Märchen aus Indien - Mary Frere - E-Book

Märchen aus Indien E-Book

Mary Frere

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Beschreibung

Erleben Sie die Märchen und Sagen aus aller Welt in dieser Serie "Märchen der Welt". Von den Ländern Europas über die Kontinente bis zu vergangenen Kulturen und noch heute existierenden Völkern: "Märchen der Welt" bietet Ihnen stundenlange Abwechslung. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis dieses Buches: 1. Punschkin. 2. Eine spaßhafte Geschichte. 3. Die tapfere Seventee Bai. 4. Der Sieg der Wahrheit. 5. Rama und Luxmann, oder die kluge Eule. 6. Die kleine Surja Bai. 7. Die Irrfahrten des Vicram Maharajah. 8. Weniger Ungleichheit, als man glaubt. 9. Panch-Phul-Ranee. 10. Wie die Sonne, der Mond und der Wind zu einem Mittagsessen gingen. 11. Singh Rajah und die kleinen listigen Schakale. 12. Der Schakal, der Barbier und der Brahmane, welcher sieben Töchter hatte. 13. Wie Du mir, so ich Dir. 14. Der Brahmane, der Tiger und die sechs Richter. 15. Der eigennützige Sperling und die obdachlosen Krähen. 16. Der tapfere Töpfer. 17. Das Rakshasschloß. 18. Der Blinde, der Taube und der Esel. 19. Muchie Lal. 20. Chundun-Rajah. 21. Sodewa Bai. 22. Chandra's Rache. 23. Wie die drei geschickten Männer die Geister überlisteten. 24. Der Aligator und der Schakal. Bemerkungen zu der Lebensbeschreibung der Erzählerin. Erster Theil. Zweiter Theil. Bemerkungen zu den Märchen. Erklärungen

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Es war einmal ein Rajah, der hatte sieben wunderschöne Töchter. Die waren alle gute Mädchen, doch die jüngste, Namens Balna1 war klüger als die anderen. Des Rajahs Frau starb, als sie noch ganz kleine Kinder waren. Und nun wuchsen die sieben armen Prinzessinnen auf ohne eine Mutter, welche auf sie achtete und für sie sorgte.

Die Rajahstöchter kochten täglich der Reihe nach ihres Vaters Mittagsessen2, während er abwesend war und sich mit seinem Minister über das Wohl des Staates berieth.

Zu der Zeit starb der Proudhan3 und hinterließ eine Wittwe und eine Tochter und jeden Tag, wenn die sieben Prinzessinnen ihres Vaters Mittagsmahl bereiteten, kamen die Wittwe und die Tochter des Proudhan und baten sich etwas Feuer vom Herde aus. Dann sagte Balna zu ihren Schwestern: "Schickt doch die Frau fort, schickt sie fort! Sie kann sich in ihrem eigenen Hause selbst ein Feuer anmachen. Wozu braucht sie etwas von uns? Erlauben wir ihr hierher zu kommen, müssen wir eines Tages dafür büßen." Aber die anderen Schwestern antworteten: "Sei still Balna, warum zankst Du immer mit der armen Frau? Will sie gern Feuer haben, so mag sie sich welches nehmen." Dann ging die Proudhanswittwe an den Herd, nahm sich ein paar Feuerspäne von demselben und warf, wenn Niemand hersah, ganz schnell etwas Lehm in die Schüsseln, die für die königliche Tafel bereit standen.

Nun hatte der König seine Töchter ungemein lieb. Seit dem Tode ihrer Mutter kochten sie täglich eigenhändig sein Essen, damit er nicht Gefahr lief von seinen Feinden vergiftet zu werden.

Als er nun das mit Lehm vermischte Essen bekam, glaubte er, sie seien nachlässig gewesen, da es ihm unwahrscheinlich schien, daß irgend Jemand absichtlich den Lehm hinein gethan haben sollte. Doch weil er sehr gutherzig war, mochte er sie deßwegen nicht tadeln, obgleich der Currie manchen Tag nach einander verdorben wurde.

Endlich beschloß er eines Tages sich zu verstecken, um seine Töchter während des Kochens zu beobachten und zu sehen, wie sie es machten. – Deßhalb begab er sich in das anstoßende Zimmer und beobachtete sie durch ein Loch in der Mauer.

Da sah er, wie seine sieben Töchter den Reis wuschen, den Currie zurecht machten und jede Schüssel, sobald sie fertig war, auf das Feuer stellten, damit sie koche. Da bemerkte er, daß die Proudhanswittwe an die Thür kam und um ein paar Feuerspähne bat, mit denen sie ihr Essen kochen könne. Balna wandte sich ärgerlich zu ihr und sprach: "Warum hast Du kein Brennholz in Deinem eigenen Hause, sondern holst Dir jeden Tag etwas von dem unsern? Schwestern, gebt der Frau kein Holz mehr. Sie mag sich selbst welches kaufen."

Da entgegnete die älteste Schwester: "Gönne doch der armen Frau das Holz und das Feuer, sie thut uns ja nichts zu Leide." Allein Balna erwiderte: "Erlauben wir ihr, so oft hierherzukommen, dann thut sie uns eines Tages etwas zu Leide und macht uns zum Lohn für unsere Freundlichkeit traurig."

Der Rajah sah darauf, wie die Proudhanswittwe zu der Stelle ging, wo sein ganzes Mittagsmahl sauber zubereitet stand, wie sie das Holz aufhob und ein wenig Lehm in jede Schüssel warf.

Darüber ergrimmte er sehr, ließ die Frau ergreifen und vor sich bringen. Doch als die Wittwe kam, erzählte sie ihm, sie habe diesen Streich nur gespielt, um eine Audienz bei ihm zu erhalten. Sie verstand ihre Worte so wohl zu setzen und machte sich durch ihre Schmeichelreden so beliebt bei ihm, daß der Rajah sie nicht bestrafte, sondern heirathete, und sie zu seiner Ranee machte, und von nun an wohnten sie und ihre Tochter im Palaste.

Die neue Ranee aber haßte die sieben armen Prinzessinnen, und hätte sie gern aus dem Wege geräumt, damit ihre Tochter alle ihre Kostbarkeiten erhalten und als einzige Prinzessin im Schlosse wohnen könne. Anstatt ihnen für die ihr bewiesene Freundlichkeit dankbar zu sein, bot sie all ihre Macht auf sie unglücklich zu machen. Sie gab ihnen nur Brod und davon nicht einmal satt zu essen und sehr wenig Wasser zu trinken, so daß die sieben armen, kleinen Prinzessinnen, die an ein behagliches Leben gewöhnt waren und ihr Leben lang gutes Essen und gute Kleider gehabt hatten, sehr elend und trostlos waren, und deßhalb gingen sie jeden Tag an das Grab ihrer verstorbenen Mutter und sagten mit Thränen:

"O Mutter, liebe Mutter, kannst Du Deine unglücklichen Kinder nicht sehen und weißt Du es nicht, wie unglücklich wir sind, und daß wir durch die Schuld unsrer grausamen Stiefmutter vor Hunger sterben werden?"

Als sie eines Tages also schluchzten und weinten, siehe, da wuchs ein wunderschöner Pomelobaum4 aus dem Grabe empor, der war mit frischen, reifen Pomelos bedeckt und die Kinder aßen ein paar Früchte und ihr Hunger ward gestillt. Von nun an rührten sie das schlechte Essen, das ihnen ihre Stiefmutter bereitete, nicht mehr an, sondern gingen jeden Tag zu ihrer Mutter Grab und aßen von den Pomelos, die dort auf dem wunderschönen Baume wuchsen.

Da sprach die Ranee zu ihrer Tochter: "Wie mag das zugehen? Jeden Tag sagen diese sieben Mädchen, sie brauchten kein Mittagsessen, und wollten nichts haben, und doch werden sie weder magerer noch sehen sie leidend aus. Nein, sie sehen besser aus, als Du. Ich kann das nicht begreifen." Und dann befahl sie ihr die sieben Prinzessinnen zu beobachten, um zu sehen, ob ihnen irgend Jemand etwas zu essen gäbe.

Als nun die sieben Prinzessinnen am folgenden Tage an das Grab ihrer Mutter gingen und von den Pomelos aßen, schlich ihnen die Proudhans-Tochter nach und sah, wie sie die Früchte pflückten.

Da sprach Balna zu ihren Schwestern: "Seht Ihr nicht, wie uns das Mädchen beobachtet? Wir wollen sie fortjagen oder die Pomelos verstecken, sonst hinterbringt sie alles ihrer Mutter, und dann wird es uns schlimm ergehen."

Die andern Schwestern aber sprachen: "O nein, sei nicht so unfreundlich, Balna. Das Mädchen wird nicht so grausam sein und es ihrer Mutter verrathen. Wir wollen sie lieber zu uns laden und ihr ein paar Früchte geben." Und dann riefen sie ihre Stiefschwester und gaben ihr einen Pomelo.

Kaum hatte sie denselben verzehrt, so ging sie heim zu ihrer Mutter und sagte dieser: "Ich wundere mich nicht, wenn die sieben Prinzessinnen das von Dir bereitete Essen nicht anrühren. Wächst doch bei ihrer Mutter Grab ein wundervoller Pomelobaum. Zu dem gehen sie jeden Tag und essen sich an Pomelos satt. Ich habe auch einen gegessen und der schmeckte mir besser, als je einer zuvor."

Ueber diese Nachricht ärgerte sich die böse Königin, blieb den ganzen folgenden Tag über auf ihrem Zimmer und erzählte dem Rajah, daß sie an heftigen Kopfschmerzen leide. Das bekümmerte den Rajah sehr, und er sprach zu seiner Frau: "Wie kann ich Dir helfen?" Sie antwortete: "Es giebt nur ein Mittel, um meine Kopfschmerzen zu vertreiben. Bei dem Grabe Deiner verstorbenen Frau wächst ein schöner Pomelobaum, den mußt Du hierher holen, mußt seine Wurzeln und Zweige kochen lassen und etwas von dem Wasser, in welchem er gekocht ist, auf meine Stirn thun, das wird die Schmerzen vertreiben." Da sandte der Rajah seine Diener aus, und die rissen den Pomelobaum mit sammt den Wurzeln heraus und erfüllten den Wunsch der Ranee. Und als man etwas von dem Wasser, in welchem er gekocht war, auf ihre Stirn that, sagte sie, nun sei ihr Kopfweh vorbei, und sie fühle sich vollkommen wohl.

Am andern Tage, als die sieben Prinzessinnen, wie gewöhnlich, zu dem Grabe ihrer Mutter gingen, war der Pomelobaum verschwunden. Da fingen sie alle bitterlich zu weinen an.

Nun war neben dem Grabe der Königin ein kleiner Teich, und wie sie so weinten, sahen sie, daß der Teich mit einer köstlichen, creme-artigen Masse, welche sich rasch zu einem dicken, weißen Kuchen verhärtete, angefüllt war. Als sie das sahen, wurden die Prinzessinnen froh, und aßen etwas von dem Kuchen, und er schmeckte ihnen. Am nächsten Tage ereignete sich dasselbe, und das ging viele Tage so weiter. Jeden Tag gingen die Prinzessinnen zu ihrer Mutter Grab und fanden den kleinen Teich angefüllt mit dem nährenden creme-artigen Kuchen. Da sprach die grausame Stiefmutter zu ihrer Tochter: "Ich weiß es nicht, wie es zugeht, ich habe den Pomelobaum, welcher auf der Königin Grab wuchs, abhauen lassen, und doch werden die Prinzessinnen nicht magerer, noch sehen sie traurig aus, obgleich sie nie das Mittagsbrod, welches ich ihnen gebe, essen. Ich kann mir nicht erklären, woher das kommt."

Und ihre Tochter sagte: "Ich will sie beobachten." Als die Prinzessinnen am folgenden Tage den creme-artigen Kuchen aßen, wer kam da zu ihnen? Niemand anders als ihrer Stiefmutter Tochter. Balna sah sie zuerst und sprach: "Seht Schwestern, da kommt das Mädchen wieder. Wir wollen uns um den Rand des Teiches setzen und ihr nicht gestatten, ihn zu sehen. Geben wir ihr etwas von unsrem Kuchen, dann wird sie nach Hause gehen und es ihrer Mutter erzählen, und dann wird es uns schlimm ergehen."

Die andern Schwestern glaubten jedoch, Balna sei unnöthigerweise argwöhnisch, und anstatt ihren Rath zu befolgen, gaben sie ihr etwas von dem Kuchen, und sie ging nach Hause und sagte ihrer Mutter alles wieder.