Männergrippe - Lucinde Hutzenlaub - E-Book

Männergrippe E-Book

Lucinde Hutzenlaub

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Beschreibung

Und es gibt sie doch! Die Männergrippe ist kein Vorurteil, sondern ab jetzt wissenschaftlich erwiesen Ab November greift sie um sich und kennt keine Gnade: die Männergrippe. Überall in Deutschland sind Männer dann zu geschwächt, um zum Arzt zu gehen, selbst das Aufbrühen einer Tasse Tee übersteigt ihre Kräfte. Aber wie kann man eine gewöhnliche Erkältung von einer wirklich bedrohlichen Männergrippe unterscheiden? Und wie kann Betroffenen geholfen werden, diese schwere Krankheit ohne nachhaltige Schäden zu überstehen? Männern wie Frauen? Die Ärztin Dr. Anna Herzog und die Heilpraktikerin Lucinde Hutzenlaub wissen, warum: Männer leiden anders. Sie treten in diesem humorvollen und doch medizinisch soliden Buch den Beweis an, dass die Häme, mit der so manche Frau ihren Partner in dieser schweren Zeit überzieht, nicht gerechtfertigt ist – und dass der Liebste Trost und Unterstützung mehr als verdient. Ein unterhaltendes Buch mit wertvollen Tipps, Erfahrungsberichten und – Mitleid.

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Inhalt

Prologitis

Teil 1Die Anatomie der Männergrippe

Kapitel 1TMG statt PMS – Genetik und Hormone

Kapitel 2Vorsorge statt Sorge – wie man Infekte vermeidet

Kapitel 3Prophylaxe … sprich vorher und überhaupt

Kapitel 4Erwischt! Wo alles anfängt – die Nase und ihre Höhlen

Kapitel 5Wenn man nichts hören kann – Land unter im Mittelohr

Kapitel 6Der Rachen und seine Virenauffangstation

Kapitel 7Die Stimme – Sitz der Seele

Kapitel 8Hallo, hier spricht dein Schwamm! Oder: Wie funktioniert eigentlich die Lunge?

Teil 2Jetzt wird’s ernst: Die Viren gehen, die Bakterien kommen

Kapitel 9The heat is on! Eine kleine Abhandlung über das Fieber

Kapitel 10Viren, Bakterien, Antibiotika und so – Aufklärung ganz ohne Sex

Kapitel 11»-itis« oder »-ose«? Auf die Endung kommt es an

Kapitel 12Nebenhöhlenvereiterungen – im Spiegel des Röntgengeräts

Kapitel 13Aua Mittelohr! Wenn sich Wasser in Eiter verwandelt

Kapitel 14Angina ist kein Frauenname – warum mit Mandelentzündungen nicht zu spaßen ist

Kapitel 15Laryngitis, Pharyngitis, Tracheitis und andere »-itisse«

Kapitel 16Jetzt wird’s wirklich ernst – Bronchitis und Lungenentzündung

Kapitel 17Die Psyche oder worüber auch Helden stolpern

Bullshit-Bingo

Gemeine Glossaritis

Hühnersuppenrezept

Nützliche Links

Epilogitis

Danke!

Die Autorinnen haben ihren Text mit Sorgfalt geschrieben. Dennoch können sich Fehler eingeschlichen haben. Und natürlich bietet dieses Buch keinen Ersatz für kompetenten medizinischen Rat. Der richtige Ansprechpartner bei Erkrankungen ist ein Arzt.

Alle Angaben erfolgen in diesem Buch daher ohne jegliche Gewährleistung oder Garantie seitens des Verlags oder der Autorinnen. Eine Haftung der Autorinnen beziehungsweise des Verlags und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ebenfalls ausgeschlossen. Die Fallgeschichten sind frei erfunden. Sämtliche Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig.

Prologitis

Ich habe einen sehr tapferen Mann. Wirklich. Ich erinnere mich, es ist schon einige Jahre her, da kam ich von einem Elternabend nach Hause und fand einen Zettel von ihm auf dem Küchentisch mit der Nachricht:

Habe mir beim Baumschneiden in die Hand gesägt. Bin ins Krankenhaus gefahren. Mach dir keine Sorgen!

Ich habe mir selbstverständlich Sorgen gemacht. Wenn ein Mann sich freiwillig ins Krankenhaus begibt, steckt definitiv etwas Ernstes dahinter. Später stellte sich heraus, dass er nicht nur allein ins Krankenhaus gefahren war, sondern vorher auch noch sein Blutbad beseitigt hatte, damit keines der Kinder oder gar die liebende Ehefrau erschrecken muss, sollte irgendjemand von uns aus Versehen die Diele durchqueren, durch die er sich ins Haus geschleppt und die Küche betreten hatte, wo unser Erste-Hilfe-Kasten steht.

Verantwortungsvoll, heldenhaft, stark.

So ist er.

Mein Mann.

Ich wäre vermutlich allein beim Anblick des Blutes ohnmächtig geworden und niemals in der Lage gewesen, selbst zu fahren – und zwar egal, ob er oder ich mir in die Hand gesägt hätte. (Nur fürs Protokoll: Mir wäre es nicht passiert, denn ich halte mich von Sägen fern.)

Seine Verletzung war in der Tat ernst. Er hatte sich nämlich die Daumensehne durchtrennt und musste operiert werden. Ja, das konnte ambulant gemacht werden, und, so erzählte er mir, als er mit einem Schnaps in der gesunden Hand und einer beeindruckenden Gipsschiene an der anderen auf unserer Couch saß, er hätte für diese Lappalie auch keine Narkose gebraucht, wenn der behandelnde Arzt nicht darauf bestanden hätte. Ihm hätte was zum Draufbeißen gereicht. Gut, das mit der Sehne ist eben auch eine richtige Männerverletzung. Blut, beinahe abgehackte Gliedmaßen, Unfälle aufgrund von unsachgemäßem Gebrauch von Fortbewegungsmitteln jeglicher Art, erhöhter Geschwindigkeit oder irgendwas, was einem beim Ballspielen passieren kann: eine Lappalie. Etwas, worauf man stolz sein kann. Lässig binden sich Männer verletzte Arme, Beine oder Köpfe mit alten T-Shirts ab und gehen ein Bier trinken. Ganz nach dem Motto: War was?

Völlig anders verhält es sich mit Befindlichkeiten, die sie nicht selbst hervorgerufen haben oder die keine Narben verursachen, mit denen man in Umkleidekabinen oder bei Söhnen nicht angeben kann und die von selbst und innen heraus entstanden sind. Blut ist sexy. Mit einem fehlenden Finger kann man immer noch alles machen, was fürs Mann-Sein so nötig ist. Mit Halsweh, Schnupfnase oder Husten hingegen kann man nichts. Überhaupt nichts. Nur sterben möglicherweise. Und zwar schneller, als einem lieb ist.

Eine verstopfte Nase ist – bedrohlich. Lebensgefährlich.

Damit ist nicht zu spaßen. Das erfordert sofortige Maßnahmen. Mindestens absolute Bettruhe – wobei Ruhe relativ ist und maximal die Belästigung durch sprechende Ehefrauen oder spielen wollende Kinder beinhaltet, aber in keinster Weise die Fähigkeit beeinträchtigt, Sportsendungen im Fernsehen zu verfolgen. In maximaler Lautstärke. Ganz im Gegenteil: Es gibt Studien, die belegen, dass Sportsendungen sich positiv auf den Genesungsprozess auswirken und die Lebensdauer eines dahinsiechenden männlichen Wesens erheblich verlängern. Erheblich! Zur Not geht auch irgendwas auf DMAX.

Es gibt übrigens einen Ausruf, einen Initialmoment, der – aufgrund seiner Lautstärke und Brisanz – sofort die Welt aus ihren Angeln hebt. Er hat schon Ehen zerstört, große Unternehmen ruiniert und politische Krisen hervorgerufen. Er ist kurz, kraftvoll und hat genügend Power, die Zeit anzuhalten. Nein, danach ist nichts mehr, wie es war.

Und er läutet die Apokalypse aka Männergrippe ein. Beiname: die gemeine. Wir sprechen von: »Hatschi!«

Ja, Männergrippe ist bedrohlich – und zwar für Männer und Frauen gleichermaßen. Die einen leiden und die anderen erst recht. Aber wie kann man eine gewöhnliche Erkältung überhaupt von einer wirklich bedrohlichen Männergrippe unterscheiden? Und wie kann Betroffenen geholfen werden, diese schwere Krankheit ohne nachhaltige Schäden beiderseits zu überstehen?

Anna und ich sind beide verheiratet, wir haben insgesamt acht Kinder (ja, auch Söhne dabei), eine von uns hat als HNO-Ärztin gearbeitet (Anna) und eine als Heilpraktikerin (ich, Lucinde). In diesem Büchlein suchen wir die Wahrheit über die Männergrippe, gehen der Frage nach, ob auch Frauen Männergrippe bekommen können, ob andere Kontinente ebenfalls betroffen sind (denn dann müsste man selbstverständlich von einer Pandemie sprechen), wir fragen uns, wie man am besten damit umgeht und ob es evolutionäre Rechtfertigungen für dieses Phänomen, pardon, diese Bedrohung der männlichen Menschheit gibt. Wir sammeln wertvolle Tipps von Betroffenen, Erfahrungsberichte und spenden Trost und Mitleid. Sehr viel Mitleid.

Männer, wir sind bei euch. Wir lassen euch nicht im Stich. Die Männergrippe existiert! Natürlich! Ihr seid die Allerärmsten!

Frauen, wir sprechen später.

Lucinde & Anna

PS: Natürlich ersetzt dieses Buch nicht den Gang zum Arzt, Männer! Jeder Mann, jede Männergrippe ist anders. Bitte unterschätzt die Symptome nicht, solltet ihr wirklich welche haben – und am besten: Bleibt gesund!

TEIL 1

Die Anatomie der Männergrippe

KAPITEL 1

TMG statt PMS – Genetik und Hormone

Kleine Fallgeschichte

Sarah P., Felix N. (beide 28), München:

»Ooooooh, Sarah! Ich … Sarah, ich … es geht mir so schlecht, ich …«

»Um Gottes willen, Felix! Was ist passiert? Hast du dich verletzt? Bandscheibe? Nierenkolik? Sag doch was, Schatz!«

»Nein, ich … Sarah … oh bitte, sprich nicht so laut!«

»Felix, komm schon! Was ist passiert? Ich habe Angst!«

»Oooooh, Sarah, mein Kopf! Meine Glieder! Oh, und mir ist so schwindelig!«

»Bist du gestürzt? Soll ich den Notarzt rufen? Kann ich …«

»Nein … nicht gestürzt … ich … kannst du mal meine Stirn fühlen? Ich glaube …«

»Fieber? Felix, deine Stirn ist ganz normal. Du siehst auch ganz normal aus, vielleicht ein bisschen … Schnupfen? Felix? Hallo? Taschentücher sind in der Schublade mit dem Thermometer, aber das weißt du doch.«

»Ja, schon, aber … oh, könntest du mir beides holen? Und bitte gleich auch noch ein kühles Tuch für meine Stirn, eine Zitronenlimo … vielleicht … mit Strohhalm … und wenn es nicht zu viel verlangt ist: ein Honigbrot in mundgerechten Stückchen?«

»Äh …«

»Oh, Sarah, ich fühle mich so schwach. So elend. So krank. Ich glaube, ich kann heute nicht zur Arbeit gehen. Und hör mal meine Stimme! Ich krächze ja auch fürchterlich! Ich muss bestimmt sterb…«

»Felix!«

»Doch, doch! Du musst nur genauer hinhören! Kannst du vielleicht auch bei der Arbeit anrufen?«

»Ich soll für dich …?«

»Bitte! Ich flehe dich …«

»Schon gut, schon gut. Ich ruf’ ja schon an. Noch was?«

»Hast du schon mal Hühnersuppe gekocht?«

»Hühnersuppe?«

»Ja, da gibt es dieses Rezept von meiner Mutter, das …«

»Felix?«

»Ja?«

»Am besten wir rufen deine Mutter gleich an und fragen sie, ob sie nicht vorbeikommen und sich um ihren todkranken Sohn kümmern möchte.«

»Echt jetzt? Das würdest du für mich tu…«

»Ganz ehrlich? NEIN. Ich gehe jetzt arbeiten. Und wenn du deine Mutter und deinen Chef benachrichtigen willst, dann mach das. Und zwar selbst. Und nach der Arbeit gehe ich mit Nicky auf einen Drink. Oder fünf.«

»Mann, Sarah! Ich bin echt krank! Warum bist du denn so mies drauf? Frauen, echt! Immer das Gleiche. Hast du deine Tage oder was?«

Dass sich Männer und Frauen unterscheiden, ist ja kein Geheimnis. Nur der Korrektheit halber: Es hat allerdings nichts mit der Fähigkeit zu tun, einen Personenkraftwagen in eine viel zu kleine Parklücke zu zwängen, nur um sich hinterher aufzuführen, als hätte man dafür mindestens den Nobelpreis verdient.

Nein, wir sprechen hier von etwas Großem. Wichtigem. Grundsätzlichem. Und zwar zuallererst von der Genetik. Chromosomen und so. Natürlich wollen wir es damit nicht übertreiben, aber ein paar winzige Erklärungen schaden ja auch nicht. Schließlich wollen wir die Männer und ihre Befindlichkeiten ja verstehen. Sie können nämlich nichts dafür, dass sie so sehr leiden. Um es genau zu nehmen, können sie genauso wenig dafür, wie wir Frauen für das grausame prämenstruelle Syndrom, kurz PMS, das uns einmal im Monat lahmlegt und dem Männer gern mit Unverständnis und Missfallen begegnen. Aber wir wollen es besser machen. Denn wir weiblichen Wesen, die wir empathiebegabt durchs Leben gehen, können hier eine große Versöhnung herbeiführen und müssen uns fortan nie wieder über unsere Männer ärgern, lustig machen oder uns fragen, wie aus dem Held in schimmernder Rüstung nur so ein Weichei werden konnte. Also, wenn der Nobelpreis schon an irgendjemanden geht, dann an uns Frauen. Und zwar für Frieden, Verständnis, Geduld und Wohlwollen.

Fangen wir an: Egal ob Mann oder Frau – wir haben alle 23 Chromosomenpaare, die man in jedem Haar, jeder Hautzelle und einfach überall in unserem Körper exakt gleich wiederfinden könnte, wenn man sich die Mühe machen würde, danach zu suchen.

In diesen Chromosomen finden sich alle Informationen, die den jeweils einzigartigen Menschen zu dem machen, was er ist. Ein Chromosomenpaar besteht aus zwei Chromosomen. Bei Frauen sind es zwei X-Chromosomen und bei Männern einmal X und einmal Y. Genetiker haben nachgewiesen, dass auf den X-Chromosomen mehr Gene liegen, die für die Immunabwehr zuständig sind. Das heißt, wir Frauen sind einfach besser aufgestellt, was das Immunsystem angeht. Rein optisch steht XX natürlich sowieso schon viel stabiler als XY da, oder? Dem Y fehlt ja auch ein Bein. Hätten sie uns gefragt, wir hätten es ihnen gleich sagen können. So oder so: Frauen kommen mit Viren und Bakterien grundsätzlich also schon mal besser klar. Wir haben einfach das bessere Immunsystem. Das ist aber nicht nur ein Vorteil, denn gleichzeitig ist es so stark, dass es gern mal den eigenen Körper angreift, weshalb Frauen dafür eher Probleme mit Autoimmunerkrankungen haben, wie zum Beispiel Rheuma oder Hashimoto-Thyreoiditis, eine Entzündung der Schilddrüse. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nun zu den Hormonen. Ein Aufschrei geht durch die eine, maßgeblich testosterongesteuerte, Hälfte der Gesellschaft: Waaas?Hormone? Das sind doch die fiesen kleinen Dinger, die dafür sorgen, dass meine Freundin einmal im Monat so schlecht drauf ist und man nichts mit ihr anfangen kann!

Ja, in der Tat, Männer, das machen Hormone – in diesem Fall vor allem Progesteron und Östrogen. Die sorgen nämlich dafür, dass wir einen funktionierenden Zyklus haben, der es uns ermöglicht, Kinder zu bekommen. Was für ein großartiges Wunder und Geschenk der Natur, oder etwa nicht? So toll es aber ist, dass der weibliche Körper den Fortbestand der Menschheit sichert, so anstrengend sind die Nebenerscheinungen, denn diese Hormone bescheren vielen von uns in schwangerschaftsfreien Zeiten je nach Zyklustag ekelhafte Beschwerden wie Krämpfe, Rückenschmerzen, Migräne, Müdigkeit, Wasseransammlungen, Stimmungsschwankungen – und nicht zu vergessen Blutungen, die uns ein paar Tage lang das Leben schwer machen. Und das ist wirklich so. Messbar. Und vor allem: einmal im Monat, Männer!

Aber eigentlich könnt ihr froh darüber sein, denn dadurch kennen wir die Wirkung von Hormonen ziemlich gut und sind dementsprechend nachsichtig. Wenn uns nun also jemand erklärt, dass die tödliche Männergrippe, kurz TMG, ebenfalls durch Hormone ausgelöst wird – und zwar ganz genau so wie PMS –, dann freut euch über unser neu entflammtes Verständnis. Und arbeitet an eurem. Ähem.

Die Hormone sind aber nicht nur bei PMS und TMG beteiligt, sondern auch beim Muskelaufbau und Knochenwachstum, sie sind für den Stoffwechsel zuständig und regeln den Sexualtrieb, um nur einige ihrer lebenswichtigen Aufgaben zu nennen.

Männer und Frauen produzieren übrigens beide Östrogen und Testosteron, die jeweiligen Sexualhormone, allerdings in unterschiedlichen Mengen. Das weibliche Sexualhormon Östrogen regt, oh Freude, die Vermehrung der spezifischen Abwehrzellen an (die sogenannten B- und T-Zellen, im Gegensatz zu den Allesfresserzellen). In Superhelden-Personalunion ist die weibliche spezifische Immunabwehr also quasi Lara Croft.

Euer heiß geliebtes männliches Testosteron ist währenddessen eben mit anderen Dingen beschäftigt. Bärte. Muskeln. Tiefe Stimme. Megawichtig. Allein: Es kostet eben Immunkraft. Man muss Prioritäten setzen. (Ihr habt natürlich auch Lara Crofts, die euch verteidigen. Nur eben kleiner. Und schwächer. Und … mit mehr Haaren.)

Weil das weibliche Abwehrsystem eben dementsprechend schneller und aggressiver ist, werden wir schon mal weniger schnell kränklich. Außerdem reagieren Frauen auf Impfungen mit deutlich höherer Immunantwort – dank Lara.

Krank werden wir natürlich auch. Aber da müssen schon schwere Geschütze aufgefahren werden. Männer. Nicht weinen.

Das gute alte Testosteron ist also nicht wirklich eine gute Immununterstützung. Ganz im Gegenteil: Es sorgt nämlich sogar dafür, dass die sogenannten Toll-like-Rezeptoren, also die Türsteher des Immunsystems, verringert werden. Sie, die eigentlich dafür zuständig sind, die bösen Viren, Bakterien und Co. an Lara zu melden, die dann dafür sorgt, dass eure körpereigene Disco verteidigt wird, schauen dann weg, feilen sich die Fingernägel oder beschäftigen sich mit … Unwichtigem. Alle Bösewichte stürmen rein und sagen nicht Bescheid.

Arme Männer.

Und als würde das noch nicht reichen, ernähren die XY-Träger sich auch noch schlechter. Oh nein, nein – natürlich nicht während der Männergrippe, denn da werden sie ja von ihren sie liebenden Frauen umhegt und gepflegt, sondern sonst. Ganzjährig. Immer. Und sie lassen sich weniger gern impfen. Denn was das Testosteron ja auch noch echt gut draufhat, ist, dass es den Männern das Gefühl gibt, unsterblich zu sein. Na ja. Bis eben die TMG zuschlägt.

So ist es eben, Männer, jedes anständige Virus hat bei euch mehr Chancen als bei uns Frauen. Hormone, Gene, Ernährung, eine gewisse Abneigung gegen die Typen in den weißen Kitteln mit den spitzen Spritzen – das alles erklärt also, warum Männer leichter von Viren überwältigt werden als Frauen.

Aber WENN es uns Frauen erwischt, dann zeigen wir zumindest die gleichen Symptome wie die Männer. Also: Warum leiden Männer dennoch mehr? Sind sie etwa zusätzlich zu ihrem … nun ja, etwas minderbemittelten Immunsystem auch noch schmerzempfindlicher?

Natürlich hat sich die Wissenschaft auch auf diese Frage gestürzt und – tadaaa –, sie sind es … NICHT. Nicht schmerzempfindlicher. Ganz im Gegenteil. Und dafür ist verantwortlich? Was schon: das Testosteron! Muss hilfreich sein, wenn man die Zähne des Säbelzahntigers nicht ganz so heftig im Arm spürt. Tatsächlich sind Frauen die Sensibelchen. Und was lernen wir daraus?

Wir wagen es ja kaum auszusprechen, aber: Hier scheint die Psyche beteiligt zu sein. Dieses Zeug, mit dem Frauenköpfe so vollgestopft sind, dass sie Männern diese komplizierten Fragen stellen müssen, die sie beim besten Willen nicht beantworten können …

Männer – davon habt ihr auch etwas abbekommen! Seht gelegentlich einmal nach.

Noch Fragen?

Außer der nach den mundgerecht geschnittenen Honigbroten natürlich …

Übrigens: Annas und Lucindes ultimatives Hühnersuppenrezept ist auf Seite 247 zu finden.

KAPITEL 2

Vorsorge statt Sorge – wie man Infekte vermeidet

Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Die beste Vorbeugung gegen wirklich fiese Krankheiten ist – auch wenn einige das anders sehen – die Impfung dagegen. Die fast vollständige Ausrottung der Pocken ist dafür ein gutes Argument. Wer das anders sieht, darf sich aber auch gern einmal mit den in vielen Ländern – unter anderem Indien – nach wie vor sehr real existierenden Auswirkungen des Lyssavirus auseinandersetzen. Spätestens wenn es um die Tollwut geht, die vom Lyssavirus ausgelöst wird, sind sich praktisch alle über die Sinnhaftigkeit einer vorbeugenden Impfung einig.

Ärzte empfehlen Älteren, Kranken und Schwangeren, sich gegen die echte Grippe impfen zu lassen. Und zwar jeden Herbst von Neuem. Was – die gute Nachricht – die echte Grippe meistens erfolgreich verhindert. Warum aber muss man sich immer wieder impfen lassen? Reicht nicht ein Piks? Für zehn Jahre? Wie bei anderen anständigen Impfungen auch?

Und nun die schlechte Nachricht: Nein. Reicht nicht.

Dazu eine kurze und sehr lückenhafte Abhandlung über Abwehrzellen, denn die menschliche Immunabwehr ist unglaublich kompliziert und von der Wissenschaft keineswegs vollständig verstanden. Also: Abwehrzellen sind weiße Blutkörperchen, die ursprünglich alle von derselben Sorte Stammzellen abstammen. Dann aber bekommen sie alle ein unterschiedliches Training, und zwar in ihren Ausbildungsstätten, zum Beispiel den Mandeln und der Milz. Nach Ende der Ausbildung bilden sie eine sehr effektive und fein abgestimmte Köperarmee, die in den Blutgefäßen, in Organen und Gewebe patrouilliert und nach Angreifern sucht. Dabei gibt es die unspezifischen Abwehrzellen – so eine Art Müllabfuhr –, die alles fressen, was ihnen einigermaßen verdächtig vorkommt, darunter auch Bakterientrümmer und was sonst so in der Gegend herumliegt; auch sie sind wieder unterspezialisiert, so wie eine Putztruppe ja auch nicht alles reinigt – die einen machen die Fenster und die anderen die Böden. Grob gesagt. Und dann gibt es die spezifischen Zellen, das sind die B- und T-Lymphozyten, die haben schon etwas mehr auf dem Kasten. Die B-Lymphozyten stellen die Antikörper her, die feindliche Eindringlinge so markieren und zusammenklumpen können, dass die Fresszellen sie als Müll erkennen und beseitigen. Unter den spezifischen Abwehrzellen gibt es nun welche mit einem Gedächtnis. Und zwar merken sie sich die Viren, Bakterien oder Pilze, mit denen der Körper schon einmal sehr unangenehme Erfahrungen gemacht hat, und wenn sie das nächste Mal auf ihre Feinde treffen – paff! –, sind die Krankheitserreger weg vom Fenster, ehe sie wissen, wie ihnen geschieht.

Sie sind sozusagen die Navy SEALs unter den Immunzellen. Sie erinnern sich noch Jahre lang an bestimmte Erreger, manche ein ganzes Körperleben lang. Hat man zum Beispiel einmal die Windpocken oder auch die Masern durchlitten, ist das ein für alle Mal erledigt. Bei manchen Krankheiten hält diese Erinnerung nicht ein Leben lang vor, dazu gehört zum Beispiel der gemeine Keuchhusten. Das ist der Grund, warum Erwachsene manchmal einen bellenden und äußerst hartnäckigen Husten entwickeln, ohne darauf zu kommen, dass sie schlichtweg unter Keuchhusten leiden.

Leider können sie ungeimpfte Babys in diesem Zustand anstecken.

Ebenso wie als Reaktion auf eine Infektion erzeugt der Körper Erinnerungszellen auch als Reaktion auf eine Impfung, übrigens auch hier teils vermutlich lebenslang (Masern), teils nur für etwa zehn Jahre (Tetanus, Keuchhusten). Der einzige Unterschied zwischen Impfung und echter Infektion: Die Viren oder Bruchteile von Viren oder anderen Erregern, die dabei in die Muskeln gespritzt werden, machen nicht mehr krank. Deshalb ist eine Impfung gewissermaßen Krankheit light. Kein Fieber, keine Gliederschmerzen, kein Tod.

Impfungen verhindern viele Erkrankungen, und glücklicherweise auch viele, die früher die Menschen, besonders Kinder, dahingerafft haben. Hier folgt ein kleiner Umweg: Kinderkrankheiten heißen nämlich nicht so, weil es sozusagen die kleine Version von großen Krankheiten wäre oder diese Form von Krankheit harmlos, sondern weil sie so dermaßen ansteckend sind, dass man sie unweigerlich schon als Kind bekommt. Und als Erwachsener nicht mehr, weil man entweder immun ist (funktionierende Eliteabwehrzellen) oder eben tot.

Was nun aber für Masernviren gilt – ziemlich dämliche Virenvariante, sehen immer gleich aus –, gilt nicht für Grippeviren. Das sind Schlitzohren. Sie haben nämlich die unangenehme Eigenschaft, ihre Gestalt häufig zu ändern. Jedes Jahr, bei jeder neuen Grippewelle, sieht der Körper sich also ihm völlig unbekannten Viren gegenüber und hinkt mit seiner Abwehr immer hinterher. Man kann sich das in etwa so vorstellen, dass die Truppe der Erinnerungszellen, die Navy SEALs, schwer bewaffnet an sämtlichen Körperöffnungen steht und nach dem Feind Ausschau hält, während das Fußvolk seine üblichen Runden durch den Körper dreht.

Der Feind (in diesem Fall das Grippevirus) sah nun letztes Jahr noch etwa so aus wie ein Ork. Groß, hässlich und intensiv unsympathisch. Ergo hält man – so als Immunzelle – Ausschau nach etwas Orkartigem.

Weit und breit nichts, die Immunsoldaten scharren mit den Hufen. Keine Orks. Nichts Hässliches. Niemand sabbert ihnen das Gewehr voll.

Nur ein grinsendes Häschen hoppelt an den bis an die Zähne bewaffneten Soldaten vorbei. Sie beachten es gar nicht, denn der Feind hat bekanntlich keine weißen Plüschöhrchen und schon gar nicht solche netten vorstehenden Zähnchen.

Wenig später hat das Häschen, immer noch grinsend, seinen Plastiksprengstoff an der Zellwand deponiert und gezündet.

Bis die getäuschte und leider nicht sehr intelligente Armee der Abwehrzellen begriffen hat, dass das Häschen nicht so harmlos ist, wie es tut, sind schon viel mehr Hoppelhäschen mit Sprengstoff unterwegs. Sie vermehren sich nämlich, ganz wie die Häschen im echten Leben, rasend schnell. Das ist dann der Teil, in dem es dem gemeinen virenbefallenen Grippekranken wirklich schlecht geht.

Und der männliche Befallene an die Letzte Ölung denkt.

Irgendwann aber hat wenigstens das Fußvolk begriffen, was abgeht, und im Körper findet eine grausame Schlacht statt – das Fieber steigt, der Husten wird unerträglich, die Nase läuft und so weiter –, in deren Verlauf die Häschen besiegt werden und die Spezialeinheit sich mit neuen Waffen eindeckt (häschenspezifische statt orkspezifische; übertragen ins Immunsystem: Antikörper). Und dann folgt das Übliche: Abfieberung, schließlich Heilung, und schon ist der Mann wieder in der Lage, den Müll hinunterzubringen. Jedenfalls theoretisch.

Nächstes Jahr geht das Spiel dann von vorne los. Diesmal halten die Abwehrsoldaten – häschenspezifische Handgranaten in den Flossen – Ausschau nach niedlichen Plüschöhrchen.

Nirgendwo Häschen.

Nächstes Jahr sind es Mammuts.