Mamma Mia - Karin Milles - E-Book

Mamma Mia E-Book

Karin Milles

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Beschreibung

Karin Milles beschreibt in diesem einfühlsamen Tagebuch auf spannende und humorvolle Weise die neun Monate ihrer Schwangerschaft, die alles auf den Kopf stellt. Fragen über Fragen, Sorgen und Ängste. Doch die Erzählerin bewahrt bei all den Höhen und Tiefen einen kühlen Kopf und macht Schwangeren oder jenen, die es werden wollen, Mut. Auch für werdende Väter lesenswert!-

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Karin Milles

Mamma Mia

Tagebuch einer Schwangerschaft

Aus dem Schwedischen von Regine Elsässer

Rowohlt Taschenbuch Verlag

Saga

Mamma Mia

 

Übersezt von Regine Elsässer

 

Titel der Originalausgabe: Jag ska bli Mamma

 

Originalsprache: Schwedischen

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 2004, 2021 Karin Milles und SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726921984

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Zu diesem Buch Nichts verändert das Leben so wie der kleine blaue Streifen im Fenster des Schwangerschaftstests. Die schwedische Autorin Karin Milles, Jahrgang 1969 und selbst mittlerweile zweifache Mutter, erzählt ganz ehrlich, dass Morgenübelkeit wirklich kein Spaß ist und dass auch eine werdende Mutter neidvoll auf die mit bunten Schirmchen dekorierten Cocktails des künftigen Vaters schielt. Sie spricht ungeschminkt über den lästigen Drang, ständig auf die Toilette zu müssen, und über die Angst, eine sterbenslangweilige Frau mit Sozialkontakten zu werden, die über den Sandkastenrand nicht hinausgehen – aber auch über das warme, wohlige Gefühl im Bauch und die unbändige Vorfreude auf das Baby.

Karin milles, Jahrgang 1969, hat unter anderem im Buchhandel gearbeitet, Chinesisch studiert und ihren Doktor gemacht. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Stockholm. «Mamma mia» ist ihr erstes Buch.

Vorwort

Dies ist das Tagebuch meiner Schwangerschaft. Bevor ich schwanger wurde, hatte ich keine Ahnung, dass das Austragen eines Kindes ein so umwälzender und durchgreifender Vorgang ist. Manchmal hatte ich das Gefühl, meine Gedanken seien Tag und Nacht nur damit beschäftigt. Wenn ich mir nicht in der Teeküche meines Instituts Geburtsgeschichten anhörte, hatte ich Rückenschmerzen oder lief aufs Klo. Oder ich schlief.

Ich hatte ein schier unersättliches Bedürfnis, über alles, was mit Schwangerschaft zu tun hatte, zu diskutieren. Ich konnte stundenlang über die aktuellen oder kommenden Vorgänge in meinem Körper sprechen. Ich habe mir unzählige Geschichten über die Schwangerschaften von anderen angehört, und ich hätte bestimmt nochmal so viele anhören können.

Natürlich habe ich auch die entsprechende Literatur verschlungen. Es war schon interessant zu lesen, wie viel Gramm der Fötus in welcher Woche wiegt, wann die Übelkeit vorübergeht oder was es mit der Lockerung des Beckens auf sich hat, aber ich wollte auch wissen, was andere schwangere Frauen dachten. Was fühlten sie, als sie feststellten, dass sie ein Kind bekommen würden, wie dachten sie über das Liebesleben nach, und wie reagierten sie darauf, Mutter zu werden?

Verständlicherweise konnte kein Geliebter, keine Freundin oder Bekannte mein Bedürfnis nach Gesprächen befriedigen. Das Tagebuch wurde deshalb mein ständiger Begleiter. Wann immer mir etwas einfiel, schrieb ich meine Gedanken auf – alles von alltäglichen Beobachtungen der körperlichen Veränderungen und dem Gejammer über Wehwehchen bis zu ernsthafteren Überlegungen, wie ein Kind mein Leben und das meines Mannes verändern würde. Gar nicht zu reden von noch ernsteren Gedanken über die Bedeutung von Schwangerschaft und Mutterschaft in unserer Gesellschaft.

Dieses Buch ist also mein Versuch, im Verlauf der Schwangerschaft eine Antwort zu finden auf die Frage, wie man als Mensch, Frau, Feministin, Freundin, Geliebte und Erwerbstätige Mutter werden kann, ohne den Verstand zu verlieren. Ich weiß nicht, ob es mir geglückt ist, das Tagebuch jedenfalls ist voll geworden. Es wurde genau das Buch, das ich damals hätte lesen wollen – die Gedanken einer Frau während ihrer Schwangerschaft.

 

Man misst den Fortgang einer Schwangerschaft nach der Anzahl der Wochen. Wenn man sagt, eine Frau ist in der 10. Woche, bedeutet das, dass die Schwangerschaft neun volle Wochen und ein paar Tage alt ist. Eine Schwangerschaft dauert normalerweise 40 Wochen, biologisch gesehen sind es jedoch nur 38 Wochen. Die zwei zusätzlichen Wochen kommen daher, dass man vom ersten Tag der letzten Menstruation an rechnet und nicht vom Eisprung, der zwei Wochen später stattfindet. Man macht das, weil die Menstruation das zuverlässigere Zeichen ist. Wenn man die zwei Wochen dazuzählt, ist man zum Zeitpunkt der Empfängnis also schon in der dritten Woche.

Im Tagebuch wird jede neue Woche mit einem kurzen Abschnitt über die Entwicklung des Fötus eingeleitet und den Vorgängen im Körper der werdenden Mutter. Diese Abschnitte wurden von Marika von Hámos, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe, durchgesehen.

3. Woche

Die Befruchtung findet statt, und das Ei teilt sich. Es wandert langsam durch den Eileiter und nistet sich dann in der Gebärmutterwand ein. Manche Frauen verspüren das Festwachsen als Stich, oder sie haben eine kleine Blutung, die so genannte Nidationsblutung. Der Schleimpfropfen, der die Gebärmutter verschließt, bildet sich.

4. Woche

Der Mutterkuchen entwickelt sich. Der Zellhaufen ist jetzt fast 1 mm groß, Vorstadien von Gehirn und Rückenmark werden gebildet.

Die werdende Mutter kann den gestiegenen Progesterongehalt als verstärkte Müdigkeit spüren.

5. Woche

Der Embryo hat die Anlagen für das Nervensystem, das Gehirn und das Rückenmark gebildet. Auch die Nabelschnur entwickelt sich.

Die werdende Mutter kann schon jetzt unter Übelkeit und Müdigkeit leiden und ein Spannen in den Brüsten spüren.

Donnerstag, der 22. Juli 1998

Wir bekommen ein Kind! Ich habe heute einen Schwangerschaftstest gekauft, weil ich ein paar Tage über die Zeit bin. H. und ich waren bei einem Thailänder essen, und danach habe ich einfach das Teststäbchen genommen und bin auf die Toilette gegangen. H. war ziemlich durcheinander, als ich zurückkam und nur genickt habe. Dann saßen wir auf den hohen Hockern und haben versucht, das Unbegreifliche zu begreifen. Wir bekommen ein Kind!

Ich hatte es allerdings bereits geahnt. Schon als ich im letzten Monat das Stechen beim Eisprung spürte, dachte ich, dieses Mal könnte es klappen, zumal wir nicht mehr verhüten. In den Tagen nach dem Eisprung spürte ich auch etwas in der Bauchgegend. Etwas Kleines, Warmes. Ich habe es niemandem erzählt, nicht einmal H., das Kleine, Warme war mein Geheimnis. Ich mixte meine Gin Tonics sehr schwach, und am Wein zum Essen nippte ich nur. Ich hatte zwar früher auch schon geglaubt, schwanger zu sein, und war es dann nicht, aber dieses Mal war es irgendwie anders. Und ich habe mich nicht getäuscht. Ich bekomme wirklich ein Kind. Ich werde wirklich Mutter.

6. Woche

Schon jetzt bilden sich am Embryo kleine Knospen für die Arme, und mit Ultraschall kann man die Anlagen für Augen und Ohren erkennen. Das Herz schlägt.

Viele Frauen reagieren empfindlich auf bestimmte Gerüche und Geschmäcke und finden, dass beispielsweise Kaffee überhaupt nicht mehr schmeckt. Auch die Brüste verändern sich, sie schmerzen vielleicht oder zeigen Pigmentveränderungen.

Dienstag

Ich bin jetzt in Griechenland. Wir hatten uns Sonne und Ferien vorgestellt, aber ich liege nur auf dem Bett, und mir ist übel. Draußen in der gnadenlosen Sonne zirpen die Zikaden. Es ist sehr heiß, über dreißig Grad. Ich weiß nicht, ob es die Hitze ist oder das Warme im Bauch. Aber H. geht es prima, er fährt mit dem Moped spazieren.

Ich spüre die Schwangerschaft überall. Die Brüste spannen, viel mehr als sonst vor der Menstruation. Ich muss sogar auf dem Rücken schlafen, weil es so wehtut, auf ihnen zu liegen. Wenn ich pinkeln muss, dauert es ewig, als ob etwas im Weg wäre. Und der Bauch fühlt sich an wie aufgebläht, wie nach einem zu reichlichen Essen. Aber ich möchte ihn nicht einziehen, ich sorge mich um das Kleine, Warme.

Ich habe mich schrecklich geärgert, als ich hörte, wie eine Kollegin eine schwangere Frau ermahnte, sich in den Ferien nur ja zu schonen. «Schone dich und lass es dir gut gehen, du musst überhaupt nichts, nur ausruhen.» Ich verstehe nicht, warum die Schwangerschaft für Frauen als Grund herhalten muss, es sich gut gehen zu lassen. Warum werden nicht alle und immer ermahnt, sich nicht zu überarbeiten und sich auszuruhen? Warum darf man nur, wenn man schwanger ist, sorgsam mit sich selbst umgehen, also wenn man die Verantwortung für ein anderes kleines Leben hat? Ist das eigene Leben das nicht auch wert?

Ich denke jetzt allerdings, dass es stimmt. Auch wenn mein Leben im Prinzip genauso viel wert ist wie das des Babys, kann ich sorgsam mit mir umgehen oder auch nicht, und das ist dann meine Entscheidung. Aber das Baby hat nicht entschieden zu entstehen, und es kann auch nicht entscheiden, wie es leben will. Deshalb habe ich die Verantwortung, dass es ihm gut geht. Blöd, dass ich nicht mehr unabhängig bin und machen kann, was ich will, saufen oder mich prügeln ... alles, was ich jetzt tue, hat Rückwirkungen auf ein anderes Leben, und ich muss mich entsprechend verhalten.

Ich darf also keinen Alkohol mehr trinken, ausgerechnet hier, wo er so billig ist! Ich frage mich wirklich, wie ich es schaffen soll, neun lange Monate auch auf das allerkleinste Gläschen zu verzichten. Ich brauche ja keine großen Mengen, schon ein Glas genügt, aber Alkohol ruft einfach diese außergewöhnlichen Gefühle hervor. Natürlich kommt man durch Fallschirmspringen, null Fehler in der Prüfung und Sich-Verlieben in den gleichen Rausch – aber es ist viel einfacher, ein oder zwei Gläser Wein zu trinken. Zumal in den Ferien. Ich erinnere mich an unsere Hochzeitsreise vor vier Jahren, da sind wir auch nach Griechenland gefahren. Wir saßen an der Bar und tranken lustige Drinks mit kleinen Schirmchen und redeten über das Leben. Das ist dieses Mal anders. H. kippt einen Schirmchen-Drink nach dem anderen, und ich sitze daneben mit einem Glas Eiskaffee und versuche, nicht neidisch zu sein. Er bekommt zwar auch ein Kind, muss aber deswegen in den Ferien nicht Abstinenzler werden.

Streng genommen bin ich auch keine Abstinenzlerin. Wir haben im Tax-free-Shop eine halbe Flasche Champagner gekauft, und ich habe gestern Abend auf unserer kleinen Veranda ein Glas getrunken. Nur ein Glas, aber immerhin. Früher, zum Beispiel als ich im Bauch meiner Mutter war, nahm man es nicht so genau mit Schwangerschaft und Alkohol. In unserem Familienalbum gibt es ein sehr schönes Bild: Meine Mutter balanciert ein Weinglas auf dem Bauch, in dem ich bin. Und ich bin ja ganz gut geraten. Aber ich habe ein wenig ein schlechtes Gewissen, dass ich es nicht schaffe, mich zu opfern und für das Wohl meines Babys auf ein Glas Champagner zu verzichten. Ich sollte vielleicht nicht Mutter werden, wenn ich so egoistisch bin? Wer weiß, wie wunderbar das Baby ohne den Champagner geworden wäre? Und falls etwas schief geht, wüsste ich wenigstens, dass ich nicht schuld bin.

Andererseits ist es blöd, so eine große Geschichte daraus zu machen. Es ist überhaupt nicht sicher, dass alles gut läuft, nur weil ich keinen Alkohol trinke, es gibt tausend Dinge, die das Kind schädigen können. Die Mütter der Contergankinder glaubten, es sei ungefährlich, die Schmerztabletten zu nehmen. Was halten wir heute für ungefährlich? Wenn man nur an all die Chemikalien und Pflanzenschutzmittel denkt, die ich vermutlich in mich aufnehme, wenn ich nur die Luft einatme oder eine Orange esse. H. hat ein erschreckend wirksames Mückenspray mit einem langen Warnhinweis auf Griechisch gekauft. Ich lege mich unter ein Handtuch, wenn er es versprüht, aber es bleibt sicher etwas im Zimmer zurück. Vielleicht ist es supergiftig für kleine Embryos, wer weiß?

Vielleicht erkennt man erst, wenn man schwanger ist, wie viel Gefährliches es in der Welt gibt. Da ist das mit dem Alkohol eher eine Kleinigkeit – auf den kann man schließlich verzichten. Die anderen gefährlichen Sachen sind viel schlimmer, weil man ihnen nicht ausweichen kann, sie sind überall, wie Abgase und Gift im Essen.

Gar nicht zu reden von allen möglichen gefährlichen Dingen, die man so tut. Gestern haben wir am Nachmittag einen längeren Ausflug gemacht. Ganz oben im Norden der Insel gibt es eine Landzunge, die Sapphos Klippe heißt und wo sich die griechische Dichterin der Legende nach wegen einer unglücklichen Liebesgeschichte ins Meer gestürzt hat. Dort fuhren wir hin. Die ganze Insel ist sehr mopedfreundlich, mit breiten, frisch asphaltierten Straßen, aber ausgerechnet bis zu Sapphos Klippe war die Zivilisation noch nicht vorgedrungen, und wir holperten auf einer staubigen, steinigen Straße vorwärts. Wir machten unsere Scherze und sagten, das Baby würde «geschüttelt, nicht gerührt». Aber im Innersten hatte ich Angst. Kommt jetzt alles an den falschen Platz – die Arme an den Kopf und das Ohr auf die Nase? Andererseits, Menschen sind auch früher Moped gefahren, wenn sie schwanger waren, oder? Es hat keinen Sinn, sich zu viele Sorgen zu machen, man muss einfach akzeptieren, dass man nicht alles unter Kontrolle hat.

Mittwoch

Ein neuer Tag. Immer noch sehr heiß. Im Badezimmer jede Menge Sand, der ins Bett gelangt und nachts scheuert. Mir ist schlecht. Es heißt, Essen hilft, aber wer will denn essen, wenn man immer kurz vor dem Erbrechen ist? Und das Ganze wird nicht besser, wenn H., der sonst nie frühstückt, ausgerechnet heute Morgen auf die Idee kommt, Eier mit Speck zu braten. Der Geruch hängt im Zimmer.

Mir ist immer ein wenig übel, aber manchmal kommt die Übelkeit in Wellen, und dann habe ich das Gefühl, ich muss mich übergeben. Das ist für mich eine schreckliche Vorstellung, ich leide nämlich unter Erbrechensangst und habe mich nicht mehr übergeben, seit ich zehn war. Mit Grausen denke ich daran, wie es einer Freundin ergangen ist. Sie ist Lehrerin, und als sie schwanger war, musste sie mitten im Unterricht rauslaufen und sich übergeben. Und es gibt Frauen, bei denen es gar nicht mehr aufhört, die müssen dann ins Krankenhaus und werden an den Tropf gehängt.

Aber vielleicht ist es gar nicht die Schwangerschaft, sondern ich halte einfach die Hitze nicht aus. Wie leicht schiebt man alles auf die Schwangerschaft. Früher war ich allen möglichen Einflüssen ausgesetzt – Erlebnissen, Stimmungen, Wetter usw. –, jetzt bin ich nur noch schwanger. Alles – ob ich gut gelaunt, traurig oder apathisch bin – ist mit der Schwangerschaft zu erklären. Mein Appetit – ob riesig oder winzig – rührt da her. Mein Körper ist ganz und gar von dem kleinen Leben im Bauch in Besitz genommen worden.

Ist es wirklich so? Oder ist es nur eine bequeme Antwort, wenn man nicht sicher ist, woher all das kommt? Oder ist die Schwangerschaft tatsächlich so dominant, dass alles andere nicht mehr existiert?

Donnerstag

Ich habe viele Jahre nicht mehr Tagebuch geführt, und als ich jetzt wieder anfing, habe ich ein altes Tagebuch genommen, das nicht voll geschrieben war. Als ich zurückblätterte und meine Gedanken von früher las, fand ich folgende Notiz von vor fünf Jahren – ich war gerade auf einem Fest bei Studienkollegen gewesen, die etwas älter waren als ich:

«Ich stand in der Küche und unterhielt mich mit einer Frau, das war sehr lustig. Aber als dann eine andere dazukam, redeten sie nur noch über Kinder. Das Thema Baby ist stinklangweilig! Sie finden es vielleicht spannend, aber sie müssen doch kapieren, dass es für mich total uninteressant ist?! Oder sie wissen es, aber es ist ihnen egal. Ich habe gehört, es interessiert einen nicht, was andere Leute denken, wenn man ein Kind bekommt. Und das ist vielleicht auch gut so, man wird ja so langweilig.»

Und jetzt bin ich also selbst auf dem besten Weg, eine sterbenslangweilige Mutter zu werden. Aber ich will bleiben, wie ich bisher war, und nicht so werden wie alle anderen, die ein Kind bekommen haben! Ist das Kind einmal da, wird man wie alle anderen Eltern, Kinder sind schließlich in allen Familien gleich. Es sind die gleichen Windeln und die gleichen Schnuller und die gleichen verdammten Spielsachen in fröhlichen Farben. Die gleichen Windpocken und Kinderzeitschriften. Gleich, gleich, gleich. Aber wozu werden wie alle anderen? Was hätte es für einen Sinn, das gleiche Leben zu leben – reicht es nicht, wenn sie es tun?

Ich glaube, ich habe Angst, ein Klischee zu werden – «eine wie alle». Eine FRAU ganz einfach. Eine FRAU unter anderen Frauen, die ein Kind unter ihrem Herzen getragen und es unter Schmerzen geboren hat. Mich stört es jedes Mal, wenn ich Mütter sagen höre, dass sie sich während der Schwangerschaft so fraulich gefühlt haben. Ich bin keine FRAU – ich bin ein Unikum. Und will es bleiben.

Puh, was bin ich wieder negativ. Aber ich habe gehört, wenn man schwanger ist, stürmen alle möglichen Gefühle auf einen ein. Da hilft ein Tagebuch, die Probleme zur Sprache zu bringen. Ich habe nun mal diese Gefühle, dafür kann ich nichts. Armes Baby.

Freitag

Draußen brennt die Mittelmeersonne. Hier drinnen ist es trotzdem ziemlich kühl. Gottlob. Kühl und trotz der weißen Wände den ganzen Tag dämmerig, weil die Fenster klein sind und die Jalousie an der Terrassentür heruntergelassen ist. H. ist mit dem Moped unterwegs, bestimmt irgendwo oben in den Bergen. Ich bleibe heute zu Hause, ich will nur schlafen. Und Tagebuch schreiben – dabei klären sich die Gedanken. Ich komme mir vor wie ein lungenkranker Aristokrat in einem englischen Roman, wie ich mit dem Stift in der Hand keuchend auf dem Bett liege.

In meinem Kopf drehen sich jede Menge Gedanken und verlangen Aufmerksamkeit. Negative Gedanken. Ich denke darüber nach, wie sich die Beziehung zwischen H. und mir verändern wird, wenn wir ein Kind haben. Es geht uns jetzt so gut. Gestern Nachmittag waren wir mit dem Moped unterwegs. Unsere Karte stimmte überhaupt nicht, und wir hatten uns verfahren. Bald gab es keine Straßen mehr, sondern nur noch Schotterpfade, die sich in den Bergen verliefen. Wir mussten dauernd absteigen und das Moped bei glühender Hitze mühsam durch dorniges Gestrüpp zurückschieben. Als unsere Wasserflaschen fast leer waren und das Benzin zur Neige ging, fanden wir ein kleines Restaurant. Wir bestellten griechischen Salat und Joghurt mit Honig und Früchten. Der Hintern tat uns weh, und wir waren todmüde, aber es war ein Abenteuer. Und ich dachte, wie schön, dass gerade wir beide ein Kind bekommen, weil wir so gern zusammen sind. Aber werden wir auch noch Spaß miteinander haben, wenn das Kind da ist? Können wir uns in den Bergen verfahren, wenn das Baby Hunger hat oder die Windel voll ist? Wird unsere Beziehung es überhaupt überleben? Ich meine, was man so hört, ist nicht besonders ermutigend.

Offenbar stirbt zuallererst das Sexleben. Was bei uns schon geschehen ist. Wir haben hier unten erst einmal Sex gehabt. Und das war auch nicht so besonders. H. hatte Angst, dem Baby zu schaden, obwohl wir gelesen hatten, dass es nicht gefährlich ist. Und für mich war es, als ob ich den Geschlechtstrieb irgendwie abgeschaltet hätte, mein Unterleib ist mit etwas anderem beschäftigt. Ich mag noch nicht einmal an Sex denken. Die Rolle der Schwangeren und werdenden Mutter kollidiert mit der Rolle der Liebhaberin. Sex kommt mir irgendwie merkwürdig vor oder vielleicht sogar verboten. Es klingt total idiotisch, aber so kommt es mir vor.

Und das ist das Ende unserer Beziehung. Auch wenn mir für den Moment nichts fehlen wird bei meiner selbstzufriedenen und asexuellen Mütterlichkeit, wird H. enttäuscht sein, dass ich mich verändert habe und nicht mehr die klasse Frau bin, die ich bisher war, sondern plötzlich im geblümten Kleid und mit Babyspucke auf der Schulter dastehe und von einem Fest als Erste nach Hause will. Natürlich wird er mich verlassen.

Und wenn er mich nicht verlässt, weil ich keinen Sex-Appeal mehr habe, verlasse ich ihn, weil er mein Vertrauen verloren hat. Denn offenbar hat trotz des ganzen Geredes über Gleichstellung die Frau zu Hause die Hauptlast zu tragen. Im Flugzeug hierher saß ich neben einer Frau und ihrer zweijährigen Tochter. Sie war frisch geschieden und erzählte, sie habe es so satt gehabt, zu Hause alles machen zu müssen und sich außerdem ständig mit ihrem Mann herumzustreiten. Sie fand, da kann sie sich auch scheiden lassen, dann braucht sie sich wenigstens nicht mehr zu streiten. Ich verstehe sie, ich würde das auch nicht ertragen.

Ich habe neulich im Radio gehört, dass nur 10 Prozent der schwedischen Väter den Elternurlaub in Anspruch nehmen, und das vor allem vor oder nach den Ferien. Warum sind die Menschen nur so konservativ? Haben sie das ganze letzte Jahrhundert verschlafen? Immer noch sind viele der Meinung, dass Mutterschaft in der umsorgenden Verantwortung besteht und Vaterschaft in der ökonomischen. Obwohl wir heute doch wissen, wohin das führt. Die Frau kümmert sich um Haus und Kinder, der Mann geht arbeiten. Die Frau arbeitet immer weniger, damit sie Zeit hat, die Kinder in den Kindergarten zu bringen und abzuholen und sich um kranke Kinder zu kümmern, während der Mann immer mehr arbeitet, um die Hypothek für das Reihenhaus und die Raten für den Volvo-Kombi bezahlen zu können. Die Frau wird sauer, weil ihre Arbeit langweilig und perspektivlos ist, er wird sauer, weil er immer nur arbeiten muss. Und wenn die Kinder so groß sind, dass die Eltern einander am Küchentisch wieder wahrnehmen, stellen sie fest, dass sie keine Gemeinsamkeiten mehr haben, und lassen sich mit großem Trara scheiden. Sie ist verbittert, denn weil sein Gehalt und seine Karriere den ökonomischen Standard des kleinen Glücks gesichert haben, muss sie das Haus im Grünen verlassen und in eine kleine Wohnung ziehen, obwohl sie genauso viel gerackert hat wie er. Und er ist traurig, weil er merkt, dass sie den emotionalen Standard des kleinen Glücks gesichert hat, denn er hat sich zwar in all den Jahren für sie abgeschuftet, aber er kann die Kinder nicht trösten, wenn ihnen etwas zustößt.