenn die lauten Geräusche dir Angst machen«, forderte der Hypnotherapeut Norman Inge meinen fünfjährigen Sohn auf.

Mein Herz klopfte vor Aufregung bei dem Gedanken, dass wir nun vielleicht eine Erklärung für die mysteriöse, hysterische Angst meines Sohnes vor lauten Geräuschen finden würden. Ich erinnerte mich an einen Monate zurückliegenden Vorfall – an den Vierten Juli, als Chases ungewöhnliches Verhalten begann.

Der Vorfall am Unabhängigkeitstag

Jedes Jahr feierten wir den Unabhängigkeitstag mit einer großen Party in unserem Haus, das nur wenige Schritte von jenem Ort entfernt lag, wo man in Asheville den besten Blick auf das Feuerwerk der Stadt hatte. Unsere Freunde und ihre kleinen Kinder versammelten sich zu einem Nachmittag des Picknickens und Feierns in unserem Garten. Der Höhepunkt der Party war jedes Mal ein gemeinsamer Spaziergang den Hügel hinunter zum gemeindeeigenen Golfplatz, um von dort das großartige Feuerwerk zu verfolgen.

Als die Sonne hinter den Bäumen unterging, wussten wir, dass es an der Zeit war, die Kinder zusammenzurufen und uns auf den Marsch den Hügel hinunter vorzubereiten. Ich schnappte mir Chase, als er an mir vorbeirannte, wusch ihm Kuchen und Eiskrem aus dem Gesicht und zwang ein sauberes Hemd über seinen zappelnden Körper. Mit Decken und Taschenlampen ausgerüstet, schlossen wir uns dem Zug der Menschen an, die auf unserer Straße hinunter zum Golfplatz strömten.

Chase zerrte hüpfend an meinem Arm. Die älteren Mädchen, darunter Sarah, meine neunjährige Tochter, bildeten ihre eigene kichernde Prozession. Wir erreichten unseren bevorzugten Aussichtspunkt gerade, als die Sonne in der Ferne hinter den Blue Ridge Mountains unterging, und breiteten auf einem strategisch günstigen Hang unsere Decken aus.

Von dort beobachteten wir, wie die neun Fairways unterhalb sich mit Menschen füllten. Bald sah man überall Decken und Liegestühle. Als der Himmel dunkler wurde, zündeten die Jungen und Männer Kracher an und ließen Leuchtkugeln steigen, so dass das Tal sich mit Blitzen, Knallerei und Rauch füllte. Unsere Kinder winkten mit Wunderkerzen, zeichneten leuchtende Kreise und Zickzackspuren in die Dämmerung; Leuchtkäfer tanzten und signalisierten blinkend ihre Zustimmung.

Chase, vollgepumpt mit Aufregung und Zucker, rannte mit seinen Freunden den Hügel hinauf und hinunter, bis ihm schließlich die Puste ausging und er sich erschöpft in meinen Schoß fallen ließ.

Plötzlich hallten die kanonenartigen Donnerschläge, die den Beginn des Feuerwerks ankündigten, von den Hügeln wider. Der Himmel leuchtete auf und füllte sich mit krachend zerplatzenden Sternen. Die Menge begleitete die leuchtend bunten Farbkaskaden am schwarzen Himmel mit lauten Ooohs und Aaahs. In so großer Nähe die Schüsse und Detonationen zu hören, steigerte die aufregende Intensität der Show.

Doch statt sich zu freuen, fing Chase an zu weinen. »Was ist los?«, fragte ich. Er konnte nicht antworten; er wimmerte nur noch heftiger und lauter. In dem Glauben, er sei ganz einfach völlig übermüdet und von dem Lärm überrascht worden, drückte ich ihn an mich. Aber sein Weinen wurde stärker und verzweifelter. Auch nach Minuten beruhigte er sich nicht wieder, sondern seine Hysterie verschlimmerte sich immer mehr. Ich wusste, dass ich ihn nach Hause bringen musste, weg von dem Lärm und Trubel. Ich sagte Steve, meinem Mann, dass ich mit Chase vorausgehen würde.

Die kurze Strecke nach Hause kam mir sehr lang vor. Chase schluchzte so heftig, dass er nicht laufen konnte; ich musste ihn den ganzen Weg den Hügel hinauftragen. Doch selbst als wir zu Hause eintrafen, weinte er immer noch. Ich hielt ihn in einem Schaukelstuhl auf der Veranda auf dem Schoß, in der Hoffnung, er würde sich wieder beruhigen. Als sein Weinen so weit nachgelassen hatte, dass ich ihn fragen konnte, ob er krank sei oder sich wehgetan habe, schluchzte er nur und schüttelte den Kopf. Als ich ihn fragte, ob der Lärm ihn erschreckt habe, weinte er sofort wieder heftiger.

Ich konnte nichts weiter tun, als ihn in den Armen zu wiegen, während ich die lautlose Flugschau der Leuchtkäfer in unserem Garten beobachtete. Chase beruhigte sich allmählich wieder und kuschelte sich an mich. Schließlich, als meine Arme zu steif wurden, um ihn noch länger zu halten, schlief er ein, und ich brachte ihn ins Bett.

Chases ungewöhnliches Verhalten erschien mir rätselhaft. Nie zuvor in seinem kurzen Leben hatte er so lange oder heftig geweint. Und nie zuvor hatte er sich vor einem Feuerwerk gefürchtet. Der ganze Vorfall schien ungewöhnlich zu sein, denn Chase war ansonsten alles andere als ängstlich. Ich machte mir damals jedoch keine weiteren Gedanken mehr, sondern sagte mir, dass er vermutlich lediglich von dem langen Tag erschöpft gewesen war oder vielleicht zu viele Süßigkeiten gegessen hatte – solche Dinge kommen bei Kindern schließlich hin und wieder vor.

Doch einen Monat später geschah es erneut. An einem heißen Augusttag 1988 luden uns Freunde zu einem Kühlung verschaffenden Besuch im Hallenbad ihres Wohnortes ein. Chase liebt das Wasser und konnte es kaum erwarten, ins Becken zu springen. Als wir jedoch in den Badebereich kamen, wo Gejohle, Platschen und das Geräusch des Sprungbretts die große Halle erfüllten, fing er hysterisch zu weinen an. Heulend und kreischend klammerte er sich mit beiden Händen an meinen Arm und zerrte mich zur Tür. Beruhigend auf ihn einzureden war vergeblich; er zerrte nur noch fester. Ich gab auf und ging mit ihm nach draußen.

Wir fanden einen Stuhl im Schatten. Ich hielt Chase im Arm und fragte ihn, was ihn so beunruhige. Er konnte es mir nicht sagen, aber er war ganz offensichtlich tief verstört. Etwas jagte ihm große Angst ein. Schließlich beruhigte er sich, aber selbst als er zu weinen aufgehört hatte, konnte ich ihn nicht dazu überreden, wieder in die Schwimmhalle zurückzugehen.

Ich dachte an den Vorfall am Vierten Juli. Das von den Hügeln widerhallende Donnern des Feuerwerks hatte seinen ersten hysterischen Anfall ausgelöst. Mir wurde klar, dass der Lärm des Sprungbrettes, der von den kahlen Wänden der Schwimmhalle zurückgeworfen wurde, ähnlich klang. Ich fragte Chase, ob er Angst vor lauten Geräuschen habe. Er nickte schüchtern, mochte aber immer noch nicht in die Nähe des Schwimmbeckens gehen.

Das war es also – donnernde, krachende Geräusche! Aber warum fürchtete sich Chase plötzlich so davor? Ich erinnerte mich nicht, dass ihm je irgendetwas zugestoßen war, das eine so heftige Reaktion auf derartige Geräusche hätte erklären können. Und nun war es innerhalb eines Monats schon zum zweiten Mal geschehen. Seine Furcht schien aus dem Nichts gekommen zu sein. Würde das in Zukunft öfter geschehen, jedes Mal wenn Chase ein lautes Geräusch hörte? Ich begann, mir Sorgen zu machen! Daraus konnte ein ernstes Problem entstehen, besonders wenn ich nicht in der Nähe war, um ihn zu trösten, wenn er das nächste Mal hysterisch wurde. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, außer abwarten und hoffen, dass seine mysteriöse Angst wieder verschwinden würde, wenn er größer wurde.

Ein paar Wochen später hatten wir das Glück, Norman Inge bei uns zu Gast zu haben, einen wundervollen Menschen und erfahrenen Hypnotherapeuten. Norman wohnte bei uns, während er in Asheville Workshops durchführte, die sich mit Rückführungen in frühere Leben befassten. Er gab Privatsitzungen für einige meiner Freundinnen. Wir begannen gerade damit, uns mit diesen Rückführungen zu beschäftigen, wobei Norman als unser Lehrer fungierte.

Eines Nachmittags saßen Norman, Chase, Sarah und ich bei Tee und Gebäck um den Küchentisch herum und lachten über die Geschichten, die Norman uns erzählte. Dabei erinnerte ich mich an Chases irrationale Angst vor lauten Geräuschen und erkundigte mich nach Normans Meinung dazu. Er hörte sich meine Geschichte an und fragte dann, ob Chase und ich zu einem Experiment bereit wären. Obgleich ich nicht genau wusste, was Norman beabsichtigte, vertraute ich ihm und wusste, er würde einfühlsam genug sein, um meinen kleinen Sohn nicht zu überfordern. Und da Chase so begierig wie ich selbst darauf war, dieses Problem zu lösen, stimmten wir beide einem Versuch zu.

Bis zu diesem Moment war ich nie auf den Gedanken gekommen, dass sich auch Kinder an frühere Leben erinnern könnten. Norman begann gleich, noch während wir am Küchentisch saßen – und dieser Augenblick wurde, wie ich erst später begriff, zu einem Wendepunkt in meinem Leben.

Chase sieht Krieg

»Setz dich bei deiner Mutter auf den Schoß, schließ die Augen und sag mir, was du siehst, wenn die lauten Geräusche dir Angst machen«, bat Norman Chase sanft.

Ich blickte hinunter auf Chases sommersprossiges Gesicht. Nichts hätte mich auf das vorbereiten können, was ich nun zu hören bekommen sollte.

Der kleine Chase begann sofort, sich selbst als Soldaten zu beschreiben – als Soldaten, der ein Gewehr trug. »Ich stehe hinter einem Felsen. Ich trage ein langes Gewehr mit einer Art Schwert an der Spitze.« Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und die Haare auf meinen Armen richteten sich auf, während ich ihm zuhörte. Sarah und ich starrten uns mit vor Erstaunen aufgerissenen Augen an.

»Was hast du an?«, fragte Norman.

»Ich trage schmutzige, zerrissene Sachen, braune Stiefel, einen Gürtel. Ich verstecke mich hinter einem Felsen. Ich habe mich hingekniet und schieße auf den Feind. Ich bin am Rand eines Tals. Überall um mich herum ist die Schlacht im Gang.«

Ich war überrascht, Chase vom Krieg sprechen zu hören. Er hatte sich nie für Kriegsspielzeug interessiert und besaß noch nicht einmal eine Spielzeugpistole. Stattdessen konnte er sich stundenlang glücklich mit Bauklötzen, Legosteinen und seinen Holzeisenbahnen beschäftigen. Sein Fernsehprogramm war strikt auf die Sesamstraße und Mr. Rogers beschränkt, und keiner der Disneyfilme, die er gesehen hatte, handelten vom Krieg.

»Ich bin hinter einem Felsen«, sagte er wieder. »Ich will nicht hinsehen, aber das muss ich, wenn ich schieße. Rauch und Blitze sind überall. Und laute Geräusche: Rufe, Schreien, lautes Krachen. Ich bin nicht sicher, auf wen ich schieße – da ist so viel Rauch, so viel Hin und Her. Ich habe Angst. Ich schieße auf alles, was sich bewegt. Ich will eigentlich gar nicht hier sein und auf andere Leute schießen.«

Obgleich Chase mit seiner Kleine-Jungen-Stimme sprach, klang er ernsthaft und reif – ganz untypisch für meinen fröhlichen Fünfjährigen. Er schien tatsächlich die Gefühle dieses Soldaten zu empfinden und dessen Gedanken zu denken – dass er nicht dort sein und auf andere Männer schießen wollte, war für ihn völlig real. Das war kein glorifiziertes Bild vom Krieg und dem Dasein eines Soldaten; Chase beschrieb die Empfindungen eines Mannes auf dem Höhepunkt einer Schlacht, der ernste Zweifel am Sinn seines Handelns hatte, sich fürchtete und nur daran dachte, am Leben zu bleiben. Die Gefühle und Bilder kamen ganz tief aus Chases Bewusstsein. Chase dachte sich diese Dinge nicht aus.

Auch Chases Körper verriet, wie tief er diese Erfahrungen durchlebte. Als er beschrieb, wie er schießend hinter dem Felsen kniete, spürte ich, wie sein Körper sich auf meinem Schoß anspannte. Als er zugab, nicht dort sein und auf andere Menschen schießen zu wollen, beschleunigte sich seine Atmung und er rollte sich zu einer Kugel zusammen, als wollte er sich verstecken und vor dem schützen, was er sah. Ich konnte spüren, wie sehr er sich fürchtete.

Norman bemerkte Chases Not angesichts dieser Rolle als Soldat, der, um selbst in der Schlacht zu überleben, andere Menschen töten musste. Ruhig und langsam erklärte er Chase: »Wir leben auf der Erde viele verschiedene Leben. Wir übernehmen abwechselnd verschiedene Rollen, wie Schauspieler in einem Theaterstück. Wir lernen, was es bedeutet, menschlich zu sein, indem wir diese verschiedenen Rollen spielen. Manchmal sind wir Soldaten und töten andere in einer Schlacht, und manchmal werden wir selbst getötet. Wir spielen unsere Rollen, um zu lernen.« In einfachen Worten erklärte Norman, dass Chase sich wegen dieser Erfahrung als Soldat keine Vorwürfe machen müsse. Er versicherte ihm, Chase habe lediglich seine Aufgabe erfüllt, selbst wenn er im Krieg andere Soldaten getötet habe.

Während mein Sohn Normans beruhigenden Worten zuhörte, spürte ich, dass sein Körper sich wieder entspannte und seine Atmung gleichmäßiger wurde. Der gequälte Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand. Chase begriff offenbar diese universellen Gedanken, die Norman ihm darlegte, und reagierte darauf.

Als Norman sah, dass Chase sich beruhigt hatte, bat er ihn, mit der Beschreibung dessen fortzufahren, was er sah.

»Ich knie hinter einem Felsen. Ich werde von einer Kugel, die jemand von oben in das Tal gefeuert hat, ins Handgelenk getroffen. Ich sinke hinter den Felsen und halte mein Handgelenk fest. Es blutet – ich fühle mich benommen.

Jemand, den ich kenne, zieht mich mit sich fort und bringt mich zu einem Ort, wo man sich um verletzte Soldaten kümmert – kein richtiges Krankenhaus, nur große Pfähle, wie bei einem Zelt, die mit Stoff bedeckt sind. Es gibt Betten dort, aber sie sind wie Holzbänke – sie sind sehr hart und unbequem.«

Chase sagte, dass er sich benommen fühlte und den Lärm des Gewehrfeuers hören konnte, während ihm das Handgelenk verbunden wurde. Er sagte, er sei erleichtert, aus dem Schlachtgetümmel heraus zu sein. Aber schon bald wurde er erneut abkommandiert und kehrte widerwillig ins Gefecht zurück.

»Ich gehe in die Schlacht zurück. Da sind Hühner auf der Straße. Ich sehe einen Wagen mit einer Kanone. Die Kanone ist mit Stricken auf dem Wagen festgebunden. Der Wagen hat große Räder.«

Chase sagte, er habe den Befehl erhalten, sich an einer Kanone auf einem Hügel über dem Hauptschlachtfeld zu postieren. Er war sichtlich beunruhigt wegen dieses Befehls und wiederholte, dass er nicht dort sein wollte. Er sagte, er vermisse seine Familie. Als er seine Familie erwähnte, schauten Norman und ich uns mit erhobenen Augenbrauen an.

Chase wurde zappelig und sagte, die Bilder würden verblassen. Er öffnete die Augen, schaute sich in der Küche um und lächelte uns an. Das kindliche Leuchten in seinem Gesicht war zurückgekehrt. Norman fragte ihn, wie er sich fühle. Chase piepste vergnügt: »Prima!« Dann sprang er von meinem Schoß, griff sich noch ein Plätzchen und rannte hinüber ins andere Zimmer, um zu spielen.

Als Chase aus der Küche flitzte, starrten Norman, Sarah und ich uns mit offenem Mund an. Ich schaute auf die Uhr über dem Herd: Nur zwanzig Minuten waren vergangen, seit Norman Chase gebeten hatte, die Augen zu schließen. Es kam mir wie Stunden vor.

Norman durchbrach unser erstauntes Schweigen und bat um eine weitere Tasse Tee.

Wir sprachen über das kleine Wunder, dessen Zeugen wir soeben geworden waren. Norman war sicher, dass sich Chase an ein früheres Leben erinnert hatte.

Er erklärte uns, dass ein traumatisches Erlebnis in einem früheren Leben, etwa die Teilnahme an einem Krieg – und ganz besonders ein traumatischer Tod –, eine Phobie im gegenwärtigen Leben hervorrufen kann. Konnte dieses frühere Erlebnis als Soldat der Grund für Chases extreme Furcht vor lauten Geräuschen sein? Möglicherweise. Norman sagte, wir müssten abwarten und schauen, ob diese Furcht nun verschwand.

Norman gestand, dass er nie zuvor mit einem so kleinen Kind gearbeitet hatte, und er war überrascht, wie leicht es Chase gefallen war, sich diese Reinkarnationserinnerung ins Gedächtnis zu rufen – es war keine hypnotische Einleitung nötig gewesen wie sonst bei älteren Klienten. Offenbar hatten Chases Erinnerungen dicht unter der Oberfläche geschlummert, und Normans sanfte Ermutigung hatte genügt, um sie wachzurufen.

Sarah, die still alles in sich aufgenommen hatte, was geschehen war, hüpfte plötzlich auf ihrem Stuhl auf und ab, winkte mit den Armen und sagte aufgeregt: »Diese Stelle an Chases Handgelenk, wo er den Schuss abbekommen hat – genau da ist doch sein Exzem!«

Sie hatte recht. Die Verwundung, die Chase beschrieben hatte, befand sich genau an der Stelle, wo er seit seiner Geburt an einem hartnäckigen Ausschlag litt. Immer wenn er aufgeregt oder müde war, kratzte er sich an diesem Handgelenk, bis es blutete. Sarah sagte, es hörte sich an, als würde Chase sich »das Fleisch aufreißen«, wenn er so unbarmherzig an dieser Stelle kratzte. Oft bandagierte ich ihm das Handgelenk, um ihn daran zu hindern, es sich blutig zu kratzen. Ohne Bandage wachte Chase mit Blutflecken auf seiner Bettdecke auf. Ich war wegen der Schwere dieses Hautausschlags mit ihm zu mehreren Ärzten gegangen, doch Allergietests, das versuchsweise Weglassen verschiedener Nahrungsmittel und die Behandlung mit diversen Salben blieben ohne Erfolg.

Nun verschwand, zu unserer großen Verblüffung und Erleichterung, innerhalb weniger Tage nach seiner Erinnerung an das Leben als Soldat das Exzem an Chases rechtem Handgelenk völlig und ist seither nie wieder zurückgekehrt.

Auch Chases Angst vor lauten Geräuschen trat nie wieder auf. Feuerwerkslärm, Explosionen oder andere krachende Geräusche jagten ihm keine Angst mehr ein. Tatsächlich entwickelte Chase kurz nach der Rückführung ein starkes Interesse daran, selbst auf der Trommel zu spielen. Zu seinem sechsten Geburtstag bekam er sein erstes Trommelset. Heute ist er ein sehr ernsthafter Trommler, der das Haus jeden Tag mit lauten, krachenden Geräuschen erfüllt.

Puppen unter dem Bett

Die neunjährige Sarah hatte aufmerksam allem zugehört, was Norman gesagt hatte. Während Chases Geschichte schien sie sich ebenfalls in Trance zu befinden. Als wir damit fertig waren, Chases Erfahrung auszuwerten, fragte sie Norman, ob er auch mit ihr dieses Experiment ausprobieren wolle. Sie gestand ihm, wie sehr ihre große Angst vor Feuer ihr zu schaffen machte.

Wie Chases Angst vor lauten Geräuschen war auch Sarahs Angst vor Feuer unerklärlich. Obgleich sie später eingestand, dass sie sich ihr ganzes Leben vor Feuer gefürchtet hatte, war Steve und mir ihr Problem erst im Jahr zuvor bewusst geworden, als Sarah eine Nacht zu Hause bei ihrer Freundin Amy verbracht hatte. Die Mädchen waren lange aufgeblieben und hatten im Fernsehen einen Film gesehen, in dem Bilder von brennenden Gebäuden gezeigt wurden. Sarah war wegen dieser Szenen so entsetzt und verstört gewesen, dass Amys Mutter uns mitten in der Nacht aus dem Bett klingelte und sie zu uns brachte. Sie hatte schon oft bei Amy übernachtet, doch nie zuvor war etwas Derartiges geschehen.

Als Sarah zu uns gebracht wurde, waren ihre Augen rot geweint. Sie erzählte uns schluchzend, sie habe laut weinen müssen, als in dem Film jemand in einem Feuer umkam. Wir waren wegen Sarahs Reaktion überrascht und fragten sie, ob so etwas schon einmal geschehen sei. Sie gestand unter Tränen ein, dass sie sich so sehr vor Feuer fürchtete – besonders davor, dass im Haus ein Feuer ausbrach –, dass sie unter ihrem Bett eine Tasche mit ihren LieblingsBarbiepuppen und etwas zum Anziehen aufbewahrte, um jederzeit rasch aus dem Haus entkommen zu können.

Diese Enthüllungen überraschten uns noch mehr: Eine solche Vorsichtsmaßnahme passte gar nicht zu unserer selbstsicheren Sarah. Woher rührte diese Angst? Ich hielt sie in den Armen, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Von diesem sie so bewegenden Erlebnis erschöpft, schlief sie schließlich ein. Aber der Vorfall beunruhigte sie noch tagelang. Und ihre Ängste wurden immer stärker – trotz unserer wiederholten Versicherung, dass ihr nichts geschehen könne, und selbst nachdem wir gemeinsam Fluchtwege aus jedem Zimmer des Hauses abgegangen waren. Sogar wenn wir am Esstisch Kerzen anzündeten, regte Sarah sich auf und beharrte darauf, dass wir sie ausbliesen. Sie glaubte uns nicht, wenn wir beteuerten, dass wir sie beschützen würden, falls in unserem Haus je ein Feuer ausbrechen sollte.

So wie ich es auch bei Chases Angst vor lauten Geräuschen gemacht hatte, sagte ich mir, dass Sarah mit der Zeit über diese Angst hinwegkommen würde. Schließlich haben viele kleine Kinder irrationale Ängste, die verschwinden, wenn sie älter werden und ihre Lebenserfahrung wächst. Außerdem wusste ich nicht, was ich sonst hätte unternehmen können. Doch jetzt, als sie beobachtet hatte, wie Norman mit Chase arbeitete, sah Sarah selbst eine Chance, Hilfe gegen ihre Angst vor dem Feuer zu erhalten. Norman war mit einem Versuch einverstanden. Während wir immer noch um den Küchentisch saßen, bat Norman Sarah: »Schließ deine Augen und spür die Angst vor dem Feuer. Sag mir jetzt, was du siehst.«

Die Arme auf den Tisch gestützt, schloss Sarah die Augen, kniff sie tief konzentriert zusammen. Dann begann sie zu beschreiben, was sie sah. Ich hatte mich noch nicht recht von der Überraschung erholt, meinen kleinen Sohn wie einen Erwachsenen sprechen und den Krieg beschreiben zu hören, und wusste nicht, was wir nun von seiner älteren Schwester hören würden. Ich konnte nichts tun, außer aufmerksam zuzuhören und zu beobachten.

Sarah beschrieb ein einfaches, zweistöckiges Holzhaus, das »wie eine Scheune« aussehe und von Wald und Farmland umgeben sei. Ein von Gras überwucherter Fahrweg führte vor dem Haus entlang. Sie sah sich selbst als Mädchen von elf oder zwölf Jahren (älter, als sie gegenwärtig war). Sie sagte, sie verbringe die meiste Zeit damit, ihrer Mutter bei der Hausarbeit zu helfen. Manchmal versorge sie mit ihrem Vater die Tiere. Sie ging nicht zur Schule, weil »sie nicht glauben, dass Mädchen eine Ausbildung brauchen«. Sie sah einen jüngeren Bruder, der nicht bei der Arbeit helfen konnte. Sie kniff ihre geschlossenen Augen zusammen, um mehr Einzelheiten erkennen zu können, und fügte hinzu, ihr Bruder sei offenbar behindert gewesen.

Bis zu diesem Punkt erzählte Sarah ihre Geschichte aus der Perspektive einer objektiven Beobachterin, ohne jede emotionale Beteiligung. Dann schlug Norman ihr vor, »in der Zeit vorwärtszugehen bis zu dem Moment, als deine Angst vor dem Feuer anfing«. Sarahs Perspektive veränderte sich. Jetzt sprach sie als das Mädchen, in der Gegenwartsform, völlig gefangen von der schrecklichen Situation, in der es sich befand.

»Ich wache plötzlich auf. Ich rieche Rauch. – Ich weiß, dass das Haus brennt. Ich habe Angst. Ich kann nicht denken. Ich springe aus dem Bett. Flammen und Rauch sind überall. Ich renne über den Flur und suche nach meinen Eltern. Große Flammen lodern auf der Treppe. Kleine Flammen schießen aus den Ritzen im Fußboden hoch. Der untere Teil meines Nachthemdes brennt! Ich renne in das Zimmer meiner Eltern. Sie sind nicht da! Ihre Betten sind gemacht. Wo sind sie? Ich weiche zurück, bis ich in der Ecke des Zimmers vom Feuer eingeschlossen bin. Warum retten sie mich nicht? Warum holen sie mich nicht hier heraus?«

Sarah machte eine Pause, um Atem zu schöpfen. Mit geschlossenen Augen und verzerrtem, blassem Gesicht durchlebte sie diese schmerzvolle Erinnerung erneut, in Panik wie ein kleines Tier in der Falle, in die Ecke des Zimmers gedrängt, umgeben von Flammen und Hitze.

Das Entsetzen in ihrer Stimme zog mich in die Geschichte hinein. Ich fühlte einen Adrenalinstoß, der mein Herz rascher schlagen und mir Angst in die Glieder fahren ließ. Eine Atmosphäre großer Gefahr erfüllte die Küche. Von meinem mütterlichen Instinkt getrieben, wollte ich mich zu ihr beugen und sie trösten. Doch ein anderer Instinkt riet mir, den dramatischen Fluss ihres Erlebnisses nicht zu stören. Ich schaute Norman unsicher an. Er spürte meine Frage und signalisierte mir mit einer Geste, dass ich Sarah nicht stören sollte und dass ihr nichts geschehen würde. Sarah fuhr fort, weinend vor Angst.

»Ein brennender Balken stürzt genau vor mir herab und reißt ein Loch in den Fußboden. Überall ist Feuer. Es gibt keinen Weg hinaus. Oh, das Atmen tut so weh. Ich weiß, dass ich sterben werde!«

Für eine Weile saß Sarah schweigend am Küchentisch, den Kopf in die Hände gestützt. Ihre Atmung wurde langsamer, ihr Gesicht entspannte sich. Ich merkte, dass ich den Atem angehalten hatte, und ließ ihn schnaufend heraus. In der Küche herrschte völlige Stille. Nur das Summen des Kühlschranks war zu hören.

Norman wartete, dann fragte er Sarah leise: »Was erlebst du jetzt?«

»Ich spüre, wie ich hoch über den Baumwipfeln schwebe. Ich fühle mich leicht wie eine Feder. Ich glaube, ich bin tot. Ich spüre keinen Schmerz. Ich bin erleichtert, dass es vorbei ist. Das war schrecklich.«

Norman fragte, ob Sarah unten ihre Eltern sehen könne.

»Dort ist mein Haus – es brennt lichterloh. Das Dach ist eingestürzt. Ich kann meine Familie im Hof stehen sehen. Mein Bruder sitzt auf dem Boden, mein Vater hält meine Mutter, die weint und verzweifelt die Arme dem Haus entgegenreckt.«

Als Sarah ihre Familie beschrieb, fing sie heftig an zu weinen. Sie sagte, sie wüsste, dass sie versucht hätten, sie zu retten, aber von der Hitze und den Flammen zurückgedrängt worden seien. Sie seien völlig verzweifelt gewesen, weil sie ihre Tochter nicht hatten retten können. Sarah war vom Schmerz ihrer Familie ganz offensichtlich tief bewegt. Schluchzend, immer noch mit geschlossenen Augen, sagte sie, ihr sei klar geworden, dass ihre Familie sie wirklich geliebt habe. Sie begriff nun, dass sie nichts hätten tun können, um ihr Leben zu retten. Sie war sehr erleichtert, die Wahrheit zu erkennen. Sie sagte, sie habe in ihr gegenwärtiges Leben die falsche Überzeugung mitgebracht, dass ihre Eltern nicht versucht hätten, sie vor dem Feuertod zu retten.

Sarahs Schluchzen ließ allmählich nach. Norman und ich warteten schweigend, während sie sich die Augen rieb und uns anschaute. Sie schniefte ein paar Mal und schenkte uns dann ein strahlendes Lächeln. Panik und Entsetzen waren verschwunden: Sie wirkte friedlich und gelöst.

Sie sah die Besorgnis auf meinem Gesicht und versicherte mir, dass mit ihr alles in Ordnung sei. Dann berichtete sie sehr genau von den letzten Augenblicken vor ihrem Tod. Sie sagte, von dem Moment an, als der brennende Balken vor ihr herabfiel, sei alles sekundenschnell gegangen. Sie beschrieb uns, wie sie von Panik erfasst in die Ecke des elterlichen Schlafzimmers gerannt war. Es war keine Zeit mehr gewesen, an eine Flucht aus dem Haus auch nur zu denken. Sie hatte nur noch den Gedanken gehabt, ihre Eltern zu finden. Sie gestand uns ein, dass sie während der letzten Sekunden jenes Lebens von Wut auf ihre Eltern erfüllt gewesen war, in dem Glauben, sie würden sie nicht lieben, weil sie sie nicht aus dem brennenden Haus gerettet hatten. Erneut sagte sie, dass sie diese Wut – ihre letzten Gedanken während des Sterbens – in ihr gegenwärtiges Leben mitgebracht hätte, die damaligen Ereignisse missverstehend und verwirrt von den entsetzlichen Umständen ihres Todes. Dann erklärte sie uns zu unserer Überraschung, ihre Furcht hätte sie daran erinnern sollen, dass sie noch etwas Unerledigtes aus jenem Leben mit sich herumtrug.

Norman und ich waren beide erstaunt, dass wir Sarah ihre Erinnerungen in keiner Weise erklären oder sie für sie deuten mussten. Sie begriff intuitiv, ohne Hinweise und Erläuterungen, welche Verbindung zwischen ihrer Furcht und Wut zum Zeitpunkt ihres traumatischen Todes und ihrer heutigen Angst vor dem Feuer bestand. Norman sagte, dass viele Erwachsene, die sich an frühere Leben erinnerten, deutlich mehr Mühe hätten, die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart zu verarbeiten. Sarah bewältigte das sofort und ohne fremde Hilfe.

Ein paar Tage später packte Sarah die Tasche mit ihren Puppen und den Anziehsachen darin aus, die sie unter dem Bett aufbewahrt hatte – die tägliche Erinnerung an ihre schmerzhafte Vergangenheit. Ihre »irrationale« Furcht vor dem Feuer verschwand an jenem Tag, obgleich sie immer noch sehr vorsichtig ist, wenn sie ein Streichholz anzündet.

Neue Informationen tauchen auf

Wenige Tage nachdem sich Chase und Sarah an ihre früheren Leben erinnert hatten, kam Chase in den Kindergarten, und Sarah begann ihr viertes Schuljahr an einer neuen Schule. Chase freute sich jeden Morgen auf den Kindergarten, eine alternativen Vorschule namens Rainbow Mountain, wo viel Wert auf Geschichtenerzählen, Musik und Kreativität gelegt wurde. Chase gedieh dort und entwickelte sich rasch.

Sarah besuchte eine neue, experimentelle öffentliche Schule und erhielt einen Platz im Förderprogramm für Begabte. So verbrachte sie einige Zeit während des Unterrichts damit, an eigenständigen Projekten zu arbeiten, wodurch sie sich erwachsen und verantwortlich fühlte. Als sie anfing, einen Blick auf die Jungen zu werfen, wünschte sie sich natürlich, schneller wachsen zu können. Sie verbrachte immer mehr Zeit am Telefon, um mit den Freundinnen über die ständig wechselnden Sympathien und Antipathien in ihrer Klasse zu klatschen.

Diese neuen Abenteuer in der Schule drängten ihre ein paar Wochen zuvor gemachten außergewöhnlichen Erfahrungen mit Norman etwas in den Hintergrund. Die Rückführungen wurden von den beiden rasch als etwas eingestuft, »was nun einmal geschehen war«.

Einige Male sprachen Sarah, Chase, Steve und ich über ihre Erinnerungen mit einigen wenigen nahen Freunden, aber überwiegend redeten wir nur innerhalb der Familie darüber. Ich achtete sehr darauf, meine Kinder vor Leuten zu schützen, die sie deswegen vielleicht ausgelacht oder ihnen vorgeworfen hätten, sich diese Erlebnisse nur auszudenken. Ich fürchtete, Spott würde Sarah und Chase verstummen lassen, so dass die Tür zu ihren früheren Leben, die auf so wundervolle Weise geöffnet worden war, sich wieder geschlossen hätte. Ich schärfte ihnen ein, mit niemandem über ihre Erinnerungen zu sprechen, ohne mich vorher zu fragen. Ich versicherte ihnen, dass das, was sie gesehen hatten, real war, aber ich erklärte ihnen auch, dass die meisten Menschen das nicht verstehen und manche sich möglicherweise sogar lustig über sie machen würden. Bereitwillig verstanden und akzeptierten sie diesen Rat.

Ich dachte oft über ihre erstaunlichen Reinkarnationserinnerungen nach und hatte viele Fragen: Erinnern sich auch andere Kinder an frühere Leben? Und wenn ja, sind diese Erinnerungen so nah an der Oberfläche und so leicht zugänglich wie bei Chase und Sarah? Wie viele Ängste und körperliche Probleme in der Kindheit resultieren aus früheren Leben? Immer wieder beschäftigten mich diese Fragen. Ich wollte Antworten darauf finden.

Ein paar Wochen später nahm Steve eine neue Anstellung in Pennsylvania an, und drei Monate später, im Dezember, verkauften wir unser Haus und zogen um. Wegen dieser intensiven Veränderungen in unserem Leben besaß ich nicht die Zeit und Energie, nach den Antworten auf meine Fragen zu suchen – noch nicht.

Wir zogen in einem Vorort von Philadelphia in ein hundert Jahre altes, aus Stein gebautes Farmhaus, umgeben von schönen alten Bäumen, in einer Wohnsiedlung mit Sackgassen und Straßen, auf denen Kinder gefahrlos Fahrrad und Skateboard fahren konnten. Chase und Sarah gingen in eine staatliche Schule, was für sie beide eine neue Erfahrung darstellte. Sarah war enttäuscht, dass die Tische dort in Reihen aufgestellt waren und die Kinder während des Unterrichts nicht miteinander sprechen durften, doch sie passte sich rasch an die Gegebenheiten an und machte das Beste daraus. Innerhalb weniger Wochen hatten sie beide neue Freunde gefunden.

Seit unserem Einzug in das neue Haus hatte Chase seine Rückführung kein einziges Mal erwähnt. Ich glaubte schon, er hätte sie völlig vergessen. Doch eines Morgens, als der inzwischen Sechsjährige und ich gemeinsam frühstückten, verblüffte er mich mit weiteren Informationen aus seinem Leben als Soldat.

Das Gespräch verlief folgendermaßen:

»Mom, weißt du noch, wie ich mit Norman sah, dass ich ein Soldat war?«

»Ja«, antwortete ich, überrascht, dass er dieses Thema nach so langer Zeit zur Sprache brachte. Ich spürte, wie ich eine Gänsehaut bekam. Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen, während ich Chase in die Augen sah.

»Also, wir haben komisch geredet«, sagte Chase und schaute dabei genau durch mich hindurch.

»Was meinst du damit – hast du Englisch gesprochen, so wie wir heute?«

»Ja«, antwortete er, rutschte hin und her und machte ein leicht verwirrtes Gesicht, »aber wir haben komisch geredet. Wir haben uns anders angehört.« Er zögerte, suchte nach den richtigen Worten und sagte dann: »Du weißt, wie Schwarze reden?« Ich nickte. »Also, ich war schwarz.«

Nachdem ich mich von meinem Schock erholt hatte, gelang es mir, mehr oder weniger im Plauderton zu fragen: »Warst du mit anderen schwarzen Soldaten zusammen?«

»Ja. Schwarze und weiße Soldaten haben gemeinsam gekämpft«, antwortete Chase. Ich beobachtete sein Gesicht. Seine Augen blickten seitwärts. Er schien innere Bilder zu betrachten und mir zu berichten, was er sah.

Mich an Normans Fragen erinnernd, erkundigte ich mich: »Was siehst du noch?«

»Das ist alles.«

Und dabei blieb es. Chase hatte den Kontakt zu diesen inneren Bildern wieder verloren und fuhr fort, seine Frühstücksflocken zu löffeln.

Dass Chase plötzlich diese Erinnerungen erwähnte, hatte mich ganz unvorbereitet getroffen. Später wünschte ich mir, geistesgegenwärtiger reagiert und ihm bessere Fragen gestellt oder auf andere Weise seinen Erzählfluss in Gang gehalten zu haben. Würde es weitere Enthüllungen über seine Erlebnisse als Soldat geben? Machte seine Erinnerung an dieses frühere Leben ihm immer noch zu schaffen, ohne dass ich etwas davon bemerkte? Vielleicht würden weitere Themen und Emotionen aus jenem Leben an die Oberfläche drängen.

Und wieso war dieser Erinnerungsfetzen so spontan beim Frühstück aufgetaucht? So weit ich sagen konnte, waren Chases Beobachtungen durch nichts inspiriert worden, was wir damals gesagt oder getan hatten. Hatte er von sich aus über diese Dinge nachgedacht? Hatte ein Vorfall in der Schule weitere Erinnerungen bei ihm wachgerufen? Es war rätselhaft. Ich wollte Antworten auf diese Fragen, machte mir aber klar, dass ich auf eine Gelegenheit warten musste, wenn wir beide bereit sein würden, tiefer nachzuforschen.

Ich kombinierte diese neue Information darüber, dass Chase ein Schwarzer gewesen war, mit dem, was er während seiner Rückführung mit Norman im Jahr zuvor beschrieben hatte: dem Schlachtfeld, dem Feldlazarett, den von Pferden gezogenen Kanonen und dem Gewehr mit dem Schwert am Ende. Da er Englisch sprach und schwarz war, überlegte ich weiter, handelte es sich bei dem Soldaten, an den Chase sich erinnerte, vermutlich um einen Amerikaner. Konnte er als schwarzer Soldat im Bürgerkrieg gekämpft haben, im Spanisch-Amerikanischen Krieg oder im Ersten Weltkrieg? Benutzten sie im Ersten Weltkrieg noch von Pferden gezogene Kanonen? Mit meinen begrenzten Geschichtskenntnissen musste ich bei diesen Fragen passen.

Zufällig brachte der Philadelphia Inquirer am nächsten Tag eine Fotoreportage von einer Ausstellung über schwarze Bürgerkriegssoldaten. Aus diesem Artikel erfuhr ich, dass Regimenter schwarzer Soldaten im Bürgerkrieg gemeinsam mit weißen Soldaten gekämpft hatten, genau wie Chase gesagt hatte. Ich betrachtete die Fotos der schwarzen Soldaten genauer und blickte dann den rothaarigen, sommersprossigen Chase an. Ich lachte und fand, dass Gott einen sonderbaren Sinn für Humor hat.

Dieser Artikel gab mir die Möglichkeit, Chase weitere Fragen zu stellen. Da er damals noch nicht lesen konnte, zeigte ich ihm kommentarlos die Bilder in der Zeitung, um zu sehen, ob ihn das veranlassen würde, mehr zu erzählen. Ich beobachtete sein Gesicht aufmerksam, während er sich die Fotos der schwarzen Bürgerkriegssoldaten anschaute. »Kommt dir das bekannt vor?«, fragte ich.

»Ja«, antwortete er nüchtern. Mehr sagte er nicht dazu, also versuchte ich, ihn aus der Reserve zu locken, indem ich davon erzählte, dass in dem Artikel über schwarze Soldaten berichtet wurde, die an der Seite weißer Soldaten gekämpft hatten, genau wie er es mir am Tag zuvor beschrieben hatte.

»Erinnerst du dich noch an andere Dinge?«, fragte ich ihn.

»Nein, eigentlich nicht«, sagte er. So funktionierte es nicht. Am Tag zuvor hatte er einen energiegeladenen, leuchtenden Gesichtsausdruck gehabt, als er über seine Erinnerung sprach. Dieser Ausdruck war jetzt nicht da. Also legte ich die Zeitung weg und wechselte das Thema. Ich wollte ihn nicht drängen oder mir anmerken lassen, wie begierig ich war, mehr zu erfahren. Ich wollte, dass er gern über seine Erinnerungen sprach, wenn sie erneut an die Oberfläche stiegen.

»Hühner laufen frei herum.«

Der Februar 1991 war für viele von uns eine erschreckende Zeit. Der Konflikt im Irak trug die Realität des Krieges zu uns nach Hause und zum ersten Mal in das Leben meiner Kinder. Obgleich wir uns die Fernsehberichterstattung nicht anschauten, hörten wir doch besorgt im Radio und lasen in den Zeitungen, wie die Kämpfe eskalierten. Alle spürten die Anspannung.

Eines Abends, als wir im Radio vom ersten Scud-Raketenangriff auf Israel hörten, ging in unserer Nähe gerade ein Gewitter nieder, Blitze zuckten nahe bei unserem Haus herab, und der Strom fiel aus. Chase fing an zu weinen. Steve und ich gaben uns alle Mühe, unsere Kinder zu beruhigen, die Angst hatten, der Krieg könnte bis nach Philadelphia vordringen.

Als ich am Tag nach dem Beginn der Bodenoffensive Chase von der Schule abholte, stieg er in den Wagen und verkündete: »Ich werde mich nie mehr dazu zwingen lassen, Soldat zu sein!«

»Was meinst du damit?«, fragte ich.

»Ich will noch so eine Rückführung machen wie damals mit Norman. In die Zeit, wo ich Soldat war – da kommt noch mehr in mir hoch. Die Kinder in der Schule reden ständig über den Krieg im Fernsehen, und dann muss ich immer an das denken, was ich mit Norman gesehen habe.« Ganz offensichtlich hatten die Berichte über den Krieg Chases Erinnerungen geweckt. Das war die Gelegenheit, auf die ich gewartet hatte.

Während der Fahrt nach Hause erzählte Chase, die Schule sei mit gelben Bändern geschmückt, um bedingungslose Unterstützung für die kämpfenden amerikanischen Truppen zu bekunden. Er beschrieb, wie unwohl sich die Kinder und die Lehrer angesichts des Krieges fühlten. Doch gleichzeitig waren alle stolz, dass Amerika den Angriff auf Irak anführte. Diese Verherrlichung des Krieges löste in Chase unangenehme Gefühle aus. Er sagte, er wisse, dass diese Gefühle mit seinem früheren Leben als Soldat zu tun hätten.

Chases sehr reife Beobachtung klang zutreffend. Ich war einverstanden, mit ihm eine Rückführung zu machen.

Seit Chase zum letzten Mal sein Leben als Soldat erwähnt hatte, waren zwei Jahre vergangen. Während dieser Zeit hatte ich mich in Hypnotherapie ausbilden lassen und bei Norman Inge und Dr. Roger Woolger die Methoden zur Rückführung in frühere Leben studiert. Ich hatte mich darin ausbilden lassen, Erwachsene durch ihre Reinkarnationserinnerungen zu führen, und die Probleme und Traumata kennengelernt, die bei solchen Rückführungen auftauchen können. Auch wusste ich aus meinen eigenen Rückführungen, dass Rückführungen in frühere Leben ungefährlich sind. Das Unbewusste, in dem die Reinkarnationserinnerungen gespeichert sind, wählt genau aus, was es dem Wachbewusstsein zugänglich macht und was nicht; es lässt die Menschen so weit und tief gehen, wie es notwendig ist, aber nicht weiter. Ich traute mir zu, Chase durch eine Rückführung zu begleiten; ich wusste, ich würde mit allem fertig werden, was dabei möglicherweise zum Vorschein kam.

Ich wartete, bis wir am Nachmittag für längere Zeit ungestört waren, schaltete das Telefon aus und forderte Chase auf, es sich auf seinem Bett bequem zu machen. Da Chase und Sarah damals bei Norman so leicht Zugang zu ihren Erinnerungen gefunden hatten, beschloss ich, seinem Beispiel zu folgen und auf eine formelle Form der Überleitung zu verzichten. Ich bat Chase lediglich, die Augen zu schließen und ein paar Mal tief durchzuatmen. »Geh zurück zu jenen Bildern, die du damals mit Norman gesehen hast, aus der Zeit, als du Soldat warst.« Diesmal machte ich mir ausführliche Notizen, während der achtjährige Chase seine Geschichte erzählte.

»Ich höre nichts, sehe aber alles. Ich sehe Pferde in das Tal kommen. Männer mit Gewehren, die Speere an den Enden haben. Ich sehe mich selbst. Ich kauere hinter einem Felsen und blicke zu ihnen hoch. Ich bin traurig, ängstlich, stolz. Seitlich von mir sind Soldaten auf Pferden. Ich knie jetzt hinter einem Felsen und warte.

Eine Schlacht ist im Gange. Überall ist Rauch. Ich schieße nicht, ich warte. Ich fange an, auf den Feind zu schießen – ich habe keine Wahl, ich will mich selbst schützen. Die Leute auf den Pferden sind weiß, ich bin schwarz. Weiße Soldaten sind auf meiner Seite. Es geht alles wild durcheinander. Verwirrung überall. Ich habe entsetzliche Angst. Oh – ein Schuss trifft mein Handgelenk. Es tut kaum weh. Alles wird schwarz.«

Chase sprach ruhig, zum Teil in unvollständigen Sätzen; Gedanken und Bilder sprudelten aus ihm heraus, nicht immer in schlüssiger Reihenfolge. Er schien vor seinem inneren Auge eine fortlaufende Geschichte zu betrachten, teilte mir aber nur einzelne Momentaufnahmen des Geschehens mit. Er sah und empfand viel mehr, als er beschreiben konnte. Manchmal verstummte er, so dass in seinem Bericht Lücken entstanden. Durch Fragen ermunterte ich ihn fortzufahren: »Was erlebst du jetzt gerade?« »Was passiert als Nächstes?« Ohne dieses sanfte Vorwärtsdrängen wäre er möglicherweise in der Betrachtung einer einzelnen Szene stecken geblieben.

Wie damals sprach er mit seiner kindlichen Stimme, jedoch mit der Ernsthaftigkeit und den Formulierungen eines Erwachsenen. Manche Wörter, die er benutzte, überraschten mich, weil sie nicht zu seinem normalen Vokabular gehörten.

Chases auf dem Bett liegender Körper spiegelte die wechselnden Szenen und Emotionen wider, an die Chase sich gerade erinnerte. Er lag völlig reglos, als er beschrieb, wie er während der Schlacht hinter dem Felsen gewartet hatte, so dass man ihm seine Müdigkeit und Anspannung deutlich anmerkte. Als er ins Handgelenk getroffen wurde, spannte er sich an und verstummte. Sein Körper entspannte sich wieder, als er berichtete, wie er ohnmächtig wurde. Diese subtile Körpersprache verlieh dem an sich schon faszinierenden Bericht eine zusätzliche Dimension.

Ich ermutigte ihn fortzufahren: »Was erlebst du gerade?«

»Ich gehe gerade zurück in die Schlacht, mit einer Bandage um mein Handgelenk. Ich sehe Pferde, die eine Kanone ziehen und dabei eine Menge Staub aufwirbeln. Die Kanone steht auf einem Wagen mit großen Rädern – sie ist mit dicken Stricken festgebunden. Entlang der Straße laufen Hühner herum. Es ist die Zeit zwischen zwei Kämpfen. Ich denke daran, wie unglücklich es mich macht, im Krieg zu sein. Ich wusste nicht, was mich erwartete.«

Nach einem langen Schweigen fragte ich: »Was geschieht als Nächstes?«

»Ich bin wieder in der Schlacht. Ich schieße mit einer Kanone von einem Hügel über dem Tal. Ich ziehe an einer Schnur, und die Kanone feuert. Ich muss sie nicht laden. Mit dem Gewehr kann ich wegen meinem Arm nicht mehr schießen. Es macht mir Angst, mit der Kanone zu schießen. Ich weiß jetzt, was es für ein Gefühl ist, wenn man getroffen wird. Die anderen fürchten sich genauso wie ich.«

Wieder machte Chase eine Pause. Ich fragte: »Weißt du, warum du kämpfst?«

»Ich weiß es nicht«, flüsterte Chase.

Aus einer Eingebung heraus – ausgelöst durch seine Bemerkung, er habe nicht gewusst, was ihn erwartete – forderte ich Chase auf, in die Zeit vor dem Krieg zurückzugehen. Ich wollte herausfinden, welches Leben er davor geführt hatte, um verstehen zu können, warum er immer wieder sagte, er wolle nicht dort sein und auf andere Leute schießen.

»Ich bin in einem Haus, das mir gehört. Es ist mehr eine Holzhütte. Das Haus hat vorn eine Veranda mit einem Geländer, wo man Pferde anbinden kann. Es gibt einen Schaukelstuhl auf der Veranda und eine Tür in der Mitte. Ich habe zwei Kinder. Ich habe auch eine Frau. Ich bin glücklich. Es ist vor dem Krieg. Ich war dort, wo die Schwarzen frei sind. Ich sehe meine Frau – ich sehe sie von hinten, sie ist im Haus. Sie trägt ein blaues Kleid mit einer weißen Schürze. Sie trägt ein Kleid mit Unterröcken und schwarzen Stiefeln. Sie hat glattes Haar, das hinten zusammengebunden ist.

Ich sehe einen schwarzen Mann, der auf der Veranda eine Pfeife raucht – das bin ich. Ich bin nicht jung – über dreißig. Ich bin in dieser kleinen Stadt sehr glücklich. Ich bin dort nicht geboren, sondern wurde als Kind in einem Planwagen dorthin gebracht. Ich bin Anstreicher und Tischler, und ich stelle Töpfe her und verkaufe sie, und als Hobby bastele ich Holzmodelle. Hinter meinem Haus gibt es ein Stück Land mit Sträuchern darauf. Dort bin ich am liebsten – da stelle ich meine Töpfe her.

Vor meinem Haus verläuft eine unbefestigte Straße. Sie führt in die Stadt. Meine Stadt ist eine freundliche Stadt mit Pferdewagen und Farmen. Hühner laufen frei herum. Es gibt dort noch andere Schwarze, die gut miteinander auskommen. Der Name unserer Stadt ist Collosso, oder so ähnlich.« Chase strengte sich spürbar an, als er versuchte, sich an den Namen zu erinnern. »Es ist nach 1860 – am Anfang des Krieges. Leute stehen in der Mitte der Stadt um einen Pfosten herum. Sie unterhalten sich aufgeregt über den Krieg. An dem Pfosten hängt ein Schild. ›KRIEG‹ steht darauf. Ich bin nicht sicher, ob ich lesen kann, aber ich weiß, was auf dem Schild steht: Sie suchen Freiwillige. Ich werde auch ganz aufgeregt und melde mich freiwillig. Ich unterschreibe ein Papier. Ich weiß nicht, was darauf steht. Ich kann nicht lesen.

Ich verlasse meine Familie. Das ist ein trauriger Moment für mich und meine Familie, besonders für meine Kinder. Sie weinen. Ich bin sehr traurig – das ist die traurigste Zeit meines Lebens.«

Wieder verstummte Chase, offenbar die Traurigkeit nachempfindend. Nach einer langen Pause fragte ich: »Was geschieht dann weiter?«

»Wir treffen uns mit jemandem, der sehr wichtig ist, ein General oder so etwas. Er redet über Strategie. Ich soll zuhören, zu meinem eigenen Wohl, aber das tue ich nicht – ich denke an meine Familie. Ich habe das Gefühl, herumgestoßen zu werden, und das gefällt mir nicht. Die Leute um mich herum sind eher traurig als ängstlich.«

Chase schwieg einen Moment und sprang dann wieder zu der Szene in dem Feldlazarett. »Ich bin am Handgelenk verletzt. Ich befinde mich unter einer großen Plane, die von Pfosten hochgehalten wird – es sieht wie ein Tipi oder ein Planwagen aus – weit offen an den Seiten. Es herrscht ein großes Gedränge dort. Viel Lärm – Krieg im Hintergrund, Schüsse. Jemand verbindet mein Handgelenk. Andere schreien, weil sie so große Schmerzen haben. Ich bin dankbar, dass meine Schmerzen nicht so schlimm sind. Ich nehme an, dass mein Handgelenk nicht so arg verletzt ist. Ich bin traurig, wieder in die Schlacht zurück zu müssen. Ich vermisse meine Familie.

Jetzt stehe ich hinter der Kanone. Ich werde getroffen!« Chase verstummte. Ich spürte, wie die Energie sich veränderte – sie fühlte sich leichter an, entspannter, als strömte eine frische Brise durch das Zimmer.

Chase fuhr fort: »Ich schwebe über dem Schlachtfeld. Es ist ein gutes Gefühl, alles hinter mir zu haben. Ich sehe die Schlacht und den Rauch unter mir. Während ich hinunterschaue, ist alles still und voller Rauch – nichts bewegt sich dort unten. Ich bin glücklich, es hinter mir zu haben. Ich werde in ein glücklicheres Leben gehen. Ich schwebe über meinem Haus. Ich sehe meine Frau und meine Kinder. Ich verabschiede mich von meiner Familie. Sie sehen mich nicht, weil ich in geistiger Form dort bin, aber sie wissen, dass ich tot bin.«

Chase sah friedlich aus. Ich ließ ihn den Frieden für einen Moment genießen. Dann fragte ich ihn, was er aus seinem Leben als Soldat gelernt habe. Seine Antwort erstaunte mich: »Jeder Mensch muss einmal den Krieg miterleben – er bringt alles ins Gleichgewicht. Man muss nicht notwendigerweise im Krieg sterben, aber ihn miterleben. Du lernst dabei viel über Gefühle. Er gibt dir ein Gespür dafür, wie andere Menschen fühlen. Krieg ist etwas sehr Schlimmes. Den Zweiten Weltkrieg habe ich ausgelassen. Da war ich oben. Ich wartete ab, bis ich in einer friedlicheren Zeit zurückkommen konnte. Dazwischen hatte ich noch ein kurzes Leben.«

Verwundert hörte ich meinen kleinen Sohn über das universelle Gleichgewicht und über Mitgefühl sprechen. Er sprach mit einer für einen Achtjährigen außergewöhnlichen Weisheit. Seine Worte klangen, als spräche eine sehr alte Seele. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Was meinte er mit »oben«? Wo hatte er auf seine Rückkehr gewartet? Ich hätte gern mehr gehört, aber Chase schwieg. Das Fenster zu diesem Geheimnis hatte sich plötzlich geschlossen, und ich wusste, dass ich es nicht wieder öffnen konnte.

Chase schlug die Augen auf und lag für ein paar Minuten still auf seinem Bett. Er wirkte nachdenklich, aber ruhig. Ich fragte ihn, wie er sich fühlte. Er sagte, jetzt, wo er sich an mehr Dinge erinnert habe, fühle er sich besser. Ich umarmte ihn und versicherte ihm, dass er in Sicherheit sei, dass er nicht wieder kämpfen müsse und dass wir als Familie alle beschützt und außer Gefahr seien. Das gefiel Chase, und er erwiderte meine Umarmung. Er sprang aus dem Bett und flitzte aus dem Zimmer. Einige Zeit später spielte er glücklich mit seinem neuesten Lego-Bausatz.

Die Schalen der Zwiebel

An diesem Nachmittag war etwas Außergewöhnliches geschehen. Ich verstand jetzt, was Chase gemeint hatte, als er so nachdrücklich sagte: »Ich werde mich nie mehr dazu zwingen lassen, Soldat zu sein!« Seine Erinnerungen an jenes andere Leben waren für ihn äußerst real. Die Angst, die Traurigkeit und Verwirrung dieses friedliebenden Menschen, der Soldat geworden war, befanden sich dicht unter der Oberfläche von Chases Gedächtnis und beeinflussten seine heutige Persönlichkeit und seine Weltsicht.

Chases zwei Rückführungen in jenes Leben hatten aufeinanderfolgende Schichten von Gefühlen, Gedanken und Bildern enthüllt. Wie beim Schälen einer Zwiebel wurde Schicht um Schicht freigelegt. Norman hatte Chase geholfen, die erste Schicht seiner Empfindungen auf eine bewusste Ebene zu bringen: die Furcht, die durch laute, ihn an die Schlacht erinnernde Geräusche ausgelöst wurde. Als Chase sich in Bezug auf seine Zeit als Soldat, der andere Menschen töten musste, mit seinen Gefühlen ausgesöhnt hatte, verschwanden die Angst und das Exzem – das Stigma seiner Wunde.

Der Golfkrieg aktivierte eine andere Schicht der Erinnerung: die Sehnsucht nach seiner Familie. Chases Traurigkeit verwandelte sich in Erleichterung, als er sich an seinen Tod erinnerte und Gelegenheit erhielt, sich von seiner Familie zu verabschieden. So konnte er endlich einen Schlussstrich unter dieses Leben als Soldat ziehen. Das versetzte ihn in die Lage, über seine persönliche Tragödie hinaus zu einem universellen Verständnis dafür zu gelangen, welche Bedeutung der Krieg für die Entwicklung einer Seele hatte; sein persönliches Leiden wandelte sich zu spiritueller Erkenntnis.

Die Übereinstimmung zwischen dieser neuen Version der Geschichte und seiner ersten Rückführung war bemerkenswert. Obgleich zwischen diesen beiden Berichten drei Jahre vergangen waren, beschrieb Chase fast Wort für Wort die gleichen Bilder und Gefühle. Sein Wortschatz war inzwischen gewachsen, wodurch die Geschichte detailreicher wurde, ohne dass sie sich insgesamt verändert hätte. Die Erinnerung blieb intakt. Er sah diese Bilder klar und deutlich vor seinem inneren Auge und berichtete, was er sah.

Chase gab eine, wie mir schien, zutreffende Beschreibung des Lebens eines Bürgerkriegssoldaten. Sein Bericht darüber, was es für ein Gefühl war, sich mitten in einer Schlacht zu befinden und »herumgestoßen zu werden«, war realistischer als die glorifizierenden Darstellungen des Krieges in Kino und Fernsehen. Die beschriebenen Details verliehen dem Bericht Farbe und Glaubwürdigkeit. Später fand ich zum Beispiel heraus, dass die Kanonen damals tatsächlich mit einer Schnur gezündet wurden. Die Schlüssigkeit und der Erzählfluss der Geschichte und der glaubwürdige innere Konflikt des Protagonisten hätten jedem Romanschriftsteller zur Ehre gereicht. Und doch kamen diese Dinge aus dem Mund eines Achtjährigen, der noch nie den Realitäten des Krieges ausgesetzt gewesen war.

Am wichtigsten erschien mir aber, dass die positive Wirkung dieser Rückführungen deutlich spürbar war. Nach der letzten Rückführung war Chase sofort viel selbstsicherer und entspannter. Der Krieg gegen den Irak beunruhigte ihn nicht länger, obgleich wir natürlich alle erleichtert waren, als die Kämpfe ein paar Tage später eingestellt wurden.

2

Vorspiel

»In meinem Ende liegt mein Anfang ...bewusst zu sein heißt, nicht in der Zeit zu sein.«

Ein Jahr bevor Norman Inge Chase und Sarah durch ihre früheren Leben begleitete, führte er mich in zwei meiner eigenen früheren Leben zurück. Die Rückführung befreite mich von einer chronischen Erkrankung und lieferte Erklärungen für Visionen, Obsessionen und Träume, die mich von Kind an verwirrt hatten. In diesem Kapitel berichte ich von meiner eigenen Erfahrung mit Rückführungen, die das entscheidende Vorspiel zu den Reinkarnationserinnerungen meiner Kinder darstellen.

Hätte ich nicht zuvor selbst in meine früheren Leben zurückgeblickt, wäre das, was an jenem Tag in der Küche mit meinen Kindern geschah, nicht so bedeutsam gewesen. Da ich wusste, wie eine Reinkarnationserinnerung aussieht und sich anfühlt, war ich rasch in der Lage, die Erfahrungen meiner Kinder als echt zu erkennen. Ich konnte über den simplen Umstand, dass sie sich überhaupt an ihre früheren Leben erinnerten, hinausgehen und meine Aufmerksamkeit auf die Details dieses Phänomens richten, beispielsweise darauf, wie leicht ihre Erinnerungen an die Oberfläche kamen und wie natürlich die Kinder Lebenslektionen aus der Vergangenheit absorbierten. Und ich erkannte, welche Möglichkeiten diese Methode für alle Kinder bot: Ich betrachtete die Rückführungen meiner Kinder nicht nur als isoliertes Ereignis, sondern sah die Chance, damit auch anderen Kindern zu helfen.

Indem ich nun meine eigenen Rückführungen beschreibe, möchte ich zeigen, wie Erinnerungen an frühere Leben aussehen, sich anfühlen und wie sie manchmal ganz dicht unter der Oberfläche des Bewusstseins wirken und das gegenwärtige Leben eines Menschen beeinflussen. Bei Kindern sind Reinkarnationserinnerungen auf ganz ähnliche Weise wirksam.

Meine Beerdigung

Im Winter 1986, im Alter von sechsunddreißig Jahren, erkrankte ich so ernst, dass ich nicht wusste, ob ich überleben würde. Es war der dritte Winter in Folge, in dem ich mit Asthma, Rippenfell- und Lungenentzündung sowie Bronchialinfekten zu kämpfen hatte. Das Atmen fiel mir so schwer, dass Steve mich die Treppe zu unserem Schlafzimmer hinauftragen musste, da ich den Weg die Stufen hoch nicht schaffte. Mein quälender, stoßweiser Husten hallte Tag und Nacht durch das Haus.

Nichts schien zu wirken, nicht einmal narkotisierender Hustensaft und die ganze übrige Ansammlung verordneter Medikamente auf meinem Nachttisch. Ich musste so viele verschiedene Arzneien zu unterschiedlichen Zeiten einnehmen, dass ich nicht mehr den Überblick darüber bewahren konnte und Steve mir eine Karte zeichnete, auf der genau eingetragen war, welche Tabletten ich zu welcher Uhrzeit zu nehmen hatte. Aber es half alles nichts: Ich war so krank, dass ich selbst mit dieser Karte nicht zurechtkam. Steve musste die Tabletteneinnahme überwachen.

Erleichterung fand ich nur während kurzer, unregelmäßiger Schlafphasen, doch selbst diese wurden von Hustenanfällen unterbrochen. Ständig erschöpft und benommen von den starken Medikamenten, war ich unfähig, mich um die sechsjährige Sarah und den dreijährigen Chase zu kümmern. Steve musste zusätzlich zu seiner Arbeit mich versorgen und die Betreuung der Kinder organisieren. So sehr er sich auch bemühte, die schmutzige Wäsche türmte sich zu Bergen auf, das Durcheinander überall verstreuter Spielzeuge und Fischer-Price-Plastikfiguren wurde immer schlimmer und Sarah und Chase erhielten zu wenig Aufmerksamkeit. Mein Gefühl für Ordnung war zerstört, doch ich fühlte mich hilflos und von den einfachsten Aufgaben überfordert.

Ich benötigte strikte Bettruhe, entweder im Krankenhaus oder zu Hause. Ich wollte nicht ins Krankenhaus, aber ich wusste, dass ich mich nicht um Chase und Sarah kümmern konnte. Also riefen wir unsere Eltern an und baten sie, die Kinder zu sich zu nehmen, bis es mir wieder besser ging. An einem frostig kalten Tag im Januar fuhr Steve Sarah und Chase zum Flughafen. Ich war so krank, dass ich noch nicht einmal die Energie aufbrachte, mir Sorgen um meine Familie zu machen, die nun auf eisglatten Straßen unterwegs war. Und ich war dankbar, allein sein zu können und mich um niemanden außer mir selbst kümmern zu müssen.

Nie ist unser Haus so still gewesen wie in jenen Tagen. Während ich im Bett lag, quälten sich meine Lungen bei jedem Atemzug und knarrten wie rostige Türangeln. Mit brummendem Schädel, von den vielen Medikamenten benommen, schien ich alle Geräusche um mich herum verstärkt wahrzunehmen – das Rauschen der Heizung, vorbeifahrende Autos, das Gebell des Terriers unserer Nachbarn. An windigen Tagen knarrte und stöhnte unser altes Haus, und die Wipfel der Tannen vor meinem Fenster bogen sich gewaltig. Ich war dankbar, wenigstens im warmen Bett liegen zu können. Stunden und Minuten waren bedeutungslos; mein Zeitgefühl orientierte sich lediglich am Wechsel von Sonnenaufgang, Tageslicht, Abenddämmerung und Dunkelheit.