Manchmal muss es eben Mord sein - Frida Mey - E-Book
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Manchmal muss es eben Mord sein E-Book

Frida Mey

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Beschreibung

Büroleichen aller Art.

Wer andere schikaniert, lebt gefährlich – zumindest in der Umgebung von Elfriede Ruhland, die als freiberufliche Office Managerin von Büro zu Büro zieht. Dank ihr werden Arbeitsabläufe optimiert, Papierberge und Büroleichen aller Art verschwinden einfach. Denn ganz nebenbei, immer mit einem Lächeln auf den Lippen, entsorgt Elfie kurzerhand die wahren Problemfälle eines jeden Unternehmens – despotische Deppen mit Entscheidungsgewalt, intrigante Zicken aller Art, fiese Vorstandsmitglieder und perfide Controller. Wer auch immer auf seinen Untergebenen rumhackt, wird von Elfie mit geschickt inszenierten „Unfällen“ aus dem Weg geräumt. Ordnung muss schließlich sein.

Doch dann geht etwas schief, und die junge Kommissarin Alex kommt ihr auf die Fährte. Obwohl die eigentlich ganz andere Sorgen und ebenfalls mit einem echten Drachen zu kämpfen hat – mit der herrischen Tante Agathe ihres Freundes Hubert, die mitsamt Mops bei ihnen einzieht und die sie nur zu gern zum Schweigen bringen würde ...

Ihr erster Auftritt: Selten wurde so nett und freundlich gemordet wie von Elfie Ruhland.

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Seitenzahl: 323

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FRIDA MEY

Manchmal muss es eben Mord sein

EIN BÜRO-KRIMI

Impressum

ISBN 978-3-8412-0487-5

Aufbau Digital,

veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Oktober 2012

© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin

Die Originalausgabe erschien 2012 bei Aufbau Taschenbuch, einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.

Umschlaggestaltung Mediabureau Di Stefano, Berlin

unter Verwendung eines Motivs von MHJ/iStockphoto

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital – die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

www.aufbau-verlag.de

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Impressum

Prolog

Das Adrenalin pumpte auf Hochtouren durch ihren Körper. Sie hatte Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren.

Ihre Gedanken überschlugen sich, kehrten jedoch immer wieder zu demselben Schluss zurück:

Es gab für alle Probleme eine Lösung!

An der nächsten roten Ampel blickte sie in den Rückspiegel und lächelte sich zu. Das neue Poloshirt stand ihr wirklich gut.

Lauthals begann sie zu singen. Als sie in ihre Straße einbog, schmetterte sie ihre Lieblingsmelodie aus »Carmen«:

»Auf in den Kampf, Tore-e-e-ero …«

Schwungvoll nahm sie die letzte Kurve – da stand er am Ende der langen Auffahrt und grinste sie an.

Automatisch stieg sie auf die Bremse, einen Moment lang zögerte sie.

»Es gibt für alle Probleme eine Lösung!«, sagte sie mit fester Stimme.

Dann trat sie das Gaspedal bis zum Anschlag durch.

1Endlich mal wieder eine ordentliche Beerdigung. Wohlwollend ließ Elfie ihren Blick über die Trauergemeinde schweifen und zählte sechsundvierzig Personen – genau richtig für die Kapelle am Waldfriedhof. Einige mussten zwar stehen, doch das sorgte erst für die richtige Atmosphäre.

Nicht nur die Anzahl der Trauernden fand Elfies Wohlgefallen, sondern auch deren stilvolles Auftreten. Ausnahmslos alle trugen Schwarz, wie es sich gehörte. Das ließ sich gut an.

Der Pfarrer sprach über das Leben und Sterben, über Abschiednehmen und Trauer. Elfie gefiel seine eher philosophische Sichtweise. Wie oft hatte sie bei diesen Gelegenheiten schon salbungsvolles und inhaltsleeres Geschwafel hören müssen. Genauso verabscheute sie die Anbiederungsversuche mancher Geistlicher, die so taten, als ob sie den Verstorbenen gut gekannt hätten, und ihn womöglich in den Himmel lobten. Wie erfrischend, dass hier nichts von alldem stattfand. Denn bei einem Fiesling wie Martin Morgenstern gab es dazu auch nicht den geringsten Anlass, wie übrigens bei den meisten Controllern nicht.

Als die Musik einsetzte und die Sopranistin das »Ave Maria« sang, merkte Elfie, wie sich tiefe Ergriffenheit bei der Trauergemeinde ausbreitete. Auch sie selbst verspürte einen Kloß im Hals, hinter ihren Lidern brannte es. So glockenrein und mit echtem Gefühl hatte Elfie das »Ave Maria« noch nie gehört. Offensichtlich hatten die Hinterbliebenen nicht gespart und eine ausgezeichnete Opernsängerin engagiert. Wahrscheinlich konnten sie ihr Glück kaum fassen, dachte Elfie bei sich, sie hatten nun allen Grund zu feiern.

Sechs distinguierte Herren traten nach vorn und hoben den Sarg an. Das mussten Morgensterns Bekannte aus dem Rotary-Club sein. Auch sie hatte jemand mit Sorgfalt ausgewählt. Sie waren alle ungefähr gleich groß und schritten gleichmäßig und würdevoll dahin. Was für ein schönes Bild.

Die Familie wirkte sehr gefasst, vor allem die Witwe. Kein Wunder, Frau Morgenstern war deutlich jünger als ihr Mann. Sie konnte jetzt noch einmal ganz von vorn beginnen.

Am Grab sprach der Pfarrer noch ein paar kurze Worte. Als er den »tragischen Unglücksfall« erwähnte, brach ein Sonnenstrahl durch den wolkenverhangenen Märzhimmel. Elfie konnte nur mit Mühe ein Kichern unterdrücken. Schnell zog sie ihr Taschentuch hervor und kaschierte ihre Belustigung mit einem Hüsteln. Wie immer trat sie als Letzte an das Grab und warf eine schwarze Rose auf den Sarg. Diesmal hatte sie eine mit extra vielen Dornen ausgesucht. Dann häufte sie mit der Schaufel so viel Erde wie möglich auf und warf sie schwungvoll hinterher. Erde zu Erde. Adieu, Martin Morgenstern.

Mit sich und der Welt im Reinen, verließ Elfie den Friedhof. Es war immer ein erhebendes Gefühl, ein Projekt erfolgreich beendet zu haben. Und diese würdevolle Beerdigung hatte den krönenden Abschluss gebildet. Einen Moment lang überlegte Elfie, ob sie noch bei Ludwig vorbeischauen sollte. Aber Montag fiel nicht in ihre üblichen Besuchszeiten, das würde ihn nur verwirren. Sie konnte ihm auch morgen noch von dem wunderschönen Begräbnis erzählen. Und übermorgen würde sie mit ihrem neuen Auftrag bei der Sekuranz-Versicherung beginnen.

2»Gestatten, mein Name ist Ruhland, Elfriede Ruhland. Ich bin hier, um Ordnung zu schaffen.« Mit einem Lächeln übergab Elfie ihre Visitenkarte.

»Toll, dass Sie da sind. Ich bin Jenny Lehmann, die Assistentin von Frau Schicketantz. Sie ist zurzeit außer Haus. Aber ich werde Ihnen alles zeigen.«

Die junge Frau warf einen Blick auf die Visitenkarte. »Ordnung ist das halbe Leben«, las sie Elfies Slogan. »Na, dann leben wir hier wohl in der anderen Hälfte. Unsere Ablage versinkt im Chaos. Kommen Sie, Ihr Platz ist da hinten.«

Mit traumwandlerischer Sicherheit schlängelte sich Jenny Lehmann zwischen den Schreibtischen hindurch, von denen man vor lauter Aktenstapeln kaum etwas sehen konnte. Ein großer Tisch am Fenster war mit Ablagekörben und farbigen Mappen übersät. Schnell nahm Jenny einen Stoß Akten vom Schreibtischstuhl, sah sich suchend um und packte die Mappen dann auf einen ohnehin schon schwindelerregend hohen Turm, der augenblicklich ins Wanken geriet. Automatisch streckte Elfie die Hände aus, doch wider Erwarten fiel der Stapel nicht um.

»So, das ist Ihr Arbeitsplatz. Gleich hier finden Sie die Ordner, in die alles einsortiert werden muss.«

Jenny zeigte auf Regale, die eine ganze Wand des Großraumbüros vom Boden bis zur Decke füllten, und eine riesige Hängeregistratur dem Fenster gegenüber.

»Wie aufmerksam von Ihnen, dass Sie mir einen Tisch ans Fenster gestellt haben. Da ist das Licht so gut«, sagte Elfie.

Jenny errötete. »Das war eigentlich eher Zufall.«

»Nein, das sollte so sein. Zufälle gibt es nicht im Leben, Frau Lehmann.«

»Sagen Sie doch Jenny zu mir, das tut hier sowieso fast jeder. Und damit fühl ich mich auch wohler.«

Elfie nickte. »Aber gern, wenn Ihnen das lieber ist, Jenny.«

Als Jenny im Slalom zu ihrem Platz zurückging, schaute Elfie ihr interessiert nach. Wie einfallsreich sich die jungen Leute heute doch anzogen – diese verschiedenen Schichten übereinander. Jenny bevorzugte offenbar Geblümtes in allen Variationen, was ihr mädchenhaftes Aussehen vorteilhaft unterstrich. Ihre hellroten Haare und ihr blasser Teint ließen sie zerbrechlich wirken. Doch die unzähligen Sommersprossen verliehen ihr etwas Pfiffiges und ließen Elfie an ihren Ludwig denken.

Elfie ging von Tisch zu Tisch und stellte sich den anderen Mitarbeitern vor. Dann strich sie ihren Faltenrock glatt und machte sich an die Arbeit. Davon war reichlich vorhanden. Es gab weder eine alphabetische Ordnung noch ein nach Farben gegliedertes System, nicht einmal Inhaltsverzeichnisse. In diesem Aktenchaos konnte sich wirklich kein Mensch zurechtfinden.

Zunächst aber nahm sie aus ihrer Tasche das Handwerkszeug, das sie nach den Erfahrungen der Vergangenheit immer selbst an einen neuen Arbeitsplatz mitbrachte. Sie sortierte alles in die Schubladen: farbige Stifte, Lineal, Scheren, Anspitzer, Radiergummis, Alleskleber, Büroklammern. In ein kleines Fach in der Mitte legte sie ihren Füller mit der Goldfeder, ein Geschenk von Ludwig.

Nun brauchte sie nur noch einen vernünftigen Locher. Hilfesuchend schaute sie zu Jenny Lehmann hinüber. Die merkte gleich auf und trat sofort vor Elfies Schreibtisch.

»Kann ich Ihnen helfen?«

»Ja, ich brauche dringend einen stabilen Locher.«

»Am besten Sie rufen direkt das Lager im Keller an. Wird von Herrn Bender betreut. Er hat die Durchwahl sieben-acht. Ich geh aber auch gern runter und hol Ihnen den Locher rauf.«

Jenny flitzte los und war in wenigen Minuten mit einem großen schwarzen Locher zurück.

Elfie strahlte. »Sie sind ein Schatz! Zum Dank richte ich Ihnen ein wunderbar übersichtliches System ein.«

»Das wäre klasse, wenn man endlich mal auf Anhieb was finden könnte.«

»Das werden Sie bestimmt, das verspreche ich Ihnen.«

Als Erstes nahm sich Elfie die Ablagefächer vor, und allmählich wuchsen auf ihrem Tisch akkurat geordnete Stapel in die Höhe. Ab und zu sah Elfie über ihre Lesebrille hinweg auf ihre neue Umgebung. Eigentlich mochte sie Großraumbüros nicht so gern. Das ständige Telefonklingeln und Tastaturgeklapper sorgten oft für eine erhebliche Geräuschkulisse. Aber hier gefiel es Elfie. Ein voluminöser Gummibaum, ein gelbgrüner Ficus sowie ein großblättriger Philodendron und einige Zimmerpalmen schluckten die Geräusche und lenkten von den kalten grauen Metallschreibtischen ab. Außerdem hatte Elfie trotz der üppigen Pflanzen alle Mitarbeiter im Blick, was bei ihrer Arbeit ein unschätzbarer Vorteil war. Alles in allem herrschte in diesem Büro eine betriebsame und arbeitsreiche, aber durchaus harmonische Atmosphäre. Elfie seufzte zufrieden und widmete sich weiter ihren Stapeln.

Während Elfie die letzten Blätter der Ablage einsortierte, wurde es totenstill im Büro. Sie blickte verwundert auf. Auch das Licht schien trüber geworden zu sein. Sie sah zum Fenster. Strahlender Sonnenschein! Nun nahm Elfie das Klackern hoher Absätze wahr, das immer lauter wurde. Alle verschanzten sich hinter ihren Akten. Nur Jenny sprang auf und eilte zur Tür.

»Guten Morgen, Frau Schicketantz«, sagte Jenny zu der hereinstöckelnden Dame. Das also war die Abteilungsleiterin.

Ohne nach links oder rechts zu sehen, ging diese grußlos auf ihr Büro zu, ließ ihr rotgepaspeltes schwarzes Wollcape von den Schultern gleiten. Jenny konnte es gerade noch auffangen. Elfie schob ihre Lesebrille auf die Nasenspitze und sah über den Brillenrand hinweg die schmale Silhouette der Vorgesetzten in ihrem Büro verschwinden.

»Wo sind die Unterlagen im Fall Schobert?«, scholl es schrill durch die offene Tür. »Wie lange soll ich eigentlich noch darauf warten? Herrgott, Frau Lehmann, gehen Sie mir doch aus dem Weg. Haben Sie mein Cape endlich aufgehängt? Das dauert wieder. Kein Wunder, dass Sie nichts geschafft kriegen. Also, wo sind die Unterlagen Schobert! Herr Weber, brauchen Sie eine schriftliche Einladung?«

Im hintersten Winkel des Großraumbüros erhob sich ein junger Mann so hastig, dass sein Stuhl gegen die Wand krachte.

»Was ist denn das schon wieder für ein Lärm! Nicht zum Aushalten! Sollte heute nicht diese Office-Managerin anfangen? Statt nur für Ordnung könnte sie auch gleich für Ruhe sorgen!«

Elfie sah mitleidig zu Herrn Weber hinüber. Der junge Mann war blass geworden. Die Akte, die er in Händen hielt, fiel zu Boden, einzelne Blätter flatterten umher. Hektisch griff er nach ihnen und stürmte los.

»Na endlich! Was ist das eigentlich für ein Laden, den ich übernommen habe? Das reinste Chaos! Frau Lehmann, schicken Sie mir diese komische Ordnungstante rein. Und machen Sie mir einen Kaffee. Aber dalli!«

Jenny blickte mit verzweifeltem Gesichtsausdruck zu Elfie herüber, hob hilflos die Schultern. Elfie stand auf und ging in das Büro der Abteilungsleiterin. Als sie an Jenny vorbeikam, lächelte sie ihr aufmunternd zu und drückte ihre Hand. Sie war eiskalt.

»Darf ich mich vorstellen? Ich bin Elfie Ruhland. Hier ist meine Karte. Ich organisiere in den nächsten Wochen Ihr Büro.«

»Wunderbar, es ist dringend nötig, dass hier mal jemand gründlich aufräumt. Mein Vorgänger hat mir ein heilloses Durcheinander hinterlassen. Und ich muss jetzt sehen, wie ich damit fertig werde.« Nadine Schicketantz’ Lächeln erinnerte Elfie an eine Raubkatze, die sich auf ihre Beute freut. Ihr Lippenstift passte genau zu ihrem roten Kostüm. »Also, ich hoffe, dass Sie die Arbeitsabläufe dieses Büros binnen kurzem neustrukturiert und optimiert haben. Dieser Laden muss endlich zum Laufen gebracht werden, damit ich den Rücken frei habe und mich um die strategischen Aufgaben kümmern kann.«

Elfie legte den Kopf schief.

»Ein bisschen wird es schon dauern, bis hier Ordnung herrscht«, meinte sie.

»Nun, wie dem auch sei«, sagte Nadine Schicketantz, »Frau Lehmann soll Ihnen zur Hand gehen. Obwohl es dadurch sicher nicht rascher geht. Die junge Dame ist weiß Gott nicht die Schnellste. Wo bleibt mein Kaffee?!«

Jenny balancierte das Tablett mit Tasse, Milch und Zucker zur Tür herein. Ihre Hand zitterte, und unter den strengen Augen von Nadine Schicketantz verschüttete sie ein wenig Kaffee, der prompt auf ihr Kleid schwappte.

»Nicht einmal das können Sie!«, spottete Nadine Schicketantz. »Um den Kaffee ist es schade, um Ihr Kleid weniger. Wo kann man eigentlich solche Fummel kaufen? In der Gärtnerei? Klar, dass Sie die Blumen gießen müssen.« Sie lachte laut über ihre eigene Bemerkung.

Jenny war noch blasser geworden. Ihre Sommersprossen funkelten im Wettstreit mit den pinkfarbenen Blümchen ihres Kleides.

»Ach, mir gefällt, wie sich die jungen Leute heute kleiden«, sagte Elfie und lächelte Jenny zu, deren Gesicht sich aufhellte.

Nadine Schicketantz’ Lächeln dagegen verschwand, ihr roter Mund wurde zu einem schmalen Strich.

»Frau Lehmann, bringen Sie mir einen frischen Kaffee. Und dann an die Arbeit! Ich gehe davon aus, dass Sie meinen Bericht abgeschlossen haben, und erwarte ihn auf meinem Schreibtisch.«

Als Elfie zurück zu ihrem Tisch ging, stellte sie fest, dass sämtliche Mitarbeiter mit gesenkten Köpfen dasaßen. Nachdenklich strich Elfie über die Kette ihres Medaillons und holte ihr Notizbuch aus der Tasche. Sie blätterte durch die vielen eng beschriebenen Seiten und schüttelte den Kopf. Bisher war es erst ein einziges Mal vorgekommen, dass sie schon am ersten Tag ein neues Projekt in Angriff hatte nehmen müssen. Auf eine leere Seite schrieb sie in Druckbuchstaben »NADINE SCHICKETANTZ« und unterstrich den Namen zweimal. Den Rest der Seite unterteilte sie mit einem schwarzen Mittelstrich. Über die linke Hälfte setzte sie ein grünes Pluszeichen, über die rechte ein rotes Minuszeichen. Darunter kam der erste Eintrag – natürlich ein Minus, das Elfie mit Datum und Uhrzeit versah.

Genug für heute. Gegen 18  Uhr klappte Elfie den Ordner zu. Sie streckte sich und rieb sich die Augen. Sie hatte ganz schön was geschafft. Ihr Schreibtisch war fast leergeräumt. Morgen würde sie sich den Akten auf den Fensterbänken widmen. Sie sah über die Papierstapel hinweg, die sich vor ihrem Schreibtisch türmten.

Außer ihr war niemand mehr im Raum. Jenny war vor ein paar Minuten im Büro der Abteilungsleiterin verschwunden und hatte die Tür hinter sich geschlossen. Es war nur undeutliches Gemurmel zu hören.

Plötzlich keifte Nadine Schicketantz los.

»Wie stellen Sie sich das vor? Meinen Sie, ich hätte Lust, wegen Ihrer Trödelei meine Chancen in der Firma aufs Spiel zu setzen? Sie wollen meine Assistentin sein? Sehen Sie bloß zu, dass Sie fertig werden! Übermorgen will ich den Bericht haben, aber diesmal muss er präsentabel sein. Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen. Ich kann Ihr Blümchengesicht nicht mehr sehen!«

Die Bürotür öffnete sich. Jenny stürmte heraus. Ihre Schultern zuckten.

Elfie folgte ihr in die Teeküche und nahm sie tröstend in den Arm. »Sie Arme! Hier, bitte.« Sie hielt Jenny ein Stofftaschentuch hin. Jenny entwand sich ihr, riss ein Stück Papier von einer Haushaltsrolle ab und putzte sich die Nase.

»Geht schon wieder«, murmelte sie. »Aber es ist gemein, wie die Schicketantz sich aufführt. So oft habe ich schon Überstunden gemacht, Dateien und Statistiken für sie aufbereitet und ihr meine Vorschläge präsentiert. Sie bedankt sich nicht einmal – im Gegenteil, sie macht mich nur runter. Und dann geht sie noch zur Geschäftsleitung und verkauft meine Ideen als ihre. Gemein, einfach gemein!«

Jenny schluchzte noch einmal auf. Elfie strich ihr über den Rücken.

»Soll ich Ihnen einen Tee machen?«

Elfie blickte auf das hölzerne Kästchen mit den Teebeuteln, das auf der Arbeitsplatte stand. Earl Grey, Hibiskus, Rooibos, Melisse, Kamille – in wildem Durcheinander. Sie drehte die Papiertütchen so herum, dass man die Aufschrift lesen konnte, und reihte sie sorgfältig hintereinander.

»Vielleicht einen Kamillentee? Der beruhigt.«

»Bloß nicht!« Jenny schüttelte sich. »Den musste ich immer bei meiner Großmutter trinken, wenn ich krank war. Scheußlich! Aber trotzdem danke. Am besten gehe ich jetzt einfach nach Hause.«

»Dann tun Sie sich wenigstens dort etwas Gutes. Trinken Sie einen heißen Kakao, und denken Sie nicht mehr an die Firma. Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!«

»Wer’s glaubt …«, schniefte Jenny.

»Aber natürlich, Sie werden sehen, es kommt alles in Ordnung«, sagte Elfie bestimmt, griff nach Tasche und Schal und machte sich ebenfalls auf den Heimweg.

Im Treppenhaus blieb sie stehen, zückte ihr Notizbuch und trug mit dem roten Stift ein weiteres Minus auf der neuen Seite ein. Sie runzelte die Stirn. Zwei Einträge an einem Tag hatte noch niemand geschafft.

3Alex hielt die Waffe mit ausgestreckten Armen vor sich, ging hinter einer niedrigen Mauer in Deckung, spähte dann vorsichtig darüber hinweg und versuchte zu erahnen, was als Nächstes passieren würde.

Auf einmal sprang ein Mann mit Motorradhelm hinter einem Auto hervor. Er hielt eine Maschinenpistole umklammert und zielte.

Alex erstarrte für den Bruchteil einer Sekunde, bis das monatelang eintrainierte Programm einsetzte  – den Täter anrufen, sich als Polizist zu erkennen geben und ihn zur Aufgabe bewegen.

Alex konzentrierte sich auf den Schützen, versuchte, sich in ihn hineinzudenken, mit ihm zu reden. Zuerst stand er nur da, dann ließ er die Waffe sinken. Erleichtert atmete Alex aus.

Doch im selben Moment erschien ein anscheinend völlig ahnungsloser Kollege in Uniform auf der Bildfläche. Sofort riss der Täter die Waffe wieder hoch. Alex visierte ihn an und gab einen gezielten Schuss ab. Der Mann kippte vornüber, seine Waffe fiel scheppernd zu Boden.

»Schluss für heute.« Die Stimme drang blechern aus dem Lautsprecher.

Mit schweißnassen Händen steckte Alex die Heckler  & Koch ins Holster.

Draußen wartete Franz Gutbein, der Trainer im Schießkino. Er grinste.

»Gut gemacht! Du hast kaum fünf Minuten gebraucht, um ihn auszuschalten. Wenn nicht der Grüne aufgetaucht wäre, hätte der Schütze schon allein wegen deiner schönen Worte aufgegeben.« Gutbein war ein netter Kerl, immer fröhlich und umgänglich.

»Vielleicht habe ich mich zu stark auf den Täter konzentriert und die Umgebung vernachlässigt.« Alex blickte mit gerunzelter Stirn auf die Videoaufzeichnung, die Gutbein gestartet hatte.

»Nein, nein, das war schon ganz richtig so. Du bist ja nie allein bei einem Einsatz, so dass die Kollegen dich abgesichert hätten.«

»Hätte ich nicht doch irgendwie verhindern können, dass er in Panik gerät?« Alex schaute Gutbein fragend an.

»Das weißt du doch selbst. In so einer Situation ist man völlig machtlos, das geht so schnell, da ist nichts mehr zu machen.« Gutbein blätterte in seinen Unterlagen. »Du weißt, dass du gleich noch am Schießstand dran bist? Dein Chef übrigens zur gleichen Zeit mit dir. Hoffentlich vergisst der Herr Hauptkommissar seinen Termin nicht, sonst kann ich wieder hinter ihm hertelefonieren.«

Es lohnte nicht, zurück ins Büro zu gehen, also holte sich Alex einen Kaffee aus dem Automaten, setzte sich auf eine der Bänke vor den Schießkabinen und beobachtete die Kollegen.

Alex mochte es, mit Waffen umzugehen, hatte es schon als Kind gelernt, natürlich unter der strengen Aufsicht von Großvater und Onkel, die begeisterte Jäger waren.

Noch ein letzter Schluck Kaffee, dann warf Alex den Pappbecher in den Papierkorb und betrat den Schießstand. Die gewohnte Routine begann: Kopfhörer aufsetzen, zur Waffe greifen, die korrekte Haltung einnehmen, sich auf das Ziel konzentrieren und feuern. Nach dem Probetraining überprüfte Alex mit Gutbein die Ergebnisse. Da klappte eine Tür, und aus einer der anderen Schießkabinen erschien Brause mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht.

»Na, wie war ich?«, fragte er und biss in seine Leberkässemmel.

»Sehr gut, wie immer. Aber du solltest mal die Ergebnisse von Alex sehen. Sie schießt erstklassig. Da kannst nicht mal du mithalten. Hier, schau mal.« Gutbein präsentierte stolz Alex’ Schießergebnisse, so als ob er selbst dafür verantwortlich wäre.

Brauses Gesicht verfinsterte sich. »Bei Adels wird einem das Schießen wohl in die Wiege gelegt. Glaub bloß nicht, dass ich jetzt Schützenkönigin zu dir sage.« Er starrte Alex böse an und polterte hinaus.

Gutbein kicherte. »Das hat ihm aber gar nicht geschmeckt, dass ihm jemand den Rang abgelaufen hat – und dann auch noch eine Frau. Gut gemacht.« Er hieb Alex derb auf die Schulter. Dann sah er sich um, ob sie auch wirklich allein waren, und senkte die Stimme. »Ab und zu machen die Kollegen hier ein kleines Wettschießen. Es ist zwar nicht erlaubt, aber was keiner weiß, macht keinen heiß. Brause zieht sie immer alle ab. Aber nun sieht es so aus, als ob er seinen Meister gefunden hätte.«

4Es war ein herrlicher Samstagmorgen. Wie immer nahm Elfie den Bus um 9.53 Uhr.

»Na, geht’s wieder zum Waldfriedhof ?«, fragte der Busfahrer, als sie einstieg.

Elfie nickte und deutete auf ihren Picknickkorb.

»Heute ist es auch das erste Mal warm genug, um dort zu frühstücken.«

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