Maria Stuart. Ein Trauerspiel. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen - Friedrich Schiller - E-Book

Maria Stuart. Ein Trauerspiel. Textausgabe mit Anmerkungen/Worterklärungen E-Book

Friedrich Schiller

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Beschreibung

Friedrich Schillers im Jahr 1800 uraufgeführtes und 1801 publiziertes Trauerspiel in fünf Akten "Maria Stuart" gilt aufgrund seines vollendeten Aufbaus als Musterbeispiel des klassischen deutschen Dramas. Das Werk spielt in England im Jahr 1587. Schiller spitzt den Konflikt zwischen zwei großen, gegensätzlichen Frauen zu: Königin Elisabeth I. von England und ihre Rivalin um den Thron, die schottische Königin Maria Stuart. Anstatt sich allzu streng an die historischen Fakten zu halten, fügt er zusätzliche Figuren (etwa Mortimer) und Begebenheiten hinzu; damit verleiht er der an drei Tagen stattfindenden Handlung mehr Leben und Spannung, etwa durch die Begegnung der beiden Königinnen im dritten Akt, dem Höhepunkt von Schillers erfolgreichem Drama. Text aus Reclams Universal-Bibliothek mit Verszählung der gedruckten Ausgabe.

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Seitenzahl: 168

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Friedrich Schiller

Maria Stuart

Ein Trauerspiel

Reclam

Zu Schillers Maria Stuart gibt es in Reclams Universal-Bibliothek

• einen Lektüreschlüssel für Schülerinnen und Schüler (Nr. 15310, PDF 978-3-15-950117-8, Epub 978-3-15-960060-4)

• Erläuterungen und Dokumente (Nr. 8143)

• eine Interpretation in: Schillers Dramen in der Reihe »Interpretationen« (Nr. 8807)

1965, 2001, 2012 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartDurchgesehene Ausgabe 2001auf der Grundlage der neuen amtlichen RechtschreibregelnGesamtherstellung: Reclam, DitzingenMade in Germany 2017RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Markender Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-960034-5ISBN der Buchausgabe 978-3-15-000064-9

www.reclam.de

Personen

ELISABETH, Königin von England

MARIA STUART, Königin von Schottland, Gefangne in England

ROBERT DUDLEY, Graf von Leicester

GEORG TALBOT, Graf von Shrewsbury

WILHELM CECIL, Baron von Burleigh, Großschatzmeister

GRAF VON KENT

WILHELM DAVISON, Staatssekretär

AMIAS PAULET, Ritter, Hüter der Maria

MORTIMER, sein Neffe

GRAF AUBESPINE, französischer Gesandter

GRAF BELLIEVRE, außerordentlicher Botschafter von Frankreich

OKELLY, Mortimers Freund

DRUGEON DRURY, zweiter Hüter der Maria

MELVIL, ihr Haushofmeister

BURGOYN, ihr Arzt

HANNA KENNEDY, ihre Amme

MARGARETA KURL, ihre Kammerfrau

SHERIFF der Grafschaft

OFFIZIER DER LEIBWACHE

FRANZÖSISCHE UND ENGLISCHE HERREN

TRABANTEN

HOFDIENER der Königin von England

DIENER UND DIENERINNEN der Königin von Schottland

Erster Aufzug

Im Schloss zu Fotheringhay. – Ein Zimmer.

Erster Auftritt

HANNA KENNEDY, Amme der Königin von Schottland, in heftigem Streit mitPAULET, der im Begriff ist, einen Schrank zu öffnen, DRUGEON DRURY, sein Gehilfe, mit Brecheisen.

KENNEDY. Was macht Ihr, Sir? Welch neue Dreistigkeit!

Zurück von diesem Schrank!

PAULET.                                            Wo kam der Schmuck her?

Vom obern Stock ward er herabgeworfen,

Der Gärtner hat bestochen werden sollen

5

Mit diesem Schmuck – Fluch über Weiberlist!

Trotz meiner Aufsicht, meinem scharfen Suchen,

Noch Kostbarkeiten, noch geheime Schätze!

(Sich über den Schrank machend.)

Wo das gesteckt hat, liegt noch mehr!

KENNEDY.                                                       Zurück, Verwegner!

Hier liegen die Geheimnisse der Lady.

PAULET. Die eben such ich. (Schriften hervorziehend.)

10

KENNEDY.                               Unbedeutende

Papiere, bloße Übungen der Feder,

Des Kerkers traur’ge Weile zu verkürzen.

PAULET. In müß’ger Weile schafft der böse Geist.

KENNEDY. Es sind französische Schriften.

PAULET.                                                             Desto schlimmer!

15

Die Sprache redet Englands Feind.

KENNEDY.                                                   Konzepte

Von Briefen an die Königin von England.

PAULET. Die überliefr’ ich – Sieh! Was schimmert hier?

(Er hat einen geheimen Ressort geöffnet, und zieht aus einem verborgnen Fach Geschmeide hervor.)

Ein königliches Stirnband, reich an Steinen,

Durchzogen mit den Lilien von Frankreich!

(Er gibt es seinem Begleiter.)

20

Verwahrt’s, Drury. Legt’s zu dem Übrigen!

(Drury geht ab.)

KENNEDY. O schimpfliche Gewalt, die wir erleiden!

PAULET. Solang sie noch besitzt, kann sie noch schaden,

Denn alles wird Gewehr in ihrer Hand.

KENNEDY.

Seid gütig, Sir. Nehmt nicht den letzten Schmuck

25

Aus unserm Leben weg! Die Jammervolle

Erfreut der Anblick alter Herrlichkeit,

Denn alles andre habt Ihr uns entrissen.

PAULET. Es liegt in guter Hand. Gewissenhaft

Wird es zu seiner Zeit zurückgegeben!

30

KENNEDY. Wer sieht es diesen kahlen Wänden an,

Dass eine Königin hier wohnt? Wo ist

Die Himmeldecke über ihrem Sitz?

Muss sie den zärtlich weichgewöhnten Fuß

Nicht auf gemeinen rauen Boden setzen?

35

Mit grobem Zinn, die schlechtste Edelfrau

Würd es verschmähn, bedient man ihre Tafel.

PAULET. So speiste sie zu Sterlyn ihren Gatten,

Da sie aus Gold mit ihrem Buhlen trank.

KENNEDY. Sogar des Spiegels kleine Notdurft mangelt.

40

PAULET. Solang sie noch ihr eitles Bild beschaut,

Hört sie nicht auf, zu hoffen und zu wagen.

KENNEDY. An Büchern fehlt’s, den Geist zu unterhalten.

PAULET. Die Bibel ließ man ihr, das Herz zu bessern.

KENNEDY. Selbst ihre Laute ward ihr weggenommen.

45

PAULET. Weil sie verbuhlte Lieder drauf gespielt.

KENNEDY. Ist das ein Schicksal für die Weicherzogne,

Die in der Wiege Königin schon war,

Am üpp’gen Hof der Mediceerin

In jeder Freuden Fülle aufgewachsen.

50

Es sei genug, dass man die Macht ihr nahm,

Muss man die armen Flitter ihr missgönnen?

In großes Unglück lehrt ein edles Herz

Sich endlich finden, aber wehe tut’s,

Des Lebens kleine Zierden zu entbehren.

55

PAULET. Sie wenden nur das Herz dem Eiteln zu,

Das in sich gehen und bereuen soll.

Ein üppig lastervolles Leben büßt sich

In Mangel und Erniedrigung allein.

KENNEDY. Wenn ihre zarte Jugend sich verging,

60

Mag sie’s mit Gott abtun und ihrem Herzen,

In England ist kein Richter über sie.

PAULET. Sie wird gerichtet, wo sie frevelte.

KENNEDY. Zum Freveln fesseln sie zu enge Bande.

PAULET. Doch wusste sie aus diesen engen Banden

65

Den Arm zu strecken in die Welt, die Fackel

Des Bürgerkrieges in das Reich zu schleudern,

Und gegen unsre Königin, die Gott

Erhalte! Meuchelrotten zu bewaffnen.

Erregte sie aus diesen Mauern nicht

70

Den Böswicht Parry und den Babington

Zu der verfluchten Tat des Königsmords?

Hielt dieses Eisengitter sie zurück,

Das edle Herz des Norfolk zu umstricken?

Für sie geopfert fiel das beste Haupt

75

Auf dieser Insel unterm Henkerbeil –

Und schreckte dieses jammervolle Beispiel

Die Rasenden zurück, die sich wetteifernd

Um ihrentwillen in den Abgrund stürzen?

Die Blutgerüste füllen sich für sie

80

Mit immer neuen Todesopfern an,

Und das wird nimmer enden, bis sie selbst,

Die Schuldigste, darauf geopfert ist.

– O Fluch dem Tag, da dieses Landes Küste

Gastfreundlich diese Helena empfing.

85

KENNEDY. Gastfreundlich hätte England sie empfangen?

Die Unglückselige, die seit dem Tag,

Da sie den Fuß gesetzt in dieses Land,

Als eine Hilfeflehende, Vertriebne

Bei der Verwandten Schutz zu suchen kam,

90

Sich wider Völkerrecht und Königswürde

Gefangen sieht, in enger Kerkerhaft

Der Jugend schöne Jahre muss vertrauern. –

Die jetzt, nachdem sie alles hat erfahren,

Was das Gefängnis Bittres hat, gemeinen

95

Verbrechern gleich, vor des Gerichtes Schranken

Gefodert wird und schimpflich angeklagt

Auf Leib und Leben – eine Königin!

PAULET. Sie kam ins Land als eine Mörderin,

Verjagt von ihrem Volk, des Throns entsetzt,

100

Den sie mit schwerer Greueltat geschändet.

Verschworen kam sie gegen Englands Glück,

Der spanischen Maria blut’ge Zeiten

Zurückzubringen, Engelland katholisch

Zu machen, an den Franzmann zu verraten.

105

Warum verschmähte sie’s, den Edinburger

Vertrag zu unterschreiben, ihren Anspruch

An England aufzugeben, und den Weg

Aus diesem Kerker schnell sich aufzutun

Mit einem Federstrich? Sie wollte lieber

110

Gefangen bleiben, sich misshandelt sehn,

Als dieses Titels leerem Prunk entsagen.

Weswegen tat sie das? Weil sie den Ränken

Vertraut, den bösen Künsten der Verschwörung,

Und unheilspinnend diese ganze Insel

115

Aus ihrem Kerker zu erobern hofft.

KENNEDY. Ihr spottet, Sir – Zur Härte fügt Ihr noch

Den bittern Hohn! Sie hegte solche Träume,

Die hier lebendig eingemauert lebt,

Zu der kein Schall des Trostes, keine Stimme

120

Der Freundschaft aus der lieben Heimat dringt,

Die längst kein Menschenangesicht mehr schaute,

Als ihrer Kerkermeister finstre Stirn,

Die erst seit kurzem einen neuen Wächter

Erhielt in Eurem rauen Anverwandten,

125

Von neuen Stäben sich umgittert sieht –

PAULET. Kein Eisengitter schützt vor ihrer List.

Weiß ich, ob diese Stäbe nicht durchfeilt,

Nicht dieses Zimmers Boden, diese Wände,

Von außen fest, nicht hohl von innen sind,

130

Und den Verrat einlassen, wenn ich schlafe?

Fluchvolles Amt, das mir geworden ist,

Die unheilbrütend Listige zu hüten.

Vom Schlummer jagt die Furcht mich auf, ich gehe

Nachts um, wie ein gequälter Geist, erprobe

135

Des Schlosses Riegel und der Wächter Treu,

Und sehe zitternd jeden Morgen kommen,

Der meine Furcht wahr machen kann. Doch wohl mir!

Wohl! Es ist Hoffnung, dass es bald nun endet.

Denn lieber möcht ich der Verdammten Schar

140

Wachstehend an der Höllenpforte hüten,

Als diese ränkevolle Königin.

KENNEDY. Da kommt sie selbst!

PAULET.                                           Den Christus in der Hand,

Die Hoffart und die Weltlust in dem Herzen.

Zweiter Auftritt

MARIAim Schleier, ein Kruzifix in der Hand, DIE VORIGEN.

KENNEDY(ihr entgegeneilend).

O Königin! Man tritt uns ganz mit Füßen,

145

Der Tyrannei, der Härte wird kein Ziel,

Und jeder neue Tag häuft neue Leiden

Und Schmach auf dein gekröntes Haupt.

MARIA.                                                                   Fass dich!

Sag an, was neu geschehen ist?

KENNEDY.                                            Sieh her!

Dein Pult ist aufgebrochen, deine Schriften,

150

Dein einz’ger Schatz, den wir mit Müh gerettet,

Der letzte Rest von deinem Brautgeschmeide

Aus Frankreich ist in seiner Hand. Du hast nun

Nichts Königliches mehr, bist ganz beraubt.

MARIA. Beruhige dich, Hanna. Diese Flitter machen

155

Die Königin nicht aus. Man kann uns niedrig

Behandeln, nicht erniedrigen. Ich habe

In England mich an viel gewöhnen lernen,

Ich kann auch das verschmerzen. Sir, Ihr habt Euch

Gewaltsam zugeeignet, was ich Euch

160

Noch heut zu übergeben willens war.

Bei diesen Schriften findet sich ein Brief,

Bestimmt für meine königliche Schwester

Von England – Gebt mir Euer Wort, dass Ihr

Ihn redlich an sie selbst wollt übergeben,

165

Und nicht in Burleighs ungetreue Hand.

PAULET. Ich werde mich bedenken, was zu tun ist.

MARIA. Ihr sollt den Inhalt wissen, Sir. Ich bitte

In diesem Brief um eine große Gunst –

– Um eine Unterredung mit ihr selbst,

170

Die ich mit Augen nie gesehn – Man hat mich

Vor ein Gericht von Männern vorgefodert,

Die ich als meinesgleichen nicht erkennen,

Zu denen ich kein Herz mir fassen kann.

Elisabeth ist meines Stammes, meines

175

Geschlechts und Ranges – Ihr allein, der Schwester,

Der Königin, der Frau kann ich mich öffnen.

PAULET. Sehr oft, Mylady, habt Ihr Euer Schicksal

Und Eure Ehre Männern anvertraut,

Die Eurer Achtung minder würdig waren.

180

MARIA. Ich bitte noch um eine zweite Gunst,

Unmenschlichkeit allein kann mir sie weigern.

Schon lange Zeit entbehr ich im Gefängnis

Der Kirche Trost, der Sakramente Wohltat,

Und die mir Kron’ und Freiheit hat geraubt,

185

Die meinem Leben selber droht, wird mir

Die Himmelstüre nicht verschließen wollen.

PAULET. Auf Euren Wunsch wird der Dechant des Orts –

MARIA(unterbricht ihn lebhaft).

Ich will nichts vom Dechanten. Einen Priester

Von meiner eignen Kirche fodre ich.

190

– Auch Schreiber und Notarien verlang ich,

Um meinen letzten Willen aufzusetzen.

Der Gram, das lange Kerkerelend nagt

An meinem Leben. Meine Tage sind

Gezählt, befürcht ich, und ich achte mich

Gleich einer Sterbenden.

195

PAULET.                                     Da tut Ihr wohl,

Das sind Betrachtungen, die Euch geziemen.

MARIA. Und weiß ich, ob nicht eine schnelle Hand

Des Kummers langsames Geschäft beschleunigt?

Ich will mein Testament aufsetzen, will

200

Verfügung treffen über das, was mein ist.

PAULET. Die Freiheit habt Ihr. Englands Königin

Will sich mit Eurem Raube nicht bereichern.

MARIA. Man hat von meinen treuen Kammerfrauen,

Von meinen Dienern mich getrennt – Wo sind sie?

205

Was ist ihr Schicksal? Ihrer Dienste kann ich

Entraten, doch beruhigt will ich sein,

Dass die Getreun nicht leiden und entbehren.

PAULET. Für Eure Diener ist gesorgt. (Er will gehen.)

MARIA. Ihr geht, Sir? Ihr verlasst mich abermals,

210

Und ohne mein geängstigt fürchtend Herz

Der Qual der Ungewissheit zu entladen.

Ich bin, dank Eurer Späher Wachsamkeit,

Von aller Welt geschieden, keine Kunde

Gelangt zu mir durch diese Kerkermauern,

215

Mein Schicksal liegt in meiner Feinde Hand.

Ein peinlich langer Monat ist vorüber,

Seitdem die vierzig Kommissarien

In diesem Schloss mich überfallen, Schranken

Errichtet, schnell, mit unanständiger Eile,

220

Mich unbereitet, ohne Anwalts Hülfe,

Vor ein noch nie erhört Gericht gestellt,

Auf schlaugefasste schwere Klagepunkte

Mich, die Betäubte, Überraschte, flugs

Aus dem Gedächtnis Rede stehen lassen –

225

Wie Geister kamen sie und schwanden wieder.

Seit diesem Tage schweigt mir jeder Mund,

Ich such umsonst in Eurem Blick zu lesen,

Ob meine Unschuld, meiner Freunde Eifer,

Ob meiner Feinde böser Rat gesiegt.

230

Brecht endlich Euer Schweigen – lasst mich wissen,

Was ich zu fürchten, was zu hoffen habe.

PAULET(nach einer Pause).

Schließt Eure Rechnung mit dem Himmel ab.

MARIA. Ich hoff auf seine Gnade, Sir – und hoffe

Auf strenges Recht von meinen ird’schen Richtern.

235

PAULET. Recht soll Euch werden. Zweifelt nicht daran.

MARIA. Ist mein Prozess entschieden, Sir?

PAULET.                                                              Ich weiß nicht.

MARIA. Bin ich verurteilt?

PAULET.                                 Ich weiß nichts, Mylady.

MARIA. Man liebt hier rasch zu Werk zu gehn. Soll mich Der Mörder überfallen wie die Richter?

240

PAULET. Denkt immerhin, es sei so, und er wird Euch

In bessrer Fassung dann als diese finden.

MARIA. Nichts soll mich in Erstaunen setzen, Sir,

Was ein Gerichtshof in Westminsterhall,

Den Burleighs Hass und Hattons Eifer lenkt,

245

Zu urteln sich erdreiste – Weiß ich doch,

Was Englands Königin wagen darf zu tun.

PAULET. Englands Beherrscher brauchen nichts zu scheuen,

Als ihr Gewissen und ihr Parlament.

Was die Gerechtigkeit gesprochen, furchtlos,

250

Vor aller Welt wird es die Macht vollziehn.

Dritter Auftritt

DIE VORIGEN. MORTIMERPaulets Neffe, tritt herein und ohne der Königin einige Aufmerksamkeit zu bezeugen, zu Paulet.

MORTIMER. Man sucht Euch, Oheim.

(Er entfernt sich auf eben die Weise. Die Königin bemerkt es mit Unwillen und wendet sich zu Paulet, der ihm folgen will.)

MARIA.                                                      Sir, noch eine Bitte.

Wenn Ihr mir was zu sagen habt – von Euch

Ertrag ich viel, ich ehre Euer Alter.

Den Übermut des Jünglings trag ich nicht,

255

Spart mir den Anblick seiner rohen Sitten.

PAULET. Was ihn Euch widrig macht, macht mir ihn wert.

Wohl ist es keiner von den weichen Toren,

Die eine falsche Weiberträne schmelzt –

Er ist gereist, kommt aus Paris und Reims,

260

Und bringt sein treu altenglisch Herz zurück.

Lady, an dem ist Eure Kunst verloren! (Geht ab.)

Vierter Auftritt

MARIA. KENNEDY.

KENNEDY. Darf Euch der Rohe das ins Antlitz sagen!

O es ist hart!

MARIA(in Nachdenken verloren).

Wir haben in den Tagen unsers Glanzes

265

Dem Schmeichler ein zu willig Ohr geliehn,

Gerecht ist’s, gute Kennedy, dass wir

Dies Vorwurfs ernste Stimme nun vernehmen.

KENNEDY. Wie? so gebeugt, so mutlos, teure Lady?

Wart Ihr doch sonst so froh, Ihr pflegtet mich zu trösten,

270

Und eher musst ich Euren Flattersinn

Als Eure Schwermut schelten.

MARIA.                                                Ich erkenn ihn.

Es ist der blut’ge Schatten König Darnleys,

Der zürnend aus dem Gruftgewölbe steigt,

Und er wird nimmer Friede mit mir machen,

275

Bis meines Unglücks Maß erfüllet ist.

KENNEDY. Was für Gedanken –

MARIA.                                            Du vergissest, Hanna –

Ich aber habe ein getreu Gedächtnis –

Der Jahrstag dieser unglückseligen Tat

Ist heute abermals zurückgekehrt,

280

Er ist’s, den ich mit Büß und Fasten feire.

KENNEDY. Schickt endlich diesen bösen Geist zur Ruh.

Ihr habt die Tat mit jahrelanger Reu,

Mit schweren Leidensproben abgebüßt.

Die Kirche, die den Löseschlüssel hat

285

Für jede Schuld, der Himmel hat vergeben.

MARIA. Frischblutend steigt die längst vergebne Schuld

Aus ihrem leichtbedeckten Grab empor!

Des Gatten rachefoderndes Gespenst

Schickt keines Messedieners Glocke, kein

290

Hochwürdiges in Priesters Hand zur Gruft.

KENNEDY. Nicht Ihr habt ihn gemordet! Andre taten’s!

MARIA. Ich wusste drum. Ich ließ die Tat geschehn,

Und lockt ihn schmeichelnd in das Todesnetz.

KENNEDY. Die Jugend mildert Eure Schuld. Ihr wart

So zarten Alters noch.

295

MARIA.                                 So zart, und lud

Die schwere Schuld auf mein so junges Leben.

KENNEDY. Ihr wart durch blutige Beleidigung

Gereizt und durch des Mannes Übermut,

Den Eure Liebe aus der Dunkelheit

300

Wie eine Götterhand hervorgezogen,

Den Ihr durch Euer Brautgemach zum Throne

Geführt, mit Eurer blühenden Person

Beglückt und Eurer angestammten Krone.

Konnt er vergessen, dass sein prangend Los

305

Der Liebe großmutsvolle Schöpfung war?

Und doch vergaß er’s, der Unwürdige!

Beleidigte mit niedrigem Verdacht,

Mit rohen Sitten Eure Zärtlichkeit,

Und widerwärtig wurd er Euren Augen.

310

Der Zauber schwand, der Euren Blick getäuscht,

Ihr floht erzürnt des Schändlichen Umarmung

Und gabt ihn der Verachtung preis – Und er –

Versucht’ er’s, Eure Gunst zurückzurufen?

Bat er um Gnade? Warf er sich bereuend

315

Zu Euren Füßen, Besserung versprechend?

Trotz bot Euch der Abscheuliche – Der Euer

Geschöpf war, Euren König wollt er spielen,

Vor Euren Augen ließ er Euch den Liebling,

Den schönen Sänger Rizzio durchbohren –

320

Ihr rächtet blutig nur die blut’ge Tat.

MARIA. Und blutig wird sie auch an mir sich rächen,

Du sprichst mein Urteil aus, da du mich tröstest.

KENNEDY. Da Ihr die Tat geschehn ließt, wart Ihr nicht

Ihr selbst, gehörtet Euch nicht selbst. Ergriffen

325

Hatt Euch der Wahnsinn blinder Liebesglut,

Euch unterjocht dem furchtbaren Verführer,

Dem unglücksel’gen Bothwell – Über Euch

Mit übermüt’gem Männerwillen herrschte

Der Schreckliche, der Euch durch Zaubertränke,

330

Durch Höllenkünste das Gemüt verwirrend

Erhitzte –

MARIA.          Seine Künste waren keine andre,

Als seine Männerkraft und meine Schwachheit.

KENNEDY. Nein, sag ich. Alle Geister der Verdammnis

Musst er zu Hülfe rufen, der dies Band

335

Um Eure hellen Sinne wob. Ihr hattet

Kein Ohr mehr für der Freundin Warnungsstimme,

Kein Aug für das, was wohlanständig war.

Verlassen hatte Euch die zarte Scheu

Der Menschen, Eure Wangen, sonst der Sitz

340

Schamhaft errötender Bescheidenheit,

Sie glühten nur vom Feuer des Verlangens.

Ihr warft den Schleier des Geheimnisses

Von Euch, des Mannes keckes Laster hatte

Auch Eure Blödigkeit besiegt, Ihr stelltet

345

Mit dreister Stirne Eure Schmach zur Schau.

Ihr ließt das königliche Schwert von Schottland

Durch ihn, den Mörder, dem des Volkes Flüche

Nachschallten, durch die Gassen Edinburgs,

Vor Euch hertragen im Triumph, umringtet

350

Mit Waffen Euer Parlament, und hier,

Im eignen Tempel der Gerechtigkeit,

Zwangt Ihr mit frechem Possenspiel die Richter,

Den Schuldigen des Mordes loszusprechen –

Ihr gingt noch weiter – Gott!

MARIA.                                              Vollende nur!

355

Und reicht’ ihm meine Hand vor dem Altare!

KENNEDY. O lasst ein ewig Schweigen diese Tat

Bedecken! Sie ist schauderhaft, empörend,

Ist einer ganz Verlornen wert – Doch Ihr seid keine

Verlorne – ich kenn Euch ja, ich bin’s,

360

Die Eure Kindheit auferzogen. Weich

Ist Euer Herz gebildet, offen ist’s

Der Scham – der Leichtsinn nur ist Euer Laster.

Ich wiederhol es, es gibt böse Geister,

Die in des Menschen unverwahrter Brust

365

Sich augenblicklich ihren Wohnplatz nehmen,

Die schnell in uns das Schreckliche begehn

Und zu der Höll entfliehend das Entsetzen

In dem befleckten Busen hinterlassen.

Seit dieser Tat, die Euer Leben schwärzt,

370

Habt Ihr nichts Lasterhaftes mehr begangen,

Ich bin ein Zeuge Eurer Besserung.

Drum fasset Mut! Macht Friede mit Euch selbst!

Was Ihr auch zu bereuen habt, in England

Seid Ihr nicht schuldig, nicht Elisabeth,

375

Nicht Englands Parlament ist Euer Richter.

Macht ist’s, die Euch hier unterdrückt, vor diesen

Anmaßlichen Gerichtshof dürft Ihr Euch

Hinstellen mit dem ganzen Mut der Unschuld.

MARIA. Wer kommt?

(Mortimer zeigt sich an der Türe.)

KENNEDY.                         Es ist der Neffe. Geht hinein.

Fünfter Auftritt

DIE VORIGEN. MORTIMERscheu hereintretend.

MORTIMER(zur Amme).

380

Entfernt Euch, haltet Wache vor der Tür,

Ich habe mit der Königin zu reden.

MARIA(mit Ansehn). Hanna, du bleibst.

MORTIMER.

Habt keine Furcht, Mylady. Lernt mich kennen.

(Er überreicht ihr eine Karte.)

MARIA(sieht sie an und fährt bestürzt zurück).

Ha! Was ist das?

MORTIMER(zur Amme).      Geht, Dame Kennedy.

385

Sorgt, dass mein Oheim uns nicht überfalle!

MARIA(zur Amme, welche zaudert und die Königin fragend ansieht). Geh! Geh! Tu was er sagt!

(Die Amme entfernt sich mit Zeichen der Verwunderung.)

Sechster Auftritt

MORTIMER. MARIA.

MARIA.                                                        Von meinem Oheim!

Dem Kardinal von Lothringen aus Frankreich!

(Liest.)

»Traut dem Sir Mortimer, der Euch dies bringt,

Denn keinen treuem Freund habt Ihr in England.«

(Mortimern mit Erstaunen ansehend.)

Ist’s möglich? Ist’s kein Blendwerk, das mich täuscht?

391

So nahe find ich einen Freund und wähnte mich

Verlassen schon von aller Welt – find ihn

In Euch, dem Neffen meines Kerkermeisters,

In dem ich meinen schlimmsten Feind –

MORTIMER(sich ihr zu Füßen werfend).        Verzeihung

395

Für diese verhasste Larve, Königin,

Die mir zu tragen Kampf genug gekostet,

Doch der ich’s danke, dass ich mich Euch nahen,

Euch Hülfe und Errettung bringen kann.

MARIA. Steht auf – Ihr überrascht mich, Sir – Ich kann

400

So schnell nicht aus der Tiefe meines Elends

Zur Hoffnung übergehen – Redet, Sir –

Macht mir dies Glück begreiflich, dass ich’s glaube.

MORTIMER(steht auf).

Die Zeit verrinnt. Bald wird mein Oheim hier sein,

Und ein verhasster Mensch begleitet ihn.

405

Eh Euch ihr Schreckensauftrag überrascht,

Hört an, wie Euch der Himmel Rettung schickt.

MARIA. Er schickt sie durch ein Wunder seiner Allmacht!

MORTIMER. Erlaubt, dass ich von mir beginne.

MARIA.                                                                       Redet, Sir!

MORTIMER. Ich zählte zwanzig Jahre, Königin,

410

In strengen Pflichten war ich aufgewachsen,

In finsterm Hass des Papsttums aufgesäugt,

Als mich die unbezwingliche Begierde