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Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt - manisch-depressive Stimmungsschwankungen kennen viele. Aber wie kann man sie ertragen oder besser noch lindern? Die Psychiaterin Candida Fink erklärt, was im Gehirn passiert, wie man den richtigen Arzt findet und welche Therapien und Medikamente heute angewandt werden. Betroffenen und Angehörigen gibt sie Tipps zur Selbsthilfe, die die Symptome lindern können, Krisenzeiten überstehen lassen und sie für manische oder depressive Episoden wappnen. Übungen, Checklisten und Stimmungsbarometer machen auch kleine Fortschritte gleich ersichtlich und helfen, den Alltag in Familie und Beruf trotz aller Stimmungsschwankungen zu meistern.
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Seitenzahl: 580
Folgende Checkliste soll Ihnen als Entscheidungshilfe bei der Frage dienen, ob Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollten. Je mehr Punkte Sie ankreuzen und je länger die jeweiligen Symptome bereits bei Ihnen auftreten, desto größer ist die Notwendigkeit, einen Fachmann zu konsultieren.
Sie schlafen wesentlich mehr als sonst und fühlen sich trotzdem müde. Es fehlt Ihnen an Energie – die kleinste Aufgabe erfordert eine große Anstrengung. Es fällt Ihnen schwer, einzuschlafen oder durchzuschlafen. Sie empfinden sich als schlechten Menschen, obwohl Sie nichts Schlimmes getan haben. Das Leben erscheint Ihnen schrecklich, und die Zukunft düster. Sie können sich zu nichts aufraffen. Schon bei kleinen Projekten brauchen Sie ewig, bis Sie fertig sind. Sie haben das Gefühl, dass niemand Sie liebt. Sie denken, dass alles Ihre Schuld ist. Alles ist negativ. Sie denken, dass Sie besser tot wären. (Wenn Sie diesen Punkt ankreuzen, holen Sie sich sofort Hilfe. Rufen Sie die 112 an.)Wenn Sie sich nicht sicher sind, ob Sie Hilfe brauchen, kann ein Gespräch mit einem Fachmann über Ihre Symptome viel dazu beitragen, Ihre Sorgen zu zerstreuen.
Wenn Sie einen Arzt konsultieren, weil Sie sich depressiv fühlen, sollten Sie ihm eventuell bereits erlebte manische oder hypomanische Symptome unbedingt mitteilen, damit er feststellen kann, ob Sie eine unipolare Depression oder eine bipolare Depression haben. Prüfen Sie folgende manische Symptome daraufhin, ob sie bei Ihnen in einem Zeitraum von einem bis vier Tagen schon einmal aufgetreten sind:
Sie fühlen sich körperlich gut und brauchen dabei sehr wenig Schlaf. Sie fühlen sich energiegeladen, ganz so, als ob Sie alles machen könnten! In Ihrem Gehirn entwickeln sich neue Ideen schneller, als Sie sie verarbeiten können. Sie haben das Bedürfnis, in einem fort zu reden. Sie fühlen sich gereizt oder verlieren bereits bei Kleinigkeiten die Beherrschung. Andere Menschen fordern Sie auf, die Dinge doch einmal langsam anzugehen. Sie fühlen sich aktiv, kontaktfreudig und lassen sich leicht ablenken. Sie geben das Geld mit vollen Händen aus und schöpfen Ihr Kreditkartenlimit voll aus. Sie sind sexuell hyperaktiv und gehen beim Sex Risiken ein. Sie reden so schnell, dass die anderen nicht mitkommen oder Sie nicht verstehen. Sie fühlen sich, als seien Sie der Beste und Schnellste bei allem, was Sie tun.Bei Kindern treten bipolare Störungen in der Regel anders in Erscheinung als bei Erwachsenen. Darüber hinaus teilen sie viele Symptome mit anderen Störungen, etwa Ängsten, Depressionen und ADHS. Auf die folgenden Warnzeichen sollten Sie aufmerksam achten:
Sie bemerken große Verhaltensveränderungen; Ihr Kind ist viel aktiver oder passiver als sonst. Ihr Kind schläft andauernd oder strotzt nur so vor Energie und hat kaum ein Bedürfnis nach Schlaf. Ihr Kind ist ständig gereizt und über das normale Teenagerverhalten hinaus zornig. Ihr Kind durchlebt unkontrollierte Wutanfälle bei kleineren Alltagsanforderungen. Ihr Kind zerstört Gegenstände, zeigt Aggressionen oder droht damit, andere zu verletzen. (Wenn Sie dieses Warnzeichen beobachten, sollten Sie sich sofort professionelle Hilfe holen.) Ihr Kind hasst sich selbst oder hat das Gefühl, nichts richtig machen zu können. Ihr Kind hat sich zurückgezogen oder beteiligt sich an potenziell gefährlichen Aktivitäten, wie ungeschützter Sex, Drogenkonsum, exzessiver Konsum, Diebstahl und so weiter. Ihr Kind ist ständig traurig, hoffnungslos, verzweifelt oder zu Tode gelangweilt. Sie stellen Veränderungen bei der Konzentrationsfähigkeit Ihres Kindes fest, abfallende Schulnoten oder andere Probleme in der Schule. Ihr Kind hat Suizidgedanken geäußert oder sich selbst verletzt, etwa durch Schnitte. (Wenn Sie dieses Warnzeichen beobachten, sollten Sie sich sofort professionelle Hilfe holen.)Wenn man sich elend fühlt, sollte man eigentlich die Gegenwart anderer Menschen schätzen. Merkwürdig ist nur, dass man genau dann mit den engsten Freunden und früheren Lieblingsbeschäftigungen gar nichts zu tun haben will. Zwingen Sie sich, am Leben teilzunehmen. Die folgenden Anregungen können Ihnen helfen:
Kaufen Sie ein oder zwei Dinge im Supermarkt. Verabreden Sie sich mit einem Freund zum Mittagessen. Gehen Sie in eine Bibliothek oder ein Museum. Gehen Sie einmal um den Block. Gehen Sie einen Kaffee trinken (koffeinfrei, natürlich). Nehmen Sie an einer Selbsthilfegruppe teil. Verbringen Sie weniger Zeit im Bett. Treiben Sie Sport. Arbeiten Sie im Garten. Suchen Sie sich ein neues Hobby.Wenn Sie wachsam bleiben und schnell auf frühe Warnzeichen für eine Stimmungsepisode reagieren, können Sie Manien möglicherweise ausweichen. Die folgenden Tipps können Ihnen dabei helfen:
Merken Sie sich Jahreszeiten oder Zeiträume, die Sie als besonders stressig empfinden, und fragen Sie Ihren Arzt und Ihren Therapeuten, wie Sie Stress am besten reduzieren und bewältigen können.Schlafen Sie mehr und feiern Sie weniger, bis sich Ihre Stimmung stabilisiert.Lenken Sie Ihre Energie in produktive körperliche Arbeit um.Meiden Sie die falschen Leute – Menschen, die Sie stressen oder aufputschen.Rufen Sie einen Freund an – einen von der ruhigen Sorte.Hören Sie ruhige Musik, um sich zu beruhigen.Atmen Sie tief, strecken Sie sich und konzentrieren Sie sich, ohne allzu viel an die Zukunft zu denken.Melden Sie sich krank, wenn Ihre Arbeit zu großen Stress verursacht.Fragen Sie Ihren Therapeuten um Rat.Lassen Sie Ihre Medikamente überprüfen – von Ihrem Arzt.Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2010
© 2010 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Original English language edition »Bipolar Disorder For Dummies«: Copyright © 2005 by Wiley Publishing, Inc., Indianapolis, Indiana. All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This Ebook is published under license with the original publisher John Wiley and Sons, Inc.
Copyright der englischsprachigen Originalausgabe »Bipolar Disorder For Dummies« © 2005 von Wiley Publishing, Inc., Indianapolis, Indiana. Alle Rechte vorbehalten inklusive des Rechtes auf Reproduktion im Ganzen oder in Teilen und in jeglicher Form. Dieses E-Book wird mit Genehmigung des Original-Verlages John Wiley and Sons, Inc. publiziert.
Wiley, the Wiley logo, Für Dummies, the Dummies Man logo, and related trademarks and trade dress are trademarks or registered trademarks of John Wiley & Sons, Inc. and/or its affiliates, in the United States and other countries. Used by permission.
Wiley, die Bezeichnung »Für Dummies«, das Dummies-Mann-Logo und darauf bezogene Gestaltungen sind Marken oder eingetragene Marken von John Wiley & Sons, Inc., USA, Deutschland und in anderen Ländern.
Das vorliegende Werk wurde sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren und Verlag für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Korrektur Frauke Wilkens, München
ISBN: 978-3-527-70551-1 ePDF ISBN: 978-3-527-65815-2 ePub ISBN: 978-3-527-65814-5 mobi ISBN: 978-3-527-65816-9
Candida Fink ist Fachärztin für Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychiatrie und praktiziert privat in New York. Dr. Fink ist Absolventin der Boston University Medical School und schloss an der Harvard Medical School ein weiterführendes Studium ab. Zurzeit arbeitet sie als Privatdozentin am Westchester Medical College. Sie hat langjährige Erfahrungen in der Behandlung von Kindern und Erwachsenen mit schwierigen psychischen Erkrankungen. Ein großer Teil ihrer Arbeit befasst sich mit affektiven Störungen, insbesondere Fragen zur Diagnose und Behandlung von bipolaren Störungen.
Darüber hinaus arbeitet Candida Fink in vielen Fällen mit Schulen und anderen Einrichtungen in Fragen von Entwicklungsstörungen und psychischen Erkrankungen zusammen. Sie kennt affektive Störungen aus ihrer eigenen Familie und konnte sie dort aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Candida Fink weiß, wie wichtig die Einbeziehung der Familie für den Erfolg einer Behandlung ist. Sie führt Beratungen durch und hält häufig Vorträge zu bipolaren Störungen bei Kindern.
Joe Kraynak ist freiberuflicher Autor und Koautor zahlreicher Bücher zu unterschiedlichen Themen, von Slam Poetry bis zu Computertechnik. Er hat seine Kenntnisse über bipolare Störungen in der harten Schule des Lebens erworben. Am 10. Dezember 1999 wurde bei seiner Frau Cecie, die damals als Spanischlehrerin arbeitete, eine bipolare Störung diagnostiziert. Seit jenem Tag haben die beiden ein halbes Dutzend Ärzte und noch mehr Therapeuten abgeklappert, arbeiteten einige junge Eheberater ein, überlebten etliche Änderungen in der Krankenversicherung, nahmen an vielen Treffen von Selbsthilfegruppen teil und ertrugen Berufswechsel und finanzielle Nöte, wie sie üblicherweise mit manisch-depressiven Störungen einhergehen. In diesem Buch bietet Joe Kraynak die Erfahrungen und Einsichten seines Lebens an vorderster Front an.
Inhaltsverzeichnis
Stellen Sie sich vor, Sie fahren mit 100 ruhig auf der Autobahn vor sich hin und plötzlich spielt der Tempomat verrückt. Der Tacho klettert auf 120 und weiter auf 140 … Sie versuchen, den Tempomat auszuschalten … treten auf die Bremse … Sie werden einfach nicht langsamer … 150 … Ihr Wagen rüttelt und schlingert … 160 … andere Fahrer hupen … 170 … die Polizei verfolgt Sie … 180 … Ihr Partner brüllt Sie an LANGSAMER ZU FAHREN … 185 … 190 …
Oder stellen Sie sich das genaue Gegenteil vor: Sie fahren durch die Stadt, und obwohl das Tempolimit immerhin 50 km/h zulässt und niemand vor Ihnen fährt, schafft Ihr Wagen gerade mal 5 km/h. Sie treten das Gaspedal fast durch den Boden und doch können Sie Ihr Auto nur auf 8 km/h beschleunigen … bergab! Ihre Nachbarn hupen und überholen Sie rechts – auf Fahrrädern – werfen Ihnen böse Blicke zu und gestikulieren wild.
Wenn Sie an einer bipolaren Störung leiden, klemmt das Gaspedal in Ihrem Gehirn. Aus voller Fahrt stürzen Sie in eine manische Episode. Im Schleichtempo verfallen Sie in eine tiefe Depression. Wenn es um Ihr Herz ginge, würde jemand den Krankenwagen rufen, Ärzte und Schwestern eilten an Ihr Bett, Ihre Lieben reisten von überall her an, Körbe voller Blumen und Obst füllten das Zimmer. Aber wenn Ihr Gehirn in der Antriebslosigkeit oder auf Hochtouren feststeckt, denkt Ihr Umfeld nur, Sie seien faul, bedrückt oder zu kraftlos, um das Leben zu meistern. Statt Blumen und Obstkörbe drückt man Ihnen die Kündigung oder die Scheidungspapiere in die Hand.
Gut zu wissen, dass die Werkzeugkästen der Seelenklempner – Psychiater, Psychologen und Therapeuten – prallvoll sind mit Medikamenten und Therapien für die Reparatur Ihres Gehirnantriebs. Dieses Buch beschreibt die Werkzeuge, die es Ihnen ermöglichen, mit den entsprechenden Strategien und Methoden selbst eine ausgeglichene Gemütslage aufzubauen und zu halten und sich dadurch viel besser zu fühlen.
Dieses Buch soll mehr als eine reine Reparaturanleitung für bipolare Gehirne sein. Sicher stellen wir Ihnen Diagnosen und Behandlungen, verfügbare Medikamente und Therapien sowie Veränderungen Ihrer Lebensweise vor, die das Leben mit dieser Erkrankung für Sie erträglicher machen. Doch wir wollen noch weiter gehen und Ihnen einige der Ursachen und Folgen einer bipolaren Störung aufzeigen. Sie sollen Zugang zu einzelnen Überlebensstrategien in Krisenzeiten erhalten und erfahren, wie Freunde und Familie von einer bipolaren Störung betroffene Menschen unterstützen können. Wir verhelfen Ihnen zu einem tieferen Verständnis bipolarer Störungen und ihrer Symptome. Wir wollen Sie dazu befähigen, mehr zu Ihrer Behandlung beitragen zu können, Ihre Symptome zu beseitigen und Ihre Leistungsfähigkeit wiederzuerlangen.
Im Bemühen um ein besseres Lebensgefühl für Sie oder Ihre Lieben und den Erhalt einer stabilen Gemütslage, konzentrieren wir uns auf die drei wichtigen Punkte der Behandlung einer bipolaren Störung:
Kontinuität: In einer Zeit der Spezialisierung und regulierten Gesundheitsvorsorge werden Patienten häufig von einem Arzt oder Therapeuten zum anderen geschoben, und jeder Fachmann hat einen anderen Ansatz. Dabei können drastische Änderungen in der Medikation oder der Therapie das Gleichgewicht stören. Deshalb will dieses Buch Sie darin bestärken, einen Behandlungsplan zu entwickeln, dem alle Ihre Helfer folgen und der auch dann noch für Sie gilt, wenn Sie den Arzt oder den Therapeuten wechseln.Ganzheitlichkeit: Die meisten erfolgreichen Behandlungspläne setzen auf einen dreifachen Ansatz mit Medikamenten, Therapie und Änderungen der Lebensweise. In diesem Buch erklären wir, warum Ihr Behandlungsplan sich mit allen drei Faktoren befassen sollte. Wir nehmen die derzeit wirksamsten Medikamente und Therapien sowie Möglichkeiten eines unterstützenden Umfelds und Änderungen der Lebensweise in Augenschein.Koordination: Kommunikation ist der Schlüssel zu einer koordinierten Behandlung, und Störfälle sind hierbei am häufigsten Ursache für Fehlversuche. Wenn Sie erfolgreich sein wollen, seien Sie offen und ehrlich zu Ihrem Arzt, Ihren Therapeuten und Ihren Angehörigen und ermuntern Sie diese, untereinander zu kommunizieren. Überall im Buch finden Sie Methoden, um die Kommunikation zwischen allen Mitgliedern Ihres Behandlungsteams zu verbessern.Natürlich ist dieses Buch kein Ersatz für eine professionelle psychiatrische Betreuung. Trotzdem kann Manisch-depressiv für Dummies Ihnen helfen, Ihre Behandlung besser verstehen zu lernen und eine eher partnerschaftliche und wertvolle Beziehung zu Ihren Gesundheitsdienstleistern aufbauen zu können.
Auch wenn wir dieses Buch als eher unkonventionell betrachten, kommen wir in der Darstellung nicht ohne einige Standards aus, zum Beispiel:
Wenn wir einen neuen, eher fachspezifischen Begriff erwähnen, wie zum Beispiel Expressed-Emotion-Konzept, wird dieser kursiv gedruckt. Wir erläutern den Begriff dann anschließend in verständlichen Worten oder liefern zur Erklärung einen geläufigeren Begriff in Klammern. E-Mail-Adressen und Webadressen erkennen Sie daran, dass sie in einer der guten alten Schreibmaschinenschrift nachempfundenen Schrift gedruckt sind. So wissen Sie stets genau, was Sie tippen müssen. Beinahe jedes Kapitel enthält Geschichten über manisch-depressive Menschen und ihre Angehörigen. Dabei handelt es sich nicht notwendigerweise um reale Personen – sie repräsentieren vielmehr eine Vielzahl von Menschen, die wir über die Jahre kennengelernt und mit denen wir gearbeitet haben.Sie können jeglichen mit dem Symbol für technische Aspekte gekennzeichneten Text überspringen. Die einzigen Menschen, die sich dafür ernsthaft interessieren, sind Ärzte und Anwälte, die erwägen, diese Ärzte zu verklagen. Die Kästen erzählen Geschichten, die auf Tatsachen beruhen. Und sie gehören zu den unterhaltsamsten Teilen des Buches. Überlegen Sie sich also besser genau, was Sie auslassen. Hinweis: Die Kästen mit dem Symbol »Manisch-depressive Menschen« sollten Sie nicht überspringen.
Wenn bei Ihnen (oder einem Angehörigen) eine bipolare Störung festgestellt wurde, werden Sie automatisch zum blutigen Anfänger. Vorher mussten Sie darüber nichts wissen und waren vermutlich auch nicht an diesem Thema interessiert. Nun müssen Sie sich plötzlich beeilen. Von dieser Annahme gehen wir in diesem Buch zunächst einmal aus. Wenn Sie bei einem Arzt oder Therapeuten gewesen sind und Ihnen bereits die Diagnose gestellt wurde, wissen Sie immerhin schon ein bisschen. Und wenn Sie sich an einer Fehldiagnose oder der falschen Methode die Finger verbrannt haben, soll Ihnen das sicher nicht noch einmal passieren. Egal wo Sie im Moment stehen, dieses Buch kann Ihnen helfen.
Wir nehmen auch an, dass Sie selbst – oder jemand, den Sie kennen – an einer bipolaren Störung leiden oder dass Sie sich aus einem anderen Grund für das Thema interessieren. Je mehr eine bipolare Störung Sie, Ihre Familie oder einen Bekannten betrifft, desto mehr können Sie mit diesem Buch anfangen.
Und schließlich gehen wir davon aus, dass Sie Sinn für Humor haben. Wie sagte doch schon Jean de la Bruyère so treffend: »Das Leben ist eine Tragödie für jene, die fühlen, und eine Komödie für jene, die denken.« Wir gehören zu den Denkenden. Wir lachen eher unter Tränen, als in unserem Elend zu schwelgen, obschon wir bereits unseren Anteil an Tränen vergossen haben. Wir haben manisch-depressive Angehörige und wir wissen, wie schmerzhaft dies für alle Beteiligten ist. Aber wir haben herausgefunden, dass die meisten Menschen mit einer bipolaren Störung und deren Angehörige einen gesunden Humor haben. Vielleicht weil sie klüger sind als der Durchschnitt, oder einfach weil sie mit so viel Widrigkeiten in ihrem Leben fertig werden mussten, dass sie jede sich bietende Gelegenheit nutzen zu lachen.
Wir wollten in diesem Buch sämtliche politisch korrekten Feinheiten und eine verniedlichende Psychosprache beiseite lassen. Wir haben uns entschlossen, die bitteren Tatsachen nicht mit Zuckerguss zu überziehen. Wir zögern auch nicht, über die Absurdität eines Lebens mit bipolarer Störung zu lachen. Wir hoffen freilich, dass Sie nichts davon über die Maßen anstößig finden und sich selbst das eine oder andere Lachen gönnen.
Sie können sich diesem Buch auf zwei Arten nähern. Sie können es in die Hand nehmen und ein beliebiges Kapitel aufschlagen, um sich einen Einblick in ein spezielles Thema zu verschaffen. Oder Sie lesen es Seite für Seite. Damit Sie das Ganze besser überblicken können, sind die 21 Kapitel auf sechs Teile verteilt. Die folgenden Beschreibungen liefern eine grobe Übersicht zum Inhalt.
Die drei Kapitel in diesem Teil geben einen kurzen Überblick über Erscheinungsformen der bipolaren Störung. Sie lernen, die Merkmale einer bipolaren Störung zu erkennen, und erfahren, wie betroffene Menschen und ihre Familien davon beeinträchtigt werden. Wir lüften den Schleier der Diagnose, um die vielen Gesichter der bipolaren Störung zu entlarven, und umreißen die führenden Theorien zu möglichen Ursachen. Wir stellen einige der wirksamsten Behandlungen vor und erklären Ihnen, warum Vorbeugung eine solch entscheidende Rolle in der Behandlung spielt. Wir erörtern die positive Prognose, die Sie mit der richtigen Kombination aus Medikamenten, Therapie und Anpassung der Lebensweise erwarten können.
Ein halbstündiges Gespräch mit einem Arzt oder Therapeuten mag genügen, um den Verdacht einer bipolaren Störung aufkommen zu lassen, aber für eine genaue Diagnose reicht es sicher nicht. Zunächst müssen andere mögliche Ursachen durch Ihren Hausarzt ausgeschlossen werden. Einige körperliche Beschwerden können ähnliche Symptome verursachen, wie sie auch bipolare Störungen mit sich bringen. Dazu müssen unbedingt eine körperliche Untersuchung sowie entsprechende Labortests durchgeführt werden. In diesem Teil skizzieren wir den Prozess, der einer sicheren Diagnose vorausgehen muss. Wir zeigen Ihnen, wie Sie sich Ihr eigenes Stimmungsmanagementteam zur Zähmung des bipolaren Ungeheuers zusammenstellen können, komplett mit Arzt, Therapeuten, geeigneten Freunden und Familienangehörigen.
Die erfolgreiche Bewältigung einer bipolaren Störung und der Erhalt einer ausgeglichenen Gemütslage erfordern eine Kombination aus Medikation und Therapie. Der dritte Teil beginnt mit einem Überblick über die verfügbaren Medikationen zur Behandlung beider Pole der bipolaren Störung: Manie und Depression. Viel wertvoller als eine Liste wirksamer Medikamente und ihrer möglichen Nebenwirkungen ist jedoch erst einmal die Einführung zu den Psychopharmaka, die bei bipolaren Störungen zum Einsatz kommen. Wir sagen Ihnen, welche Fragen Sie hierzu Ihrem Arzt stellen sollten, um eine sachkundige Entscheidung treffen, unerwünschte Nebeneffekte reduzieren und Medikamente sicher kombinieren zu können. Wir stellen Ihnen Ansätze der Einzel- und Familientherapie vor, die sich zur Vermeidung von Rückfällen als hilfreich erwiesen haben. Und schließlich gibt es einen Überblick über alternative Behandlungsmöglichkeiten, der Ihnen helfen soll, wertvolle ergänzende Verfahren von geschickter Quacksalberei zu unterscheiden.
Die couragiertesten Bemühungen von Ärzten oder Therapeuten, bipolare Störungen unter Kontrolle zu bringen, müssen ins Leere laufen, wenn Patienten ihre eigene Gesundheit sabotieren. Eine erfolgreiche Behandlung fordert von den Betroffenen aktive Mitarbeit. In diesem Teil zeigen wir Ihnen, wie Sie sich maßgeblich in Ihre Behandlung einbringen können. Sie lernen, die Warnsignale einer drohenden Stimmungsphase wahrzunehmen und sofort entsprechend darauf zu reagieren, Stressfaktoren und Auslöser zu erkennen, die Ihre Stimmung beeinflussen, auf sich selbst zu achten, Ihre Genesung auch auf die Menschen in Ihrem Umfeld zu stützen und sich an die empfohlene Medikation und Therapie zu halten.
Wenn Sie dieses Buch lesen, weil ein Freund, Lebengefährte oder Verwandter an einer bipolaren Störung leidet, dann ist dieser Teil für Sie gedacht. Wir selbst haben Familienmitglieder mit bipolarer Störung und wissen aus erster Hand, wie schwierig es ist, auf dem schmalen Grat zwischen zu geringer oder zu starker Beteiligung zu wandeln. Die Kapitel in diesem Teil erklären Ihnen, was Sie an Hilfe leisten können und was nicht, wie Sie ein Umfeld schaffen können, das durch offene Kommunikation und Zusammenarbeit mit Ihren Lieben gekennzeichnet ist, und wie Sie sich auf eine Krise vorbereiten und darauf reagieren können. Wenn bei Ihrem Kind eine bipolare Störung oder eine andere psychische Erkrankung diagnostiziert wurde oder wenn Ihr Kind zu Hause, in der Schule oder im Umgang mit Freunden gerade eine unerklärliche Verhaltensstörung zeigt, sollten Sie sich unbedingt Kapitel 18 ansehen. Es erläutert die Schwierigkeiten der Diagnose, der Behandlung und die Erziehung von Kindern mit bipolarer Störung.
Bevor Sie nun davoneilen, um Ihren Arzt oder Therapeuten aufzusuchen, schauen Sie sich in diesem Teil noch schnell die Liste der zehn Fragen an, die Sie dort stellen sollten. Auch Fragen der Finanzierung der Behandlung kommen hier zur Sprache. Sobald sich Ihr Leben beruhigt hat und Sie Zeit haben, das Wort für bipolare Menschen zu ergreifen, können Sie sich in diesem Teil auch über Möglichkeiten informieren, wie Sie sich in dieser Sache mehr einbringen können.
Mit Symbolen sind die kleinen Bildchen gemeint, die Sie in diesem Buch überall an den Seitenrändern finden und die Ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Informationen lenken sollen:
Sie können jeglichen anderen Kram in diesem Buch wieder vergessen; merken sollten Sie sich allerdings alles, was mit diesem Symbol gekennzeichnet ist.
Tipps gewähren Einblicke hinter die Kulissen. Folgen Sie diesen Tipps, wenn Sie einfacher und schneller zum Ziel kommen wollen.
»Gefahr in Verzug!« Dieses Symbol taucht immer dann auf, wenn Vorsicht geboten ist oder Sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollten.
Immer wieder gibt es in diesem Buch kurze Auftritte von manisch-depressiven Menschen und ihren Familien. Das Symbol weist diese Stellen aus.
Sollte eine Erläuterung fachspezifischer sein als wir das Thema im Text selbst behandelt haben, kennzeichnen wir es mit diesem Symbol. Sie können diese Passagen überspringen. (Es sei denn, Sie haben etwas für »überflüssige« Informationen übrig).
Betrachten Sie dieses Buch als ein Buffet zum Sattessen. Schnappen Sie sich einen Teller, fangen Sie vorn an und lesen Sie ein Kapitel nach dem anderen oder tauchen Sie den Löffel in ein Kapitel ein und schaufeln Sie Ihren Teller randvoll mit Informationen.
Wenn Sie eine kurze Übersicht über bipolare Störungen suchen, genügen die Kapitel im ersten Teil. Bevor Sie einen Psychiater um eine Diagnose bitten, sollten Sie die Kapitel 5 und 19 lesen. Wenn ein Freund oder ein Familienmitglied an einer bipolaren Störung leidet, springen Sie zum fünften Teil. Wo auch immer Sie nachschlagen, finden Sie viele nützliche Informationen und Ratschläge.
nehmen Sie am Schnellkurs »Bipolare Störungen« teil: Von der Entstehung und Diagnose bis zur Behandlung und Genesung. Die drei Kapitel in diesem Teil zeigen die vielen Gesichter der bipolaren Störung, wie Bipolar I, Bipolar II, Zyklothymia und Bipolar Nicht Näher Bezeichnet (NNB). Sie lernen, die ersten Anzeichen und Symptome einer Depression, Hypomanie und Manie zu erkennen und zwischen einem total besch…nen Arbeitstag und einer Phase gehobener Stimmung zu unterscheiden. Sie erfahren, wie eine bipolare Störung entsteht, was sie auslöst und wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich es ist, dass Sie betroffen sind.
Wir enthüllen außerdem die positiven Prognosen, die mit einer bipolaren Diagnose einhergehen, und zeigen die derzeit üblichen Behandlungsmethoden, die zur erfolgreichen Behandlung ihrer äußerst unheimlichen Symptome entwickelt wurden. Und für den Weg der Genesung geben wir Ihnen Methoden und Tipps an die Hand, die Ihnen helfen, Ihren Kurs beizubehalten.
Die bipolare Störung ist ein herzloses Ungeheuer, das mit Ihrem Leben spielt und Ihnen die Begleichung der Rechnung überlässt. Im besten Fall gewährt es geniale Einblicke und ungezügelte Freude. Im schlimmsten Fall beeinträchtigt es die Psyche mit lähmender Depression, zerstört Beziehungen, leert Bankkonten und schürt Suizidgedanken. Die Ärzte haben keinen Test und kein Heilmittel für die Störung, und zu ihren Hauptsymptomen gehört, dass die Betroffenen sie häufig leugnen und eine Behandlung ablehnen.
Die Wissenschaft kennt wenige ähnlich schwer zu fassende Erkrankungen. Dennoch, Fachleute für psychische Erkrankungen sind erfahrener denn je in der erfolgreichen Diagnose bipolarer Störungen und geeigneter Behandlungsformen, die Medizin, Therapie und Veränderungen der Lebensweise umfassen. Viele manisch-depressive Menschen können heute ein ausgefülltes Leben genießen und Glück und Erfüllung erlangen, wie sie es nie zu träumen gewagt hätten.
In diesem Kapitel erläutern wir einige der zahlreichen Erscheinungsformen der bipolaren Störung und beschreiben ihre größten Herausforderungen. Wir geben Ihnen einen Überblick, was Betroffene zu erwarten haben – von der Diagnose bis zur Prognose und weiter zur Behandlung und Genesung. Und weil eine erfolgreiche Behandlung und Genesung häufig die Mitwirkung der Angehörigen erfordert, zeigt dieses Kapitel Ihnen, was Sie unterstützend für einen Freund, einen Verwandten oder ein Kind mit bipolarer Störung tun können.
Einige Menschen sind permanent so aufgekratzt, dass man sie ohrfeigen möchte. Die meisten anderen erleben die üblichen Hochs und Tiefs des täglichen Lebens. Man verliert seine Arbeit und fühlt sich ein wenig niedergeschlagen. Man gewinnt in der Lotterie und fühlt sich ekstatisch … zumindest bis man das ganze Geld sinnlos verprasst hat. Geringe Stimmungsschwankungen sind normal. Selbst größere Schwankungen sind normal, solange sie nicht zu lange anhalten oder einen daran hindern, seine Leistung zu bringen und Freude an angenehmen Dingen zu haben. Ein vorübergehender Anfall von Unzufriedenheit kann umgehend positive Veränderungen in der Lebensführung nach sich ziehen, die zu größerer Zufriedenheit und Selbstverwirklichung führen.
Wenn man an einer bipolaren Störung leidet, erlebt man natürlich auch die üblichen Höhen und Tiefen des Alltags, aber hier überschreiten sie die gesundheitlich und zwischenmenschlich erträglichen Grenzen und halten übermäßig lange Zeit an.
Wie Abbildung 1.1 zeigt, erleben die meisten Menschen Stimmungsschwankungen, die sich innerhalb eines annehmbaren Bereichs abspielen. Bipolare Stimmungsschwankungen sind jedoch stärker und gehen weit über diesen Wohlfühlbereich hinaus, bis hin zu dem Punkt, an dem die Leistungsfähigkeit und Lebensfreude eines Menschen beeinträchtigt wird.
Abbildung 1.1: Normale Stimmungskurven im Vergleich zu bipolaren Schwankungen
Natürlich ist die Intensität einer Stimmung nicht an sich schon problematisch, besonders wenn die Stimmungskurve nach oben zeigt. Tatsächlich berichten Menschen, die eine Hypomanie durchlaufen – einen Zustand gehobener Stimmung und gesteigerten Antriebs, was aber noch keine voll ausgebildete Manie bedeutet –, von einer unglaublichen Kreativität und berauschender Vorstellungskraft. Die Hypomanie bringt ein extravertiertes, unterhaltsames und angenehmes Auftreten mit sich. Sie kann den Sexappeal steigern und das Gefühl von Kraft und Energie vermitteln. Sie kann anregend und belebend sein, die Konzentration erleichtern und schöpferisch inspirierend wirken.
Bei der Behandlung einer bipolaren Störung geht es nicht darum, die Stimmung und Tatkraft zu dämpfen. Vielmehr will man die Schwankungen in einen Bereich führen, der für die Betroffenen und ihre Bezugspersonen annehmbar ist. Sie sollen auf den bipolaren Wellen »reiten«, ohne von ihnen mitgerissen zu werden, aber auch ohne sie vollständig zu unterdrücken.
Wenn Sie an einer bipolaren Störung leiden, schwanken Ihre Stimmungen bisweilen weit über das normale Maß hinaus. Mal gleiten Sie flink über das Meer des Lebens, dann wieder erhebt sich eine riesige Welle und schmettert Sie gegen die Felsen. Eine tiefe Depression kann Sie in Verzweiflung hüllen und zu endlos langen Tagen im Bett verurteilen. Eine ausgeprägte manische Episode bockt wie ein tobender Stier, um anschließend Ihren erschöpften Körper auf die Müllhalde zu schleudern. Egal ob Sie hoch fliegen oder abstürzen, eine extreme, anhaltende Stimmungsphase kann einen Zusammenbruch auslösen, der verheerende Folgen für Ihre Wahrnehmung, Gefühle, Beziehungen, Karriere und andere Aspekte Ihres Lebens hat.
Wenn Sie von einer Welle der Manie abstürzen oder von der Strömung einer Depression mitgerissen werden, erfordert das in der Regel einen medikamentösen oder therapeutischen Eingriff oder (in extremen Fällen) einem kurzen Aufenthalt im Krankenhaus. Für alle Beteiligten besser ist allerdings unbestritten, dass ein Zusammenbruch verhindert, eine sorgfältige Diagnose erstellt und eine vorbeugende Behandlung und Therapie eingeleitet wird.
Manische Episoden ziehen die ganze Aufmerksamkeit auf sich, nicht zuletzt, weil sie oft einer gewissen Pikanterie nicht entbehren. In manischen Phasen erheben sich die Menschen oft über die Eintönigkeit des Augenblicks, mitgerissen von den folgenden Gefühlen und Vorstellungen:
Ich bin grandios! Alles ist wunderbar! Ich schaffe alles und jedes! Ich kenne alle Antworten! Meine Ideen werden die Welt verändern! Ganz gleich, was ich Schlechtes tue, ich bin immer großartig! Schlaf ist nur etwas für Leute, die nichts Besseres zu tun haben! Ich habe immer recht! Jeder liebt mich! Ich bin bei allem, was ich tue, der Schnellste!Indes geht eine ausgeprägte manische Episode oft mit Paranoia und anderen psychotischen Symptomen einher, die das Problem verstärken. Betroffene können sich sogar in Gedanken religiösen Märtyrertums oder einer staatlichen Verschwörung verlieren. Sie können davon überzeugt sein, dass Familienmitglieder, Freunde oder sogar Fremde böse oder gefährliche Absichten hegen. Sich selbst überlassen endet eine Manie meistens in einem Zusammenbruch, der das Opfer deprimiert und körperlich und psychisch erschöpft zurücklässt. Die Episode kann sogar private und berufliche Beziehungen zerstören und den Betroffenen finanziell ruinieren.
Eine Depression ist alles andere als aufregend. Sie fühlt sich an, als ob Sie sich in einer Bleiweste durch den Sumpf des Lebens schleppen. Sie stumpft Ihre Sinne ab und hindert Sie daran, die Freuden des Lebens zu genießen. Sie werden zur ständigen Spaßbremse, zum sprichwörtlichen Spielverderber. Wenn Sie die Energie zum Sprechen aufbringen könnten, würden Sie Ihre Gefühle folgendermaßen ausdrücken:
Ich bin furchtbar! Alles ist schrecklich! Ich kann nichts! Ich bin ein schlechter, übler Mensch, selbst wenn ich nichts Böses tue! Ich kann nicht schlafen! Ich kann nicht aufstehen! Sogar für kleine Dinge brauche ich eine Ewigkeit! Keiner liebt mich! Alles ist mein Fehler! Nichts fühlt sich gut an!Wenn Sie Glück haben, verzieht sich die Depression wie der Morgennebel. Wenn sie stärker wird, kann sie zum Absturz führen und Sie noch deprimierter und körperlich wie psychisch erschöpft zurücklassen.
Die meisten Menschen denken bei einer bipolaren Störung an die manische Seite. Allerdings ist eine Depression das häufigere und zerstörerischere der beiden Extreme. In der Euphorie einer Manie verletzen sich die Menschen nicht selbst vorsätzlich. In einer tiefen Depression jedoch sind Selbstverstümmelung und Suizidgedanken nur allzu üblich.
Eine recht erstaunliche Periode der bipolaren Störung sind die Mischzustände, ein Auftreten von Merkmalen sowohl der Manie als auch der Depression. Während eines Mischzustands rasen die Gedanken nur so, aber sie sind alle düster und trist. Sie mögen großartige Ideen haben, aber es fehlt Ihnen der Antrieb, sie umzusetzen, oder überschießende Energie schürt Ihre Reizbarkeit. Unter Umständen sind Sie sogar davon überzeugt, dass ihr bevorstehender Tod Teil eines großen Plans ist.
Um den Prozess der Behandlung und Überwachung Ihrer bipolaren Störung in Gang zu setzen, benötigen Sie eine fundierte Diagnose. Der Weg dorthin kann sich in die Länge ziehen.
Der erste Schritt zu einer Diagnose ist zu erkennen, dass etwas nicht stimmt. Diese Erkenntnis dann auch anzunehmen, ist gewöhnlich der zeitraubendste Teil. Die meisten Menschen leben durchschnittlich bereits zehn Jahre mit einer bipolaren Störung, bevor sie sich aktiv um Hilfe bemühen. In vielen Fällen durchleben sie mehrfach ausgeprägte Stimmungsphasen – Depression oder Manie –, bevor die Umstände oder frustrierte Familienangehörige sie zwingen, endlich professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Menschen mit bipolaren Störungen vermeiden aus den unterschiedlichsten Gründen eine Behandlung:
Manie fühlt sich großartig an. Ich war noch nie so voller Energie! Warum sich quälen? Wahrscheinlich gibt es nichts, was mir helfen kann, mich besser zu fühlen. Ich bin nicht krank. Ich bin nur schwach. Ich muss mich mehr anstrengen, darüber hinwegzukommen. Ich kann selbst damit fertig werden. Ich kann mir keine weiteren Rechnungen leisten. Ich möchte nicht abgestempelt werden.Sowohl depressive als auch manische Phasen können die Gedankengänge beeinflussen, die zur Vermeidung einer Behandlung führen. In einer manischen Episode fühlen sich die Betroffenen meist allwissend, allmächtig, voller Energie und in Topform. In einem solchen Zustand denken die wenigsten an Hilfe. Wenn sie tief deprimiert sind, blicken die Betroffenen in der Regel ohne Hoffnung in die Zukunft und beginnen zu denken, dass nichts ihr Leben besser machen kann. Da ist es nur zu verständlich, dass sie keine Hilfe wollen. Meistens muss es erst zum Zusammenbruch kommen oder ein Angehöriger das Heft in die Hand nehmen, um sie dazu zu bewegen, sich Hilfe zu holen.
Nachdem Sie eingesehen haben, dass Sie professionelle Hilfe brauchen, kann der Weg zur Einholung einer genauen Diagnose beschritten werden. Dieser Prozess bedingt normalerweise die nachfolgenden Schritte:
Suchen Sie Ihren Arzt auf.Andere Krankheiten wie Fehlfunktionen der Schilddrüse, die Menopause oder ernährungsbedingte Mangelerscheinungen können ähnliche Symptome wie eine bipolare Störung verursachen. Medikamente und andere Substanzen rufen ebenfalls vergleichbare Symptome hervor. Ihr Hausarzt hilft Ihnen, diese und andere mögliche Ursachen für Ihre Symptome auszuschließen. (In Kapitel 4 erfahren Sie mehr darüber.)
Unterziehen Sie sich einer psychiatrischen Beurteilung.Ein zugelassener Psychiater kann Ihre Krankengeschichte, Ihren familiären Hintergrund und Ihre Symptome bewerten und eine erste Diagnose mit Behandlungsplan anbieten. (Weitere Infos zum Besuch beim Psychiater finden Sie in Kapitel 5.)
Unglücklicherweise führen die Schritte zur genauen Diagnose und einem funktionsfähigen Behandlungsplan nicht immer geradewegs zum Ziel. Wenn Sie sich absolut deprimiert, manisch oder verstört fühlen, ist es möglich, dass Ihr Arzt oder Psychiater Ihnen Medikamente zur schnellen Linderung der Symptome verschreibt und erst später eine Diagnose erstellt.
Wenn bei Ihnen eine bipolare Störung diagnostiziert wird, grenzt Ihr Psychiater diese dann normalerweise auf eine der vier Verlaufformen ein:
Bipolar I: Sie setzt mindestens eine irgendwann im Leben durchlaufene, voll ausgeprägte manische Episode voraus, die ärztlicherseits nicht auf eine andere Ursache zurückzuführen war, etwa auf die Einnahme von Medikamenten oder Drogenmissbrauch. Dem kann – muss aber nicht – eine größere depressive Episode gefolgt sein.Bipolar II: Sie erfordert zumindest eine irgendwann im Leben durchlaufene, größere depressive Episode, der die Ärzte keine andere Ursache zuschreiben konnten, gefolgt von mindestens einer hypomanischen Episode.Zyklothymia: Bei dieser Form sind die Betroffenen jahrelang mehrfach leichteren depressiven und hypomanischen Episoden ausgesetzt, die allerdings nicht auffällig genug erscheinen, um die Diagnose von Bipolar I oder II zuzulassen. In einigen Fällen treten Depression und Manie gleichzeitig auf und münden in einem Zustand der chronischen Reizbarkeit.Bipolar NNB (Nicht Näher Bezeichnet): Die auftretenden manischen oder depressiven Episoden können vonseiten der Ärzte nicht als unipolare Depression eingestuft werden. Die Episoden passen auch nicht in eine der anderen bipolaren Kategorien.In Kapitel 2 werden die einzelnen Formen detailliert besprochen. An dieser Stelle nur so viel: Wenn Ihnen bei der Diagnosestellung auch noch andere Begriffe als die hier erwähnten begegnen, liegt das unter anderem daran, dass in Deutschland zwei Diagnosesysteme verwendet werden: das Diagnostische und Statistische Manual Psychischer Störungen (DSM; American Psychiatric Association, 1994), das derzeit in der vierten Revision vorliegt (DSM-IV), und die Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD; Dilling, Mombour und Schmidt, 1991), derzeit in der zehnten Fassung (ICD-10). Das DSM ist eher ausführlicher als die ICD und gibt genau vor, welche Kriterien für welche Diagnose erfüllt sein müssen. Es wird häufig zu Forschungszwecken herangezogen. Die ICD, das Diagnosesystem der Weltgesundheitsorganisation, braucht man in Deutschland, da die Krankenversicherungen zu Abrechnungszwecken die Verschlüsselung der Diagnose nach ICD erwarten, die sogenannte F-Nummer. Die ICD lässt Diagnostikern mehr Entscheidungsfreiheit, richtet sich nach Leitlinien. Diese Freiheit macht eine exakte Diagnostik für unerfahrenere Diagnostiker aber schwieriger.
Wenn Sie wie die meisten Menschen sind, scheuen Sie Etikette – besonders jene, die einen negativen Beigeschmack haben, wie zum Beispiel bipolar. In einem Satz wie »Laura ist bipolar« klingt das Etikett besonders taktlos. Es stempelt Laura nicht nur ab, es reduziert sie auch auf die Krankheit selbst. Wenn Laura Krebs hätte, würde niemand sagen: »Laura ist Krebs«, aber die Leute spielen allzu schnell und locker mit dem Ausdruck »bipolar«.
Ihr Mediziner oder Psychiater benutzt das Etikett »bipolare Störung« nicht, um Sie abzustempeln oder Ihren Wert als menschliches Wesen herabzusetzen. Das Etikett bietet eine praktische Möglichkeit, auf einen Zustand zu verweisen, der Behandlung nötig macht. Es hilft allen Personen, die in Ihren Behandlungsplan einbezogen sind, Ihr Leiden zu begreifen und angemessene Medikation und Therapie bereitzustellen.
Denken Sie immer daran: Sie sind nicht die bipolare Störung! Vielmehr schleppen Sie diese Störung mit sich herum, aber mit der richtigen Medikation und Therapie können Sie sie bewältigen.
Der Behandlungsplan Ihres Psychiaters sieht fast immer Medikamente vor, die entwickelt wurden, um Ihren derzeitigen Zustand (manisch, depressiv, gemischt) zu behandeln und weitere Schwankungen zu verhindern. Ihre Aufgabe ist es, Ihren Arzt mit ausführlichen Informationen zu versorgen, damit er die richtige Medikation für Sie auswählen und den Behandlungsplan aufstellen kann. Dieser Abschnitt liefert Ihnen hierzu die Grundlage.
Kapitel 7 stellt Ihnen die gebräuchlichsten Medikamente zur Behandlung der bipolaren Störung vor. Sie gehören in die nachfolgenden Kategorien:
Antimanische Medikamente: Antimanische Medikamente werden häufig auch Stimmungsstabilisierer genannt und behandeln vorrangig die manische Seite der bipolaren Störung. Ihr Psychiater wird Ihnen ein antimanisches Medikament verschreiben, um Sie von den Höhen der Manie herunterzuholen. Er kann Ihnen aber auch eine vorsorgliche Dosis als Prophylaxe geben (vorbeugend). Lithium ist das Standardpräparat in der antimanischen Kategorie, weil es eines der wenigen antimanischen Medikamente ist, das die Ärzte für einen wirklichen Stimmungsstabilisierer halten. Es kann sowohl einer Depression als auch einer Manie vorbeugen.Antidepressiva: Antidepressiva wie Fluctin®, Aroxetin® und Elontril® wirken auf die depressive Seite der bipolaren Störung ein und werden auch zur Behandlung einer unipolaren Depression eingesetzt. Ein Psychiater verabreicht Ihnen ein Antidepressivum, um Sie aus einer akuten depressiven Episode herauszureißen oder drohende Episoden abzuwenden. Antidepressiva können bei manchen Menschen eine Manie hervorrufen, deshalb verordnen Psychiater sie Patienten mit bipolarer Störung in der Regel nur in Kombination mit antimanischen Medikamenten.Antipsychotika: Antipsychotische Medikamente wie Zyprexa® werden zur Behandlung von Manien oder psychotischer Symptome eingesetzt, die im Rahmen einer größeren manischen oder depressiven Episode auftreten.Sedativa: Im Allgemeinen verschreiben Psychiater Sedativa, um Angstgefühle zu lindern und den Patienten zu Schlaf zu verhelfen. Wie in Kapitel 12 beschrieben, kann Schlaflosigkeit häufig eine größere Stimmungsschwankung auslösen. Daher ist es Psychiatern ein großes Anliegen, dass Sie die Nacht durchschlafen können.Psychiater verschreiben häufig mehrere Medikamente, um alle Symptome gleichzeitig zu behandeln und die allgemeine Wirksamkeit der Mittel zu verbessern. Die meisten Menschen mit bipolarer Störung nehmen mindestens ein antimanisches Medikament zusammen mit einem Antidepressivum. Sie können zusätzlich Antipsychotika zur Dämpfung einer Manie oder zur Behandlung einer zurückbleibenden Psychose einnehmen. Ihr Psychiater kann Ihnen auch ein Medikament gegen Beklemmung verordnen, um Ihre Angstgefühle während des Tages zu mindern, und ein Sedativ, damit Sie nachts schlafen.
Die verschreibungspflichtigen Medikamente, die Sie nehmen, sind nicht dazu da, Ihre bipolare Störung zu heilen oder all Ihre Probleme zu lösen. Vielmehr wurden sie zu dem Zweck entwickelt, die physische Seite der Störung in Ihrem Gehirn zu behandeln, damit Ihr restliches Wesen ohne Beeinträchtigung durch eine Manie oder Depression funktionieren kann. Sobald Ihr Gehirn wieder normal arbeitet, werden Sie fähig sein, Ihre Lebensweise und Ihre Grundhaltungen so zu verändern, dass Sie Ihre Genesung beschleunigen und Ihr Leben so verbessern können, dass sich daraus ein zusätzlicher Schutz gegen neue Episoden ergibt.
Wenn Sie die Ihnen verordneten Medikamente nicht einnehmen, kann das den besten Behandlungsplan untergraben. Abgesehen von dem normalen Widerwillen gegen das Schlucken von Pillen bringen Menschen mit bipolarer Störung oft dem Anschein nach stichhaltige Bedenken gegen die Einnahme ihrer Medikamente vor. Die nachfolgende Auflistung beschreibt einige der üblichen Vorbehalte und sagt Ihnen auch, was Sie tun sollten, wenn Sie sich dabei erwischen, dass Sie ebenfalls so denken:
Mir geht es gut. Psychiater verschreiben viele Medikamente, um dem erneuten Auftreten einer Stimmungsschwankung vorzubeugen, die den Verlauf der Störung verschlimmern kann. Wenn Sie sich gut fühlen, sehen Sie natürlich keine Notwendigkeit, Medikamente zu nehmen. Sie müssen sich dem Widerwillen gegen die Einnahme von Medikamenten hartnäckig widersetzen, damit Sie gesund bleiben und den Verlauf Ihrer Krankheit nicht unnötig verschlimmern.Ich kann die Nebenwirkungen nicht ertragen. Die Nebenwirkungen einiger Medikamente gegen bipolare Störungen können durchaus grausam sein: Gewichtszunahme, Gedächtnisverlust, Angstzustände, Müdigkeit, Verlust der Libido und so weiter. Psychiater versuchen oft, durch eine Veränderung der Dosis, eine Verschiebung der empfohlenen Einnahmezeiten oder den Wechsel des Medikaments die unerwünschten Nebeneffekte zu vermindern oder zu beseitigen.Ich habe es vergessen. Wenn Sie alle Hände voll zu tun haben, Ihre Arbeit zu behalten, Ihre Rechnungen zu bezahlen, Ihre Beziehungen aufrechtzuerhalten und Ihre tägliche Hausarbeit zu erledigen, steht die Einnahme Ihrer Medikamente nicht gerade ganz oben auf der Liste. Besonders dann nicht, wenn Sie sich gut fühlen. Kapitel 7 gibt Ihnen hilfreiche Tipps, wie Sie mit Ihren Medikamenten am Ball bleiben.Ich vermisse meine Manie. Weil eine Hypomanie durchaus sehr anregend sein kann, lässt ein Stimmungsstabilisierer das Leben eher glanzlos wirken. Ihre Herausforderung besteht darin, eine Grundstimmung aufzubauen, die Sie befähigt, sich lebendig und kreativ zu fühlen, ohne aus dem Rahmen zu fallen. Sie sollten mit Ihrem Arzt zusammenarbeiten, um eine für Sie angenehme Grundstimmung zu finden.Auch wenn Sie in Versuchung geraten sollten, Ihre Medikamente nach eigenem Gutdünken einzunehmen, tun Sie es nicht. Suchen Sie immer erst Ihren Psychiater auf, bevor Sie die verordnete Dosis oder die Einnahmezeiten ändern. In vielen Fällen kann der Psychiater eine geringfügige Änderung vornehmen, die dann die lästigen Nebeneffekte lindert oder die Wirkung des Medikaments verbessert. Ein Medikament von jetzt auf gleich einfach wegzulassen, kann Ihr Gemüt aus dem Gleichgewicht bringen oder andere Entzugserscheinungen hervorrufen.
Manche Psychiater und Spezialisten für psychische Erkrankungen beschreiben die bipolare Störung als eine psychische Erkrankung, die durch ein chemisches Ungleichgewicht im Gehirn verursacht wird. Obwohl das richtig ist, bedeutet es nicht, dass mit der Wiederherstellung des chemischen Gleichgewichts durch Medikamente auch die Krankheit gänzlich verschwindet.
Leider ist die bipolare Störung ungleich komplizierter. Ja, das chemische Gleichgewicht im Gehirn ist unverzichtbar, aber Ihr Gehirn lebt nun einmal nicht in einer Petrischale; es lebt in Ihrem Körper. Es registriert, was Augen, Ohren, Nase, Zunge und Finger wahrnehmen. Es verarbeitet Ihre wechselseitigen Beziehungen mit anderen Menschen und erzeugt Gefühle und Gedanken. Kurz gesagt, Ihre Erlebnisse beeinflussen Ihr Gehirn in gleichem Maße wie Ihr Gehirn Ihre Erlebnisse. Und beides wirkt sich auf Ihre Stimmungen aus.
Ihrem Gehirn den richtigen Medikamentenmix zuzuführen hilft ihm, seine normale Funktion aufrechtzuerhalten. Wenn Sie oder Ihr Umfeld jedoch das Gehirn mit negativen Gefühlen, Konflikten und Schlafmangel angreifen, ist es keiner noch so ausgeklügelten Medikamentenkombination möglich, diesen Stress zu überwinden.
Neben einer sachgemäßen Medikation müssen Sie die richtige Therapie oder eine Therapiekombination erhalten, um den Einfluss von Stress auf Ihr Gehirn zu verringern. Dazu bieten sich unter anderem folgende Möglichkeiten an:
Psychoedukation: Wenn Patienten mehr über die bipolare Störung erfahren, hilft ihnen dies, besser mit der Diagnose zurechtzukommen, durch die Prognose Hoffnung zu schöpfen und dem Behandlungsplan bereitwilliger zu folgen.Kognitive (Verhaltens-)Therapie: Sie zeigt negative Gedankenmuster auf und lehrt Ihren Geist, positiven Gedankengängen zu folgen. In Kapitel 8 beschreiben wir die besondere Wirksamkeit der kognitiven Verhaltenstherapie bei der Behandlung von Depressionen.Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie: Wenn Sie ein geordnetes Leben führen und gesunde Routinen aufbauen, kann dies Ihrem Leben einen Rhythmus verleihen, der Ihre Stimmungsstabilität unterstützt. Studien belegen, dass Stimmungsschwankungen üblicherweise dann auftreten, wenn Sie mit Stress verbundene Veränderungen durchmachen, die Ihren natürlichen Rhythmus durchbrechen und zu Schlafmangel führen. Die interpersonelle und soziale Rhythmustherapie bemüht sich darum, Ihren Lebensrhythmus wiederherzustellen.Paartherapie: Eine wackelige Beziehung kann Sie in den Wahnsinn treiben, besonders wenn Ihr Lebengefährte Ihre Würde missachtet. Eine Paartherapie greift Konfliktbereiche auf und hilft Paaren, wirkungsvolle Kommunikationstechniken zu erlernen, die Stress mindern.Familientherapie: Wenn Sie mit Familienangehörigen zusammenwohnen oder viel Zeit mit ihnen verbringen, ist es für Ihre psychische Gesundheit unbedingt erforderlich, alle über die bipolare Störung und Ihre Bedürfnisse zu unterrichten. Je mehr Ihre Familienmitglieder über bipolare Störung und die Stressfaktoren, die eine größere Stimmungsschwankung auslösen, wissen, umso mehr können sie Ihnen beim Stressabbau helfen und Sie auf dem Weg zur Genesung unterstützen.Finanzberatung: Geld bedeutet nur denen nichts, die genug davon haben. Für die meisten von uns kann das Fehlen ausreichender Geldmittel eine wesentliche Quelle für Stress und Konflikte sein. Ein guter Finanzberater kann Ihnen bei der Regelung Ihrer Finanzen helfen.Berufsberatung: Wenn Ihr Beruf Sie umbringt, ist es Zeit für einen Wechsel. In einem Beruf ohne Zukunft festzustecken, mit einem Trottel als Chef, ist für die geistige Gesundheit nicht förderlich. Vielleicht können Sie nicht sofort auf und davon, aber Sie können sich schon einmal umsehen. Ein Berufsberater hilft Ihnen, eine gesündere Beschäftigung zu finden.Änderungen der Lebensweise: Ein zu vollgestopftes Leben zu entrümpeln mindert den Stress, der auftritt, wenn Sie einfach zu viel am Hals haben. Ein guter Therapeut kann Ihnen dabei helfen, mit Ihrer Zeit und Ihren Kräften nicht zu verschwenderisch umzugehen.Obwohl Medikamente eine entscheidende Rolle bei der Genesung spielen, können sie nicht allein sämtliche grundlegenden Probleme beseitigen, die Stimmungsschwankungen auslösen. Es ist möglich, dass Sie nicht alle Stressfaktoren beseitigen können, aber je mehr Stress Sie verhindern oder verringern, umso größer sind Ihre Chancen, einen Rückfall zu vermeiden.
Manager und Führungskräfte lieben es, Daten in schicken Diagrammen abzubilden. Die Rohdaten an sich sind relativ bedeutungslos, aber wenn man sie in Diagrammen abbildet, zeichnen sich Muster ab und die Daten bekommen eine Bedeutung. Solche Muster können auch Sie aufdecken. wenn Sie Ihre Stimmungen aufzeichnen. Sie werfen ein Licht auf Jahreszeiten oder Ereignisse in Ihrem Leben, die häufig Stimmungsumschwünge auslösen. Auf der Grundlage dieser Informationen können Sie einen Plan aufstellen, wie Sie Stimmungsphasen abfangen. Es wäre zum Beispiel sinnvoller, sich für ein ruhiges Weihnachten zu Hause zu entscheiden, als die Zeit mit Ihren anstrengenden Verwandten zu verbringen. Oder Ihr Psychiater verschreibt Ihnen etwas, damit Sie in einer besonders stressigen Phase Ihres Lebens gut schlafen.
In Kapitel 12 werden Stimmungsdiagramme ausführlicher beschrieben. Darüber hinaus finden Sie dort Musterdiagramme, die Sie sofort verwenden können. Sollten Sie es vorziehen, ein eigenes Stimmungsdiagramm zu erstellen, versuchen Sie nachfolgende Elemente einzubauen:
Skala: Stufen Sie Ihre Stimmung auf einer Skala von +3 bis – 3 ein, wobei 0 Ihrem Wohlfühlbereich entspricht. Wenn Sie eine +3 eintragen, sind Sie Zum-aus-der-Haut-Fahren manisch erregt, und bei – 3 sind Sie bis zur Bewegungsunfähigkeit depressiv. (Wählen Sie eine Skala von +5 bis – 5, oder sogar +10 bis – 10, wenn Sie mehr Abstufungen in Ihrem Stimmungsspektrum entdecken.)Daten: Schreiben Sie Ihren Stimmungsgrad wenigstens einmal am Tag auf. Sollte Ihre Stimmung innerhalb eines Tages schwanken, ergänzen Sie die entsprechenden Details.Notizen: Wenn Sie an einem bestimmten Tag etwas Außergewöhnliches tun, notieren Sie es. Vermerken Sie jede Änderung der Medikation, Diät oder auch Ihres Schlafbedürfnisses.Wissen ist Macht. Je mehr Sie über Ihre Befindlichkeit und darüber wissen, wie Sie auf Veränderungen beim Schlaf, der Ernährung, der Medikation oder Ihrer Aktivität reagieren, desto mehr Kontrolle haben Sie über Ihre bipolare Störung.
Zeigen Sie Ihr Stimmungsdiagramm Ihrem Psychiater, Therapeuten oder anderen Menschen, die zu Ihrem Unterstützungsnetzwerk gehören (siehe Kapitel 6). Vielleicht fallen anderen Menschen Muster auf, die Ihnen entgangen sind.
Eine größere manische oder depressive Episode zu durchleben fühlt sich an, als ob ein Sattelschlepper Sie überrollt. Würden Sie Ihr Innerstes nach außen kehren, würde Ihr zerschrammtes und misshandeltes Ich sichtbar werden und Ihnen das wohlverdiente Mitgefühl Ihrer Mitmenschen eintragen. Aber leider haben andere womöglich den Eindruck, Sie seien durchaus in der Lage, wieder in Ihr Heim und an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Und die beträchtlichen zusätzlichen Schäden, die eine größere Stimmungsepisode oft hinterlässt, macht das Ganze nur noch schlimmer. Möglicherweise sind Ihre Angehörigen verärgert oder fühlen sich schuldig. Ihr Chef denkt über Ihre Belastbarkeit nach. Und vielleicht kämpfen Sie immer noch gegen die Nebenwirkungen der erst kürzlich veränderten Medikation an.
An diesem Punkt kann das Gefühl aufkommen, dass Sie als Angestellter oder Familienmitglied die Verantwortung dafür tragen, sich wieder zu berappeln und zum Dienst anzutreten. Wenn es das ist, was Sie wirklich wollen, sollten Sie es tun. Aber in den meisten Fällen bringt es Ihnen längerfristig mehr, wenn Sie auf sich selbst schauen. Wenn Sie eine Auszeit von der Arbeit nehmen, um sich zu erholen, Ihren Stimmungen Gelegenheit geben, sich zu festigen, und Ihren emotionalen und psychischen Bedürfnissen mehr Aufmerksamkeit schenken, so kann dies zur vollständigen Wiederherstellung mit einer viel positiveren Prognose führen. Um Ihre Genesung so erfolgreich wie möglich zu gestalten, beachten Sie die folgenden Tipps und Techniken:
Finden Sie, wenn nötig, ein alternatives Lebensumfeld. Wenn Sie allein oder in einem stressigen Umfeld leben, denken Sie darüber nach, zu einem nahen Freund oder Verwandten zu ziehen, bis sich Ihre Stimmung oder die Medikation eingependelt hat. Ein starker, gefestigter Mensch kann Ihnen helfen, Ihre Stimmungen zu beobachten, Sie an die Einnahme Ihrer Medikamente erinnern und moralische Unterstützung bieten.Setzen Sie sich mit der Personalabteilung Ihrer Firma in Verbindung. Sie haben Anspruch auf eine Krankschreibung während Ihrer Genesung, wenn Ihr Arzt es verordnet. Sie sollten auch Ihren Anspruch auf Krankengeld überprüfen. Kündigen Sie nicht Ihre Arbeit, selbst wenn Sie denken, dass es Ihrer Krankheit zugutekommt. Nehmen Sie die Leistungen, die Ihnen zustehen, in Anspruch und gehen Sie erst, wenn Sie etwas Besseres gefunden haben. Holen Sie das Beste für sich heraus.Melden Sie sich für eine intensive ambulante Therapie an. Viele Krankenhäuser und Kliniken bieten eine intensive ambulante Therapie (Tagesklinik) an. Dies könnte Ihnen helfen, die Probleme Ihres Lebens zu bewältigen, während Sie sich körperlich vom Trauma erholen. Wenn Sie sich von der Arbeit freistellen lassen, beschäftigt Sie eine intensive ambulante Therapie den Tag über und bietet den höchst wichtigen Umgang mit Menschen.Vermeiden Sie es, während Ihrer Genesungsphase wichtige Entscheidungen zu treffen, wie zum Beispiel Ihre Arbeitsstelle zu kündigen oder eine Beziehung zu beenden. Konzentrieren Sie sich allein darauf, gesund zu werden. Sie können dann Ihre Probleme besser lösen, wenn Sie wieder vollständig hergestellt sind.
Gedanken an Tod und Suizid, Pläne, sich umzubringen, und tatsächliche Versuche, sich das Leben zu nehmen, kommen in allen Phasen der bipolaren Störung vor: Gefühle von Ängstlichkeit, Hoffnungslosigkeit und scheinbar unerträglichen Schmerzen während einer Depression; Reizbarkeit und galoppierende Gedanken während einer Manie; Paranoia und finstere Hoffnungslosigkeit in gemischten Zuständen – all dies trägt zu Suizidgedanken bei. Mit einem Mal tauchen diese Gedanken auf und überwältigen Sie oder werden zu einer Obsession, die die meisten Ihrer wachen Momente beherrscht.